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Beginn der Entscheidung

Gericht: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
Beschluss verkündet am 24.06.2009
Aktenzeichen: 13 S 519/09
Rechtsgebiete: GG, AufenthG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 6 Abs. 1
GG Art. 100 Abs. 1
AufenthG § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6
AufenthG § 104a Abs. 3 Satz 1
AufenthG § 104a Abs. 3 Satz 2
§ 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG, wonach eine nicht nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG unschädliche strafgerichtliche Verurteilung innerhalb einer häuslichen Gemeinschaft lebenden Angehörigen einer Familie anspruchsvernichtend zugerechnet wird, ist verfassungswidrig.
VERWALTUNGSGERICHTSHOF BADEN-WÜRTTEMBERG Beschluss

13 S 519/09

In der Verwaltungsrechtssache

wegen Aufenthaltstiteln

hat der 13. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2009

am 24. Juni 2009

beschlossen:

Tenor:

Das Verfahren wird zur Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG an das Bundesverfassungsgericht ausgesetzt.

Gründe:

I.

Die Kläger sind albanische Volkszugehörige aus dem Kosovo.

Die Klägerin Ziffer 1 wurde am 1. September 1976 geboren. Sie reiste am 21. August 1995 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Asylantrag, der ohne Erfolg blieb, wie dies auch bei einem Asylfolgeantrag der Fall war. Sie wird seit 24. November 1998 geduldet.

Am 5. April 2000 heirateten die Klägerin Ziffer 1 und Herr XXXXXXXXXXX, dessen Berufungsverfahren in der mündlichen Verhandlung durch den Senat abgetrennt und, nachdem die Beteiligten übereinstimmend dieses beantragt hatten, zum Ruhen gebracht wurde.

Herr XXXXXXX wurde am 29. September 1974 geboren. Er reiste erstmals im September 1991 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte einen Asylantrag, welcher letztlich Erfolg hatte. Mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 8. September 1994 wurde die Anerkennung als Asylberechtigter sowie die Feststellung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG ausgesprochen. Darauf erhielt er am 24. Oktober 1994 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Nachdem er am 30. August 1997 in Deutschland eine Straftat begangen hatte, reiste er zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt aus der Bundesrepublik Deutschland aus. Am 12. Januar 1998 wurde er in Albanien festgenommen und anschließend nach Deutschland ausgeliefert. Das Landgericht Göttingen verurteilte ihn am 21. September 1999 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Bereits vorher war er durch Urteil des Amtsgerichts Northeim vom 15. März 1993 wegen Beihilfe zum Diebstahl zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen à 20,- DM, durch Urteil des Amtsgerichts Northeim vom 24. Juni 1993 wegen gemeinschaftlichen Betrugs zu einer Geldstrafe in Höhe von 35 Tagessätzen à 20,- DM und durch Urteil des Amtsgerichts Northeim vom 5. Dezember 1996 wegen uneidlicher Falschaussage zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen à 25,- DM verurteilt worden.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge widerrief durch unanfechtbaren Bescheid vom 1. März 2001 die Asylanerkennung und die Feststellung zu § 51 Abs. 1 AuslG.

Die Beklagte wies Herrn XXXX durch Verfügung vom 6. März 2002 aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus und erließ auch eine Abschiebungsandrohung. Die Verfügung ist seit 4. Januar 2006 unanfechtbar.

Die Kläger Ziffer 2 und 3 sind die gemeinsamen Kinder. Die Klägerin Ziffer 2 wurde am 20. Dezember 2000 in Augsburg, der Kläger Ziffer 3 am 3. November 2004 in Stuttgart geboren.

Die Beklagte lehnte durch Verfügung vom 6. März 2002 einen Antrag der Klägerin Ziffer 1 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für sich und die Klägerin Ziffer 2 unter Beifügung einer Abschiebungsandrohung ab. Diese Verfügung ist seit 25. November 2004 unanfechtbar.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte durch Bescheid vom 27. Juli 2005 Anträge der Kläger Ziffer 2 und 3 auf Anerkennung als Asylberechtigte ab. Auch dieser Bescheid wurde unanfechtbar.

Am 20. Februar 2006 wandten sich die Kläger und der Ehemann an die Härtefallkommission des Innenministeriums Baden-Württemberg. Diese lehnte eine Befassung mit dem Antrag mit Schreiben vom 20. November 2006 ab.

Die Kläger und Herr XXXXXX beantragten daraufhin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 4. Dezember 2006 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Bleiberechtsregelung des Landes Baden-Württemberg vom 20. November 2006 und durch Schreiben vom 29. November 2007 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG.

Der Aufenthalt der Kläger und Herrn XXXXX im Bundesgebiet wurde am 1. Juli 2007 und wird derzeit geduldet.

Die Beklagte lehnte die Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis durch Verfügungen vom 10. Januar 2008 ab. In der den Ehemann betreffenden Verfügung wurde ausgeführt: In Betracht komme allein ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen. Am 20. November 2006 habe das Innenministerium eine Anordnung über ein Bleiberecht für im Bundesgebiet wirtschaftlich und sozial integrierte ausländische Staatsangehörige erlassen. Nach 3.3 der Anordnung werde die Aufenthaltserlaubnis aber nicht erteilt, wenn wegen einer im Bundesgebiet begangenen vorsätzlichen Straftat eine Verurteilung erfolgt sei. Die beim ihm im Bundeszentralregister eingetragenen Straftaten stellten einen Ausschlussgrund nach Nr. 3.3 der Anordnung dar. Daher könne aufgrund der Bleiberechtsanordnung keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Die von ihm begangenen Straftaten stellten auch einen Ausschlussgrund nach § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG dar. Auch die Voraussetzungen des § 104 b AufenthG lägen nicht vor. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG sei nicht anwendbar, weil es sich bei seinem Aufenthalt um keinen vorübergehenden Aufenthalt handele. Auch eine außergewöhnliche Härte im Sinne von § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG sei nicht ersichtlich. Da keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1, 2, 3 und 5 AufenthG vorlägen, seien auch die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1, 2 und 3 AufenthG nicht gegeben. § 25 Abs. 5 AufenthG komme nicht in Betracht, weil er verschuldet an der Ausreise gehindert sei. Er habe seine Passlosigkeit selbst zu vertreten. Rechtliche Gründe hinderten die Ausreise ebenfalls nicht; seine Familie könne gemeinsam mit ihm das Bundesgebiet verlassen. lm Übrigen scheide die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis schon nach § 11 Abs. 1 AufenthG aus. Der Erteilung eines Aufenthaltstitels stehe außerdem entgegen, dass ein Ausweisungsgrund vorliege. Zudem sei die Passpflicht nicht erfüllt.

ln der gegenüber der Klägerin Ziffer 1 ergangenen Verfügung wurde ausgeführt: Ihr Ehemann sei aufgrund seiner Straftaten durch Verfügung vom 6. März 2002 ausgewiesen worden. Liege für einen Elternteil oder ein im Familienverband lebendes Kind ein Ausschlussgrund vor, so scheide zur Wahrung der Familieneinheit nach 3.5 der Bleiberechtsanordnung die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich auch für die übrigen Familienmitglieder aus. Die Klägerin Ziffer 1 müsse sich als Ehefrau die beim Ehemann im Bundeszentralregister eingetragenen Straftaten ebenfalls als Ausschlussgrund anrechnen lassen. Auch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG könne nicht erteilt werden, denn wenn ein in häuslicher Gemeinschaft lebendes Familienmitglied Straftaten im Sinne von § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG begangen habe, führe dies zur Versagung der Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift für die anderen Familienmitglieder. Eine besondere Härte im Sinne von § 104 a Abs. 3 Satz 2 AufenthG könne nicht angenommen werden. Auch eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG komme nicht in Betracht.

Zu den Klägern Ziffer 2 und 3 wurde ausgeführt: Liege für einen Elternteil oder für ein im Familienverband lebendes minderjähriges Kind ein Ausschlussgrund vor, so scheide zur Wahrung der Familieneinheit nach 3.5 der Bleiberechtsanordnung vom 20. November 2006 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich auch für die übrigen Familienmitglieder aus. Auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104 a AufenthG komme wegen § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG nicht in Betracht. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 104 b AufenthG seien ebenfalls nicht erfüllt, weil diese Vorschrift nur für minderjährige Kinder in Betracht komme, die am 1. Juli 2007 das 14. Lebensjahr vollendet hätten. Auch erfüllten die Kläger Ziffer 2 und 3 keine der übrigen im Aufenthaltsgesetz normierten Rechtsgrundlagen, sodass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage ebenfalls ausscheide.

Die Kläger und Herr XXXXX erhoben Widersprüche, die das Regierungspräsidium Stuttgart durch Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2008 als unbegründet zurückwies. Das Regierungspräsidium verwies auf die Verfügungen der Beklagten und führte ergänzend aus: Das Innenministerium Baden-Württemberg habe auf Anfrage mitgeteilt, dass im Zusammenhang mit § 104a Abs. 3 AufenthG der gesetzlichen Altfallregelung davon auszugehen sei, dass auch eine alleinige Ausreise des Familienmitglieds, das die Straftat begangen habe, nicht dazu führe, dass den übrigen Familienmitgliedern danach eine Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung erteilt werden könne.

Am 29. Mai 2008 erhoben die Kläger sowie Herr XXXXX Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart. Sie trugen vor: Es handle sich bei ihnen nicht um einen Regelfall. Der Ehemann und Vater der Kläger sei zwar straffällig geworden, doch lägen die ihm vorgehaltenen Straftaten zehn Jahre und länger zurück. Nach der Tatbegehung und Verurteilung habe er durch sein persönliches Verhalten im Laufe der letzten zehn Jahre nachgewiesen, dass die Straftaten für sein weiteres Leben keine negativen Einflüsse mehr hätten. Er habe Arbeit gefunden und eine Familie gegründet. Die Tat sei lange vor der Eheschließung und Gründung der Familie begangen worden, so dass seine damalige Haltung und sein Verhalten keinen Einfluss auf die übrigen Familienmitglieder hätten. Nach seiner Heirat und Familiengründung habe er sich nichts mehr zu Schulden kommen lassen und sich vorbildlich verhalten. Die Beendigung des Aufenthalts für die Klägerin Ziffer 1 und die hier geborenen Kläger Ziffer 2 und 3, welche die Schule bzw. den Kindergarten besuchten, würde darüber hinaus eine außerordentliche Härte darstellen.

Die Kläger und Herr XXXXXX beantragten die Verfügungen der Beklagten vom 10. Januar 2008 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 15. Mai 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihnen einen Aufenthaltstitel für die Bundesrepublik Deutschland zu erteilen; hilfsweise, den Klägern Ziffer 1 bis 3 eine Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland zu erteilen zum Zeitpunkt der nachgewiesenen Rückkehr von Herrn XXXXXX in sein Heimatland.

Die Beklagte trat der Klage aus den Gründen der angegriffenen Verfügungen entgegen.

Durch Urteil vom 20. Januar 2008 wies das Verwaltungsgericht Stuttgart die Klagen ab und führte aus:

Der vollziehbar ausreisepflichtige Ehemann und Vater könne keine Aufenthaltserlaubnis nach Nr. 3.3 der Anordnung des Innenministeriums vom 20. November 2006 erhalten, da er vom Landgericht Göttingen am 21. September 1999 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden sei. Daher scheide ebenso die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Altfallregelung aufgrund von § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG aus. Dies bedürfe keiner weiteren Begründung. Aber auch den Klägern, die ebenfalls vollziehbar ausreisepflichtig seien, stehe kein Aufenthaltsrecht nach den Härtefallregelungen zu. Da sie in häuslicher Gemeinschaft mit Herrn XXXXXX lebten und dieser eine Straftat i.S.v. § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG begangen habe, dürfe ihnen aufgrund von § 104 a Abs. 3 Satz 1 AufenthG keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden. Das Gericht halte diese Vorschrift nicht für verfassungswidrig, sodass eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht eingeholt werden müsse. Eine unzulässige "Sippenhaft", welche Art. 6 Abs. 1 GG verletzen würde, könne das Gericht nicht erkennen. § 104 a AufenthG enthalte eine Härtefallregelung für geduldete, also ausreisepflichtige Ausländer. Wenn der Gesetzgeber solchen Ausländern in bestimmten Fällen eine Vergünstigung einräumen wolle, obwohl er dazu nicht verpflichtet sei, sei ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen, der seine Grenzen lediglich im Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) habe. § 104 a Abs. 3 Satz 1 AufenthG sei aber nicht willkürlich, weil sich in der Gesetzesbegründung dazu plausible, sachliche Erwägungen fänden: Für minderjährige Kinder, deren Eltern straffällig geworden seien, entspreche es dem Grundsatz, dass das minderjährige Kind das aufenthaltsrechtliche Schicksal der Eltern teile. Hinzu komme, dass aufgrund der häuslichen Gemeinschaft ein negativer Einfluss auf die übrigen Familienmitglieder nicht auszuschließen sei. Dies gelte auch für das Verhältnis von Geschwistern untereinander. Zu bedenken sei ferner, dass andernfalls im Hinblick auf Art. 6 GG in vielen Fällen ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht des an sich nach § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossenen Ausländers entstehen könnte, so dass diese Vorschrift praktisch leer liefe. Unerheblich sei für die Anwendung von § 104 a Abs. 3 Satz 1 AufenthG, dass die Klägerin Ziffer 1 im Zeitpunkt der durch das Landgericht Göttingen abgeurteilten Straftat noch nicht mit Herrn XXXXX in häuslicher Gemeinschaft gelebt hätte, sie allerdings damals schon verlobt gewesen seien, und dass die Kläger Ziffer 2 und 3 damals noch gar nicht auf der Welt gewesen seien. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Gesetzeszweck lasse sich nämlich schließen, dass die häusliche Gemeinschaft schon bestanden haben müsse, als die Straftat begangen worden sei. Wie bereits dargelegt, gehe es dem Gesetzgeber darum, dass ein negativer Einfluss auf die übrigen Familienmitglieder verhindert werde und dass minderjährige Kinder das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer Eltern teilen sollten. Beide Gesichtspunkte seien aber nicht davon abhängig, zu welchem Zeitpunkt eine Straftat i.S.v. § 104 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG begangen worden sei. Bei der Klägerin Ziffer 1 liege auch keine besondere Härte i.S.v. § 104 a Abs. 3 S. 2 AufenthG vor. Diese Bestimmung betreffe ausschließlich Ehegatten, mithin also nicht die Kläger Ziffer 2 und 3. Allein die lange Aufenthaltsdauer der Klägerin Ziffer 1 im Bundesgebiet könne eine besondere Härte nicht rechtfertigen. Aber auch sonst überstiegen die Folgen, die sich aus ihrer Rückkehrpflicht ergäben, die "gewöhnlichen" Nachteile, die die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis mit sich bringe, nach Art und Intensität nicht erheblich. Schließlich scheide auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an die Kläger nach der Anordnung des Innenministeriums vom 20. November 2006 aus, weil beim Ehemann und Vater ein Ausschlussgrund nach 3.3 bestehe (vgl. 3.5). Auch bezüglich dieser Regelung habe das Gericht aus den bereits genannten Gründen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Was den Hilfsantrag betreffe, sei die Klage unzulässig, denn den Klägern fehle hierfür das Rechtsschutzinteresse. Es handele sich der Sache nach um eine "vorbeugende Verpflichtungsklage", für die kein Bedürfnis bestehe.

Gegen das am 2. Februar 2009 zugestellte Urteil haben die Kläger und Herr XXXXX am 17. Februar 2009 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt und diese am 1. April 2009, wie folgt, begründet: Die Vorschrift des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG sei verfassungsrechtlich bedenklich. Auch habe sich Herr XXXXXXX bereit erklärt, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen, wenn sicher gestellt sei, dass die übrigen Kläger ein Aufenthaltsrecht erhielten. Die Straftat, die ihn belaste, sei vor weit über 10 Jahren begangen worden und vor etwa 10 Jahren abgeurteilt worden. Er habe die Tat als Jugendlicher begangen, zwischenzeitlich sei er längst gereift und habe eine Familie gegründet. Der Schutz von Ehe und Familie verlangten, dass die gesamte Familie in der Bundesrepublik Deutschland verbleibe.

Die Klägerin Ziffer 1 übe seit Oktober 2008 bei AWO Stuttgart eine ehrenamtliche Tätigkeit als Kinderbetreuerin aus und erhalte dafür eine steuerfreie Aufwandentschädigung; diese habe sich im Jahr 2008 auf 1410,70 EUR und von Januar bis Mai 2009 auf 1940,40 EUR belaufen. Nach Abschluss ihres gegenwärtigen Kuraufenthalts könne der Umfang ihrer Tätigkeit bis zu einem Betrag von etwa 700 EUR monatlich ausgeweitet werden. Die ebenfalls in Stuttgart wohnende Ehefrau des Bruders des Klägers habe sich bereit erklärt, auf die Kinder aufzupassen und diese zu versorgen, weshalb die Klägerin Ziffer 1 dann mehr Stunden bei der AWO Stuttgart arbeiten könne, namentlich auch wenn ihr an Asthma leidender Sohn (der Kläger Ziffer 3) erkranke und einer Betreuung bedürfe. Auch eine Volltagsbeschäftigung komme in Betracht. Eine Erfüllung der Passpflicht durch die Kläger sei gegenwärtig nicht möglich. Ihr Prozessbevollmächtigter habe mit dem alten roten, nicht mehr für die Einreise nach Serbien gültigen Reisepass der Klägerin Ziffer 1, den die Beklagte bisher verwahrt habe, was ihr jedoch nicht bekannt gewesen sei, beim Generalkonsulat Serbiens vorgesprochen. Konsul XXXXXXXX habe ihm mitgeteilt, dass die Erteilung eines neuen Passes erst in Betracht komme, wenn die Staatsangehörigkeit der Republik Serbien für die Klägerin Ziffer 1 nachgewiesen sei. Nachdem infolge kriegsbedingter Auseinandersetzungen die einschlägigen Urkunden nicht mehr vorhanden seien, müsse ein Verfahren zur Klärung der Staatsangehörigkeit in Serbien eingeleitet werden. Dies könne nach Angaben des Konsuls drei Monate oder auch länger dauern. Im Übrigen besäßen die Kläger die kosovarische Staatsangehörigkeit. Die Klägerin Ziffer 1 werde bei der kosovarischen Botschaft, sobald dies möglich sei, einen Pass beantragen. Nach Auskunft der Botschaft in Berlin könnten Passanträge ab Anfang Juli gestellt werden.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. Januar 2009 - 6 K 2172/08 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 10. Januar 2008 sowie des Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 15. Mai 2008 zu verpflichten, über ihre Anträge erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Sie macht sich die Ausführungen im angegriffenen Urteil zu Eigen und verweist auf weitere inzwischen ergangene Urteile der Verwaltungsgerichte Göttingen und Wiesbaden.

Wegen weiterer Einzelheiten verweist der Senat auf die gewechselten Schriftsätze.

Dem Senat liegen die von der Beklagten geführten Ausländerakten der Kläger, die Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums Stuttgart sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor.

II.

Der Senat setzt das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 94 VwGO aus, um nach Art. 100 Abs. 1 GG eine allein dem Bundesverfassungsgericht vorbehaltene Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit von § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG einzuholen.

1. a) Nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Altfallregelung zwingend abzulehnen, wenn der Ausländer oder die Ausländerin wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wurde, sofern ein bestimmtes Strafmaß überschritten wurde (vgl. BVerwG, U.v. 23. Januar 2009 - 1 C 40.07 - DVBl. 2009, 650). Diese Bestimmung gilt nur zu Lasten derjenigen Person, die gerade für sich den Titel beansprucht. § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG erweitert die Zurechnung strafgerichtlich geahndeten Verhaltens aber in der Weise, dass alle Mitglieder einer Familie, die zusammen in einer häuslichen Gemeinschaft leben, in den Blick genommen werden mit der Folge, dass jedes nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 relevante strafbare Verhalten auch nur eines Mitglieds dieser häuslichen Gemeinschaft allen anderen Mitgliedern in einer den Regelanspruch vernichtenden Weise zugerechnet wird.

b) Für das Verhältnis der Ehegatten untereinander sieht allerdings § 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG im Falle der strafgerichtlichen Verurteilung eines von ihnen vor, dass von einer Zurechnung abzusehen ist, wenn es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, ihm den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen. Aus § 104a Abs. 3 Satz 3 AufenthG kann weiter entnommen werden, dass im Falle einer solchen Ausnahme die minderjährigen Kinder mit dem bleibeberechtigten Ehegatten im Bundesgebiet verbleiben können.

c) Einer besonderer Erörterung bedürfen an dieser Stelle das volljährige ledige sowie das volljährige verheiratete Kind bzw. Geschwister, das noch in häuslicher Gemeinschaft mit den Eltern und ggf. noch vorhandenen minderjährigen Geschwistern lebt. Der Wortlaut des § 104a Abs. 3 Satz 1 macht hier keine Einschränkungen, was den Begriff des Familienmitglieds betrifft. Es wird weder differenziert zwischen volljährigen und minderjährigen Kindern, wie dies noch in Absatz 1 Satz 1 geschehen ist, noch zwischen verheirateten volljährigen und ledigen volljährigen Kindern, wie dies Absatz 2 Satz 1 macht.

Wenn allerdings in § 104a Abs. 3 Satz 1 von "nach dieser Vorschrift" die Rede ist und man in diesem Zusammenhang weiter davon ausgeht, dass Absatz 2 Satz 1 eine privilegierende Regelung für volljährige ledige Kinder darstellt, bei deren Anwendung die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 6 nicht unmittelbar gelten (vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG § 104a Rdn. 25; vgl. zur subsidiären Anwendung des Absatzes 1 aber auch Funke-Kaiser, a.a.O., § 104a Rdn. 66), so sind auch ein Verständnis und damit erforderlichenfalls auch eine verfassungskonforme Auslegung möglich, dass in Absatz 3 Satz 1 kein eigener Zurechnungstatbestand geschaffen wurde, sondern die Anwendbarkeit des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 vorausgesetzt wird mit der Folge, dass ein strafbares Verhalten anderer Mitglieder der häuslichen Gemeinschaft zulasten des Volljährigen nicht erfolgen soll, soweit dieser den Titel nach Absatz 2 Satz 1 für sich in Anspruch nimmt; im Rahmen der subsidiären Anwendung des Absatzes 1 ist jedoch eine Zurechnung unvermeidlich vorgegeben. In der umgekehrten Richtung ist die Norm allerdings eindeutig und gebietet ausnahmslos eine Zurechnung des strafbaren Verhaltens des Volljährigen bei den anderen Mitgliedern der häuslichen Gemeinschaft. Dass der Gesetzgeber davon ausgeht, Teil der "häuslichen Gemeinschaft" im Sinne des § 104a Abs. 3 Satz AufenthG könnten auch volljährige (ledige) Kinder sein, erschließt sich unmittelbar aus Absatz 2 Satz 1, der auf ein Zusammenleben des Volljährigen in der "häuslichen Gemeinschaft" mit minderjährigen Geschwistern abstellt.

d) Auch wenn der Wortlaut der Bestimmung und des Begriffs des Familienangehörigen eindeutig ist, wird man das volljährige verheiratete Kind und in Konsequenz auch dessen Ehegatten, der an sich ohne weiteres begrifflich ebenfalls ein Familienangehöriger ist, aus systematischen und strukturellen Überlegungen aus dem Anwendungsbereich herauszunehmen haben. Denn die gesamte Vorschrift des § 104a AufenthG erfasst, wie ein Blick auf Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 deutlich zeigt, Ausländer und Ausländerinnen in ihrer von den Eltern abgeleiteten Stellung als Kinder nur insoweit, als sie noch minderjährig sind und wenn sie volljährig sind nur dann, wenn sie noch unverheiratet sind. Volljährige verheiratete Kinder werden von der Vorschrift unabhängig und nicht mehr im Kontext mit ihren Eltern erfasst und können einen Aufenthaltstitel nach der Altfallregelung (nur) erhalten, wenn sie die Voraussetzungen des § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG eigenständig erfüllen.

e) Im Falle nicht-ehelicher in häuslicher Gemeinschaft lebender Lebensgemeinschaften findet hingegen in der Regel eine Zurechnung strafgerichtlicher Verurteilungen nicht statt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn es sich um eine nicht-eheliche Lebensgemeinschaft mit gemeinsamen Kindern handelt, da dann alle beteiligten Personen auch Familienangehörige sind. Eine Zurechnung ist des Weiteren möglich im Falle nicht gemeinsamer Kinder, aber nur im Verhältnis zwischen dem leiblichen Elternteil und seinen Kindern.

Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes v. 16. Februar 2001 (BGBl. I, 266) werden in der Vorschrift (insbesondere auch in deren Absatz 3) nicht ausdrücklich angesprochen. Allerdings besagt § 11 Abs. 1 LPartG, dass ein Lebenspartner als Familienangehöriger des anderen Lebenspartners gilt. Die Norm macht aber die Einschränkung, dass spezialgesetzlich keine abweichende Bestimmung getroffen worden sein darf. Für das Aufenthaltsgesetz gilt eine derartige anderweitige Regelung. Wenn sich in § 27 Abs. 2, d.h. im 6. Abschnitt des Gesetzes nur eine eingeschränkte Verweisung auf einzelne Bestimmungen des Gesetzes findet, bedeutet dies, dass eine generelle Gleichstellung, insbesondere auch im Kontext des § 104 a nicht stattfindet (a.A. Fränkel, in: Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht, 2008, § 104a Rdn. 22). Denn insoweit handelt es sich einen humanitären Aufenthaltstitel im Sinne des 5. Abschnitts (vgl. § 104 Abs. 1 Satz 3 AufenthG) und nicht um einen solchen im Sinne des 6. Abschnittes, für den § 27 Abs. 2 AufenthG allein eine Gleichstellung anordnet. Hätte eine uneingeschränkte Gleichstellung erfolgen sollen, so hätte es mit Rücksicht auf die bereits in § 11 Abs. 1 LPartG getroffene generelle Gleichstellung überhaupt keiner Regelung in § 27 Abs. 2 AufenthG bedurft. Dass hier keine umfassende Gleichstellung gewollt war, entsprach, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt, auch dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers.

In der dem Gesetzesentwurf von der Bundesregierung beigegebenen Begründung wird allerdings davon gesprochen, dass die ausländerrechtliche Zurechnung der Straftat zwischen Lebenspartnern bzw. eheähnlichen Gemeinschaften im Rahmen des (eingeschränkten) Ermessens erfolge (vgl. BTDrucks 16/5065, S. 202), somit bei Lebenspartnern gerade nicht infolge der generellen Gleichstellungsklausel des § 11 Abs. 1 LPartG. Diese Auffassung, wonach eine Berücksichtigung (nur) im Rahmen des Ermessens erfolgen solle, hat jedoch weder im Wortlaut noch in der Systematik der Vorschrift einen genügenden Niederschlag gefunden. § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, wie auch beispielsweise die Nr. 2 (vgl. zur Nr. 4 auch Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG § 104a Rdn. 37), sprechen in aller Eindeutigkeit nur von der Person, deren Aufenthaltsrecht zu beurteilen ist. Demgegenüber ist in der Nr. 3 ausdrücklich über die Einzelperson hinausreichend gerade auch deren Kind und dessen Verhalten in Bezug auf den Schulbesuch angesprochen, das dann auch zugerechnet wird, weil offenbar insoweit eine eigene Verantwortung des Erziehungsberechtigten unterstellt wird, wie dies der Gesetzgeber auch bei der Strafbarkeit von Kindern gemacht hat (vgl. BTDrucks 16/5065, S. 202). Wenn dann in Absatz 3 Satz 1 wiederum speziell ein Zurechnungsfall geregelt wird, kann aus systematischen Gründen der Spezialität und aus Gründen der Normenklarheit nicht in allen anderen potentiellen Zurechnungsfällen von einer Atypik ausgegangen werden. Denn andernfalls wären alle speziellen Regelungen im Grunde überflüssig. Insofern kann nach allgemein anerkannten Auslegungsmethoden das historische Argument allein nicht zur Widerlegung der Systematik dienen und zur Auslegung gegen die Systematik nutzbar gemacht werden (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 1983, S. 203). Es ist auch nicht ersichtlich, was einer ausdrücklich Einbeziehung der anderen Lebensgemeinschaften und der Lebenspartnerschaften in Absatz 3 hätte entgegenstehen sollen. Zwar könnte vordergründig angeführt werden, dass bei nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften deren Feststellung Probleme bereiten kann. Dieser Gesichtspunkt trägt aber bei genauerer Betrachtung nicht, weil auch bei der Anwendung des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG das Bestehen der häuslichen Gemeinschaft beweiskräftig feststehen muss.

Aber selbst wenn man dem nicht folgen wollte, so wäre lediglich kein Regelanspruch eingeräumt mit der Folge, dass die Ausländerbehörde - anders als bei Ehegatten und einer Familie - eine umfassende Ermessensentscheidung zu treffen hätte, die - ohne dass das Ergebnis rechtlich vorbestimmt sein dürfte - alle Umstände und Interessen des Einzelfalls in den Blick zu nehmen hätte und nicht zwingend die Erteilung des Titels ablehnen müsste (vgl. zur Struktur einer Regelanspruch und den Folgen einer Atypik BVerwG, U. v. 29. Juli 1993 - 1 C 25.03 - BVerwGE 94, 35 <43>; B.v. 26. März 1999 - 1 B 18.99 - InfAuslR 1999, 332; vgl. auch zur Frage, ob die dann fehlende Regelerteilungsvoraussetzung im Rahmen der Ermessensausübung noch einmal berücksichtigt werden darf Bäuerle, in: GK-AufenthG § 5 Rdn. 41 ff.).

2. Der beschriebene Zurechnungsmechanismus ist nach Überzeugung des Senats mit höherrangigem Recht unvereinbar. Er verstößt gegen Art. 6 Abs. 1 sowie gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

a) Zur Rechtfertigung der hier vom Gesetzgeber geregelten familieneinheitlichen Betrachtungsweise kann - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - nicht darauf abgestellt werden, dass bei einer anderen Sichtweise aus Art. 6 GG Ansprüche des straffälligen Familienmitglieds auf Legalisierung seines Aufenthalts erwachsen könnten (so aber auch VG Lüneburg, U. v. 21. Mai 2008 - 11 A 485/06 - juris; NiedersOVG, B. v. 17. November 2008 - 10 LA 260/08 - InfAuslR 2009, 186 <188>). Denn wenn man - entgegen der Zielsetzung des Gesetzgebers - maßgeblich auf die autonome Entscheidungsfreiheit der Ehegatten hinsichtlich der konkreten - auch räumlichen - Gestaltung der ehelichen Lebensführung abstellt und diese in den Vordergrund stellt, so ist der Zwang, zumindest vorübergehend getrennt leben zu müssen, gewissermaßen die Kehrseite dieser autonomen Entscheidung, wenn man noch hinzunimmt, dass der Gesetzgeber nicht gezwungen war, ein Aufenthaltsrecht überhaupt einzuräumen. So könnte mit dieser Überlegung sicherlich etwa im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG beim verurteilten Ehegatten eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ohne weiteres ermessensfehlerfrei abgelehnt werden, ungeachtet der Tatsache, dass § 29 Abs. 3 Satz 3 AufenthG einen Familiennachzug ohnehin ausschließt. Entsprechende Überlegungen würden gelten im Falle eines verurteilten Kindes und eines Elternteils, der das Kind begleiten müsste. Ein rechtliches Abschiebungsverbot aus Art. 6 Abs. GG bzw. Art. 8 EMRK kann voraussetzungsgemäß nicht vorliegen und daher auch nicht über § 25 Abs. 5 AufenthG zu einem Aufenthaltstitel führen, weil die Ehe bzw. die Familieneinheit ohne weiteres im gemeinsamen Herkunftsland hergestellt werden können. Würde das straffällige Familienmitglied weiter geduldet, so läge, auch wenn aktuell ein Ausreisehindernis nicht mehr verschuldet ist, selbst im Anwendungsbereich des § 25 Abs. 5 Satz 2 AufenthG ein Ausnahmefall vor, der - wiederum in Anbetracht des Umstandes, dass der Gesetzgeber grundsätzlich zur Einräumung eines Aufenthaltsrechts nicht verpflichtet ist - eine negative Ermessensausübung erlaubte, weshalb auch insoweit kein Zwang zur Legalisierung bestünde (vgl. auch Ziffer 5.3 VAH BMI zu § 104a).

b) In den Fällen von Ehegatten mit minderjährigen Kindern, die in häuslicher Gemeinschaft leben, durfte sich der Gesetzgeber angesichts seines weiten Gestaltungsspielraums möglicherweise davon leiten lassen, dass die minderjährigen Kinder unter der gemeinsamen Personensorge beider Elternteile stehen und daher eine einheitliche Behandlung zumindest nicht als völlig ferne liegend angesehen werden kann. Diese einheitliche Betrachtungsweise beruht dann auf der Überlegung, dass im Falle der Straffälligkeit auch nur eines Ehegatten auch beide zurückkehren, um dann im Heimatland weiter gemeinsam die Personensorge ausüben. Die minderjährigen Kinder stehen ohnehin in Abhängigkeit von den Eltern und deren Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Im Falle der Straffälligkeit eines Kindes würden die gleichen Überlegungen gelten; auch hier verlassen die personensorgeberechtigten Eltern das Bundesgebiet mit dem straffälligen Kind (ggf. mit weiteren, aber noch minderjährigen Geschwistern), um im Heimatland künftig gemeinsam die Personensorge auszuüben. Dabei ist, wie bereits angesprochen, in Rechnung zu stellen, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der Altfallregelung von vielleicht wenigen Ausnahmen abgesehen weder aus verfassungsrechtlichen (vgl. BVerfG, B. v. 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83 u.a. - BVerfGE 76, 1 <41 ff.>) noch aus völkervertraglichen (etwa Art. 8 EMRK) Gründen gehalten war, überhaupt Aufenthaltsrechte einzuräumen. Der Senat lässt offen, ob diese Gründe ausreichend tragfähig sind, weil die Regelung auch aus anderen Gründen keinen Bestand haben kann (vgl. im Folgenden unter 2 c) und d).

c) Die vorgenannten Erwägungen tragen jedoch nach Auffassung des Senats nicht mehr, wenn es um die Zurechnung eines strafbaren Verhaltens des Volljährigen zulasten der Eltern und der minderjährigen Geschwistern und umgekehrt eines strafbaren Verhaltens der Eltern oder gar der minderjährigen Geschwister zulasten des Volljährigen geht. Hier trägt insbesondere nicht mehr die Überlegung von der Familie als rechtlicher und sozialer "Schicksalsgemeinschaft". Die vom Gesetzgeber gewählte Regelung verfehlt die rechtliche Autonomie des Volljährigen, der nicht mehr der Personensorge der Eltern unterliegt. Aufgrund der nicht mehr bestehenden Personensorge ist er auch nicht gewissermaßen unter dem gemeinsamen Dach der Personensorge mit den noch minderjährigen Geschwistern verbunden. In dieser Autonomie kommt eine Eigenverantwortung, was die Zurechnung (in beide Richtungen) betrifft, zum Ausdruck, der eine vergleichbar intensive rechtliche Verbundenheit wie zwischen den Eltern und den minderjährigen Geschwistern fehlt, die es - wenn überhaupt - allein rechtfertigen könnte, den Aufenthalt der gesamten Familie einheitlich zu betrachten. Das volljährige Kind kann jederzeit rechtlich ungehindert und ungebunden diese familiäre Gemeinschaft verlassen. Es wird auch regelmäßig aufenthaltsrechtlich eigenständig in den Blick genommen, und zwar gerade auch in der Altfallregelung selbst, nämlich in deren Absatz 2 Satz 1. Der Aufenthalt des volljährigen Kindes wird hiernach eigenständig und losgelöst von dem der Eltern sowie der minderjährigen Geschwister geregelt. Diese Selbstständigkeit kommt auch darin zum Ausdruck, dass unter dem Blickwinkel des Verfassungsrechts (hier Art. 6 Abs. 1 und 2 GG) im Regelfall ein Aufenthaltsrecht des volljährigen Kindes kein (erstmaliges) Aufenthaltsrecht der Eltern und der minderjährigen Geschwister (mehr) nach sich zieht und umgekehrt (vgl. § 32 Abs. 1 und § 36 Abs. 2 AufenthG). Es ist für den Senat schon nicht ersichtlich, weshalb die Verweigerung des Aufenthaltsrechts mit Blick auf ein volljähriges Kind, wie der Gesetzgeber meint (vgl. BTDrucks 16/5095, S. 202), Ausdruck und Folge einer "Verletzung der Aufsichts- und Erziehungspflicht" sein kann und darf. Die hier vorgenommene Zurechnung ist mit dem durch Art. 2 Abs. i.V.m. Art. 1 GG als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährleisteten Recht auf autonom-individuelle Lebensgestaltung und Selbstbestimmung des Volljährigen einerseits und seiner Eltern und der minderjährigen Geschwister andererseits nicht vereinbar (vgl. ausführlich BVerfG, B. v. 3. Juni 1980 - 1 BvR 185/87 - BVerfGE 54, 148 <153 f.>; B. v. 13. Mai 1986 - 1 BvR 1542/84 - BVerfGE 72, 155 <170 ff.>, jeweils mit dem Hinweis, dass wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Inhalt des geschützten Rechts nicht abschließend umschrieben werden könne, sondern seine Ausprägung jeweils anhand des zu entscheidenden Falles herausgearbeitet werden müsse). Diese Autonomie sowie der personale und soziale Achtungsanspruch beinhalten als Kehrseite auch eine Eigenverantwortung des Volljährigen für sein (strafbares) Handeln, die eine Zurechnung bei anderen ausschließt mit der weiteren Folge, dass eine Zurechnung des Verhaltens des Volljährigen zulasten der Eltern und der minderjährigen Kinder in gleicher Weise mit deren allgemeinem Persönlichkeitsrecht unvereinbar ist.

Auch wenn es hier nicht um einen Eingriff gehen kann, da den Betroffenen durch den Ausschluss aus der Altfallregelung nur ein Vorteil nicht gewährt wird, und das allgemeine Persönlichkeitsrecht grundsätzlich keine Teilhabe- und Leistungsansprüche zu begründen vermag (vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 2 Abs. 1 Rdn. 57 ff.), so ist die hiermit verbundene Differenzierung und Ungleichbehandlung gegenüber den volljährigen Kindern, die nicht mehr in der häuslichen Gemeinschaft leben, nicht mehr sachlich gerechtfertigt, weil unvereinbar mit der in jedem Grundrecht zugleich verbürgten objektiven Wertordnung (vgl. BVerfG, B. v. 15. Januar 1958 - 1 BvR 400/51 - BVerfGE 7, 198 <206>; B. v. 19. Oktober 1993 - 1 BvR 567/89 u.a. - BVerfGE 89, 214 <229>). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsgrund unterschiedliche Anforderungen an die gesetzlichen Vorschriften, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Hinsichtlich der Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers geht dann besonders weit, wenn er Lebenssachverhalte verschieden behandelt und die Betroffenen sich durch eigenes Verhalten auf die unterschiedliche Regelung einstellen können. Dagegen sind dem Gesetzgeber umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheiten auswirkt und je weniger der Einzelne nachteilige Folgen durch eigenes Verhalten vermeiden kann. Die aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Grenzen sind insbesondere dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. zuletzt mit zahlreichen Nachweisen aus der eigenen Rechtsprechung BVerfG, B. v. 14. Oktober 2008 - 1 BvR 2310/06 - NJW 2009, 209). Die hier vorgenommene Differenzierung ist nach dem dargelegten Maßstab mit der objektiven Wertordnung und auch in einer rechtstaatlichen Ordnung, die einem durch die Menschenwürde geprägten Menschenbild verpflichtet ist, unvereinbar und gerade deshalb nicht mehr gerechtfertigt (vgl. zum sicherlich nicht völlig vergleichbaren strafrechtlichen Schuldgrundsatz auch BVerfG, B. v. 24. Oktober 1996 - 2 BvR 1851/94 - BVerfGE 95, 96 <140>). Angesichts der erheblichen Folgen der Ungleichbehandlung sind ausreichend tragfähige und einleuchtende Gründe für eine Differenzierung (vgl. hierzu BVerfG, B. v. 27. Mai 1970 - 1 BvL 22/63 u.a. - BVerfGE 28, 324 <347>) nicht zu erkennen. Nichts anderes gilt für die Differenzierung von Eltern und minderjährigen Kindern bzw. Geschwistern, bei denen ein volljähriges Kind bzw. Geschwister noch in häuslicher Gemeinschaft lebt und strafgerichtlich verurteilt wird, und Eltern und minderjährigen Kindern bzw. Geschwistern, bei denen der Volljährige bereits die häusliche Gemeinschaft bereits verlassen hat.

d) Da, wie oben dargelegt, von der Regelung nicht erfasst werden Lebenspartner sowie bestimmte Konstellationen nicht-ehelicher Lebensgemeinschaften, liegt insoweit aber auch eine mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbare Diskriminierung der Ehe vor. Dies gilt selbst dann, wenn man entgegen der Auffassung des Senats in den Fällen einer Strafbarkeit innerhalb einer solchen Gemeinschaft von einer Atypik ausgehen wollte, da dann immerhin ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung bestünde und kein zwingender Versagungsgrund vorläge, wie dies bei Ehegatten der Fall ist.

Art. 6 Abs. 1 GG enthält einen besonderen Gleichheitssatz, der es verbietet, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen, jedenfalls soweit, als hier eindeutig und systematisch, an die Existenz einer Ehe bzw. an die Wahrnehmung des Elternrechts in ehelicher Erziehungsgemeinschaft angeknüpft wird (vgl. BVerfG, B. v. 10. November 1998 - 2 BvR 1057/91 u.a. - BVerfGE 99, 216 <232 ff.>; vgl. auch zu den verfassungsrechtlichen Grenzen einer Gleichstellung anderer Lebensgemeinschaften mit der Ehe U. v. 17. Juli 2002 - 1 BvF 1/01 u.a. - BVerfGE 105, 313 <346 f.>). Eine verfassungsrechtlich unzulässige, weil diskriminierende Schlechterstellung liegt auch dann vor, wenn eine Begünstigung vorenthalten wird, die anderen Lebensgemeinschaften gewährt oder zumindest ermöglicht wird (vgl. BVerfG, B. v. 10. November 1998 - 2 BvR 1057/91 u.a. - a.a.O.).

Zur Verdeutlichung weist der Senat auf Folgendes hin: Wird in einer Familie, in der die Eltern verheiratet sind, ein Kind straffällig, so findet allerdings keine Ungleichbehandlung gegenüber der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft mit gemeinsamen Kindern statt; eine solche findet aber wiederum statt bei nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften mit nicht gemeinsamen Kindern im Verhältnis zum anderen Partner, der nicht Elternteil des Kindes ist. Im Falle der Straffälligkeit eines verheirateten Ehegatten bzw. Elternteils mit Kindern verbleibt es aber bei der Diskriminierung gegenüber der nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft ohne Kinder. Denn die Ehegatten dürfen sicherlich nicht schlechter gestellt werden, nur weil sie auch noch Kinder haben. Wenn sie keine hätten, dann würden sie aber offensichtlich in unzulässiger Weise schlechter behandelt.

Die Tatsache, dass es tatsächlich sicherlich mehr in häuslicher Gemeinschaft lebende Ehen und Familien geben wird, rechtfertigt die gravierende Ungleichbehandlung nicht (vgl. zu den Feststellungsproblemen oben 1 e). Die vorgenannten Überlegungen gelten umso mehr im Falle von in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten, die keine Kinder haben, da hier das gemeinsame Band der gemeinsamen Personensorge hinsichtlich der minderjährigen Kinder fehlt, und hier - anders als bei den volljährigen Kindern - zusätzlich die durch Art. 6 Abs. 1 GG spezifisch geschützte autonome Entscheidungsfreiheit der Ehegatten hinsichtlich ihrer Eheführung und insbesondere deren räumlichen Ausgestaltung (vgl. BVerfG, B. v. 04. Mai 1982 - 1 BvL 26/77 - BVerfGE 60, 329 <338 f.>) berührt und verletzt ist. Der Senat sieht auch nicht im Ansatz überhaupt einen, geschweige denn tragfähigen Grund, diese Entscheidungsfreiheit nicht anzuerkennen, so wie es, soweit ersichtlich, als völlig selbstverständlich angesehen wird, dass Ehegatten von ihrem durch § 30 AufenthG eingeräumten Recht auf Nachzug auch keinen Gebrauch machen dürfen, ohne dass hierdurch das Aufenthaltsrecht des im Bundesgebiet lebenden Ehegatten in Frage gestellt werden könnte.

e) Eine verfassungskonforme Auslegung scheitert - von dem im Einzelnen schon angesprochenen Fall der Zurechnung beim Volljährigen abgesehen (vgl. 1 c) - schon daran, dass die Norm zweifelsfrei formuliert ist und auch der eindeutige feststellbare Wille des Gesetzgebers dahin ging, zwingend eine solche Zurechnung vorzunehmen und nur in einem bestimmten Ausnahmefall unter besonders qualifizierten Voraussetzungen (§ 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG) hiervon absehen zu wollen. Der klare Wortlaut und der eindeutige verlautbarte Wille des Gesetzgebers bilden jedoch die Grenze einer verfassungskonformen Auslegung (vgl. BVerfG, B. v. 22. Oktober 1985 - 1 BvL 44/83 - BVerfGE 71, 81 <105). Abgesehen davon würde dann auch der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers missachtet (vgl. hierzu noch im Folgenden).

f) Die Verfassungswidrigkeit der Regelung führt aber nicht unmittelbar auf einen Anspruch der ausgeschlossenen Personen. Soweit die Bundesrepublik Deutschland nämlich aufgrund Verfassungsrechts oder Völkervertragsrechts (Art. 8 EMRK) nicht verpflichtet ist, ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, entscheidet sie frei, ob sie überhaupt ein Bleiberecht einräumt. Ihr ist es mit anderen Worten unbenommen, in den Grenzen des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes die Regelung des § 104a AufenthG zu streichen oder aber die anderen Lebensgemeinschaften ausdrücklich einzubeziehen, weshalb kein Fall der Teilnichtigkeit gegeben ist.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Folgen von Verstößen gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass dann, wenn - wie in der Regel - der Gesetzgeber zwischen mehreren denkbaren und verfassungsrechtlich zulässigen Lösungen wählen kann, eine Ausdehnung der begünstigenden Regelung durch das Bundesverfassungsgericht in die dem Gesetzgeber vorbehaltene Gestaltungsfreiheit eingreifen würde (vgl. BVerfG, B. v. 17. Januar 2006 - 1 BvR 541/02 - BVerfGE 115, 81). Dies ändert allerdings nichts daran, dass im Gegensatz zu einem unbeschränkten Verpflichtungsantrag in Bezug auf den nunmehr von den Klägern allein gestellten bloßen Neubescheidungsantrag insoweit im Verfahren der konkreten Normenkontrolle das Bundesverfassungsgericht die Feststellung der Verfassungswidrigkeit treffen kann.

Etwas anderes würde allein dann gelten, wenn ausnahmsweise nur eine Ausdehnung der begünstigenden Regelung verfassungsgemäß gewesen wäre. An eine solche Ausnahme wäre vielleicht bei den volljährigen ledigen Kindern zu denken. Andererseits ist die zahlenmäßige Relevanz der betroffenen Personen kaum zu ermitteln. Es handelt sich hier um die Teilmenge von volljährigen Kindern, die noch mit den Eltern und ggf. minderjährigen Geschwistern zusammenleben, und bei denen entweder die volljährigen Kinder oder die Eltern bzw. die minderjährigen Geschwister straffällig geworden sind. Angesichts dieser quantitativen Unwägbarkeiten ist daher von einer Beachtlichkeit im Rahmen des Willensbildungsprozesses des Gesetzgebers auszugehen und die Möglichkeit einer Ausdehnung versperrt.

3) Die hier aufgeworfenen Fragen sind auch für das Berufungsverfahren entscheidungserheblich.

a) Die Berufung ist zulässig. Die Kläger haben die Berufung fristgerecht eingelegt. Die Berufungsbegründung wurde gleichfalls fristgemäß unter Stellung eines förmlichen und ausdrücklichen Berufungsantrags eingereicht (vgl. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO).

Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers trägt der nunmehr allein gestellte Bescheidungsantrag Rechnung (vgl. oben 2 f).

b) Die Kläger erfüllen alle übrigen Voraussetzungen für die Erteilung eines Titels nach § 104a AufenthG jedenfalls in der Weise, dass die Beklagte eine erneute Entscheidung zu treffen und dabei das ihr eingeräumte Ermessen auszuüben haben wird.

Die Kläger und der Ehemann und Vater, der den zwingenden Versagungstatbestand des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG erfüllt, weil er rechtskräftig zu einer noch nicht im Bundeszentralregister getilgten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, die die Bagatellgrenze überschreitet, lebt auch in häuslicher Gemeinschaft mit diesen, weshalb der Senat im Falle der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG die Klagen aus diesem Grund abweisen müsste.

aa) Die Kläger sind allerdings nicht im Besitz gültiger Pässe und hatten in der Vergangenheit auch keine Anträge auf Ausstellung von Pässen gestellt (vgl. auch den Ermittlungsbericht der Verkehrspolizeiinspektion Neu-Ulm vom 30. September 2007, AS 317).

Hierdurch wird jedoch nicht der zwingende Versagungsgrund der vorsätzlichen Verzögerung bzw. Behinderung aufenthaltsbeendender Maßnahmen § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 erfüllt. Auch wenn die Ausländer grundsätzlich bereits kraft Gesetzes verpflichtet sind, einen gültigen Pass zu besitzen bzw. sich ggf. einen solchen zu beschaffen (vgl. § 3 AufenthG i.V.m. § 56 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AufenthV bzw. § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG), wird nach der vom Senat geteilten in Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend vertretenen Auffassung, wonach ein restriktives Verständnis dieses Ablehnungsgrundes geboten ist, vorausgesetzt, dass gegenüber den Betroffenen zunächst eine diese Verpflichtung konkretisierende Passverfügung, jedenfalls zumindest aber eine wiederholte und konkretisierende formlose Aufforderung ergangen sein muss und nur ein nachhaltiges Zuwiderhandeln hiergegen anspruchsvernichtend sein kann, sofern weiter festgestellt wird, dass dieses überhaupt kausal für die Verzögerung oder Behinderung war (vgl. BayVGH, B. v. 18. Juni 2008 - 19 ZB 07.2136 - InfAuslR 2009, 154; NiedersOVG, B. v. 28. Januar 2008 - 12 ME 23/08 - juris m.w.N.; OVGNW, B. v. 12. Februar 2008 - 18 B 230/08 - InfAuslR 2008, 211; v. 21. Januar 2008 - 18 B 1864/07 - NVwZ-RR 2008, 423 m.w.N.; Hailbronner, Ausländerrecht, § 104a Rdn. 19; vgl. auch Ziffer 2.7.2 VAH BMI zu § 104a). Eine solche Verhaltensweise ist bei den Klägern nicht festzustellen, wovon auch die Beklagte und das Regierungspräsidium Stuttgart ausgehen (vgl. dessen Schreiben an die Beklagte vom 27. Februar 2007, AS 159). Die Klägerin Ziffer 1 war lediglich mit Schreiben vom 17. Januar 2002 (AS 159) ausdrücklich auf ihre Passpflicht hingewiesen worden. Konsequenzen oder erneute Aufforderungen erfolgten in den folgenden Jahren nicht. Im Zusammenhang mit der Bearbeitung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Bleiberechtsregelung vom 20. November 2006 richtete die Beklagte an den Prozessbevollmächtigten lediglich ein Formularschreiben vom 9. Januar 2007, in dem die für die Bearbeitung erforderlichen Unterlagen angefordert wurden, u.a. wurde um die Vorlage eines gültigen Nationalpasses gebeten (AS 302). Erst am 4. Juni 2008 erfolgte eine Belehrung darüber, dass die zugleich erteilte unbeschränkte Erlaubnis zur Beschäftigung wieder aufgehoben werden könne, wenn kein Pass vorgelegt werde bzw. keine Passbemühungen nachgewiesen würden (vgl. AS 339). Bei dieser Sachlage kann gegenwärtig noch von keiner beharrlichen Verweigerung gesprochen werden, zumal die Klägerin Ziffer 1 nunmehr selbst aktiv geworden ist.

Da die Kläger, wie bereits ausgeführt, nicht im Besitz gültiger Pässe der Republik Kosovo oder Serbien sind, erfüllen sie die nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG bestehende Passpflicht nicht, die auch im Anwendungsbereich des § 104a AufenthG zu beachten ist. In den Fällen humanitärer Aufenthaltstitel im Sinne des 5. Abschnitts des Aufenthaltsgesetzes - und der Titel nach § 104a AufenthG ist nach dessen Absatz 1 Satz 3 ein solcher - kann aber nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG im Ermessenswege von der Ausländerbehörde hiervon abgesehen werden, sofern der Umtausch des bis 25.10.2010 ausgestellten roten serbischen Reisepasses, über den die Klägerin Ziffer 1 aktuell verfügt, der aber nicht mehr zur Einreise nach Serbien berechtigt, in einen nunmehr erforderlichen aktuellen serbischen Reisepass unmöglich sein sollte, wofür allerdings nach der Äußerung des Konsuls des Generalkonsulats Stuttgart gegenüber dem Ehemann und dem Prozessbevollmächtigten keine Anhaltspunkte bestehen. Darüber hinaus ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Kläger ab Anfang Juli dieses Jahres einen Reisepass der Republik Kosovo erhalten können. Die Klägerin Ziffer 1 hat auch ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung erklärt, diese Möglichkeit unverzüglich wahrnehmen zu werden. Im Übrigen hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, sie werde mit Rücksicht auf die neuere Entwicklung und den aktuellen Stand der Bemühungen um die Beschaffung gültiger Reisepässe vorübergehend jedenfalls bis 31.10.2009 im Ermessenswege von der Erfüllung der Passpflicht absehen.

Abgesehen davon wird die Beklagte im Rahmen einer auszusprechenden Neubescheidungsverpflichtung ohnehin noch förmlich nach § 5 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. AufenthG auf der Grundlage des dann gegebenen Sachstandes zu entscheiden haben, wenn nach einer die Verfassungswidrigkeit feststellenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und einer neuen Entscheidung des Gesetzgebers feststehen sollte, dass § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG als rechtlicher Versagungsgrund der Erteilung des Aufenthaltstitels nicht mehr entgegenstünde, gleichwohl aber keine gültigen Pässe vorliegen sollten. Der Titel war im vorliegenden Fall von der Beklagten auch nicht wegen der Nichterfüllung der Passpflicht abgelehnt worden, weshalb das Ermessen nach § 5 Abs. 3 AufenthG noch nicht ausgeübt worden ist.

cc) Das Verwaltungsgericht hat auch zu Recht ausgeführt, dass sich der Bestimmung des § 104a Abs. 3 AufenthG nicht entnehmen lässt, dass diese nur dann zur Anwendung kommen soll, wenn die häusliche Gemeinschaft bereits zum Zeitpunkt der Begehung der Straftat bzw. deren Aburteilung bestanden hat (vgl. hierzu noch im Folgenden unter 3 b) ee).

dd) Der Komplex der Sicherung des Lebensunterhalts bedarf ebenfalls einer vertieften Betrachtung. Bisher war der Lebensunterhalt der gesamten Familie durch die unselbstständige Erwerbstätigkeit des Ehemanns und Vaters der Kläger und den Bezug von insoweit unschädlichen Kindergeldleistungen (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 2 AufenthG) gesichert. Die Klägerin Ziffer 1 ging bis zum Herbst 2008 keiner Erwerbstätigkeit nach. Sodann bezog sie als Nettoeinkommen wechselnde monatliche Beträge zwischen 207,90 EUR und 710,00 EUR, im Durchschnitt monatlich 419,89 EUR. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats bestand auch die nicht unrealistische Perspektive, dass sich das Erwerbseinkommen auf etwa 700,- EUR erhöhen kann. Sollte der Ehemann und Vater, der vollziehbar ausreisepflichtig ist und für dessen Person eine konkrete Rückübernahmezusage der kosovarischen Behörden bereits vorliegt, zum Lebensunterhalt nicht mehr beitragen können und nur das Erwerbseinkommen der Klägerin Ziffer 1 vorhanden sein, so wird dieses selbst auf der Basis monatlicher Einkünfte in Höhe von 700,- EUR zusammen mit dem bezogenen Kindergeld nicht den notwendigen Lebensunterhalt vollständig decken. Der begehrte Titel ist allerdings grundsätzlich bis zum 31. Dezember 2009 nach § 104a Abs. 1 Satz 3 AufenthG auch dann zu erteilen, wenn der Lebensunterhalt (noch) nicht gesichert ist, weshalb sich die Frage der aktuellen Sicherung unmittelbar nicht stellt.

Allerdings ist dann von einem atypischen Ausnahmefall in Bezug auf das in der Regel gebundene Ermessen auszugehen, wenn bereits zum Zeitpunkt der erstmaligen Erteilung mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden kann, dass - insoweit als Verlängerungsvoraussetzung - im Jahre 2009 (vgl. § 104a Abs. 5 Satz 1 AufenthG) keine überwiegende eigenständige Sicherung erfolgt oder jedenfalls nach dem 31. Dezember 2011 keine eigenständige Sicherung möglich sein wird und auch kein Härtefall im Sinne des Absatzes 6 vorliegen wird (vgl. VGHBW, B. v. 16. April 2008 - 11 S 100/08 - AuAS 2008, 255; NiedersOVG, B.v. 31. März 2009 - 10 LA 411/08 - juris; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG § 104a Rdn. 64), wobei allerdings bloße Zweifel oder eine Unentschiedenheit nicht genügen können, vielmehr solches mit hinreichender Sicherheit bereits bei der erstmaligen Erteilung feststehen muss. An eine Atypik könnte hier durchaus zunächst gedacht werden. Gleichwohl hätte in diesem Fall die Beklagte über die Aufenthaltsbegehren dann nach Ermessen zu entscheiden. Gegen eine Atypik spricht jedoch entscheidend, dass der Klägerin Ziffer 1 bislang aufgrund der familieneinheitlichen Sichtweise der Altfallregelung nicht hinreichend deutlich gewesen war und auch sein musste, dass sie für sich und ihre Kinder ggf. den notwendigen Lebensunterhalt alleine wird verdienen müssen, was aber nunmehr gerade deshalb auch möglich und zumutbar sein wird, weil der Kläger Ziffer 3 mit vier Jahren erst kürzlich ein Alter erreicht hat, bei dem der Klägerin Ziffer 1 die Aufnahme einer Beschäftigung zuzumuten ist (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II; vgl. auch Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG § 104a Rdn. 92). Abgesehen davon besteht aufgrund der Zusage ihrer Schwägerin, die Kinder betreuen zu wollen, die konkrete Chance einer weitergehenden und umfangreicheren Verdienstmöglichkeit. Die Klägerin Ziffer 1 hat im Übrigen mittlerweile durch die erstmalige Aufnahme einer - wenn auch nicht den Lebensunterhalt vollständig deckenden - Erwerbstätigkeit die ersten Schritte in diese Richtung unternommen.

Allerdings setzt die nahe bevorstehende erforderlich werdende Verlängerung zum 1. Januar 2010 bzw. die mit diesem Datum beginnende Verlängerungsperiode nach § 104a Abs. 5 Satz 1 grundsätzlich voraus, dass im gesamten Jahre 2009 der Lebensunterhalt überwiegend eigenständig durch eine eigene Erwerbstätigkeit oder der Lebensunterhalt ab dem 1. April 2009 nicht nur vorübergehend eigenständig und vollständig durch eigene Erwerbstätigkeit gesichert gewesen sein muss, was bei der Klägerin Ziffer 1, wenn man den Ehemann hinweg denkt, nicht der Fall sein wird. Geht man jedoch von den soeben dargestellten besonderen Umständen aus, dass die Erwerbssituation der Klägerin Ziffer 1 sich in einem grundlegenden Umbruch befindet und ihr auch erst seit kurzem bedingt durch das Alter des jüngeren Kindes eine eigene Erwerbstätigkeit zuzumuten ist, liegt keine atypische Ausnahme von der Regel des § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG vor, der es der Beklagten ermöglichen würde, im Ermessenswege bereits die erstmalige Erteilung abzulehnen.

Im Übrigen spricht alles dafür, aus Gründen der Systemgerechtigkeit und nicht zuletzt der Gewährung effektiven Rechtsschutzes die Anforderungen an die spätere Verlängerung in Bezug auf die Voraussetzung der überwiegenden bzw. nicht nur vorübergehenden eigenständigen Sicherung grundlegender zu modifizieren, wenn der erstmalige Titel - namentlich aufgrund gerichtlichen Rechtschutzes - erst im Jahre 2009 oder sogar noch viele Jahre später erteilt wird. Denn die erstmalige Erteilung des Titels hat nach Sinn und Zweck der Altfallregelung, wie sie insbesondere unübersehbar in dem Umstand zum Ausdruck kommt, dass bei der erstmaligen Erteilung gerade keine Sicherung des Lebensunterhalts verlangt werden darf, die Funktion überhaupt erstmals eine sichere Grundlage für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, jedenfalls aber für eine auskömmlichere Tätigkeit zu schaffen (vgl. auch BT-Drucks 16/5065, 202, wonach es sich um eine "Aufenthaltserlaubnis auf Probe" handeln soll). Es wäre vor diesem Hintergrund aber widersprüchlich, hier die Ersterteilung davon abhängig zu machen, dass im Jahre 2009 bereits eine überwiegende bzw. nicht nur vorübergehende Sicherung erfolgt war.

Jedenfalls in Anbetracht des nunmehr von der Klägerin Ziffer 1 bezogenen Erwerbseinkommens kann nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden, dass im erst künftigen Verlängerungsfall mit einem bloßen vorübergehenden und ergänzenden Sozialhilfebezug auch die Voraussetzungen des § 104a Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 AufenthG vorliegen werden, sofern sich bis dahin die Einkommensverhältnisse noch weiter verbessert haben sollten (vgl. zur aktuellen Beurteilung in diesem Zusammenhang unten 3) c) aa). Dies gilt umso mehr wenn sich die Perspektive einer Aufstockung der Arbeitszeit oder gar der Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung demnächst realisieren lassen sollte.

ee) Ein Härtefall im Sinne von § 104a Abs. 3 Satz 2 AufenthG liegt, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht vor. Die Erteilung des Aufenthaltstitels ist nicht zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich. Dessen Ablehnung führt bei den Klägern nicht zu Nachteilen, die nach Art und Intensität erheblich schwerer wiegen als diejenigen Nachteile und Härten, die mit einer jeden Ablehnung nach einem längeren Aufenthalt verbunden sind. Insbesondere rechtfertigt der Umstand, dass die vom Ehemann begangenen Straftaten längere Zeit zurückliegen, aber noch nicht getilgt wurden, und zu einem Zeitpunkt begangen wurden, als die häusliche Gemeinschaft noch nicht begründet worden war, noch nicht die Annahme einer besonderen Härte. Denn zum einen ist die Tatsache, dass die Straftat noch vorgehalten werden kann, nur regelgerechter Ausdruck deren besondere Schwere, die nach § 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG zur Folge hat, dass diese noch nicht getilgt wurde. Zum anderen ist der Regelung des § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und Abs. 3 Satz 1 AufenthG immanent und wird vom Gesetzgeber offenkundig als selbstverständlich vorausgesetzt, dass hiernach auch Straftaten vorgehalten werden können, die vor einer Heirat bzw. dem Zusammenleben verwirklicht wurden. Diese Annahme des Senats liegt insbesondere darin begründet, dass die Vorschrift - abgesehen von der Bagatellgrenze - keine von den Tilgungsfristen des Bundeszentralregistergesetzes abweichenden zeitlichen Grenzen vorsieht. Auch wird im Rahmen des Absatzes 3 Satz 1 gerade nicht danach differenziert, ob die Straftat während des Bestehens der häuslichen Gemeinschaft begangen wurde oder davor. Wollte man in der letzteren Fallkonstellation den Tatbestand der besonderen Härte bejahen, so liefe dies auf eine unzulässige Korrektur der Entscheidung des Gesetzgebers hinaus, weil eine unübersehbar große Teilmenge aller Anwendungsfälle und nicht nur besondere Ausnahmefälle unberücksichtigt blieben (in die diesem Sinne auch NiedersOVG, B. v. 17. November 2008 - 10 LA 260/08 - InfAuslR 2009, 186 <187>).

c) Die Kläger können auch nicht nach einer anderen Bestimmung des 5. Abschnitts des Aufenthaltsgesetzes einen Aufenthaltstitel erhalten.

aa) Die Kläger können die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht nach § 23 Abs. 1 AufenthG i.V.m. der "Anordnung des Innenministeriums nach § 23 AufenthG über ein Bleiberecht für im Bundesgebiet wirtschaftlich und sozial integrierte ausländische Staatsangehörige" vom 20. November 2006 (Az.: 4-1340/29) beanspruchen.

Die Anordnung bleibt nach Ziffer 1.1 der Ergänzenden Hinweise des Innenministeriums Baden-Württemberg zu § 104a AufenthG v. 20. Dezember 2006 neben § 104a AufenthG anwendbar.

Zwar bestehen hier die gleichen verfassungsrechtlichen Bedenken wie sie oben hinsichtlich der Bestimmung des § 104a Abs. 3 Satz 1 AufenthG dargelegt wurden mit der Besonderheit allerdings, dass nach Ziffer 3.5 der Anordnung eine Zurechnung eines strafbaren Verhaltens des volljährigen in der häuslichen Gemeinschaft lebenden Kindes nicht stattfindet. Eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG wäre hier auch nicht erforderlich und möglich, da die Anordnung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U. v. 19. September 2000 - 1 C 19.99 - BVerwGE 112, 63; vgl. auch Funke-Kaiser, GK-AufenthG § 23 Rdn. 13) i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG allein ermessensbindenden Charakter hat. Selbst wenn man in diesem Zusammenhang eine verwaltungsgerichtliche Kontrollmöglichkeit im Sinne einer Verwerfung der Anordnung und einer Verpflichtung zur Neubescheidung bzw. zur Feststellung einer Verfassungswidrigkeit für möglich und zulässig erachtet (vgl. zum Sach- und Streitstand Funke-Kaiser, a.a.O., § 23 Rdn. 17 ff.), so scheitert die Erteilung des Aufenthaltstitels im vorliegenden Fall schon daran, dass im Rahmen der Bleiberechtsregelung nach deren Ziffer 1.2. anders als nach der Altfallregelung vorausgesetzt wird, dass am 17. November 2006 und auch in der Zukunft, d.h. auch zum Zeitpunkt der vom Senat durchgeführten mündlichen Verhandlung der Lebensunterhalt durch eine legale Erwerbstätigkeit ohne zusätzliche Sozialleistungen gesichert sein muss. Dies ist, wie dargelegt, nicht mehr der Fall. Namentlich im Hinblick auf den Umstand, dass der Ehemann und Vater - bei von den kosovarischen Behörden erklärter Rückübernahmebereitschaft - vollziehbar ausreisepflichtig ist, kann prognostisch gesehen von einem (auch weiter) gesicherten Lebensunterhalt keine Rede sein.

Allerdings kann in Entsprechung zu den Fällen des § 104a Abs. 6 Nr. 2 und 3 AufenthG nach Ziffer 1.2 der Anordnung eine Ausnahme zugelassen werden, wenn entweder bei einer Familie mit Kindern, wie hier, diese nur vorübergehend und nur ergänzend auf Sozialleistungen angewiesen ist, oder wenn bei Alleinerziehenden mit Kindern, nur ein vorübergehender Sozialleistungsbezug vorliegt und dem oder der Alleinerziehenden eine Arbeitsaufnahme nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB II nicht zuzumuten ist.

Um einen nur ergänzenden Sozialleistungsbezug handelt es sich hier aber nicht. Selbst wenn man, wie dies zu § 104a Abs. 6 Nr. 2 AufenthG zutreffend vertreten wird, nicht zwingend verlangt, dass ein ergänzender Sozialleistungsbezug nur dann vorliegt, wenn rechnerisch der überwiegende Teil des zur Verfügung stehenden Geldes aus Erwerbseinkommen stammt, vielmehr eine wertende Betrachtungsweise anstellt (vgl. etwa Albrecht, in: Storr u.a., Kommentar z. Zuwanderungsrecht, 2. Aufl., § 104a Rdn. 40) und spezifisch den Bedarf in den Blick nimmt, der gerade und nur durch die Kinder begründet wird (vgl. Ziffer 8.3 VAH BMI zu § 104a), so wäre nach den gegenwärtigen Einkommensverhältnissen der Klägerin Ziffer 1 auch deren eigener Bedarf infolge eigenen Erwerbseinkommens nicht vollständig gedeckt. Auch sie allein hätte Anspruch auf ergänzende Leistungen nach SGB II. Dies ergibt sich aus Folgendem: Der Regelsatz für die Klägerin Ziffer 1 als Haushaltsvorstand betrüge ab 1. Juli 2009 359,- EUR; hinzuzurechnen wäre der fiktive Unterkunftsbedarf einer alleinstehenden Person; schließlich würde sich der Bedarf noch um den Freibetrag nach § 30 SGB II um 20 v.H. des Einkommens erhöhen. Dem wäre das mit hinreichender Sicherheit demnächst zu erzielende Einkommen in Höhe von 700,- EUR gegenüberzustellen, das nach § 3 Nr. 26 EStG allerdings nicht mehr steuerfrei und auch sozialabgabenpflichtig wäre.

In Anbetracht des Alters der Klägers Ziffer 3 kann auch nach den Vorgaben des § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II von einer Unzumutbarkeit nicht ausgegangen werden. Dass eine Betreuungsmöglichkeit nicht zu finden ist, ist jedenfalls nach dem Vortrag im Schriftsatz vom 19. Juni 2009 nicht ersichtlich.

bb) Auch ein Titel nach § 25 Abs. 5 AufenthG kommt nicht in Betracht (vgl. in diesem Zusammenhang aber zur der Frage, ob ein solcher Titel überhaupt beantragt war und daher Gegenstand des Verwaltungsverfahrens sein konnte, wobei die Beklagte nach dem Inhalt der Verfügungen vom 10. Januar 2008 dies allerdings so gesehen hat: VGH Baden-Württemberg, B. v. 28. April 2008 - 11 S 683/08 - VBlBW 20008, 490; vgl. auch BVerwG, U. v. 4. September 2007 - 1 C 43.06 - BVerwGE 129, 226). Die vollziehbar ausreisepflichtigen Kläger sind jedoch nicht unverschuldet an der Ausreise gehindert. Als ethnische Albaner aus dem Kosovo bestehen keine Ausreisehindernisse. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote im Sinne des § 60 Abs. 1, 2, 3, 5 oder 7 Satz 1 AufenthG wurden mit der Bindungswirkung der § 4 Satz 1 und § 42 Satz 1 AsylVfG durch das Bundesamt verneint. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG wäre gegenüber dem Bundesamt geltend zu machen (vgl. § 71 Abs. 1 AsylVfG). Wie bereits oben ausgeführt, ist nicht ersichtlich, dass sie keinen zur Einreise gültigen serbischen Reisepass erlangen können, um nach Serbien auszureisen, wo sie sich auch niederlassen könnten (vgl. Auswärtiges Amt, Auskunft vom 9. Oktober 2008 an VG Kassel). Abgesehen davon ist, wie das Regierungspräsidium Stuttgart dem Senat am 9. Juni 2009 mitgeteilt hat (AS 75 f.) eine Ausreise nach Kosovo auch ohne Pass möglich, da eine Rückübernahmezusage vorliegt.

Einer Aufenthaltsbeendigung steht auch kein nicht zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot aus Art. 8 EMRK entgegen. Die Kläger haben im Bundesgebiet kein Privatleben begründet, das durch eine Aufenthaltsbeendigung in unverhältnismäßiger Weise verletzt würde, sodass als Folge hiervon der Aufenthalt zu legalisieren wäre. Der Senat kann offen lassen, ob der Schutzbereich schon deshalb nicht eröffnet ist, weil der bisherige Aufenthalt der Kläger durch die Bundesrepublik zu keinem Zeitpunkt positiv ermöglicht und willentlich legalisiert worden war (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, B. v. 03. November 2008 - 11 S 2235/08 - InfAuslR 2009, 72; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG § 60a Rdn. 173 m.w.N.). Auch in Anbetracht des langjährigen Aufenthalts der Klägerin Ziffer 1 und des Umstands, dass die Kläger Ziffer 2 und 3 hier geboren wurden, ist eine Aufenthaltsbeendigung nicht unzumutbar und unverhältnismäßig. Denn spätestens mit dem Widerruf der Asylberechtigung des Ehemanns und Vaters im März 2001 mussten die Kläger, die - von den Zeiten einer allein durch die Asylantragstellung ausgelösten Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 AsylVfG abgesehen - immer vollziehbar ausreisepflichtig waren, dieser Ausreisepflicht nachkommen und konnten zu keinem Zeitpunkt damit rechnen, weiterhin und geschweige denn auf Dauer im Bundesgebiet weiter verweilen zu können.

Im Übrigen ist der Klägerin Ziffer 1 keine wirtschaftliche Integration gelungen, aufgrund derer es ihr zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung möglich ist, dauerhaft eigenständig den Lebensunterhalt zu sichern (vgl. zu dieser Voraussetzung Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG § 60a Rdn. 184 ff.). Wie bereits oben ausgeführt, steht solches günstigstenfalls erst bevor. Die acht und vier Jahre alten Kläger Ziffer 2 und 3 sind auch noch in einer relativ frühen Lebensphase, in der - zusammen mit ihren Eltern und deren Hilfestellungen - eine erstmalige Integration in die Lebensverhältnisse in Serbien oder dem Kosovo möglich sein wird (vgl. etwa VGH Baden-Württemberg, B. v. 10. Mai 2006 - 11 S 2354/05 - VBlBW 2006, 438; VG Stuttgart, U. v. 20. Juli 2006 - 4 K 921/06 - InfAuslR 2006, 409; v. 26. Oktober 2006 - 4 K 1753/06 - juris).

cc) Schließlich scheidet die Erteilung eines Titels nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG aus. Diese Vorschrift ermöglicht keine Ermessensentscheidung in solchen Fällen, in denen etwa der Aufenthalt zu einem Zweck angestrebt wird, der an sich spezifisch im Aufenthaltsgesetz geregelt wurde, der oder die Betreffende aber eine oder mehrere tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Sie betrifft nur einen solchen Fall, bei dem der Aufenthaltszweck schon nicht im Aufenthaltsgesetz ausgestaltet wurde. Die Vorschrift ist daher nicht als allgemeine Auffangnorm oder Generalklausel zu begreifen (vgl. in diesem Sinne zur Vorläufervorschrift des § 7 Abs. 1 AuslG, der § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG nachgebildet wurde BVerwG, U. v. 27. Februar 1996 - 1 C 41.93 - BVerwGE 100, 287; Harms, in: Storr u.a., Komm. z. Zuwanderungsrecht, 2. Aufl., 2008, § 7 Rdn. 4).

dd) Was die Erteilung eines Titels nach § 25 Abs. 4 Satz 1 oder Satz 2 AufenthG betrifft, verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in der Verfügung der Beklagten vom 10. Januar 2008.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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