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Beginn der Entscheidung

Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 02.08.2007
Aktenzeichen: 1 WF 203/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 42
ZPO § 406
Sachverständigenablehnung wegen Überschreitung des Gutachterauftrages Sachverständigenablehnung wegen Einflussnahme des Sachverständigen auf das Verfahren und die Vorgehensweise des Richters.

Geht der Sachverständige mit seinen Feststellungen über den ihm erteilten Gutachtensauftrag hinaus, rechtfertigt dies einen Ablehnungsantrag wegen Befangenheit.

Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger kann wegen Befangenheit abgelehnt werden, wenn er den Prozessbeteiligten (hier dem Richter) unzulässigerweise den von für richtig gehaltenen Weg zur Entscheidung des Rechtsstreits weist.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT Beschluss

1 WF 203/07

In der Familiensache

hat der 1. Familiensenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 23.05.2007 gegen den Beschluss des Amtsgericht - Familiengericht - Heilbad Heiligenstadt vom 25.04.2007, zugestellt am 09.05.2007, durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Parteina, Richterin am Oberlandesgericht Martin und Richter am Oberlandesgericht Mummert

am 02.08.2007

beschlossen:

Tenor:

1. Unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Heilbad Heiligenstadt vom 25.04.2007 wird die Ablehnung des Sachverständigen R... auf Kosten der Antragstellerin für begründet erklärt.

2. Der Beschwerdewert beträgt 1000,- €.

Gründe:

I.

Die Parteien, die am 06.12.1997 die Ehe geschlossen haben, leben seit dem 02.12.2004 räumlich voneinander getrennt. Aus ihrer Ehe sind die Kinder M., geboren am 19.01.2001 und C., geboren am 02.03.1998, hervorgegangen. Die Kindesmutter hat bei ihrem Auszug die gemeinsamen Kinder mitgenommen.

Die Kinder sind am Ende der Osterferien 2005 bei dem Kindesvater verblieben. Nachdem die Kindesmutter in der Folgezeit versucht hat, die Kinder zu sich zurückzuholen, haben die Parteien wechselseitig mit Schriftsatz vom 07.04.2005 im einstweiligen Anordnungsverfahren beantragt, ihnen das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder zu übertragen.

Das Amtsgericht hat am 08.04.2005 - ohne mündliche Verhandlung - auf den Antrag der Kindesmutter entschieden, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder bis zur Entscheidung in der Hauptsache auf die Antragstellerin übertragen wird und dem Antragsgegner aufgegeben, die Kinder an die Antragstellerin herauszugeben (Az. F 81/05 EA). Das Amtsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, die Kindesmutter habe glaubhaft gemacht, der Antragsgegner übe das Sorgerecht missbräuchlich aus und gefährde dadurch das Kindeswohl. Die Kinder würden vom Antragsgegner geschlagen, die Mutter im Beisein der Kinder auf das übelste beschimpft und die Kinder gegen deren Willen beim Kindesvater festgehalten werden.

Gegen den Beschluss vom 08.04.2005 hat der Kindesvater mit Schriftsatz vom 13.04.2005 Beschwerde eingelegt.

Das Amtsgericht hat im Termin vom 11.05.2005 darauf hingewiesen, dass beide Parteien schildern, dass hier körperliche Übergriffe auf die Kinder vorgenommen worden sind, ohne dass der jeweils andere Elternteil eingeschritten ist, so dass nicht auszuschließen ist, dass sowohl der eine wie auch der andere Ehepartner diese körperlichen Übergriffe vorgenommen hat, gegebenenfalls auch beide Parteien die Kinder geschlagen haben. Das Amtsgericht hat zugunsten der Kindesmutter ein Umgangsrecht angeordnet und Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung auf den 22.06.2005 bestimmt.

In dem Hauptsacheverfahren hat die Kindesmutter mit Schriftsatz vom 07.04.2005 beantragt, ihr das Sorgerecht, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen. Der Kindesvater hat mit Schriftsatz vom 15.03.2005 beantragt, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder zu übertragen.

Im Termin vom 22.06.2005 haben die Parteivertreter erklärt, die beiden ersten Umgangskontakte seien gut gelaufen. Probleme seien erst am Ende des 2. Besuchswochenendes aufgetreten, nachdem der Antragsgegner ein blaues Auge davon getragen habe und behauptet habe, der Vater der Antragstellerin habe ihn geschlagen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 22.06.2005 ein Sachverständigengutachten zu der Frage in Auftrag gegeben, bei welchem Elternteil die Kinder ihren Aufenthalt unter Berücksichtigung des Kindeswohls am ehesten nehmen sollten und den Sachverständigen Dipl.-Psych. R. mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt.

Die Parteien haben im Termin vom 17.05.2006 vor dem Amtsgericht zugunsten der Kindesmutter einen wöchentlichen Umgangskontakt jeweils montags in der Zeit von 14.00 bis 18.00 Uhr, beginnend mit dem 23.05.2006, vereinbart. Der Umgang sollte dergestalt stattfinden, dass die Kinder durch die Umgangspflegerin der Kindesmutter übergeben werden. Nachdem die Umgangskontakte zunächst unproblematisch anliefen, gab es seit Anfang August 2006 Schwierigkeiten, nachdem die Umgangspflegerin urlaubsbedingt die Übergabe der Kinder nicht wahrnehmen konnte.

Die Kindesmutter hat sich während der Erstellung des Gutachtens mit drei Schreiben an den Sachverständigen gewandt (Bl. 185 - 195, 199 - 200 der Gerichtsakte), die sich bei der Gerichtsakte befinden und von denen die Gegenseite keine Abschriften erhalten hat.

Das Amtsgericht hat am 09.11.2006 Termin zur mündlichen Verhandlung in dem Sorgerechtsverfahren für den 13.12.2006 anberaumt.

Der Sachverständiger R. hat der Richterin am 23.11.2006 telefonisch mitgeteilt, er empfehle die Kinder unmittelbar nach der Verhandlung der Kindesmutter zu übergeben. Eine Begleitung durch das Jugendamt für zwei bis drei Stunden erscheine angebracht, um die Kinder zu beruhigen. Am 28.11.2006 ist das Sachverständigengutachten R. mit einem Umfang von 291 Seiten bei Gericht eingegangen. Das Gutachten wurde am 08.12.2006 an die Beteiligten weitergeleitet und ist am 11.12.2006 bei dem Bevollmächtigten des Kindesvaters eingegangen.

Das Gericht hat am 23.11.2006 das Jugendamt gebeten, eine organisatorische Begleitung von 2 - 3 Stunden nach dem Termin sicherzustellen.

Der Vertreter des Kindesvaters hat am 12.12.2006 beantragt, den Verhandlungstermin zu verlegen, da er das umfangreiche Sachverständigengutachten, das ihm am 11.12.2006 zugestellt worden sei, bis zum Termin nicht durcharbeiten könne.

Mit Schriftsatz vom 12.12.2006 hat die Antragstellerin erneut den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, des Rechts der Gesundheitsfürsorge, des schulischen Bereichs und des sozialrechtlichen sowie sozialversicherungsrechtlichen Bereichs für die gemeinsamen Kinder der Parteien sich sowie die Herausgabe der gemeinsamen minderjährigen Kinder beantragt.

Die Schriftsätze wurden dem Antragsgegner im Termin am 13.12.2006 übergeben; ihm wurde antragsgemäß eine Schriftsatzfrist von einer Woche bewilligt.

Das Amtsgericht hat die Beteiligten im Termin angehört. C., 8 Jahre alt, hat erklärt: "Er wohnt beim Vater. Er möchte beim Vater bleiben. Wenn ich zur Mama muss, hau ich wieder ab. Ich geh da nicht hin" und M., 5 Jahre alt: "Wohnt beim Vater. Soll so bleiben. Möchte auch nicht bei der Mutter wohnen".

Der Antragsgegnervertreter hat mit dem im Termin überreichten Schriftsatz vom 13.12.2006 den Sachverständigen R. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass die Kindesmutter während der Erstellung des Sachverständigengutachtens dem Sachverständigen drei Schreiben übersandt habe, von denen er keine Abschrift erhalten habe. Auch falle auf, dass der gesamte Vortrag der Antragstellerseite im wesentlichen ungeprüft übernommen werde. Das ungeprüfte Sichzueigenmachen rechtfertige die Besorgnis der Befangenheit.

Ohne die Schwächen der Antragstellerin zu würdigen, werde ab S. 31 der Kindesvater als völlig ungeeignet zur Erziehung seiner Kinder dargestellt. Allein der Hinweis auf S. 87 des Gutachtens, wonach der Vater im Wartezimmer mit seinem Sohn getobt habe, zeige, dass der Sachverständige, der diesen Vorfall zum Anlass nehme, dem Vater zu unterstellen, er würde nur seinen eigenen Bedürfnissen und Interessen nachgehen, dem Antragsgegner nicht mehr mit der gebotenen Objektivität gegenübertrete.

Der Sachverständige habe zur Erstellung des Gutachtens zwei Hilfspersonen eingesetzt. Die Hilfspersonen hätten die Hausbesuche durchgeführt und teilweise Explorationen der Beteiligten realisiert. Der Umfang der den Gehilfen durch den Gutachter übertragenen Aufgaben rechtfertige die Annahme, dass eine intensive Befassung des Stoffes durch den Gutachter nicht erfolgte.

Das Amtsgericht hat noch im Termin den angefochtenen Beschluss verkündet und diesen mit dem Ergebnis der Kindesanhörung und den Angaben des Sachverständigen begründet: "Aus den Äußerungen der Kinder, die die Kindesmutter abwertend behandeln und sich über diese auch abwertend äußern, ist zu schließen, dass die Kinder in ihrer Wahrnehmung gestört werden. Sie können keine ungestörte Beziehung zur Kindesmutter aufnehmen. Dies führt auch nach Angaben des Sachverständigen zu einer schwerwiegenden seelischen Schädigung der Kinder".

Der Sachverständige R. hat in seiner Stellungnahme vom 18.04.2007 ausgeführt (Bl. 94 - 97 d A), eine subjektive Kränkung des Sachverständigen durch den Kindesvater sei weder entstanden noch in die Interpretation eingeflossen.

Er habe den Aussagen der Kindesmutter kein höheres Gewicht beigemessen als denen des Kindesvaters. Er habe sich inhaltlich differenziert mit den Verhaltens- und Persönlichkeitsstrukturen beider Elternteile auseinander gesetzt.

Die Ausführungen des Kindergartens und der Schule seien in seine Stellungnahme eingeflossen.

Die Ausgestaltung der Umgangskontakte in "überwachter" Form stelle lediglich ein begründetes Modell der Ausgestaltung der Umgangskontakte dar.

Der Einsatz von Hilfskräften sei gängige und von den Familiengerichten akzeptierte Praxis des Sachverständigen. Er habe wesentliche Befragungen selbst durchgeführt und sich umfangreich ein eigenes Bild verschafft.

Das Gutachten sei frei von persönlichen Empfindungen des Sachverständigen.

Er habe sich nicht von einer Manipulationsabsicht der Kindesmutter leiten lassen.

Soweit der Antragsgegner darauf abstelle, der Sachverständige definiere seine Person krankheitswertig, weise er darauf hin, dass zu seiner Aufgabe die Analyse von Mängeln und Defiziten bei der Persönlichkeitsstruktur von Elternteilen zähle. Er sei als ausgebildeter Psychotherapeut und Psychoanalytiker kompetent, entsprechende Einschätzungen vorzunehmen.

Seine Explorationsgespräche entsprächen dem Stand der wissenschaftlichen und psychotherapeutischen Praxis.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 17.04.2007 den Antrag des Antragsgegners vom 05.04.2007 wegen Ablehnung der Richterin H. als unzulässig verworfen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 25.04.2007 den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, auch wenn der Sachverständige die Spielsituation (Bl.87 des Gutachtens) überwertet habe, sei hierin noch keine Kränkung des Sachverständigen in seiner Person zu sehen.

Das Amtsgericht hat mit weiterem Beschluss vom 25.04.2007 eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen und der Antragstellerin das Recht der Aufenthaltsbestimmung, der Gesundheitsfürsorge, der Sorge für den schulischen, sozialversicherungs- und sozialrechtlichen Bereich übertragen. Zur Begründung wird ausgeführt, eine mangelnde Neutralität folge auch nicht daraus, dass der Sachverständige die Briefe in seine Beurteilung einbezogen habe. Der Sachverständige habe die Übersendung der Briefe dem Gericht angezeigt. Das Gericht habe die Briefe als Äußerungen im Rahmen der Exploration angesehen und daher von einer Weiterleitung an die Prozessbevollmächtigten abgesehen. Der Sachverständige habe die Briefe im Rahmen des Gutachtens offengelegt. Dass dadurch eine andere Gewichtung - zugunsten der Antragstellerin - erfolgt sei, sei nicht ersichtlich.

Der Sachverständige habe die Stellungnahmen von Schule und Kindergarten in seinem Gutachten verwertet (S. 88, 89 des Gutachtens).

Eine mangelnde Neutralität der Bewertung der Auskunftspersonen sei für das Gericht nicht erkennbar. Der Sachverständige bewerte die Aussagen der Auskunftspersonen objektiv nach ihrer Form und ihrem Inhalt.

Entsprechend sei die Einbeziehung des bekannt gewordenen Strafverfahrens erfolgt. Der Sachverständige gebe wieder, was ihm seitens der Parteien zugetragen wurde.

Eine unzulässige Pathologisierung der Parteien habe der Sachverständige nicht vorgenommen, so dass ihm nicht der Vorwurf mangelnder Neutralität gemacht werden könne. Er habe im Rahmen seines Gutachtens die Persönlichkeitsstrukturen der Eltern auf ihre Erziehungseignung, Beziehungsfähigkeit und Bindungstoleranz zu analysieren. Eine Bewertung der Persönlichkeit in diesem Rahmen gehöre zum Kern des Gutachtens.

Der Sachverständige habe das Gutachten selbständig und aus den gewonnenen Erkenntnissen erstellt. Er habe ordnungsgemäß Hilfskräfte eingesetzt; er habe die Personen gegenüber dem Gericht im Gutachten glaubhaft gemacht und den Umfang ihrer Tätigkeit angegeben.

Das Gutachten sei für das Gericht nachvollziehbar und klar gegliedert. Die Ergebnisse seien eindeutig dargestellt. Es sei eine objektive Bewertung erfolgt.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragsgegners, der anführt, der Sachverständige habe mehrfach mit der Antragstellerin korrespondiert und deren Briefe bei der Begutachtung, ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners verwandt.

Darüber hinaus habe er ausschließlich fünf Auskunftspersonen aus dem Einflussbereich der Kindesmutter in die Befragung einbezogen. Von Seiten des Kindesvaters seien lediglich die Cousine, D. V. und die Mutter vernommen worden. Die von dem Antragsgegner weiter benannte Bekannte und ehemalige Freundin der Kindesmutter, Frau R. K., sowie der Vater, Herr K. G., seien ohne seine Zustimmung nicht in das Verfahren einbezogen worden.

Die Auskunftspersonen D. V. und Frau G. hätten angegeben, dass ihre Äußerungen weder in den dargelegten Ausführungen erfolgten noch vollständig seien. Insoweit werde angeregt, die Zeuginnen erneut anzuhören.

Sämtliche Zeugen hätten sich mit den jeweiligen Personen identifiziert. Es sei jedoch Sache des Sachverständigen, dies entsprechend zu würdigen und zwar auf beiden Seiten.

Darüber hinaus habe der Sachverständige auch nach dem Wechsel in das Kinderheim mit den Kindern nicht nochmals gesprochen. Die Situation der notwendigen, durch die Übergriffe der Kindesmutter verursachten Einweisung in ein Kinderheim sei ebenfalls nicht im Gutachten heraus gearbeitet worden.

Darüber hinaus habe der Sachverständige es unterlassen, entsprechende Befragungen der Kinder vorzunehmen, nach dem sie sich nunmehr seit Monaten im Heim aufhielten.

Da der Sachverständige befangen sei, werde angeregt, ein weiteres Gutachten einzuholen.

Des weiteren sei unklar, ob überhaupt bereits über den gegenüber dem Gericht gestellten Befangenheitsantrag eine Entscheidung vorliege. Wenn nicht, dürfte ein gemäß § 47 ZPO abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuches eine solche Entscheidung vor Entscheidung über den gestellten Befangenheitsantrag gegenüber dem Sachverständigen nicht treffen.

II.

Die gemäß §§ 406 Abs. 5 ZPO, 15 FGG zulässige sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Der angefochtene Beschluss war daher abzuändern und dem Befangenheitsantrag stattzugeben.

Aus der Sicht des Vaters ist die Besorgnis gerechtfertigt, dass der Sachverständige R. voreingenommen verfahren und gutachterlich Stellung nehmen werde.

Der Antragsgegner kann aus dem Gutachten des Sachverständigen die Besorgnis herleiten, dass dieser gegenüber ihm bei der Erstellung seines familienpsychologischen Gutachtens nicht die gebotene Neutralität gewahrt und ihm nicht unvereingenommen gegenüber steht (KG, FamRZ 2006, 1214).

Der Sachverständige führt auf S. 36 des Gutachtens aus: "Es ist davon auszugehen, dass Herr G. eigene aggressive Impulse gegen die Elternobjekte abgewehrt hat und vordergründig zu einer Tendenz zur Harmonisierung neigt. Eine ausreichende Autonomieentwicklung des Herrn G. hat nicht stattgefunden. Daher konnte er auch die Konflikte mit den Partnerinnen nicht adäquat verarbeiten und er neigt zur Externalisierung. Muster in seinen Partnerschaftsbeziehungen vermag er nicht zu erkennen".

..., da es dem Kindesvater an Einsicht in seine Defizite mangelt und auch an einer Veränderungsbereitschaft. Es droht eine Chronifizierung des Manipulationssyndroms und dies kann aus psychologischer Sicht nicht toleriert werden (S. 37 d G).

Die bei dem Kindesvater fixierte Haltung lässt sich auch durch die Inanspruchnahme fachlicher Hilfen derzeit nicht durchbrechen. Er hat einen starken Krankheitsgewinn und er funktionalisiert die Kinder für seine eigenen Bedürfnisse um. Insgesamt liegt eine missbräuchliche Anwendung der elterlichen Sorge für die Zukunft vor (S. 115 d G).

Nach einer Unterbringung der Kinder bei der Kindesmutter, die umgehend erfolgen sollte, sollte der Kindesvater für mehrere Monate nur begleitet Umgangskontakte unter Kontrolle und Überwachung erhalten. Es muss verhindert werden, dass der Kindesvater seine Kontakte manipulativ missbraucht, .... (S. 38 d G).

Nach Ablauf eines längeren Zeitraums kann über eine Ausweitung der Umgangskontakte entschieden werden. Es wird in diesem Zusammenhang aber angeregt, dass eine psychologische Nachbegutachtung erfolgen soll, um zu überprüfen, ob der Kindesvater seine Haltung modifiziert hat (S. 38 d G).

Der Sachverständige befasst sich damit bei der Erstellung eines familienpsychologischen Gutachtens zu der Fragestellung, bei welchem Elternteil die Kinder ihren Aufenthalt unter Berücksichtigung des Kindeswohls am ehesten nehmen sollten, in einer Art und Weise, dass er eine eindeutig negative psychologische Begutachtung des Vaters durchführt.

Demgegenüber folgt er den Angaben der Kindesmutter als nachvollziehbar ohne nähere Erläuterung und ohne Auseinandersetzung mit ihrer bisherigen Lebensgeschichte (Bl. 61 - 65 d A). Damit hat der Sachverständige die Grenzen gebotener Neutralität verlassen.

Der Sachverständige hat zunächst das Gutachten für Mitte November 2006 angekündigt, worauf das Amtsgericht am 09.11.2006 Termin für den 13.12.2006 bestimmt hat. Der Sachverständiger R. hat weiter - nachdem sich der Eingang des Gutachtens bis zum 28.11.2006 verzögert hat - der Richterin am 23.11.2006 telefonisch mitgeteilt, er empfehle die Kinder unmittelbar nach der Verhandlung vom 13.12.2006 der Kindesmutter zu übergeben. Eine Begleitung durch das Jugendamt für zwei bis drei Stunden erscheine angebracht, um die Kinder zu beruhigen. Die Richterin hat daraufhin das Jugendamt entsprechend informiert. Am 28.11.2006 ist das Sachverständigengutachten R. mit einem Umfang von 291 Seiten bei Gericht eingegangen. Das Gutachten wurde am 08.12.2006 an die Beteiligten weitergeleitet und ist am 11.12.2006 bei dem Bevollmächtigten des Kindesvaters eingegangen, der das Gutachten vor dem Termin nicht mehr durcharbeiten konnte.

Der Antrag des Vertreters des Antragsgegners auf Terminsverlegung wurde nicht beschieden.

Mit dieser "Anweisung" hat der Sachverständige unzulässigerweise dem Gericht vorbehaltene Aufgaben wahrgenommen (vgl. OLG Celle, VersR 2003, 1593 m w N) und dem Amtsgericht am 23.11.2006 den von ihm für richtig gehaltenen Weg gewiesen, auf dem das Amtsgericht ihm gefolgt ist, ohne das Gutachten des Sachverständigen zu kennen und ohne den Parteien rechtliches Gehör zu gewähren.

Indem der Sachverständige sich so verhalten hat, hat er seinen Gutachterauftrag eigenmächtig ausgedehnt. Dies gilt auch für die von ihm getroffenen Feststellungen zum begleitetem Umgang.

Das Umgangsrecht gibt dem Berechtigten in erster Linie die Befugnis, das Kind in regelmäßigen Zeitabständen zu sehen und zu sprechen (OLG Braunschweig, FamRZ 2002, 414; Erman-Michalski, BGB, 10. Aufl. 2000 § 1684 Rn. 8). Dabei soll der Umgangsberechtigte dem Kind unbefangen und natürlich entgegentreten können, weshalb der Umgang grundsätzlich nicht in Gegenwart des anderen Elternteils oder sonstiger Dritter Personen oder an sogenannten "neutralen Orten" stattzufinden hat (BGHZ 51, 219, 224; Erman-Michalski a. a. O. Rn. 24). Das Familiengericht kann das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist; eine auf längere Zeit oder Dauer angelegte Einschränkung oder Ausschließung kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre (§ 1684 Abs. 4 S. 1 und 2 BGB). Einschränkungen des Umganges dergestalt, dass dieser lediglich unter Begleitung weiterer Personen oder nur an einem neutralen Ort stattzufinden habe, stellen nach den vorgenannten Grundsätzen eine einschneidende Beschränkung für den Umgangsberechtigten dar, weshalb zu dieser Maßnahme nur dann gegriffen werden darf, wenn ohne sie eine Gefährdung des Kindeswohls konkret zu befürchten ist (MünchKomm-Hinz, BGB, 3. Aufl. 1992 § 1634 Rn. 26; Oelkers, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 3. Aufl. 2001 S. 368).

Mit seiner Vorgehensweise hat der Sachverständige Misstrauen in seien Unparteilichkeit als Gehilfe des Gerichts mit der Folge hervorgerufen, dass der Ablehnungsantrag wegen Besorgnis der Befangenheit begründet ist und die sofortige Beschwerde daher Erfolg hat.

Die Kostenscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Den Wert des Beschwerdeverfahrens hat der Senat entsprechend der überwiegenden Auffassung nach § 3 ZPO auf einen unterhalb des Werts der Hauptsache liegenden Wert geschätzt (OLG Celle, a.a.O.). Es erschien hier angemessen, von einem Drittel des Werts der Hauptsache auszugehen.

Ende der Entscheidung

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