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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 03.02.2003
Aktenzeichen: 1 Ws 380/02
Rechtsgebiete: StGB, StVollzG


Vorschriften:

StGB § 67 d Abs. 5 Satz 2
StVollzG § 24 Abs. 3
StVollzG § 84
StVollzG § 109
StVollzG § 109 Abs. 1
StVollzG § 115 Abs. 3
StVollzG § 116 Abs. 1
StVollzG § 151 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 Ws 380/02 (Vollz.)

In der Strafvollzugssache

wegen Absondung

hier: Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Meiningen vom 31.07.2002

hat der 1. Strafsenat des Thüringer Oberlandesgerichts durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Rachor, Richter am Oberlandesgericht Schulze und Richter am Amtsgericht stVDir Pesta

am 03. Februar 2003

beschlossen:

Tenor:

1. Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.

2. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 1.000 € festgesetzt.

Gründe:

Der Antragsteller ist als hauptamtlicher Bewährungs- und Gerichtshelfer tätig. Mit Beschluss des Landgerichts Meiningen vom 12.02.2000, Az.: 5 StVK 156/97 und 5 StVK 554/99, wurde im Strafvollstreckungsverfahren gegen S. W. Führungsaufsicht gem. § 67 d Abs. 5 Satz 2 StGB angeordnet und der Verurteilte wurde dem für seinen Wohnsitz zuständigen Bewährungshelfer, dem Antragsteller, unterstellt. Der Antragsteller wollte am 30.04.2002 den Verurteilten in der JVA Untermaßfeld aufsuchen. Durch Vollzugsbedienstete der Antragsgegnerin wurde er jedoch nicht in die Vollzugsanstalt eingelassen, da er nicht bereit war, sich absondern zu lassen.

Gegen diese Verfahrensweise richtete sich der noch am 30.04.2002 gefertigte und bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Meiningen am 06.05.2002 eingegangene Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 StVollzG, mit dem der Antragsteller zunächst folgende Anträge gestellt hat: "Ich bitte im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung nach § 109 des Strafvollzugsgesetzes festzustellen, daß mir der Zutritt am heutigen Tag in die JVA U. und insbesondere das nicht gewährte Gespräch mit dem Sozialdienst rechtswidrig verweigert worden ist und die JVA U. zu verpflichten, mir zukünftig den Kontakt als hauptamtlicher Bewährungshelfer zu Herrn W. zu ermöglichen, ohne daß ich mich generell einer 'Absondung' zu unterziehen habe.

Darüber hinaus bitte ich die JVA U. zu verpflichten, daß der Sozialdienst mich in meinen gesetzlichen Aufgaben als Bewährungshelfer im Rahmen der Führungsaufsicht zweckdienlich unterstützt."

Dieser Antrag wurde im weiteren Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer teilweise zurückgenommen und es wurde schließlich beantragt: "Die JVA U. wird verpflichtet, dem Antragsteller zukünftig den Kontakt als hauptamtlicher Bewährungshelfer zu Herrn W. zu ermöglichen, ohne dass sich der Antragsteller generell einer Absondung zu unterziehen habe."

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer diesen Antrag zurückgewiesen: Da die Verwaltungsvorschrift des Thüringer Ministeriums für Justiz und Europaangelegenheiten vom 07.11.1995 eine generelle Pflicht zur Absondung für Anstaltsbesucher vorsehe, sei das Verhalten der Bediensteten der JVA U., nach Ablehnung der Absondung durch den Antragsteller, diesem den Zutritt in die JVA zu verwehren, nicht zu beanstanden.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde.

Mit dem Rechtsmittel, das auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt wird, wird vorgetragen, dass die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts erforderlich sei. Es gehe um die Frage, ob die Sicherheitsgrundsätze der in Thüringen geltenden Verwaltungsvorschrift mit der Bestimmung des § 24 Abs. 3 StVollzG vereinbar seien. Grundsätzlich sei auch die Frage zu klären, ob ein generelles Absonden eines Angehörigen der Sozialen Dienste, Bewährungs- und Gerichtshilfe im Freistaat Thüringen zulässig ist, wenn dieser in Wahrnehmung seiner Dienstaufgaben einen Häftling der JVA besuchen muss. Insoweit sei auch zu klären, ob der Antragsteller als hauptamtlicher Bewährungshelfer unter den Personenkreis nach § 24 Abs. 3 StVollzG falle.

Mit der Rechtsbeschwerde wird beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller zukünftig den Kontakt als hauptamtlicher Bewährungshelfer zu Herrn W. zu ermöglichen, ohne dass sich der Antragsteller generell einer Absondung zu unterziehen habe.

Die Rechtsbeschwerde erfüllt die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG.

Zunächst ist klarzustellen, wovon die Strafvollstreckungskammer zutreffend ausgegangen ist, dass der Antragsteller als "Dritter" befugt ist, seine Rechte als Betroffener wegen einer Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzugs geltend zu machen (vgl. Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 9. Aufl., § 109 Rn. 15 m. w. N.).

Der Rechtsbeschwerde war aber der Erfolg zu versagen, ohne dass es einer inhaltlichen Prüfung des Begehrens des Antragsteller bedarf.

Der vom Beschwerdeführer in beiden Instanzen gestellte Antrag, die JVA U. zu verpflichten, dem Antragsteller zukünftig den Kontakt als hauptamtlicher Bewährungshelfer zu Herrn W. zu ermöglichen, ohne dass er sich generell einer Absondung zu unterziehen habe, erweist sich nämlich als nicht zulässig.

Der vorgenannte Antrag stellt zunächst weder eine Anfechtungsklage noch eine Verpflichtungsklage i. S. d. § 109 Abs. 1 StVollzG dar. Der Antrag ist auch nicht als Feststellungsantrag nach § 115 Abs. 3 StVollzG anzusehen. Vielmehr handelt es sich vorliegend um eine allgemeine Leistungsklage in der Form der vorbeugenden Unterlassungsklage: Der Antrag ist im Kern auf das Unterlassen einer generellen Absondung bei Besuchen des Strafgefangenen in der JVA gerichtet.

Die Zulässigkeit vorbeugender Unterlassungsklagen im Verfahren nach § 109 ff. StVollzG ist höchstrichterlich nicht eindeutig geklärt. Während das OLG Celle in seinem Beschluss vom 18.04.1980, 3 Ws 74/80 (StrVollz), vgl. NStZ 1981, 250 bei Franke, in einem obiter dictum vorbeugende Unterlassungsklagen im Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz als zulässig ansieht, hat das Hanseatische Oberlandesgericht im Beschluss vom 23.03.1979, Vollz (Ws) 7/79 (ZfStrVO SH 1979, 99) ausgesprochen, dass das im StVollzG enthaltene System des Rechtsschutzes für Gefangene - was gleichermaßen auch für Dritte zu gelten hat - keine allgemeine Unterlassungs- oder Feststellungsklage kennt. Die Unterlassung zukünftiger bestehender Maßnahmen könne nicht verlangt werden. In der Kommentarliteratur - Callies/Müller-Dietz, a. a. O., § 109 Rn. 6; AK-StVollzG Volckardt, § 109 Rn. 31; Schwind/Böhm, StVollzG, § 109 Rn. 25 - wird hingegen die vorbeugende Unterlassungsklage als zulässiger Rechtsbehelf angesehen, wobei allerdings an das Rechtsschutzbedürfnis gesteigerte Anforderungen gestellt werden (vgl. dazu auch OLG Nürnberg, BlfStrVollzK 1993, Nr. 4 - 5; 6).

Vorliegend ist eine vorbeugende Unterlassungsklage nicht bereits wegen fehlender Darstellung der Wiederholungsgefahr unzulässig. Zwar wird weder im Antrag auf gerichtliche Entscheidung noch in der Rechtsbeschwerde und weiteren Schriftsätzen des Antragstellers Wiederholungsgefahr ausdrücklich behauptet. Jedoch ergibt sich diese zweifelsfrei aus der Stellungnahme der JVA zu dem Antrag des Bewährungshelfers.

Die vorbeugende Unterlassungsklage ist als im Systems des StVollzG nicht enthaltene Klageart aber auf Fälle zu beschränken, in denen ein effektiver Rechtsschutz nur auf diesem Wege und nicht z. B. durch eine Feststellungsklage nach § 115 Abs. 3 StVollzG oder durch die Anfechtung einer späteren Maßnahme nach deren Erlass zu erreichen ist (so auch OLG Nürnberg, a. a. O.).

Der Antragsteller kann hier ein berechtigtes Interesse auf Feststellung nach § 115 Abs. 3 StVollzG geltend machen, ein solches Interesse kann ihm nicht abgesprochen werden. Jedoch ist ein derartiger Antrag vom Beschwerdeführer nicht gestellt worden. Warum er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, bedarf keiner Prüfung durch den Senat.

Hinzu kommt, dass sich der Antrag gegen derzeit nicht ausreichend konkretisierbare Maßnahmen auf dem Gebiet des Strafvollzugs wendet und auch deswegen nicht zulässig ist.

Die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Absondung des Beschwerdeführers kann vielmehr nur im konkreten Einzelfall entschieden werden. Wenn in der o. a. Entscheidung des OLG Nürnberg in Bezug auf eine Durchsuchung eines Gefangenen nach § 84 StVollzG für klar abgegrenzte Fallgruppen, z. B. Verteidigerbesuche, das Erreichen eines generellen Durchsuchungsverbots als unzulässig angesehen wird, muss dies auch für die vorliegende Fallgestaltung - Absondung eines Bewährungshelfers - gelten. Auch hier würde ansonsten die für eine Ermessensentscheidung wesentliche Einzelfallprüfung unterbleiben.

Nach alledem kann der Antragsteller sein Begehren mit dem gestellten vorbeugenden Unterlassungsantrag nicht in zulässiger Weise verfolgen.

In Bezug auf die o. a. Entscheidung des Hanseatischen OLG bedurfte es keiner Vorlage an den Bundesgerichtshof, denn der Senat brauchte die Frage der generellen Zulässigkeit einer vorbeugenden Unterlassungsklage nicht entscheidungserheblich und entgegen dieser Entscheidung beantworten.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war damit zu verwerfen.

Hinsichtlich der Berechtigung einer generellen Absondung eines Bewährungshelfers i. V. m. dem Aufsuchen eines Gefangenen neigt der Senat aber zu folgender Ansicht:

Nach übereinstimmender Auffassung von Rechtsprechung und Kommentarliteratur (vgl. OLG Hamm, MDR 1979, 428; Callies/Müller-Dietz, a. a. O., § 23 Rn. 6; AK-StVollzG Joester/Wegner, § 23 Rn. 8 ff.; Schwind/Böhm, StVollzG, § 24 Rn. 6), gehört der Antragsteller nicht zum Personenkreis nach § 24 Abs. 3 StVollzG. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für den Personenkreis, zu welchem der Antragsteller zuzurechnen ist, fehlt mithin. Die Anordnung der Absondung als qualitativ abgestufte und abgrenzbare Durchsuchungsmaßnahme dürfte jedoch auch gegenüber dem Personenkreis, der nicht § 24 Abs. 3 StVollzG unterfällt, von der Ermächtigungsgrundlage des § 151 Abs. 1 StVollzG und auch von der Anordnungsbefugnis des Anstaltsleiters zur Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit in den jeweiligen Justizvollzugsanstalten erfasst sein. Insbesondere wird die Anordnung der Absondung eines Bewährungshelfers nicht dessen Grundrechte nach Art. 2 Abs. 1 GG verletzen (vgl. hierzu - allerdings zur Absondung von Verteidigern - BVerfG, Vorprüfungsausschuss, ZfStrVO 1982, 377; BVerfG, NJW 1998, 296; OLG Nürnberg, StV 2002, 669).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 4 StVollzG, § 473 Abs. 1 StPO.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf §§ 48 a, 13 GKG.

Ende der Entscheidung

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