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Beginn der Entscheidung

Gericht: Saarländisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 14.01.2004
Aktenzeichen: 5 U 457/03
Rechtsgebiete: BGB, PflVG, AKB


Vorschriften:

BGB § 426 Abs. 1
BGB § 426 Abs. 2
PflVG § 3 Nr. 2
PflVG § 9
AKB § 1 Abs. 4
Zum rückwirkenden Außerkraftreten vorläufiger Deckung.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 27.06.2003 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (Az.: 12 O 285/02) abgeändert und die Klage unter Aufhebung des Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts Saarbrücken vom 27.06.2002 (An.: 66 B 1329/02) abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. Dies gilt nicht für die Kosten des Vollstreckungsbescheides, welche der Beklagte zu tragen hat.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

I. Die Klägerin macht Regressansprüche wegen Leistungen geltend, die sie (nach einem vom Beklagten verursachten Verkehrsunfall) an einen Geschädigten aufgrund einer vorläufigen Deckungszusage zugunsten des Beklagten nach einem Verkehrsunfall erbracht hat. Der Beklagte beantragte bei der Klägerin im Jahr 2001 den Abschluss eines Kraftfahrzeughaftpflichtversicherungsvertrages für sein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen PS. Der Versicherungssschein, nach dem dem Vertrag die AKB der Klägerin (Bl. 61) zugrunde lagen, wurde am 21.8.2001 ausgefertigt (Bl. 56). Unter demselben Datum stellte die Klägerin dem Beklagten eine Prämienrechnung aus (Bl. 56), die unter der Bezeichnung "Haftpflichtversicherung" getrennt einen Erst- und einen Folgebeitrag und als Summe den "Einlösungsbeitrag" von 995,10 DM nannte. In einem Begleitschreiben (Bl. 40) zur Übersendung des Versicherungsscheins teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie werde den Betrag von 995,10 DM von dem Konto des Beklagten abbuchen.

Die Klägerin zog sodann - wie in zweiter Instanz vom Beklagten nicht mehr angegriffen wird - aufgrund der ihr erteilten Lastschriftermächtigung am 23.8.2001 den "Erstbeitrag" ein; am 4.9.2001 erfolgte jedoch mangels Deckung eine Rückbelastung. In der folgenden Zeit erteilte sie dem Beklagten eine Gutschrift ("Rückbeitrag", Schreiben vom 12.9.2001, Bl. 49) und mahnte Teilbeiträge in Höhe von insgesamt 972 DM an (Schreiben vom 2.10.2001 Bl. 54 und vom 28.11.2001 Bl. 41).

Der Beklagte verursachte am 12.8.2001 einen Verkehrsunfall. Den Schaden von 7.588,11 EUR ersetzte die Klägerin dem Geschädigten. In dieser Höhe nimmt sie bei dem Beklagten Rückgriff.

Das Landgericht hat einen am 27.6.2002 ergangenen Vollstreckungsbescheid gegen den Beklagten - nach Beweisaufnahme - mit dem angefochtenen Urteil vom 27.6.2003 aufrecht erhalten.

Der Beklagte trägt - wie schon in erster Instanz jedoch unter Benennung eines weiteren Zeugen (Bl. 112) - vor, der Versicherungsschein, der eine Belehrung über die Folgen der nicht rechtzeitigen Zahlung der Erstprämie enthielt, sei ihm "nicht zeitnah" nach der Ausstellung zugegangen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 27.6. verkündeten und am 3.7.2003 zugestellten Urteils des Landgerichts Saarbrücken., AZ: 12 O 285/02, die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe:

II. Die Berufung hat in der Sache Erfolg. Die Klage ist nicht begründet.

Der Klägerin steht kein Rückgriffsanspruch nach § 426 Abs.1,2 BGB, § 3 Nr.2, 9 PflVG, § 1 Abs.4 AKB gegen den Beklagten zu. Danach setzt der Regress des Versicherers voraus, dass die vorläufige Deckung rückwirkend außer Kraft getreten ist. Das ist der Fall, wenn der Versicherungsantrag unverändert angenommen, der Versicherungsschein aber nicht rechtzeitig eingelöst wird und der Versicherte die Verspätung zu vertreten hat.

1. Ob der Beklagte die Erstprämie vorwerfbar schuldig geblieben ist, kann dahinstehen. Allerdings hatten die Parteien eine monatliche Zahlungsweise der Versicherungsprämie vereinbart. Nach den ihrem Vertrag zugrunde liegenden Tarifbestimmungen für die Kraftfahrtversicherung setzte das die Erteilung einer Einzugsermächtigung voraus; sie galt auch für den ersten Beitrag von 32,10 DM. Unter einer solchen Bedingung trifft den Versicherer die vertragliche Nebenpflicht, die Lastschrifteinreichung vorab anzukündigen, wenn Zeitpunkt und/oder Höhe des Prämieneinzugs wie hier dem Versicherungsnehmer nicht im vorhinein zuverlässig bekannt sind, so dass er in Schwierigkeiten kommen kann, rechtzeitig Kontodeckung zu beschaffen (vgl. BGH VersR 1985, 447 f; OLG Köln, r+s 1988, 253).

Die Ankündigung des Lastschrifteinzugs erfolgte hier durch das Schreiben vom 21.08.2001 und die dazugehörige Rechnung (GA Bl. 40, 56).

Es bestehen schon erhebliche Zweifel, ob aus diesem Schreiben der Betrag, der zum Erhalt des Versicherungsschutzes aufgewendet werden musste, hinreichend klar erkennbar war. Zwar unterscheidet die Rechnung Erstbeitrag (32, 10 DM) und Folgebeiträge (963 DM); sie nennt als "Einlösungsbetrag" - nach versicherungsvertragsrechtlichem Verständnis also als Prämie, von deren Zahlung der Eintritt des Versicherungsschutzes abhängt - die Summe von 995,10 DM, die - zieht man die späteren Mahnungen der Klägerin heran - über die zum Zeitpunkt der Prämienrechnung geschuldeten Beiträge hinausging. Wenn daraus ein verständiger Versicherungsnehmer folgern würde, nur bei Zahlung von 995,10 DM erwerbe oder behalte er Versicherungsschutz - wodurch er von der Klägerin irregeführt würde - so lag das nicht fern.

Davon abgesehen hat die Klägerin weder dargelegt noch ist es feststellbar, dass dem dies bestreitenden Beklagten die Prämienrechnung zu dem Zeitpunkt, zu dem der Erstbeitrag seinem Konto belastet wurde (23./29. 08. 2003) (GA Bl. 33, 33R), bereits zugegangen war. Die Klägerin hat einen Zugangszeitpunkt selbst nicht dargetan und auf entsprechenden Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dies sei auch nicht möglich. Aus der vor dem Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme ergibt sich nur, dass die Zeugin K1 wegen dieser Beitragsrechnung "Anfang September" die Agentur Henrich angerufen habe (GA Bl. 76, 77), also zeitlich nach der Rückbelastung des Erstbeitrages. Auch ist es ohne weiteres denkbar, dass dem Beklagten ein unter dem 21.8.2001 ausgestellter Versicherungsschein, dem die Prämienrechnung beigefügt wurde, am 23.8.2001, dem Zeitpunkt der versuchten Einziehung des Erstbeitrags, noch nicht vorlag.

Auch das weitere Verhalten des Beklagten lässt eine schuldhafte Nichtzahlung der Erstprämie nicht erkennen. Selbst wenn man unterstellt, dass dem Beklagten Versicherungsschein und Rechnung Anfang September 2001 vorlagen, musste sich der Beklagte keinesfalls zu einer Zahlung veranlasst sehen oder auch nur für Kontodeckung sorgen. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass das weitere Schreiben der Beklagten vom 12. 09. 2001 (GA Bl. 49), welches ebenfalls die streitgegenständliche Versicherung betrifft, noch innerhalb der Zweiwochenfrist des § 1 Abs. 4 AKB bei dem Beklagten einging. Da daraus aber ein angebliches Prämienguthaben ersichtlich war, war aus der Sicht des Versicherungsnehmers weder eine Überweisung des Betrages noch ein weiteres Bemühen um eine hinreichende Deckung des Kontos geboten. Es mag sein, dass es sich bei dieser Abrechnung nur um eine buchhalterische Berichtigung nach der Stilllegung des Fahrzeuges gehandelt hat, wie es die Klägerin vorträgt (GA Bl. 59); dies ist der Rechnung als solcher indes nicht zu entnehmen. Die weiteren Rechnungen vom 02. 10. 2001 (GA Bl. 54) und vom 28. 11. 2001 (GA Bl. . 41) weisen die Erstprämie (für April 2001) ausdrücklich nicht als noch offenstehend aus.

2. Wegen der weitreichenden und für einen Versicherungsnehmer nicht selten existenzgefährdenden Folgen ist weitere Voraussetzung des rückwirkenden Wegfalls der vorläufigen Deckung aber vor allem, dass der Versicherungsnehmer über die Rechtsfolgen nicht fristgerechter Einlösung des Versicherungsscheines richtig und vollständig belehrt wird ( § 9 Satz 2 KfzPflVV; so schon BGH U.v. 17.4.1967 II ZR 228/64 BGHZ 47, 352: OLG Hamm, U.v. 30. 01. 1991, 20 U 263/90, NJW-RR 1991, 1046).

Eine solche - rechtzeitige - Belehrung fehlt. Die Belehrung muss nämlich ihrem Sinn nach erfolgen, bevor der Versicherer den Erstbeitrag einzuziehen versucht. Nur dann vermag sie ihm hinreichend deutlich zu machen, welches Risiko er bei fehlender Kontodeckung läuft.

Die Belehrung ist aber ausschließlich in dem Versicherungsschein enthalten. Ungeachtet der Frage, ob hieraus - wie das Landgericht annimmt - zwingend folgt, dass Prämienrechnung und Versicherungsschein gleichzeitig zugegangen sein müssen, kann dem Beklagten die unzureichende Deckung seines Kontos jedenfalls nicht vorgeworfen werden, wenn ihm die diesbezügliche Belehrung zeitlich erst nach dem Abbuchungsversuch der Klägerin zugegangen ist. Hier trägt die Klägerin vor (und hat dies nach Meinung des Landgerichts auch bewiesen), dass das Schreiben vom 21. 08. 2001 und der Versicherungsschein gleichzeitig an den Beklagten versandt wurden. Das mag sein. Wann diese Versendung erfolgt ist, ist jedoch nicht ersichtlich. Die Feststellung des Landgerichts, der Beklagte habe nicht bestritten, "den Versicherungsschein zeitnah nach Ausstellung erhalten zu haben"(GA Bl. 86) ist nichtssagend, weil zeitnah auch ein nach dem Abbuchungsversuch erfolgender Zugang sein kann. Mit der Rechtsprechung (OLG Hamm, Urteil vom 22. 11. 1995, 20 U 186/95, VersR 1996, 1408) ist im Übrigen davon ausgehen, dass (bereits das einfache) Bestreiten des Zugangs des Versicherungsscheins mit der Erstprämienanforderung beachtlich ist und den Versicherer zum Beweis (und natürlich erst Recht zur Darlegung) des Zugangszeitpunktes nötigt. Es geht zum Nachteil des Versicherers, wenn Schriftstücke, die Fristen in Lauf setzen sollen, nicht so verschickt werden, dass der Zeitpunkt ihres Zugangs dokumentiert wird. Soweit die Klägerin sich nicht zum Zugang des Versicherungsscheins erklärt - wozu die Darlegung, wann der Versicherungsschein das Haus der Klägerin verlassen hat, nicht ausreicht (OLG Hamm a.a.O.) - ist daher davon auszugehen, dass der Versicherungsschein und damit eine hinreichende Belehrung nicht vorlag, als die Klägerin erfolglos versucht hat, die Erstprämie einzuziehen.

Der Sachvortrag der Klägerin in dem - nicht nachgelassenen - Schriftsatz vom 17.12.2003 gibt keinen Anlass, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 700 Abs. 1, 344 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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