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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 19.03.2003
Aktenzeichen: 13 S 2578/02
Rechtsgebiete: AuslG


Vorschriften:

AuslG § 28 Abs. 2 Satz 2
1. Gelingt es dem Ausländer über einen Zeitraum von zwei Jahren oder sogar in noch längerer Zeit nicht einmal, die Voraussetzungen für die Aufnahme des angestrebten Fachstudiums (hier: Absolvierung eines Studienkollegs nach Bestehen eines Aufnahmetests) zu erfüllen, ist die Erwartung einer Erreichbarkeit des Aufenthaltszwecks in einem angemessenen Zeitraum im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 2 AuslG grundsätzlich nicht gerechtfertigt.

2. Eine auf einer Krankheit beruhende längere Studiendauer kann im Einzelfall unschädlich sein, wenn Umstände vorliegen, aufgrund derer der Schluss berechtigt ist, das Studium werde nach Beendigung der Krankheit nunmehr in vertretbarer Zeit abgeschlossen.


13 S 2578/02

VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

In der Verwaltungsrechtssache

wegen

Aufenthaltsbewilligung und Abschiebungsandrohung

hier: Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz

hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Stumpe, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Jaeckel-Leight und den Richter am Verwaltungsgericht Horn

am 19. März 2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. Oktober 2002 - 16 K 4402/02 - geändert. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet. Jedenfalls nach der für die Beschwerdeentscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage kann dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht stattgegeben werden. Denn gegen die Rechtmäßigkeit der Verfügung der Antragsgegnerin vom 14.8.2002 in Gestalt des inzwischen ergangenen, den Widerspruch des Antragstellers zurückweisenden Bescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 25.11.2002, mit welcher der Antrag des Antragstellers auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung abgelehnt und ihm die Abschiebung in die Türkei angedroht wurde, bestehen nach dem nunmehr maßgeblichen Erkenntnisstand keine ernstlichen Zweifel. Bei dieser Sachlage überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Verfügung gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers, von Vollzugsmaßnahmen einstweilen verschont zu bleiben (vgl. den Rechtsgedanken des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, entgegen der Annahme der Antragsgegnerin könne nicht davon ausgegangen werden, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 Satz 2 AuslG für eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung nicht vorliegen, weil der Aufenthaltszweck nicht mehr in einem angemessenen Zeitraum im Sinne dieser Vorschrift erreicht werden könnte. Vielmehr könne die nach § 28 Abs. 2 Satz 2 AuslG anzustellende Prognose, ob das Studium des Antragstellers in angemessener Zeit aufgenommen und abgeschlossen werden kann, nicht darauf gestützt werden, dass er den Aufnahmetest zum Studienkolleg an der Fachhochschule Konstanz am 9.7.2002 nicht wahrgenommen habe. Denn er habe unter Vorlage ärztlicher Atteste vorgetragen, er sei Epileptiker und habe sich deswegen diesem Prüfungstermin nicht stellen können. In seiner Antragsbegründung im gerichtlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes habe er ferner vorgetragen, er habe im April 2002 schwere epileptische Anfälle erlitten und deshalb die Teilnahme an dem Aufnahmetest zum Studienkolleg auf Januar 2003 verschoben. Bei dieser Sachlage könne derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass es der Antragsteller "über einen längeren Zeitraum nicht schafft, das angestrebte Studium zu beginnen, so dass etwa nicht mehr die Realisierung des Aufenthaltszwecks noch in einem angemessenen Zeitraum erwartet werden könnte".

Diese Prognose lässt sich jedenfalls nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand, über den das Verwaltungsgericht noch nicht verfügte, nicht aufrecht erhalten. Die Frage, ob der von einem Ausländer verfolgte Aufenthaltszweck im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 2 AuslG noch in einem angemessenen Zeitraum erreicht werden kann, ist aufgrund einer Prognose zu bestimmen, die sich vor allem an den erkennbaren Bemühungen des Ausländers auszurichten hat, das Ziel seines Aufenthaltes in Deutschland in einem überschaubaren Zeitraum zu erreichen, so dass die Erwartung gerechtfertigt ist, dass er in absehbarer Zeit wieder in sein Heimatland zurückkehren wird. Gelingt es einem Ausländer über einen Zeitraum von zwei Jahren (für den die Aufenthaltsbewilligung nach § 28 Abs. 2 Satz 2 AuslG jeweils längstens erteilt und verlängert werden kann) oder sogar in noch längerer Zeit nicht einmal, die Voraussetzungen für die Aufnahme des angestrebten Fachstudiums zu erfüllen, ist die Erwartung einer Erreichbarkeit des Aufenthaltszwecks "in einem angemessenen Zeitraum" grundsätzlich nicht gerechtfertigt (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 4.9.1991, EZAR 014 Nr. 2).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die anzustellende Prognose nach dem nunmehr maßgeblichen Erkenntnisstand zum Nachteil des Antragstellers ausfallen muss. Er ist am 17.7.2000 mit einem Schengen-Visum eingereist. Der Aufenthaltszweck dieses Visums und der nachfolgend erteilten Aufenthaltsbewilligungen erstreckte sich - dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt - nicht etwa nur auf die isolierte Absolvierung eines Deutsch-Sprachkurses, sondern auf die Durchführung eines Fachstudiums in Deutschland (diesem Ziel sollte der Sprachkurs dienen) und die vorherige Absolvierung eines das Fachstudium erst ermöglichenden Studienkollegs. Der Antragsteller hat zwar einen Sprachkurs durchlaufen; er hatte aber nach einem mehr als zweijährigen Aufenthalt in Deutschland noch nicht einmal mit dem Besuch des die Aufnahme eines Studiums an der Fachhochschule Konstanz erst ermöglichenden Studienkollegs begonnen, weil er sich zu dem dafür erforderlichen Aufnahmetest nicht gemeldet hatte. Bei dieser Sachlage bestanden bereits bei Erlass der angefochtenen Behördenbescheide erhebliche Zweifel, ob es dem Antragsteller gelingen könnte, den verbleibenden Aufenthaltszweck (Aufnahmetest und Absolvierung des Studienkollegs sowie anschließendes Studium) noch in einem angemessenen Zeitraum zu verwirklichen (vgl. hierzu auch Nr. 28.5.0.3 Satz 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz - AuslG-VwV -, wonach die für die Zulassung zum Studium erforderliche Teilnahme an deutschen Sprachkursen und Studienkollegs in der Regel nicht länger als insgesamt zwei Jahre dauern darf). Eine in dieser Hinsicht positive Prognose ist aber jedenfalls nunmehr nicht mehr möglich, nachdem der Antragsteller nach zweieinhalbjährigem Aufenthalt in Deutschland am 28.1.2003 erstmals an der Aufnahmeprüfung für das Studienkolleg an der Fachhochschule Konstanz teilgenommen, diese jedoch nicht bestanden hat. Bei dieser Sachlage fehlt es auch bei Berücksichtigung des erkennbaren Bemühens des Antragstellers, das beabsichtigte Studium in Deutschland aufzunehmen und erfolgreich abzuschließen, an hinreichenden Tatsachen, welche die Erwartung rechtfertigen könnten, er werde dieses Ziel in absehbarer Zeit erreichen und danach in sein Heimatland zurückkehren.

An dieser Beurteilung ändert sich auch nichts, wenn man den Vortrag des Antragstellers berücksichtigt, er sei infolge seiner Erkrankung (Epilepsie) gehindert gewesen, sich zu einem früheren Zeitpunkt dem Aufnahmetest zum Studienkolleg zu unterziehen, weil angesichts des Prüfungsstresses die Gefahr der Auslösung erneuter epileptischer Anfälle bestanden habe. Denn ob der für einen erfolgreichen Studienabschluss voraussichtlich benötigte Zeitraum angemessen im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 2 AuslG ist, richtet sich in erster Linie danach, ob das beabsichtigte Studium in einer - am staatlichen Interesse an einer effektiven Entwicklungshilfe gemessenen - vertretbaren und in diesem Sinne angemessenen Zeit beendet sein wird (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.8.1998, EZAR 014 Nr. 10). Ist aber - wie hier -nach einem zweieinhalbjährigen Aufenthalt in Deutschland noch nicht einmal der Aufnahmetest für ein vor Beginn des eigentlichen Studiums zu durchlaufendes Studienkolleg bestanden, kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass das Studium in vertretbarer Zeit abgeschlossen sein wird. Zwar ist es nicht gänzlich ausgeschlossen, im Rahmen der anzustellenden Prognose auch persönliche Belange des Ausländers in die Erwägungen mit einzubeziehen und bei Festlegung dessen, was noch als angemessen gelten kann, zu berücksichtigen (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.8.1998 a.a.O.). So kann eine auf einer Krankheit beruhende längere Studiendauer im Einzelfall unschädlich sein, wenn Umstände vorliegen, aufgrund derer der Schluss berechtigt ist, das Studium werde nach Beendigung der Krankheit nunmehr in vertretbarer Zeit abgeschlossen. Dabei kann der Senat hier offen lassen, ob dies auch in Fällen einer sehr langwierigen Erkrankung gilt. Denn im vorliegenden Fall fehlt es, nachdem der Antragsteller nach einem zweieinhalbjährigen Aufenthalt in Deutschland noch nicht einmal die Aufnahmeprüfung zum Studienkolleg bestanden hat, bereits an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass er in absehbarer Zeit überhaupt ein Studium wird aufnehmen, geschweige denn erfolgreich abschließen können. Bei dieser Sachlage ist es auch nicht gerechtfertigt, vorerst von Vollzugsmaßnahmen abzusehen, um dem Antragsteller die Teilnahme an einem weiteren Aufnahmetest zum Studienkolleg, der erst am 8.7.2003 an der Fachhochschule Konstanz stattfindet, zu ermöglichen.

Da nach alledem an der Rechtmäßigkeit der Versagung der Aufenthaltsbewilligung keine ernstlichen Zweifel bestehen, begegnet auch die mit ihr verbundene unselbständige Abschiebungsandrohung (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 2 AuslG) keinen rechtlichen Bedenken. Denn der Antragsteller ist nicht im Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung und daher nach § 42 Abs.1 AuslG ausreisepflichtig und die Ausreisepflicht ist auch vollziehbar (§§ 42 Abs. 2 Satz 2, 49 Abs. 1, 50 Abs. 1 AuslG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 20 Abs. 3, 25 Abs. 2 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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