Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 01.07.2002
Aktenzeichen: 11 S 1293/02
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 4 Satz 1
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 4
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
1. Das Erfordernis eines "bestimmten Antrags" in der Beschwerdebegründung nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist auch dann erfüllt, wenn ein ausdrücklicher Antrag zwar nicht gestellt ist, sich das Rechtsschutzziel aber mittels Auslegung aus den Gründen und der Bezugnahme auf die Anträge in erster Instanz eindeutig ergibt (Abgrenzung zu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.4.2002 - 7 S 653/02 -).

2. Der Begriff des "Darlegens" der Beschwerdegründe in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO ist - unter Beachtung der strukturellen Unterschiede - in Anlehnung an die allgemeinen Darlegungsvoraussetzungen nach § 124a Abs.4 Satz 4 VwGO zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auszulegen. Der Begriff des "Auseinandersetzens" mit der angefochtenen Entscheidung hat dabei regelmäßig nur bestätigende (unselbstständige) Bedeutung.

3. Das Beschwerdegericht ist nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur zur Prüfung der in diesem Sinne dargelegten Beschwerdegründe verpflichtet.


11 S 1293/02

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Aufenthaltserlaubnis und Abschiebungsandrohung

hier: vorläufiger Rechtsschutz

hat der 11. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Schaeffer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Jakober und die Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Paehlke-Gärtner

am 1. Juli 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 8. Mai 2002 - 1 K 660/02 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beschwerde des Antragstellers ist statthaft und auch sonst zulässig. Sie wurde insbesondere fristgerecht eingelegt und mit gleichem Schriftsatz rechtzeitig gegenüber dem Verwaltungsgericht begründet (vgl. dazu §§ 146 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 2, 147 Abs. 1 VwGO i.d.F. vom 20.12.2001, BGBl. I, S. 3987).

Die Beschwerdeschrift erfüllt auch die inhaltlichen Mindestanforderungen nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Danach muss die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten (dazu 1.) Ferner muss die Begründung die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sie muss sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen (dazu 2.).

1. Das Erfordernis eines bestimmten Antrags (§ 146 Abs. 4 Satz 3, erster Halbsatz VwGO) ist vorliegend erfüllt. Das mit der Beschwerde verfolgte Anliegen des Antragstellers lässt sich durch Auslegung der Beschwerdeschrift anhand des dort verlautbarten Willens ermitteln. Im letzten Absatz der Beschwerdeschrift fordert der Antragsteller, der Beschwerde in vollem Umfang stattzugeben und ihm den weiteren Aufenthalt bis zum rechtskräftigen Abschluss des Ausweisungsverfahrens zu gestatten. Aus diesem Begehren in Zusammenschau mit dem in Bezug genommenen Antrag in der Antragsschrift vom 14.3.2002 lässt sich das Rechtsschutzziel des Antragstellers unzweifelhaft entnehmen, ohne dass es zusätzlicher - hier grundsätzlich untunlicher - Ermittlungen bedürfte. Dieses Rechtsschutzziel ist ersichtlich darauf gerichtet, - wie bisher - die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die versagte Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und Abschiebungsandrohung im Bescheid des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 19.2.2002 anzuordnen und den anderslautenden Beschluss des Verwaltungsgerichts zu ändern; andere Deutungen des Beschwerdeziels scheiden aus. Damit ist den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 erster Halbsatz VwGO genügt, auch wenn der Antrag nicht ausdrücklich gestellt worden ist (offengelassen in VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 12.4.2002 - 7 S 653/02 -). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber das Erfordernis des "bestimmten Antrags" in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO rein formell und damit strenger auslegen wollte als in anderen wortgleichen Fällen des Gesetzes (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 2, vor allem aber § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO sowie § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO), lassen sich weder der Entstehungsgeschichte noch dem Zweck des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entnehmen. Eine Verzögerung des Beschwerdeverfahrens tritt bei einem eindeutig zu ermittelnden Beschwerdeziel nicht ein. Auch der Hinweis, dass im Beschwerdeverfahren ein sach- und rechtskundiger Prozessbevollmächtigter tätig wird (§ 67 Abs. 1 VwGO), verfängt nicht, denn ein solcher wirkt auch im Berufungs- und im Revisionszulassungsverfahren mit. Auch dort reicht es aus, wenn sich das Antragsziel aus dem Gesamtvorbringen unmissverständlich entnehmen lässt (so zu § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO Eyermann/Happ, VwGO, 11. Aufl., § 124 a RdNr. 58, sowie Kopp/Schenke, VwGO, § 124 a RdNr. 18; zu § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO vgl. BVerwG, Urteil vom 20.6.1991 - 3 C 6.89 - NJW 1992, 703).

2. Der Antragsteller hat auch gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3, zweiter Halbsatz VwGO, Gründe dargelegt, aus denen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufzuheben sei und er hat sich insofern auch mit dieser Entscheidung auseinandergesetzt. Dies ergibt sich im Einzelnen aus folgendem:

2.1 Die Tatbestandsmerkmale des "Darlegens" und der "Auseinandersetzung mit der Ausgangsentscheidung" in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO sind zwar kumulativ aneinandergereiht. Sie dürften häufig aber nicht strikt zu trennen sein, sondern in ihrer Bedeutung ineinander fließen. Schon vom Wortsinn her ist ein "Darlegen" ohne Befassung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung regelmäßig nicht denkbar, die geforderte Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung wird mithin impliziert. In Fällen, in denen rechtliche oder tatsächliche Erwägungen des Verwaltungsgerichts angegriffen werden, dürfte das Merkmal des Auseinandersetzens daher regelmäßig nur bestätigende (unselbständige) Bedeutung haben, während ihm ausnahmsweise eigenständige Relevanz beim Vortrag neuer oder vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigter oder offengelassener Beschwerdegründe oder in vergleichbaren Fällen zukommen kann. Der Begriff des "Darlegens" ist in diesem Sinne auch gesetzlich bereits im (Berufungs-) Zulassungsrecht vorgeprägt (vgl. §§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO sowie § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG). Er geht über das bloße Benennen von Gründen hinaus und erfordert eine Sichtung und substantielle Erörterung des je nach Zulassungsgrund relevanten Streitstoffs, wobei Maßstab und Bezugspunkt immer die angefochtene Entscheidung ist. Dies wird beim Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung) besonders deutlich. Erforderlich dafür ist, dass ein die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragender Rechtssatz oder eine dafür erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.6.2002 - 1 BvR 830/00 -, VBlBW 2000, 392 = NVwZ 2000, 1163). Diese Anforderungen lassen sich, wie in der Rechtsprechung geklärt ist, grundsätzlich nur im Wege einer substantiellen Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung erfüllen (vgl. Nachweise in VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19.5.1998 - 4 S 660/98 -; weitere Nachweise auch bei Eyermann/Happ a.a.O., § 124 a RdNr. 26).

2.2. Dass § 146 Abs. 4 Satz 3 zweiter Halbsatz VwGO an ausgeformte Auslegungskriterien zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO anknüpft, ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte (Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess - RMBereinVpG - vom 20.12.2001, BGBl. I, S. 3987) und dem Zweck dieser Vorschrift.

a) Im Gesetzgebungsverfahren standen sich bezüglich Ausgestaltung der Beschwerde bis zuletzt zwei Konzeptionen gegenüber. Die Bundesregierung und der Rechtsausschuss des Bundestags traten für den vollständigen Wegfall der mit dem 6. VwGOÄndG eingeführten Zulassungsbeschwerde, mithin für die uneingeschränkte Rückkehr zur früheren Rechtslage ein, wonach die Beschwerdebegründung weder verbindlich vorgeschrieben noch eine Begründungsfrist vorgesehen war. Zur Begründung dieser Auffassung wurde geltend gemacht:

Die Zulassungsbeschwerde habe sich in der Praxis nicht bewährt. Die Dauer der Beschwerdeverfahren sei nicht zurückgegangen, sondern habe sich - wegen des zweistufigen Verfahrens - eher verlängert. Außerdem vermeide die Zulassungsfreiheit die Probleme, die mit den für vorläufige Rechtsschutzverfahren nicht passenden Zulassungsgründen (insbesondere der Rügen der "besonderen Schwierigkeiten" und der "grundsätzlichen Bedeutung") aufgetreten seien (dazu i.e. BT-Drs. 14/6393, S. 14 [Entwurf der BReg.] sowie BT-Drs. 14/6854, S. 10 [Gegenäußerung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Bundesrats] vgl. auch BT-Drs. 14/7474, S. 10 [unveränderte Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses]).

b) Demgegenüber hielt der Bundesrat an der Zulassungsbedürftigkeit der Beschwerde nach Maßgabe der 6. VwGO-Novelle grundsätzlich fest. An Veränderungen wurden lediglich ein Zulassungsrecht auch für das Verwaltungsgericht und eine Verlängerung der Begründungsfrist für den Zulassungsantrag von zwei auf vier Wochen vorgeschlagen. Zur Begründung wurde geltend gemacht:

Die Begründung des Regierungsentwurfs überzeuge nicht. Nach den Erfahrungen der Länder habe sich die Zulassungspflicht bewährt. Auch die Zulassungsgründe der "grundsätzlichen Bedeutung" und der "besonderen Schwierigkeiten" könnten im Einzelfall durchaus gegeben sein. Eine Rückkehr zur Zulassungsfreiheit aller Beschwerden würde einen Teil des Reformgewinns der 6. VwGO-Novelle verspielen und den Rechtsschutz der Bürger beeinträchtigen. Der Rechtsweg im vorläufigen Rechtsschutzverfahren würde im Ergebnis weiter führen als in den nach wie vor zulassungsabhängigen Hauptsacheverfahren. Damit stünde zu erwarten, dass grundsätzlich zunächst Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - möglichst noch angereichert durch Hauptsachegesichtspunkte - betrieben würden und erst danach die Hauptsache anhängig gemacht werde. Folge hiervon wären eine erhebliche Vermehrung der Eilverfahren, eine dementsprechend längere Verfahrensdauer im Einzelfall sowie eine beträchtliche Mehrbelastung der Gerichte (vgl. i.e. BT-Drs. 14/6856, S. 13 [Gesetzentwurf des Bundesrats] sowie BT-Drs. 14/7744, S. 3 [Anrufung des Vermittlungsausschusses]).

c) Das im - nicht öffentlichen - Vermittlungsverfahren schließlich gefundene und Gesetz gewordene Ergebnis (vgl. BT-Drs. 14/7779 [Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses]) stellt einen Kompromiss zwischen beiden dargestellten Auffassungen dar (zur Entstehungsgeschichte vgl. auch Beschluss des Senats vom 04.04.2002 - 11 S 557/02 -, VBlBW 2002, 311). Am Ziel der zulassungsfreien Beschwerde gegen Beschlüsse in vorläufigen Rechtsschutzverfahren wird zwar festgehalten. Ansonsten wird aber den Bedenken des Bundesrats (übermäßige Verlagerung der Verfahren auf die Ebene des Eilrechtsschutzes, Verlängerung der Verfahrensdauer, Entlastung der Beschwerdegerichte) weitgehend Rechnung getragen. Das Beschwerdeverfahren wird deswegen sowohl in zeitlicher Hinsicht (durch Einführung einer obligatorischen, innerhalb eines Monats beim Beschwerdegericht einzureichenden Begründung) als auch mit Blick auf den Prüfungsaufwand und Prüfungsumfang der Beschwerdegerichte gestrafft. Letzteres geschieht durch das Erfordernis, dass die Beschwerdegründe in Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Beschluss darzulegen sind und dass die Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts auf die dargelegten Gründe beschränkt ist. Damit sollen nach Möglichkeit ungerechtfertigte Vorteile gegenüber dem Rechtsschutz vor den Oberverwaltungsgerichten in Hauptsacheverfahren verhindert und die unerwünschte "Flucht" in die Beschwerde vermieden werden. Diese Ziele legen es ihrerseits nahe, das Begründungs- und Darlegungserfordernis in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO in Anlehnung an § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO und den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auszulegen (vgl. auch Seibert, NVwZ 2002, 265, 268, sowie Eyermann/Happ, VwGO a.a.O., Nachtrag zur 11. Aufl., RdNr. N. 4 zu § 146 VwGO n.F. unter Verweis auf § 124 a RdNr. 26 a). Insoweit enthält die Neuregelung der §§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO "Elemente des bisherigen Zulassungsrechts" (so die zutreffende Formulierung des OVG Münster, Beschluss vom 18.03.2002 - 7 B 315/02 - [Leitsatz in JURIS]).

d) Aus Vorstehendem lässt sich zusammenfassend für die Auslegung des § 146 Abs. 4 Satz 3 zweiter Halbsatz VwGO folgendes ableiten: Die Beschwerdebegründung muss - anders als beim Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO - zwar keine Bedenken mit dem Gewicht ernstlicher Zweifel an dem Ausgangsbeschluss des Verwaltungsgerichts aufzeigen. Sie muss aber jedenfalls erkennen lassen, aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen dieser Ausgangsbeschluss unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Der Beschwerdeführer muss nicht nur die Punkte bezeichnen, in denen der Beschluss angegriffen werden soll, sondern auch angeben, aus welchen Gründen er die angefochtene Entscheidung in diesen Punkten für unrichtig hält (so zutreffend Seibert, NVwZ 2002, 265 [268]). Hierfür reicht eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens ohne Eingehen auf die jeweils tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts - außer in Fällen der Nichtberücksichtigung oder des Offenlassens des früheren Vortrags - grundsätzlich ebenso wenig aus wie bloße pauschale oder formelhafte Rügen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 11.04.2002 - 1 S 705/02 -; Seibert a.a.O., S. 269). Genügt die Beschwerde (auch bezüglich nur einer von mehreren die Entscheidung selbständig tragenden Erwägungen) diesen Anforderungen nicht, ist sie unzulässig (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO). Andernfalls ist sie zwar zulässig, jedoch beschränkt sich die Überprüfungs- und Amtsermittlungspflicht des Beschwerdegerichts grundsätzlich auf die jeweils dargelegten Beschwerdegründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Insofern hat die Beschwerdebegründung einschneidendere Auswirkungen als die Berufungsbegründung. Zwar verlangt auch die Berufungsbegründung als Zulässigkeitsvoraussetzung, dass innerhalb der Begründungsfrist im Einzelnen die Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) anzuführen sind. Das Berufungsgericht ist mangels einer § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO vergleichbaren einschränkenden (Ausnahme-) Bestimmung aber nicht auf die Prüfung nur der "angeführten" Berufungsgründe beschränkt. Sind die Berufungsgründe daher zumindest in einem den gesamten Berufungsantrag betreffenden Punkt ausreichend, so ist die Prüfung des Berufungsbegehrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nach Maßgabe des § 128 VwGO grundsätzlich ohne Einschränkungen eröffnet (vgl. Eyermann/Happ a.a.O., § 124 a VwGO RdNr. 57 m.w.N.). Dem Prozessbevollmächtigten eines Beschwerdeführers kommt daher bei Abfassung der Beschwerdebegründung eine besondere Verantwortung zu. Grundlegende verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO in dieser Auslegung bestehen nicht. Art. 19 Abs. 4 GG gebietet auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zwingend nur eine gerichtliche Instanz. Daher waren auch gegen die durch die 6. VwGO-Änderungsnovelle eingeführte Zulassungsbeschwerde - von der Kritik an der sehr kurz bemessenen Darlegungsfrist einmal abgesehen - keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Einwände zu erheben. Denn dem Gesetzgeber steht es frei, Rechtsmittel unter Beachtung des Gleichheitssatzes und des Bestimmtheitsgebots zu beschränken (vgl. Meyer-Ladewig, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 146 RdNr. 13 d, Vorb. zu § 124, RdNr. 4 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Diesen Anforderungen werden sowohl die Regelung zum Darlegungsgebot in § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO als auch die hieran anknüpfende Beschränkung der gerichtlichen Überprüfungspflicht in § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO gerecht. Unzumutbare Anforderungen an den Begründungsaufwand (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000, aaO) verlangt das Darlegungsgebot den rechtskundig vertretenen Beschwerdeführern nicht ab, und auch in zeitlicher Hinsicht - mit der Fristverlängerung auf einen Monat - sind diesbezügliche Bedenken ausgeräumt.

Gemessen an diesen Vorgaben genügt vorliegend die Beschwerdeschrift des Antragstellers den Begründungsanforderungen nicht schon dadurch, dass sie "voll inhaltlich" Bezug auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 14.3.2002 (Widerspruchsbegründung) und vom 7.5.2002 (Antragsbegründung) nimmt. Insofern fehlt jegliche Anbindung an die tragenden Gründe des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses und deren Bewertung.

Ordnungsgemäß dargelegt und begründet ist die Beschwerde hingegen insoweit, als der Antragsteller dem Verwaltungsgericht vorhält, es habe nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigt, dass zum einen das Regierungspräsidium (nur) eine ausländerrechtliche Verwarnung empfohlen habe, dass er zum anderen bei versagter Aufenthaltsgenehmigung im Fall der Ausreise in die Türkei dort den vollen Wehrdienst ableisten müsse und dass schließlich bei ihm angesichts seiner Straflosigkeit seit der letzten Verurteilung gerade wegen des eingeleiteten Ausweisungsverfahrens, der Untersuchungshaft und des Bewährungsdrucks eine "Wiederholungsgefahr" ausgeschlossen sei.

Hingegen greift der Antragsteller andere Begründungselemente des Verwaltungsgerichts - insbesondere dessen Feststellung, dass der Antragsteller nicht unter den Schutzbereich der Art. 6 und Art. 7 des ARB 1/80 falle und daher ein assoziationsrechtlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als Arbeitnehmer ausscheide - in der Beschwerdeschrift nicht auf; um so weniger findet insofern eine Auseinandersetzung mit den Argumenten des Verwaltungsgerichts statt. Der Senat ist daher nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nicht verpflichtet, dieser Frage nachzugehen. Seine Amtsermittlungspflicht ist insofern eingeschränkt (vgl. auch Bay.VGH., Beschl. v. 23.1.2002 - 25 CS 02.172 -, BayVBl. 2002, 306). Ob der Senat als Beschwerdegericht - etwa bei offenkundig fehlerhafter Würdigung durch das Verwaltungsgericht - berechtigt wäre, auch eine nicht dargelegte Rechtsfrage von sich aus zu überprüfen (bejahend Bay.VGH, aaO, für den allerdings anders gelagerten Fall einer Beschwerde gegen einen zunächst nur im Tenor bekannt gegebenen Beschluss), kann offen bleiben. Denn die Nichtanwendung der Art. 6 und 7 ARB 1/80 auf den Antragsteller durch das Verwaltungsgericht ist angesichts der fehlenden Nachweise einer "ordnungsgemäßen Beschäftigung" sowie der Tatsache, dass er seinen letzten Aufenthalt in Deutschland - nach erfolgter Ausweisung - nicht dem Nachzug zu seinen türkischen Eltern, sondern dem Nachzug zu seiner deutschen Ehefrau verdankt, nachvollziehbar und keinesfalls offenkundig unrichtig.

II. Die zulässige Beschwerde ist aber nicht begründet. Die vom Antragsteller ordnungsgemäß dargelegten und daher nur zu prüfenden Gründe sind nicht geeignet, die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Frage zu stellen, dass die Ablehnung der Verlängerung einer - allein in Betracht kommenden - Aufenthaltserlaubnis nach § 19 Abs. 2 Satz 2 AuslG rechtmäßig erfolgt ist, dass auch die Abschiebungsandrohung keinen rechtlichen Bedenken begegnet und dass daher das öffentliche Interesse an der kraft Gesetzes bestehenden sofortigen Vollziehbarkeit beider Entscheidungen das gegenläufige Interesse des Antragstellers überwiegt. Die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis musste, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, kraft Gesetzes erfolgen, weil der Antragsteller im maßgeblichen Beurteilungszeitraum mehrfach gewichtige und nicht "verbrauchte" Ausweisungsgründe in Form von durch Verurteilungen geahndeten Straftaten erfüllt hat (Amtsgericht Ludwigsburg, Urteil vom 9.6.1998: Betrug, 4 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung; Amtsgericht Schwetzingen, Urteil vom 3.11.1999: Betrug in 18 Fällen mit hohem Schaden, Freiheitsstrafe von 2 Jahren auf Bewährung, Urteil vom 26.9.2001: Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage in 2 Fällen, Geldstrafe von 300 Tagessätzen) und weil der damit eingreifende Regelversagungsgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG mangels Vorliegens eines Ausnahmefalls Sperrwirkung entfaltet. Die Beschwerdebegründung gibt nichts Ausreichendes dafür her, dass beim Antragsteller ein atypischer Geschehensablauf vorliegt, der das ausschlaggebende Gewicht des gesetzlichen Regelversagungsgrundes des § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG beseitigt (zu diesen Voraussetzungen vgl. BVerwG, Urt. v. 29.7.1993 - 1 C 25.93 -, BVerwGE 94, 35 = NJW 1994, 2167). Die vom Antragsteller begangenen Straftaten weichen nach Begehungsart, Unrechtsgehalt oder ausgeworfenen Strafen nicht in einem für den Antragsteller günstigen Sinn vom Regefall ab. Auch liegen bezüglich der Reaktion der Ausländerbehörden auf diese Ausweisungsgründe keine Besonderheiten vor, welche die getroffene Ablehnungsentscheidung als unverhältnismäßig erscheinen lassen. Aus dem Umstand, dass das Regierungspräsidium Karlsruhe intern eine "ausländerrechtliche Verwarnung empfohlen" haben mag, kann der Antragsteller keinen Vertrauensschutz herleiten. Denn zum einen hat das für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis allein zuständige Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis (vgl. §§ 63 Abs. 1 Satz 1 AuslG, 3 Abs. 1, 2 Nr. 3 AAZuVO, 13 Abs. 1 Nr. 1 LVG) eine derartige "Empfehlung" nicht übernommen. Zum anderen bezog sich die vom Regierungspräsidium in Aussicht gestellte Verwarnung ersichtlich allenfalls auf eine - aufgrund der erheblichen Straftaten durchaus mögliche - Ausweisungsentscheidung (vgl. §§ 45, 46 Nr. 2 AuslG) und nicht auf das mildere Mittel der hier in Rede stehenden Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis. Auch davon, dass beim Antragsteller im Hinblick auf die Beendigung seiner Tätigkeit als Autohändler und als Folge der letzten Verurteilung "eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen" ist, kann - soweit dieser Umstand einen atypischen Ausnahmefall nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 AuslG überhaupt begründen könnte - nicht ausgegangen werden. Die vom Antragsteller in den letzten Jahren begangenen und verwertbaren zahlreichen Straftaten (vgl. die letzte Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 16.11.2001) lassen eine langjährige und verfestigte Neigung erkennen, sich um des eigenen Vorteils Willen, aber auch aus Unbeherrschtheit, bedenkenlos über wichtige Rechtsgüter der Allgemeinheit und Einzelner hinwegzusetzen (zahlreiche Eigentumsdelikte, aber auch Vergehen gegen die körperliche Unversehrtheit, die Willensfreiheit und die Ehre). Art, Anlass und Begehungsweise dieser Delikte zeigen, dass sie keinesfalls nur auf die Ausübung des Autohandels beschränkt sind. Deshalb wurde der vom Antragsteller ausgehenden Wiederholungsgefahr durch die Beendigung des Autohandels nicht der Boden entzogen. Dass der Antragsteller sich seit der letzten Verurteilung (Urteil des Amtsgerichts Schwetzingen vom 26.9.2001) sowie unter dem Druck der drohenden Ausweisung und im Interesse der Weitergewährung seines in hohem Maße gefährdeten Aufenthaltsrechts keine neuen Straftaten mehr hat zuschulden kommen lassen, entspringt seinem Eigeninteresse und deutet, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, noch nicht auf einen nachhaltigen Wandel seiner Persönlichkeitsstruktur hin. Schließlich sind auch im Hinblick auf die persönlichen Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung für den Antragsteller keine atypisch nachteiligen Umstände festzustellen. Die eheliche Lebensgemeinschaft des Antragstellers mit einer deutschen Staatsangehörigen ist seit längerem beendet, und auch von einer außergewöhnlichen Entfremdung gegenüber der Türkei, in die der Antragsteller nach seiner Ausweisung 1990 abgeschoben wurde und wohin er auch 1994/95 zurückkehrte, ist nicht auszugehen. Auch der Umstand, dass der heute 38-jährige Antragsteller möglicherweise noch seinen regulären Wehrdienst in der türkischen Armee ableisten muss, begründet - mangels Vorliegens besonderer Anhaltspunkte - keine atypische Beschwer.

III. Auch gegenüber der Abschiebungsandrohung kann der Antrag keinen Erfolg haben. Sie entspricht ihrerseits den gesetzlichen Vorgaben (§§ 49 Abs. 1, 42 Abs. 2 Satz 2, 50 Abs. 1 und 2 AuslG). Dafür, dass beim Antragsteller nach § 50 Abs. 3 AuslG im Rahmen der Abschiebungsandrohung zu berücksichtigende Abschiebungshindernisse vorlägen, ist nach seinem Vorbringen sowie nach Aktenlage nichts ersichtlich. Die Erfüllung der Wehrpflicht in der Türkei als solche begründet weder Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 4 AuslG noch ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

Zurück