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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 13.06.2003
Aktenzeichen: 1 WF 334/02
Rechtsgebiete: FGG, BRAGO, ZPO, GKG


Vorschriften:

FGG § 12
FGG § 50 b
BRAGO § 128 Abs. 4
BRAGO §§ 31 ff.
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 3
ZPO § 613
ZPO § 613 Abs. 1
ZPO § 613 Abs. 1 S. 2
GKG § 12 Abs. 2 S. 1
GKG § 12 Abs. 2 S. 3
GKG § 19 a Abs. 1 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 WF 334/02

In der Familiensache

hat das Thüringer Oberlandesgericht in Jena, 1. Senat für Familiensachen, auf die Erinnerung des Rechtsanwalts B. vom 11.06.2001 gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle - Nichtabhilfeentscheidung vom 11.07.2001 - und auf die Beschwerde des Bezirksrevisors vom 25.09.2002 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Langensalza vom 29.08.2002

durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dünisch, Richterin am Oberlandesgericht Martin und Richter am Oberlandesgericht Mummert

am 13.06.2003

beschlossen:

Tenor:

1. Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Langensalza vom 29.08.2002 wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den weitergehenden Erstattungsantrag des Rechtsanwalts B. vom 23.01.2001 an das Amtsgericht -Familiengericht - Bad Langensalza zurückverwiesen.

2. Der Streitwert wird in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Bad Langensalza vom 20.12.2000 für die Folgesache elterliche Sorge auf 1500,- DM, entspricht 766,94 € festgesetzt.

3. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (Ziffer 1 : § 128 Abs. 5 BRAGO, Ziffer 2 : § 25 Abs. 4 GKG).

Gründe:

Das Amtsgericht - Familiengericht - Bad Langensalza hat der Antragstellerin mit Beschluss vom 11.12.1997 ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Ehescheidungsverfahren bewilligt und ihr Rechtsanwalt B. beigeordnet. Das Scheidungsurteil ist seit dem 20.12.2000 rechtskräftig.

Das Amtsgericht hat den Streitwert mit Beschluss vom 20.12.2000 auf 9500,- DM festgesetzt, wobei auf die elterliche Sorge 3000,- DM entfallen.

Unter dem 09.04.2001 hat Rechtsanwalt B. beantragt, die ihm aus der Landeskasse zu gewährende Vergütung auf 1680,26 DM, abzüglich eines bereits erhaltenen Vorschusses von 860,72 DM, mithin auf noch 819,54 DM festzusetzen.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Amtsgerichts hat mit Beschluss vom 29.05.2001 die noch zu gewährende Vergütung auf 490,68 DM festgesetzt.

Bei der Kostenfestsetzung wurde Rechtsanwalt B. die Erstattung der Beweisgebühr bezüglich der elterlichen Sorge versagt, da die Gewährung rechtlichen Gehörs keine Beweisaufnahme darstelle. Da lediglich der Umgang geregelt worden sei, berechne sich die Vergleichsgebühr nach einem Streitwert in Höhe von 1500,- DM.

Der dagegen eingelegten Erinnerung vom 08.06.2001 hat die zuständige Urkundsbeamtin des Amtsgerichts nach Anhörung des Bezirksrevisors vom 13.09.2001 nicht abgeholfen, sondern sie dem Senat vorgelegt. Die zuständige Richterin hat nach Rückgabe der Angelegenheit mit Beschluss vom 29.08.2002 die Vergütung des Antragstellervertreters auf insgesamt 1481,90 DM und auf einen verbleibenden Zahlbetrag in Höhe von 663,36 DM festgesetzt.

Dagegen wendet sich der Bezirksrevisor mit seiner Beschwerde vom 19.09.2002. Er führt an, das Gericht habe sich bei der Anhörung gemäß § 50 b FGG lediglich einen Einblick in die persönlichen Verhältnisse der Kinder verschaffen wollen. Die Anhörung sei offensichtlich nicht auf eine Beweisaufnahme ausgerichtet gewesen. Dies gelte auch für die Anhörung des Jugendamtes. Es sei zu unterscheiden zwischen der Sammlung des Tatsachenstoffes und der Beweiserhebung. Im Gegensatz zum Zivilprozess unterliege die Tatsachenstoffsammlung im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit dem Gericht gemäß § 12 FGG. Dass dies von Amts wegen geschehe, bedeute aber noch nicht, dass die Stoffsammlung einschließlich der informatorischen Anhörungen der Beteiligten und des Kindes generell als Beweisaufnahme zu qualifizieren sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die schriftsätzlichen Ausführungen vom 19.09.2002 (Bl. 94 f. d A).

Die vom Bezirksrevisor zugunsten der Staatskasse eingelegte Beschwerde ist nach § 128 Abs. 4 BRAGO zulässig und auch begründet, da eine Beweisgebühr nicht angefallen ist.

Die Frage, ob im Fall einer Anhörung zum Sorgerecht zusätzliche Gebühren anfallen, wird in der Rechtsrechung unterschiedlich beurteilt.

Nach altem Recht war das Verfahren über die elterliche Sorge Amtsfolgesache; das Sorgerecht wurde mit der Scheidung anhängig (§ 623 Abs. 3 S. 1 ZPO a. F.). Wurden die Eltern ohne Beweisbeschluss zum Sorgerecht gehört, so verdiente der Rechtsanwalt in der Regel keine Beweisgebühr.

Nach neuem Recht ist das Sorgerecht im Regelfall Antragsverfahren (§ 623 Abs. 1 S. 1 ZPO). Unter besonderen Umständen (Gefährdung des Kindeswohls) kann das Gericht von Amts wegen das Verfahren einleiten (§ 623 Abs. 3 S. 1 ZPO). Das bedeutet, dass ohne entsprechenden Parteiantrag im Regelfall eine Sorgerechtssache nicht anhängig ist und daher nach den allgemein geltenden Grundsätzen des Gebührenrechts keine der Gebühren der §§ 31 ff. BRAGO anfällt. Der Gesetzgeber hat in § 613 Abs. 1 S. 2 ZPO eine Anhörung der Eheleute zum Sorgerecht eingeführt, andererseits § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO, wonach eine Anhörung nach § 613 ZPO eine Beweisgebühr auslöst, unverändert gelassen (vgl. Dr. Müller - Rabe, Rechtsanwaltsgebühren bei Anhörung der Eltern zum Sorgerecht nach § 613 Abs. 1 S. 2 ZPO, FamRZ 2000, 137 f.)

In der Rechtsprechung wird daher die Ansicht vertreten, dass unabhängig davon, ob ein Sorgerechtsverfahren (durch Antrag oder von Amts wegen) anhängig ist, durch die Anhörung gemäß § 613 Abs. 1 S. 2 ZPO eine Beweisgebühr anfällt. Dies wird damit begründet, dass der Gesetzgeber bewusst und gewollt durch die Erweiterung der richterlichen Anhörung auf die elterliche Sorge eine Beweisgebühr ausgelöst hat. Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung (BT - Drucksache 13/4899, S. 161), wonach die vorgeschriebene Anhörung der Eltern eine Beweisgebühr auslöse (OLG Köln, FamRZ 2000, 1383; OLG Brandenburg, FamRZ 2000, 1384; OLG Saarbrücken, FamRZ 2000, 1385).

Dem steht die Ansicht gegenüber, dass eine Beweisgebühr nur in einem anhängigen Verfahren anfallen kann. Die durch § 613 Abs. 1 S. 2 ZPO seit Inkrafttreten des Kindschaftsreformgesetzes vom 01.07.1998 vorgeschriebene und vom Familiengericht auch durchgeführte Anhörung der Parteien eines Scheidungsverfahrens zur elterlichen Sorge führt noch nicht zur Einleitung eines Sorgerechtsverfahrens, sondern dient allein der Belehrung der Eltern und der Prüfung der Frage, ob aufgrund einer Gefährdung des Kindeswohls von Amts wegen ein Sorgerechtsverfahren einzuleiten ist. Die amtliche Begründung des Kindschaftsreformgesetzes rechtfertigt keine andere Beurteilung, da sich ihr ein eindeutiger Wille des Gesetzgebers nicht entnehmen lasse. Zwar spreche der Wortlaut auf den ersten Blick für den Anfall einer Beweisgebühr. Gebühren setzten jedoch einen Wert voraus, von dem sie errechnet werden. An einem solchen Wert fehle es jedoch, wenn sich durch die Anhörung zur elterlichen Sorge der Streitwert des Verfahrens nicht erhöhe. Im übrigen entstehe eine Beweisgebühr niemals isoliert und ohne dazugehörige Prozessgebühr (OLG Hamm, FamRZ 2001, 509; OLG Koblenz, FamRZ 2000, 509).

Der Senat schließt sich der Auffassung an, wonach, auch wenn ein Sorgerechtsverfahren anhängig ist, durch eine Anhörung der Eheleute zum Sorgerecht im Regelfall keine Beweisgebühr anfällt. Zum einen handelt es sich bei der Anhörung der Eltern im Rahmen eines anhängigen Sorgerechtsverfahrens nicht um die in § 613 Abs. 1 S. 2 ZPO vorgesehene Anhörung. Diese Anhörung ist gerade für den Fall vorgesehen, dass kein Verfahren anhängig ist (Müller - Rabe, a.a.O., S. 139).

Nach den Gesetzesmaterialien löst die Anhörung nach § 613 Abs. 1 S. 2 ZPO keine zusätzliche Gebühr, auch keine Beweisgebühr, aus und erhöht den Streitwert nicht. Dieser Wille des Gesetzgebers gilt unabhängig davon, ob ein Sorgerechtsverfahren anhängig ist oder nicht (OLG Frankfurt, FamRZ 2001, 506, 507 unter Hinweis auf BT - Drucksache 13/8511, S. 30). Die nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens vorgeschriebene Anhörung der Eltern ist, soweit Rechtsanwälte daran mitwirken, als eine zur Scheidung gehörige und nicht als eine selbständige, zusätzliche Gebühren auslösende Angelegenheit anzusehen (OLG Frankfurt, a.a.O.).

Die im Zuge der Neuregelung des § 613 Abs. 1 ZPO unterbliebene Einschränkung des § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO stelle ein redaktionelles versehen dar (OLG Frankfurt, a.a.O., Müller-Rabe, a.a.O., S. 138).

Im Übrigen ergäbe sich das nicht zu rechtfertigende Ergebnis, dass eine Anhörung im Verbund eine Beweisgebühr auslösen würde, eine solche im isolierten Sorgerechtsverfahren aber nicht (Müller - Rabe, a.a.O., S. 139).

Mehr als eine Anhörung der Beteiligten hat in den Terminen vom 06.03.2000 und 20.12.2000 auf keinen Fall stattgefunden. Den Protokollen ist nicht zu entnehmen, dass das Gericht sich mehr als einen persönlichen Eindruck verschafft hat. Der Richter hat nicht durch gezielte Fragen an das Kind, die Eltern, das Jugendamt oder eine sonstige Tätigkeit zu erkennen gegeben, dass über die Anhörung hinaus streitige Einzelfragen beweismäßig geklärt werden sollten.

Der zuständige Urkundsbeamte hat über den weiteren Festsetzungsantrag unter Beachtung obiger Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

Der Streitwert für die Folgesache elterliche Sorge war von Amts wegen auf 1500,- DM festzusetzen.

Gemäß § 25 Abs. 2 S. 3 GKG ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie innerhalb der bestimmten Frist eingelegt wird. Nach dieser Vorschrift ist die Änderung des Streitwertbeschlusses nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Da die Erinnerung innerhalb dieser Frist eingegangen ist, ist die Abänderung von Amts wegen auch nach Fristablauf zulässig (Hartmann, Kostengesetz, 32. Auflage, § 25 GKG, Rdnr. 73).

Im Verbundverfahren ist im Regelfall von einem Gegenstandswert in Höhe von 1500,- DM auszugehen, § 12 Abs. 2 S. 3 GKG. Nach § 19 a Abs. 1 S. 2 GKG sind die Kindesverfahren als Scheidungsverfahren auch dann als ein Gegenstand zu bewerten, wenn sie mehrere Kinder betreffen. Anhaltspunkte dafür, den Regelwert gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 GKG zu erhöhen, sind nicht ansatzweise ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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