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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 07.07.2008
Aktenzeichen: 1 UF 134/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
Die Kosten der Zuziehung einer sachkundigen Hilfsperson (Steuerberater) können bei der Bemessung der Beschwer (Verpflichtung zur Auskunftserteilung) nur dann berücksichtigt werden, wenn der Auskunftspflichtige zu einer sachgerechten Auskunftserteilung (wegen Insolvenz) nicht in der Lage ist.

Das Amtsgericht hat den Schuldner als verpflichtet angesehen, die Auskünfte erstellen zu lassen. Gegen den Schuldner wurde bereits ein Zwangesgeld festgesetzt.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 UF 134/08

In der Familiensache

hat der 1. Familiensenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Parteina, Richterin am Oberlandesgericht Martin und Richter am Oberlandesgericht Knöchel

am 07.07.2008

beschlossen:

Tenor:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 3500,- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Kindesunterhalt für P., geboren am 20.11.1995 und F., geboren am 24.04.1993, in Anspruch genommene Beklagte wurde durch Teilurteil des Amtsgerichts Sömmerda vom 22.11.2005 verurteilt, der Klägerin

1.a) Auskunft zu erteilen über seine Bruttoeinkünfte aus seinem Gewerbebetrieb für den Zeitraum 2002 bis 2004 und eine entsprechende schriftliche systematische Aufstellung über seine Bruttoeinkünfte nebst Abzügen für Steuern und Erläuterungen dieser Abzüge aus seinem Gewerbetrieb für den Zeitraum 2002 bis 2004 vorzulegen;

b) Auskunft über seine sonstigen Einkünfte aus Steuererstattungen, insbesondere aus Kapitalvermögen unter Darlegung der Bruttoeinnahmen und der Abzüge nebst Erläuterungen dieser Abzüge für den Zeitraum 2002 bis 2004 zu erteilen und die entsprechenden Belage vorzulegen.

2. Die erteilten Auskünfte zu belegen

a) durch Vorlage etwaiger Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnung für die Jahre 2002 bis 2004

b) durch Vorlage seiner Einkommensteuererklärungen 2002 bis 2004 nebst vollständigen gesetzlich vorgeschriebenen Anlagen hierzu sowie der Steuerbescheide für die Veranlagungsjahre 2002 bis 2003.

Das Amtsgericht Sömmerda hat durch Beschluss vom 22.08.2007 gegen den Schuldner (Beklagten) zur Erzwingung der im vollstreckungsbaren Teilurteil des Amtsgerichts Sömmerda vom 22.11.2005 erfolgten Verurteilung ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- €, ersatzweise - für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann - für je 50,- € einen Tag Zwangshaft verhängt (Ziffer 1). Nach Ziffer 2 entfällt die Vollstreckung des Zwangsmittels, sobald der Schuldner der obigen Verpflichtung nachkommt.

Das Amtsgericht hat ausgeführt, zum einen sei nicht ersichtlich, warum ein Insolvenzverfahren als solches den Schuldner hindern sollte, durch einen Steuerberater die notwendigen Auskünfte erstellen zu lassen. Zudem werde die Behauptung der Schuldnerseite, man habe keine Mittel, um einen Steuerberater zu bezahlen, durch den eigenen Vortrag im Parallelverfahren vor dem Amtsgericht Erfurt zunichte gemacht, wo ausdrücklich Beweis durch die Steuerberater Altendorf und Heckel angeboten werde. Dort werde zusätzlich vorgetragen, dass nun wieder ein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit vorhanden sei.

Gründe, die den Schuldner vorliegend hindern könnten, seiner Verpflichtung aus dem Urteil vom 22.11. nachzukommen, seien dementsprechend nicht ersichtlich.

Gegen den Beschluss vom 22.08.2007, zugestellt am 11.09.2007, richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten (Senat, Az. 1 WF 382/07).

Der Beklagte hat vorgetragen, er habe bereits im laufenden Verfahren ausgeführt, dass ein Insolvenzverfahren für ihn mit Beschluss vom 24.02.2005 eröffnet worden sei und die Steuerfestsetzungen für die Jahre 2003 bis 2004 auf Schätzungen des Finanzamtes beruhten, da der Beklagte nicht in der Lage gewesen sei, entsprechende Unterlagen einzureichen. Er sei ihm zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich gewesen, die Kosten eines Steuerberaters zu finanzieren. Aufgrund des Insolvenzverfahrens besitze er auch für diesen Zeitraum keine Unterlagen mehr. Er sei also objektiv gehindert, rückwirkend diese Auskünfte zu erteilen.

Er habe sich zwischenzeitlich wieder selbständig gemacht; sein Steuerberater erstelle die Steuererklärungen zum jetzigen Zeitpunkt. Von ihm werde also eine unmögliche Leistung verlangt.

Der Senat hat den Beklagten mit Verfügung vom 08.04.2008 darauf hingewiesen, dass das Insolvenzverfahren gemäß § 16 InsO über das Vermögen des Beklagten am 23.02.2005 eröffnet wurde und noch nicht beendet ist.

Das Amtsgericht habe am 22.11.2005 ein Teilurteil erlassen, obwohl das Verfahren gemäß § 240 ZPO unterbrochen war. Die Unterbrechung trete kraft Gesetzes ein und sei von Amts wegen zu berücksichtigen. Ein trotz Unterbrechung erlassenes Urteil könne von jeder Partei mit dem zulässigen Rechtsmittel angefochten werden (Zöller/Greger, ZPO, 26. Auflage, § 240, Rdnr. 3).

Gegen das Teilurteil hat der Beklagte am 21.04.2008 Berufung eingelegt.

Mit Verfügung des Senates vom 14.05.2008 wurde der Beklagte aufgefordert, die Kosten mitzuteilen, die anfallen werden, wenn der Beklagte nachträglich die o.g. Unterlagen durch seinen Steuerberater erstellen ließe.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 06.06.2008 mitgeteilt, die Kosten für den Jahresabschluss 2003 und 2004 beliefen sich auf je 1716,- €. Hiervon entfielen je 460,- € auf Vorarbeiten und 1716,- € auf die Erstellung des Jahresabschlusses. Diese Kosten seien ihm im Jahre 2000 in Rechnung gestellt worden. Der geschätzte Jahresumsatz für die Jahre 2003 und 2004 entspreche dem für das Jahr 2000.

II.

Die Berufungssumme war, wie aus dem Tenor ersichtlich, festzusetzen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für die Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstandes bei der Verurteilung zur Auskunftserteilung das Interesse des Rechtsmittelführers maßgebend, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist - von dem vorliegend nicht hinreichend dargelegten Fall eines besonderen Geheimhaltungsinteresses abgesehen (vgl. BGH, FamRZ 2005, 1986, 1987) - auf den Aufwand an Zeit und Kosten abzustellen, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordert (BGH, FamRZ 2007, 1461).

Das hat im vorliegenden Fall zur Folge, dass die Kosten der Erstellung der Jahresabschlüsse, die der Beklagte mit 3432,- €, nämlich dem an seine Steuerberaterin hierfür zu zahlenden Honorar, beziffert hat, für die Bemessung der Beschwer maßgebend sind. Die Berufung versteht das Teilurteil des Amtsgerichts dahin, der Beklagte sei verurteilt worden, Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnung für die Jahre 2003 bis 2004 vorzulegen.

Diese Ansicht teilt offenbar auch das Amtsgericht, denn es hat ausgeführt, ein Insolvenzverfahren als solches hindere den Schuldner nicht, durch einen Steuerberater die notwendigen Auskünfte erstellen zu lassen. Zudem hat es gegen den Beklagten wegen Nichterfüllung der Auskunft- und Belegpflicht ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- € festgesetzt.

Da das Zwangsgeld bereits festgesetzt wurde, geht der Senat im vorliegenden Fall nicht davon aus, dass die Verurteilung, die Einkünfte durch "Vorlage etwaiger Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnung für die Jahre 2002 bis 2004" zu belegen, vielmehr dahin zu verstehen ist, dass der Beklagte diese Unterlagen vorzulegen, nicht aber herzustellen hat. Dieses Verständnis wird - anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall nicht durch die Entscheidungsgründe, die zur Auslegung herangezogen werden können, bestätigt. Dort (BGH, a.a.O.) führt das Amtsgericht aus, der Selbständige müsse für einen Zeitraum von drei Jahren Belege wie Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Steuererklärungen, dazugehörige Bescheide usw. vorlegen. Bereits aus dieser Formulierung ergibt sich, dass die Vorlage vorhandener, nicht dagegen erst zu erstellender Bilanzen geschuldet ist (vgl. BGH, FamRZ 1992, 45, 46). In dem vom BGH (FamRZ 2007, 1461) entschiedenen Fall wurde dem Beklagten aufgegeben, Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit zu belegen sowie Einnahme-Überschussrechnungen und damit Nachweise vorzulegen, die nicht kumulativ zur Verfügung stehen. Im vorliegenden Fall schuldet der Beklagte aber ausweislich der Urteilsformel Bilanzen nebst Gewinn- und Verlustrechnungen für die fraglichen Jahre. Die Urteilsformel lässt nicht erkennen, dass der Beklagte nur vorhandene Belege über sein Einkommen zur Verfügung zu stellen und nicht entsprechende Unterlagen erst herstellen zu lassen hat.

Die Kosten der Zuziehung einer sachkundigen Hilfsperson können berücksichtigt werden, wenn sie zwangsläufig entstehen, weil der Auskunftspflichtige selbst zu einer sachgerechten Auskunftserteilung nicht in der Lage ist (BGH, FamRZ 2007, 1090). Der Beklagte benötigt im vorliegenden Fall die Hilfe seiner Steuerberaterin zur Erstellung der geschuldeten Jahresabschlüsse.

Der Senat geht daher nicht davon aus, dass sich der Berufungswert aufgrund der Fassung des Tenors des Teilurteils zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung, auf den es für die Zulässigkeit seines Rechtsmittels im Grundsatz ankommt (BGHZ 1, 29; BGH, Beschluss vom 8. Juli 1987 IVb ZB 73/87 BGHR ZPO § 511 a Wertberechnung 2), darauf beschränkt, von der Klägerin zur Erfüllung der titulierten Verpflichtung angehalten zu werden und etwaigen Vollstreckungsversuchen unter Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe entgegentreten zu müssen, mit der Folge, dass lediglich das Zwangsgeld und die Vollstreckungskosten zu bewerten wären (BGH, FamRZ 2002, 666, 667 m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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