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Gericht: Thüringer Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 17.06.2009
Aktenzeichen: 4 U 788/08
Rechtsgebiete: ZPO, InsO


Vorschriften:

ZPO § 302
ZPO § 318
InsO § 80
1. Bei der Prozessführungsbefugnis (einer Partei) handelt es sich um eine unverzichtbare Prozessvoraussetzung, bei deren Fehlen eine Klage unzulässig ist. Einer Zulässigkeitsrüge (einer Partei) bedarf es nicht; das Gericht muss das Fehlen (der Prozessführungsbefugnis) in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen berücksichtigen.

2. Zwar entfaltet im Urkundsverfahren ein Vorbehaltsurteil grundsätzlich Bindungswirkung für das Nachverfahren (§§ 302, 318 ZPO). Die mit dem Vorbehaltsurteil (zunächst) positiv ausgefallene Zulässigkeitsbeurteilung (der Klage) gilt aber nicht für den erst im Nachverfahren bekannt gewordenen Entzug der Prozessführungsbefugnis eines Insolvenzschuldners durch Übertragung der Verfügungsbefugnis über sein Vermögen auf den Insolvenzverwalter (§ 80 InsO). Dieser wird mit der Übertragung der Verfügungsbefugnis über das Schuldnervermögen Partei kraft Amtes (= gesetzliche Prozessstandschaft).

Ist demnach dem Insolvenzschuldner die Prozessführungsbefugnis - durch Entzug der Verfügungsbefugnis nach § 80 InsO - abhanden gekommen und wird dieser Umstand dem Gericht erst im Nachverfahren bekannt, kann einem Vorbehaltsurteil keine Bindungswirkung mehr in Bezug auf die (zunächst angenommene) Prozessführungsbefugnis des Insolvenzschuldners zukommen. Das die Zulässigkeit (der Klage) bejahende Vorbehaltsurteil ist abzuändern und die Klage abzuweisen.


THÜRINGER OBERLANDESGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 788/08

Verkündet am: 17.06.2009

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Müller, Richterin am Oberlandesgericht Friebertshäuser und Richterin am Amtsgericht Hütte

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.06.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Schlussurteil des Landgerichts Erfurt vom 27.08.2008 - Az.: 3 O 1884/07 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Urkunden-/Anerkenntnisvorbehaltsurteil vom 10.01.2008 wird aufgehoben.

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits (beider Instanzen) trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten durch

Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in nämlicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Berufungsstreitwert wird auf 7.500,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung (restlichen) Werklohns in Anspruch. Er hat die - im Urkundenprozess erhobene Klage - zunächst (nur) auf einen am 10.08.2007 geschlossenen Vergleich (Bl. 11f.) gestützt, wonach ihm für die vom Beklagten in Auftrag gegebene Installation einer Heizungsanlage ein - in zwei Raten zu entrichtender - "Pauschalfestpreis" iHv 15.000,-- € zusteht. Gegenstand der Klage ist die - nicht gezahlte - zweite Rate von 7.500,-- €.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21.12.2007 (Bl. 18f.) hat der Beklagte den "Klageanspruch unter Vorbehalt seiner Rechte im Nachverfahren anerkannt."

Mit "Urkunden-. Anerkenntnis- und Vorbehaltsurteil im schriftlichen Verfahren" vom 10.01.2008 (Bl. 24f.) hat das Landgericht den Beklagten zur Zahlung von 7.500,-- € nebst (beantragter) Zinsen verurteilt.

Nachfolgend hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 28.01.2008 (Bl. 34ff.) beantragt, Termin zur mündlichen Verhandlung im Nachverfahren zu bestimmen.

In dem hierdurch eingeleiteten Nachverfahren hat er sich im Wesentlichen mit dem Einwand verteidigt, die zweite Vergleichsrate sei wegen (behaupteter) Mangelhaftigkeit der Heizungsanlage nicht fällig.

Erstmals im Nachverfahren - und zwar mit dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 21.02.2008 (Bl. 46ff.) - ist dem Landgericht mitgeteilt worden, dass sich der Beklagte bzw. dessen Vermögen seit dem 22.01.2007 in Privatinsolvenz befindet (Beschluss des AG Erfurt v. 22.01.

2007 - Az.: 174 IN 963/06 - Bl. 55). Mit der Begründung der sowohl bei der Auftragserteilung im Juli 2007 als auch beim Vergleichsschluss im August 2007 bereits vorgelegenen, jedoch verschwiegenen Zahlungsunfähigkeit und des hierin liegenden Betruges hat der Kläger seine Forderung im Nachverfahren "auch" auf §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB gestützt.

Das Landgericht hat das Anerkenntnisvorbehaltsurteil mit Schlussurteil vom 27.08.2008 für vorbehaltlos erklärt und dem Kläger zugleich weitere 555,60 € (vorgerichtliche Anwaltskosten) zugesprochen. Der Beklagte habe sich dem Kläger - in Höhe der zweiten Vergleichsrate und der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten - aus §§ 823 Abs. 2 BGB iVm § 263 StGB schadensersatzpflichtig gemacht, indem er das bei der Auftragserteilung bereits eröffnete Insolvenzverfahren verschwiegen habe (Eingehungsbetrug).

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigtem am 16.09.2008 zugestellte Schlussurteil hat der Beklagte am 02.10.2008 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis dahin verlängerten Frist am 25.11.2008 begründet.

Mit der Berufung rügt der Beklagte eine fehlerhafte Anwendung des materiellen Rechts. Trotz des Insolvenzverfahrens habe er den Werkvertrag mit dem Kläger abschließen können und dürfen. Er habe den Werkauftrag im Einvernehmen mit dem Insolvenzverwalter erteilt; die streitgegenständlichen 7.500,-- € stünden auch - wie bereits in der ersten Instanz erklärt - zur Zahlung bereit, wenn und sobald die gerügten Mängel beseitigt seien. Selbst für den Fall, dass in der Auftragserteilung durch einen Privatinsolventen tatsächlich eine Betrugshandlung läge, sei dem Landgericht vorzuwerfen, die erforderliche Beweisaufnahme zur streitigen Mängelfrage unterlassen zu haben; ohne diese sei ein beim Kläger entstandener Schaden nicht feststellbar.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des am 27.08.2008 verkündeten Urteils des Landgerichts Erfurt (Az.: 3 O 1884/07) abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Der Beklagte hat seine statthafte (§ 511 ZPO) Berufung form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet §§ 517, 519, 520 Abs. 2, 3 ZPO).

Die zulässige Berufung führt in der Sache zu dem Erfolg, dass die Klage - auch ohne Zulässigkeitsrüge des Beklagten - in der II. Instanz als unzulässig abzuweisen ist. Die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dem hiermit einhergehenden Verlust der Prozessführungsbefugnis gegen den Beklagten erhobene Zahlungsklage war von Anfang an - und ist es weiterhin - wegen Fehlens einer unverzichtbaren Prozessvoraussetzung unzulässig.

Mit der Insolvenzeröffnung hat der Beklagte nicht nur die materielle Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen, sondern auch die Prozessführungsbefugnis an den Insolvenzverwalter verloren (§ 80 InsO). Allein dieser ist seit dem 22.01.2007 kraft seines Amtes befugt, Aktiv- und Passivprozesse zu führen, die das von ihm verwaltete Vermögen des Beklagten berühren. In eigener Parteistellung wahrt der Insolvenzverwalter die Rechte des Schuldners und der Insolvenzgläubiger an der Insolvenzmasse; er entnimmt seine Legitimation unmittelbar aus dem Gesetz, nicht aus fremden Rechten; er führt den Prozess kraft seines Amtes im eigenen Namen und in gesetzlicher Prozessstandschaft (BGHZ 88, 334 mwN).

Ist daher seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 22.01.2007 nicht mehr der Beklagte, sondern der Insolvenzverwalter (Rechtsanwalt R. aus Halle) befugt, Passivprozesse über die Insolvenzmasse zu führen, war die - am 16.11. 2007 anhängig und am 13.12.2007 rechtshängig (Bl. 14a) gemachte - Klage von Anfang an unzulässig. Die Prozessführungsbefugnis ist Prozess- oder Sachurteilsvoraussetzung. Sie ist in jeder Lage des Verfahrens - auch noch in der Revisionsinstanz - zu prüfen und festzustellen (BGHZ 100, 219; 119, 240; NJW 2000, 738); wobei es entscheidend darauf ankommt, ob sie am Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vorliegt (BGH NJW 2000, 739). Hier ist die gegen den nicht prozessführungsbefugten Beklagten erhobene Klage aufgrund der Fortdauer des Insolvenzverfahrens wegen Fehlens einer Prozess- oder Sachurteilsvoraussetzung (bis heute) unzulässig.

Das angefochtene Schlussurteil vom 27.08.2008 ist demzufolge in ein die Klage abweisendes Prozessurteil abzuändern, ohne dass es hierfür einer - nicht vorliegenden - Zulässigkeitsrüge (§ 282 Abs. 3 ZPO) des Beklagten bedarf. Bei der Prozessführungsbefugnis handelt es sich nämlich um eine von Amts wegen zu prüfende unverzichtbare Prozessvoraussetzung, die nicht der Präklusionsfolge des § 296 Abs. 3 ZPO unterliegt; das Rechtzeitigkeitsgebot des § 282 Abs. 3 ZPO ist lex imperfecta; seine Verletzung bleibt ohne Rechtsfolgen.

An diesem Ergebnis der in II. Instanz als unzulässig abzuweisenden Klage ändert auch der Umstand nichts, dass sich die Berufung nicht gegen das Vorbehaltsurteil des Landgerichts, sondern (erst) gegen dessen Schlussurteil richtet.

Zwar entfaltet das Vorbehaltsurteil im Urkundenprozess Bindungswirkung für das Nachverfahren; und zwar grundsätzlich insoweit, als es nicht auf den eigentümlichen Beschränkungen der Beweismittel im Urkundenprozess beruht.

Hieraus folgert der Bundesgerichtshof, "dass diejenigen Teile des Streitverhältnisses, die im Vorbehaltsurteil beschieden werden mussten, damit es überhaupt ergehen konnte, als endgültig beschieden dem Streit entzogen sind" (BGHZ 82, 115; WM 1987, 1416; 1989, 868; 1993, 99, NJW 2004, 1159).

Soweit in der Kommentarliteratur und der obergerichtlichen Rechtsprechung unter Berufung auf die vorstehend zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung vertreten wird, das Vorbehaltsurteil entfalte nicht nur für die Schlüssigkeit der Klage und die als unbegründet erkannten materiellen Einwendungen, sondern auch für alle Prozessvoraussetzungen Bindungswirkung; und zwar unabhängig davon, ob das Gericht deren Vorliegen ausdrücklich festgestellt habe oder aber nur stillschweigend hiervon ausgegangen sei (Baumbach/ Lauterbach/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 600, Rn.5; OLG Köln, Urteil v. 09.11.2000, Az.: 18 U 83/00; OLG Hamm, Urteil v. 16.09.2005, Az.: 30 U 78/04 - zitiert nach juris), überzeugt dies nicht.

Folgt man der Auffassung, die (gesamte) Zulässigkeit sei im Vorbehaltsurteil für das Nachverfahren bindend festgestellt, wäre der Senat an das (falsche) Anerkenntnisvorbehaltsurteil des Landgerichts gebunden; an der hiermit stillschweigend angenommenen Prozessführungsbefugnis des Beklagten wäre nicht mehr zu rütteln.

Tatsächlich entfaltet das Anerkenntnisvorbehaltsurteil vom 10.01.2008 jedoch keine dahingehende Bindungswirkung; und zwar aus folgenden Gründen:

Die Auffassung, das Vorbehaltsurteil sei für das Nachverfahren (auch) insoweit bindend, als hiermit die Zulässigkeit der Klage feststünde, ist dogmatisch fragwürdig. Das Vorliegen der Prozess- oder Sachurteilsvoraussetzungen ist - wie oben dargestellt - bis zum Eintritt der materiellen Rechtskraft in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten. Eine Klage wird nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Lehre (vgl. nur BGHZ 31, 279; 86, 184) auch dann noch als unzulässig abgewiesen, wenn sich das Fehlen einer Prozessvoraussetzung erst im Revisionsverfahren herausstellt. Dass dies erst durch neuen Tatsachenvortrag der Parteien offenbar wird, ist jedenfalls dann unschädlich, wenn es sich - wie hier bei der Prozessführungsbefugnis - um eine unverzichtbare Prozessvoraussetzung handelt. Warum dies im Urkundsprozess anders sein soll; ein vom Gericht erst im Nachverfahren bemerktes Fehlen einer (unverzichtbaren) Prozessvoraussetzung unbeachtlich sein soll, ist unerfindlich (ebenso: Braun in MK/ZPO, 3. Aufl., § 600, Rn. 19; Greger in Zöller/ZPO, 26. Aufl.,§ 600, Rn. 20).

Der Bruch mit dem Grundsatz, dass das Vorliegen bzw. Fehlen einer Prozessvoraussetzung in jeder Verfahrenslage zu beachten ist, kann entgegen der (nur) apodiktisch dargelegten Auffassung des OLG Köln (aaO) nicht damit begründet werden, dass die allgemeinen Prozessvoraussetzungen von den Beweismittelbeschränkungen des Urkundenprozesses (§§ 592, 595 Abs. 2 und 3 ZPO) nicht erfasst werden.

Sinn und Zweck des Urkundenprozesses ist es, dem Kläger zu ermöglichen, schneller als im ordentlichen Verfahren zu einem vollstreckbaren Titel zu gelangen. Die Beschleunigung wird durch den Ausschluss der Widerklage (§ 595 Abs.1 ZPO) und durch die Beschränkung der (förmlichen) Beweismittel auf präsente Urkunden und Parteivernehmung erreicht; wobei sich auch die Beweiseinschränkungen nur auf die Begründetheit der Klage, nämlich auf die streitigen anspruchsbegründenden Tatsachen beziehen (§ 592 Satz 1, Halbsatz 2 ZPO). Ob die Prozessvoraussetzungen vorliegen, hat das Gericht von Amts wegen auch ohne ein Bestreiten der Beklagtenseite festzustellen. Eines Urkundsbeweises bedarf es dabei auch im Urkundenprozess nicht; auch hier ist der Freibeweis zugelassen (BGH NJW 1986, 2765; Greger aaO, § 592, Rn. 9 mwN). Ist damit aber die den Urkundsprozess und seine Besonderheiten rechtfertigende Beschleunigungsfunktion bei den von Amts wegen festzustellenden Prozessvoraussetzungen gar nicht angesprochen, kann aus den §§ 592, 595 Abs. 2 und 3 ZPO keine Bindungswirkung des Vorbehaltsurteils für die Prozessvoraussetzungen hergeleitet werden.

Auch der auf § 318 ZPO gestützte Begründungsansatz (Baumbach/Lauter-bach/Hartmann aaO, § 600, Rn.4) überzeugt nicht. Eine Bindungswirkung an die sog. "Urteilselemente" einer früheren Entscheidung lässt sich aus dieser Vorschrift nämlich gerade nicht herleiten (BGH NJW 2002, 3478). Dass die einem Vorbehaltsurteil - und damit einem Sachurteil - zugrunde liegenden rechtlichen Zulässigkeitserwägungen für das Nachverfahren bindend sein sollen, kann daher auch mit § 318 ZPO nicht begründet werden (ebenso: Braun in MK/ZPO, aaO, § 600, Rn. 18).

Lässt sich somit die Auffassung, die mit dem Vorbehaltsurteil positiv ausgefallene Zulässigkeitsbeurteilung sei für das Nachverfahren bindend, dogmatisch nicht begründen, kommt hinzu, dass sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Bindungswirkung jedenfalls für die hier vorliegende Konstellation (das Fehlen einer von Anfang an nicht gegebenen Prozessführungsvoraussetzung wird erst im Nachverfahren offenbar) nicht entnehmen.

Die einschlägigen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs befassen sich ganz überwiegend mit dem materiellen Anspruchsgrund (Urteil v. 26.10.1981- Az.: II ZR 70/81 - abgedruckt in BGHZ 82, 115; Urteil v. 01.10.1987 - Az.: III ZR 134/86- abgedruckt in WM 1987, 1416; Urteil v. 13.02.1989 - Az.: II ZR 110/88 - abgedruckt in WM 1989, 868 sowie zuletzt: Urteil v. 10.02.2004 - Az.: XI ZR 36/03 - abgedruckt in NJW 2004, 1159 und Urteil v. 05.12.2007 - Az.: XII ZR 183/05 - zitiert nach juris) und der diesbezüglichen Bindungswirkung des Vorbehaltsurteils. Nur in dem - für die vermeintlich stringent und absolut vertretene Bindungswirkung immer wieder zitierten - Urteil vom 24.11.1992 (Az.: XI ZR 86/92; abgedruckt u.a. in WM 1993, 99 bzw. NJW 1993, 668), hat der Bundesgerichtshof tatsächlich eine Bindungswirkung für eine Zulässigkeitsfrage angenommen. In dem Urteil führt der 11. Zivilsenat aus:

"Nach der in der Rechtsprechung üblicherweise verwendeten Formel entfaltet das Vorbehaltsurteil im Urkundenprozess insoweit Bindungswirkung für das Nachverfahren, als es nicht auf den eigentümlichen Beschränkungen der Beweismittel im Urkundenprozess beruht. Daraus hat der Bundesgerichtshof gefolgert, dass diejenigen Teile des Streitverhältnisses, die im Vorbehaltsurteil beschieden werden mussten, damit es überhaupt ergehen konnte, im Nachverfahren als endgültig beschieden dem Streit entzogen sind. Zu diesen Teilen gehört die Frage, ob durch die Begebung der streitigen Wechsel oder durch das Kausalgeschäft gegen spanische Devisenbestimmungen sowie Art. VIII Abschn. 2 (b) Satz 1 IWF-Abkommen (=Abkommen über den Internationalen Währungsfonds v. Juli 1944) verstoßen worden ist. Die insoweit bedeutsamen Tatsachen,.....,waren bereits im Vorverfahren vorgetragen und dort von Amts wegen unter dem vorgenannten Gesichtspunkt zu prüfen. Wenn dies nicht geschehen ist, so ändert das an der Bindungswirkung des rechtskräftigen Wechselvorbehaltsurteils nichts. Dieses beruht insoweit nicht auf den eigentümlichen Beschränkungen der Beweismittel im Urkundenprozess, sondern, falls ein Verstoß gegen Art. VIII Abschn. 2 (b) Satz 1 IWF-Abkommen vorliegt, auf einem Fehler bei der Rechtsanwendung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach Art. VIII Abschn. 2 (b) Satz 1 IWF-Abkommen eine allgemeine Prozessvoraussetzung regelt, hätte die Klage dann als unzulässig verworfen werden müssen."

Ein solcher Rechtsanwendungsfehler im - zum Erlass des Anerkenntnisvorbehaltsurteils führenden - Vorverfahren liegt hier aber nicht vor. Anders als in dem Fall, über den der Bundesgerichtshofs zu befinden hatte, waren die für das Fehlen der (unverzichtbaren) Prozessvoraussetzung der Prozessführungsbefugnis des Beklagten "bedeutsamen Tatsachen" nicht bereits im Vorverfahren vorgetragen. Erst im Nachverfahren ist der "bedeutsame Tatsachenvortrag" - und zwar vom Kläger - gehalten worden. Wegen dieses grundlegenden Unterschieds kann das Urteil des 11. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 24.11.1992 auf den hier zu entscheidenden Fall nicht übertragen werden. Dies führt im Ergebnis dazu, dass - dem allgemeinen Grundsatz von den in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfenden Prozessvoraussetzungen folgend - das Anerkenntnisvorbehaltsurteil vom 10.01.2008 einem Prozessurteil im Nachverfahren nicht entgegen steht.

Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung bei den Prozess- oder Sachurteilsvoraussetzungen - für die hier interessierende Prozessführungsbefugnis geregelt in § 56 ZPO - bedeutet regelmäßig nicht, dass das Gericht die bedeutsamen Tatsachen von Amts wegen aufzuklären und zu ermitteln hat. Die Pflicht zur Überprüfung einer Prozessvoraussetzung setzt vielmehr erst dann ein, wenn Zweifel an ihrem Vorliegen bestehen, d.h. wenn hinreichende Anhaltspunkte für ihr Fehlen vorliegen (BGHZ 159, 94). Da solche "hinreichende Anhaltspunkte" für das Fehlen der Prozessführungsbefugnis des Beklagten erst mit dem im Nachverfahren gehaltenen Klägervortrag der seit Januar 2007 bestehenden Privatinsolvenz aufgetaucht sind, war eine amtswegige Zulässigkeitsprüfung gleichfalls erst im Nachverfahren veranlasst.

Bei dieser prozessualen Sachlage kann dem Vorverfahren bzw. dem Anerkenntnisvorbehaltsurteil keine dahingehende Bindungswirkung zukommen, dass von einer Prozessführungsbefugnis des Beklagten auszugehen ist. Das Landgericht hat eine diesbezügliche Überprüfung im Vorverfahren nicht nur tatsächlich unterlassen; es war hierzu auch rechtlich nicht gehalten.

Hindert nach alledem das in Rechtskraft erwachsene Anerkenntnisvorbehaltsurteil den Erlass eines Prozessurteils im Nachverfahren nicht, war das angefochtene Schlussurteil vom 10.01.2008 - wie geschehen - in ein die Klage abweisendes Prozessurteil abzuändern.

III.

Die Kosten- und die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgen aus §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Da die Rechtsauffassung des Senats von der nicht bestehenden Bindungswirkung eines Vorbehaltsurteils für eine unverzichtbare Prozessvoraussetzung, deren Fehlen erst im Nachverfahren offenbar wird, von der Auffassung anderer Obergerichte (OLG Köln, OLG Hamm aaO) abweicht, war die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die Festsetzung des Berufungsstreitwerts beruht auf §§ 3 ZPO, 47 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG.

Ende der Entscheidung

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