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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Urteil verkündet am 25.09.2001
Aktenzeichen: 1 S 974/01
Rechtsgebiete: BestattungsG Bad.-Württ.


Vorschriften:

BestattungsG Bad.-Württ. § 31 Abs. 1
BestattungsG Bad.-Württ. § 31 Abs. 2
BestattungsG Bad.-Württ. § 32 Abs. 1
BestattungsG Bad.-Württ. § 32 Abs. 2
Der zuständigen Ortspolizeibehörde kommt in den Fällen, in denen sie die Bestattung anordnet oder auf Kosten des Bestattungspflichtigen selbst veranlasst (§ 31 Abs. 2 BestattungsG) grundsätzlich ein Auswahlermessen zu, ob sie eine Erd- oder Feuerbestattung vornimmt. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es nicht, bei der zu treffenden Auswahlentscheidung allein auf die kostengünstigste Bestattungsform abzustellen.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Im Namen des Volkes Urteil

1 S 974/01

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Bestattungsgebühren

hat der 1. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Weingärtner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Schwan und die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Schmenger ohne mündliche Verhandlung

am 25. September 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 29. Dezember 2000 - 8 K 3920/97 - wie folgt geändert: Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Inanspruchnahme für die Kosten der Bestattung ihres verstorbenen Vaters.

Der Vater der Klägerin verstarb am 22.09.1995 in Mannheim. Da sich niemand um die Bestattung des Verstorbenen kümmerte und innerhalb der Bestattungsfrist auch keine Angehörigen ermittelt werden konnten, veranlasste die Beklagte die Bestattung des Verstorbenen in Form der Erdbestattung am 17.10.1995 auf dem Hauptfriedhof in Mannheim. Dadurch entstanden Kosten von insgesamt 3.816,96 DM, von denen nach Abzug des Sterbegelds noch ein offener Betrag von 1.716,96 DM verblieb. Diesen Betrag forderte die Beklagte mit Bescheid vom 25.06.1997 von der Klägerin an. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies das Regierungspräsidium Karlsruhe mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.1997 zurück.

Auf die dagegen erhobene Klage der Klägerin, zu deren Begründung sie vorgebracht hat, sie habe die Erbschaft ausgeschlagen und ihre Heranziehung führe zu einer unbilligen Härte, hob das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 29.12.2000 die angegriffenen Bescheide insoweit auf, als von der Klägerin ein über 1.577,46 DM hinausgehender Betrag gefordert wurde; im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei als Angehörige gemäß § 31 Abs. 1 Bestattungsgesetz verpflichtet, für die Bestattung ihres Vaters zu sorgen. Allerdings habe die Beklagte mit der vorgenommenen Bestattungsart nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprochen. Die Feuerbestattung, der gegenüber auch kein anderweitiger Wille des Verstorbenen oder eines Angehörigen geäußert worden sei, wäre um 139,50 DM günstiger gewesen. Daher seien die angefochtenen Bescheide in diesem Umfang aufzuheben.

Zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung trägt die Beklagte vor, die Erdbestattung sei eine ortsübliche Bestattungsart. Es verstoße nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die hierfür entstandenen Kosten vom Bestattungspflichtigen geltend zu machen. Die alternativ mögliche Feuerbestattung werde von vielen Religionsgemeinschaften abgelehnt und sei zudem nachträglich nicht mehr änderbar. Außerdem könne nicht auf die reinen Bestattungskosten abgestellt werden, vielmehr seien auch die Folgekosten in den Blick zu nehmen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 29. Dezember 2000 - 8 K 3920/97 - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, Feuer- und Erdbestattung seien in Mannheim gleichermaßen ortsüblich. Da die Feuerbestattung jedoch die günstigere Form der Bestattung darstelle, habe die Beklagte mit der Durchführung der teureren Erdbestattung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Dies gelte erst Recht vor dem Hintergrund der Betrachtung der anfallenden Folgekosten, da ein Urnengrab weit günstiger sei als ein normales Grab.

Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf diese Akten und die im Zulassungs- und Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage in vollem Umfang abweisen müssen. Denn die angegriffenen Bescheide sind insgesamt rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin als Tochter des Verstorbenen verpflichtet ist, der Beklagten die Kosten zu erstatten, die dadurch entstanden sind, dass die Beklagte die Bestattung veranlasst hat, weil kein bestattungspflichtiger Angehöriger seiner Bestattungspflicht nachgekommen ist (§ 31 Abs. 2 Bestattungsgesetz Baden-Württemberg - BestattungsG -). Die Klägerin zählt als Tochter des Verstorbenen zum Kreis der in § 21 Abs. 1 Nr. 1 BestattungsG genannten bestattungspflichtigen Personen. Darauf, ob die Klägerin nach bürgerlichem Recht nicht verpflichtet ist, die Beerdigungskosten zu tragen, weil sie die Erbschaft ausgeschlagen hat, kommt es nicht an. Das Verwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteil vom 05.12.1996 - 1 S 1366/96 -, NJW 1997, 3113) und des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 19.08.1994 - 1 B 149.94 -, Buchholz 408.1, BestattungsR Nr. 2) dargelegt, dass die öffentlich-rechtliche Pflicht, für die Beerdigung eines Verstorbenen zu sorgen, nicht mit der zivilrechtlichen Pflicht identisch ist, die Beerdigungskosten zu tragen. Insoweit wird in vollem Umfang auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen (§ 130 b VwGO).

Auch die Höhe der geltend gemachten Bestattungskosten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch für den im Berufungsverfahren noch streitigen Betrag in Höhe von 139,50 DM, um den die Erdbestattung teurer ist als die Feuerbestattung. Die zuständige Behörde ist gemäß § 31 Abs. 2 BestattungsG verpflichtet, eine einfache, aber würdige Bestattung in ortsüblicher Form anzuordnen oder zu veranlassen (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.12.1996 - 1 S 1366/96 -, NJW 1997, 3113). Diesem Erfordernis ist die Beklagte nachgekommen. Die einfache Sargausstattung und -dekoration ist dabei ebenso wenig zu beanstanden, wie der kleine religiöse Rahmen, der durch den beauftragten Organisten und Pfarrer geschaffen wurde. Auch die Art der Bestattung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Gemäß § 32 Abs. 1 BestattungsG kann die Bestattung als Erd- oder Feuerbestattung vorgenommen werden. Wie sich aus dieser Vorschrift ergibt, sind beide Bestattungsarten als rechtlich gleichwertig anzusehen; sie unterscheiden sich rechtlich jedoch u.a. dadurch, dass bei Einwendungen von Angehörigen keine Feuerbestattung durchgeführt werden darf (§ 32 Abs. 2 BestattungsG). Der zuständigen Ortspolizeibehörde kommt demnach in Fällen, in denen sie die Bestattung anordnet oder auf Kosten des Bestattungspflichtigen selbst veranlasst (§ 31 Abs. 2 BestattungsG) grundsätzlich ein Auswahlermessen zu. Dieses Auswahlermessen hat die Beklagte ermessensfehlerfrei betätigt.

Beide Bestattungsarten sind nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten als ortsüblich anzusehen, sodass sich hieraus keine Einschränkungen in der Ermessensbetätigung ergeben. Ortsüblich ist dabei eine Bestattungsform nicht erst dann, wenn sie in den überwiegenden Fällen vorgenommen wird, sondern wenn sie bei der Ortsbevölkerung auf eine ausreichende Akzeptanz stößt. In der Stadt Mannheim werden nach den Angaben der Beklagten etwa genau so viele Erd- wie Feuerbestattungen gewählt, sodass beide als ortsübliche Bestattungsformen anzusehen sind. Stehen zwei gleichgeeignete Mittel zur Verfügung, so steht es im pflichtgemäßen Ermessen der Ortspolizeibehörde, welches dieser beiden Mittel sie wählt. Sie hat unter Berücksichtigung der gesetzlichen Zielvorstellungen einerseits und der konkreten Umstände andererseits eine angemessene und sachgerechte Lösung zu finden. Die getroffene Ermessensentscheidung muss dabei dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Unter mehreren gleichgeeigneten Mitteln ist das auszuwählen, welches den Betroffenen am wenigstens stark belastet. In diesem Zusammenhang sind allerdings die Folgekosten, d.h. die Kosten der späteren Unterhaltung und Pflege der Grabstätten keine zulässigen Auswahlkriterien, da sie nicht zu den Bestattungskosten zählen. Die gesetzliche Verpflichtung der Angehörigen erschöpft sich in der Schaffung der Grabstätte in dauerhafter Form; die Grabpflege ist hingegen nur eine sittliche Verpflichtung der Angehörigen, keine Rechtspflicht (vgl. Seeger, Bestattungsrecht in Baden-Württemberg, § 31 RdNr. 4).

Bei der von der Beklagten getroffenen Entscheidung für die Erdbestattung als veranlasste Bestattungsform hat sich die Beklagte von den gesetzlichen Zielvorstellungen leiten lassen. Danach hat die zuständige Ortspolizeibehörde bei ihrer Auswahlentscheidung zunächst den ausdrücklich geäußerten oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen zu berücksichtigen. Der ausdrückliche Wille wird im allgemeinen vom Verstorbenen im Testament oder in formlos gehaltenen Verfügungen kundgetan. Ein solcher war der Beklagten jedoch zum Bestattungszeitpunkt nicht bekannt. In diesem Falle sind für den Friedhofsträger der mutmaßliche Wille des Verstorbenen und die ihm gegenüber erfolgten Willensäußerungen der Bestimmungsberechtigten maßgebend. Dies gilt auch dann, wenn diese - aus welchen Gründen auch immer - die Bestattung des Verstorbenen nicht bzw. nicht rechtzeitig selbst vornehmen. Sind indes - wie hier - bestattungspflichtige Angehörige zum Bestattungszeitpunkt nicht vorhanden oder zu ermitteln, so kann die zuständige Behörde allein auf den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen zurückgreifen, muss sich aber auch gewärtigen, dass sich der ausdrückliche Wille des Verstorbenen auch durch erst später bekannt werdende Angehörige ergeben und für diese eine entgegen dem Willen des Verstorbenen durchgeführte Feuerbestattung einen unerträglichen Zustand darstellen kann. Gleiches kann sich zwar auch bei der Erdbestattung ergeben, jedoch stellt sie grundsätzlich keine unumkehrbare Maßnahme dar, wie sich aus der gesetzlichen Vorgabe des § 32 Abs. 2 BestattungsG ergibt. Ob und unter welchen Voraussetzungen dabei unter Beachtung der Totenruhe eine Änderung der gewählten Bestattungsform nachträglich möglich ist, bedarf hier keiner näheren Ausführungen. Die zuständige Behörde hat demnach nach den erkennbaren Umständen des Einzelfalls auch eine Prognoseentscheidung zu treffen. Wenn die Beklagte dabei die Überlegung zugrundegelegt hat, dass die Erdbestattung von allen christlichen Glaubensgemeinschaften anerkannt wird und dies die Bestattungsform ist, die keine vollendeten Tatsachen schafft, so ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Die Erdbestattung wird von allen christlichen Religionsgemeinschaften im Bundesgebiet anerkannt. Dies gilt nicht in gleichem Maße für die Feuerbestattung. Sie hat zwar in den letzten Jahren zunehmend Anerkennung gefunden, wird jedoch auch weiterhin von vielen Menschen abgelehnt. Dass sie in manchen Regionen - und so auch im Zuständigkeitsbereich der Beklagten - gleich häufig durchgeführt wird, liegt vor allem daran, dass sie kostengünstiger ist. Zwar ist der Kostengesichtspunkt zweifellos eine legitime Erwägung, die auch dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen sowie dem Willen seiner Angehörigen entsprechen mag. Dies führt aber nicht dazu, dass die zuständige Behörde diesem Gesichtspunkt bei der Wahl der Bestattungsart grundsätzlich den Vorrang einzuräumen hat. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es nicht, bei der nach §§ 31 Abs. 2, 32 Abs. 1 BestattungsG zu treffenden Auswahlentscheidung allein auf die kostengünstigste Bestattungsform abzustellen, vielmehr ist die Maßnahme zu treffen, die den Pflichtigen unter Berücksichtigung des Willens des Verstorbenen am wenigstens belastet. Belastungen können sich aber nicht nur aus den Bestattungskosten, sondern, wie dargelegt, auch aus der Bestattungsart ergeben, wenn entgegen erst später bekannt werdender Verfügungen des Verstorbenen oder Vorstellungen bestattungspflichtiger Angehöriger eine nicht mehr änderbare Bestattungsform gewählt wurde. Wenn die Beklagte ihre Auswahlentscheidung an diesen zuletzt genannten Belastungen und nicht vorrangig an dem Kostenmehrbetrag in Höhe von 139,50 DM orientiert hat, so widerspricht dies entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Beschluss

vom 25. September 2001

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 13 Abs. 2 GKG auf 139,50 DM festgesetzt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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