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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 25.03.2009
Aktenzeichen: 1 B 02.1267
Rechtsgebiete: BayBO 1998, BayBO, BauGB 1997
Vorschriften:
BayBO 1998 Art. 6 Abs. 4 | |
BayBO 1998 Art. 6 Abs. 5 | |
BayBO 1998 Art. 7 Abs. 1 Satz 1 | |
BayBO 1998 Art. 73 Abs. 1 | |
BayBO 1998 Art. 62 Abs. 1 | |
BayBO Art. 83 Abs. 1 | |
BauGB 1997 § 1 Abs. 6 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Anfechtung einer Baugenehmigung für den Umbau des "Stadtmarktes *********" (Fl.Nr. 178 Gemarkung *********);
hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 14. März 2002,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Häberlein
ohne mündliche Verhandlung am 25. März 2009
folgendes Urteil:
Tenor:
I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 14. März 2002 wird geändert.
Der Baugenehmigungsbescheid des Landratsamts ********* vom 15. September 2000 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte und der Beigeladene zu 2 je zur Hälfte. Die Beigeladene zu 1 und der Beigeladene zu 2 tragen ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen jeweils selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte bzw. der Beigeladene zu 2 dürfen eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen ein Bauvorhaben des Beigeladenen zu 2.
1. Die Klägerin ist Eigentümerin des an der ****************-Straße gelegenen, mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Fl.Nr. 179/6 Gemarkung *********. Das westlich angrenzende Grundstück Fl.Nr. 178 des Beigeladenen zu 2 ist mit dem "Stadtmarkt *********" bebaut. Der Gebäudekomplex des "Stadtmarktes" umfasst einen an der ****************-Straße stehenden, oberirdisch viergeschossigen Teil (Erdgeschoss, erstes und zweites Obergeschoss, Dachgeschoss mit Satteldächern), einen rückwärtigen, oberirdisch dreigeschossigen Teil (Erdgeschoss, Obergeschoss und Dachgeschoss mit Satteldach) sowie einen eingeschossigen Verbindungsbau ("Mitteltrakt"). Der gesamte Gebäudekomplex ist unterkellert. Im Untergeschoss befinden sich Kfz-Stellplätze sowie Verkaufs-, Ausstellungs- und Lagerräume.
Die Grundstücke der Klägerin und des Beigeladenen zu 2 liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 8106 (früher: Nr. 5 D) der Beigeladenen zu 1. Die ursprüngliche, inzwischen zweimal geänderte Fassung des Bebauungsplans ist am 2. Februar 1977 in Kraft getreten. Das gesamte zwischen der ****************-Straße im Süden, der ************* Straße im Osten und der ********* Straße im Nordwesten gelegene Plangebiet ist bis heute als Mischgebiet festgesetzt. Als zulässiges Nutzungsmaß waren in der ursprünglichen Fassung für das Grundstück des "Stadtmarktes" eine Grundflächenzahl von 0,5 und eine Geschossflächenzahl von 1,0 festgesetzt. Entlang der ****************-Straße waren drei Vollgeschosse und im Mittelteil ein Vollgeschoss vorgeschrieben; im rückwärtigen Bereich waren fünf Vollgeschosse zulässig. Unter Nr. A.2. der Festsetzungen in der ursprünglichen Fassung war Folgendes geregelt:
"Soweit sich bei der Ausnutzung der überbaubaren Grundstücksflächen (einschließlich Flächen für Garagen) Abstandsflächen ergeben, die geringer sind als Art. 6 und 7 BayBO verlangen, werden diese aus Gründen einer vernünftigen städtebaulich richtigen Baukörperentwicklung zugelassen oder sind durch den Bestand und die vorhandenen Flurstücksgrenzen gegeben. Dies trifft zu zwischen den Fl.Nrn.: ...183 und 178, 179/5 und 179/4".
Durch die am 9. Dezember 1999 in Kraft getretene, nur das Grundstück des "Stadtmarktes" berührende zweite Änderung des Bebauungsplans wurden u. a. die Festsetzungen zum Nutzungsmaß geändert. Auf dem Grundstück sind jetzt eine Grundfläche von 2.815 m² und eine Geschossfläche von 8.000 m² zulässig. Entlang der ****************-Straße sind weiterhin drei Vollgeschosse vorgeschrieben; im Mittelteil sind ein Vollgeschoss sowie - im Bereich einer neuen elliptischen überbaubaren Fläche - zwei Vollgeschosse vorgeschrieben; im rückwärtigen Bereich sind nur noch drei Vollgeschosse zulässig. Die abstandsflächenrechtliche Regelung ist entfallen.
Die Errichtung des "Stadtmarktes" wurde mit Bescheid des Landratsamts ********* vom 25. April 1977 sowie Tekturgenehmigungen vom 20. September 1977, 17. März 1978 und 26. November 1978 baurechtlich genehmigt. Mit Bescheid vom 8. Februar 2000 genehmigte das Landratsamt den Umbau einer auf der Grundlage der Tekturgenehmigungen im ersten Obergeschoss des rückwärtigen Gebäudeteils errichteten Diskothek in ein Restaurant. Dieses Vorhaben wurde nicht ausgeführt. Mit Bescheid vom 6. Juni 2000 erteilte das Landratsamt dem Beigeladenen zu 2 eine Teilbaugenehmigung für den Ausbau der Westhälfte des Dachgeschosses des rückwärtigen Teils des Stadtmarktes zu einem evangelischen Gottesdienstraum. Dieses Vorhaben ist fertig gestellt. Mit Bescheid vom 15. September 2000 erhielt der Beigeladene die Baugenehmigung für die in der zweiten Änderungssatzung im Bebauungsplan vorgesehene Aufstockung des Mitteltrakts. Nach den genehmigten Bauvorlagen sind in dem neuen Gebäudeteil drei Läden und ein Café geplant. Zusammen mit der Baugenehmigung ließ das Landratsamt für 16 der für den "Stadtmarkt" insgesamt erforderlichen 162 Stellplätze eine Abweichung von der Stellplatzsatzung der Beigeladenen zu 1 zu. Zur Begründung verweist der Bescheid auf einen städtebaulichen Vertrag vom 11. Juni 1999 zwischen dem Beigeladenen zu 2 und der Beigeladenen zu 1.
Die Klägerin erhob gegen die Genehmigungsbescheide vom 6. Juni und 15. September 2000 jeweils Widerspruch; über die Rechtsbehelfe wurde nicht entschieden. Die Anfechtungsklage wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 14. März 2002 ab. Bei dem "Stadtmarkt" handele es sich nicht um ein Einkaufszentrum im Sinn von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO, sondern um eine Ansammlung von Läden, Dienstleistungsbetrieben und sonstigen Einrichtungen, die alle in einem Mischgebiet zulässig seien. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sei nicht verletzt. Eine nennenswerte Zunahme des An- und Abfahrtsverkehrs sei nicht zu erwarten. Von einer "erdrückenden Wirkung" des Gebäudekomplexes könne auch nach der Aufstockung des Mittelteils nicht die Rede sein. Die nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayBO (a. F.) zu bestimmenden Abstandsflächen würden eingehalten. Die Festsetzungen, durch welche die Abstandsflächen festgelegt werden, seien wirksam. Das Abwägungsgebot sei nicht verletzt. Hinsichtlich der Baugenehmigung vom 15. September 2000 hat der Senat die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen; hinsichtlich der Genehmigung vom 6. Juni 2000 wurde der Zulassungsantrag der Klägerin abgelehnt (Beschluss vom 1.8.2003).
2. Zur Begründung der Berufung macht die Klägerin geltend:
Gehe man von der Wirksamkeit der 2. Änderung des Bebauungsplans und damit von der Anwendbarkeit der Baunutzungsverordnung 1990 aus, sei die Klägerin in ihren Rechten verletzt, weil es sich bei dem Stadtmarkt um ein in einem Mischgebiet nicht zulässiges Einkaufszentrum handele. Das Verwaltungsgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass Gegenstand der Zulässigkeitsprüfung die gesamte Anlage in der Gestalt, die sie durch die Änderung erhalte, sein müsse. Jedenfalls infolge der genehmigten Vergrößerung der Verkaufsfläche werde der "Stadtmarkt", dessen Läden durch ein gemeinsames Konzept und durch Kooperation miteinander verbunden seien, zu einem Einkaufszentrum im bauplanungsrechtlichen Sinn. Der "Stadtmarkt" weise die für ein Einkaufszentrum typische Kombination von Einzelhandelsgeschäften und Dienstleistungsangeboten auf und habe die vom Verwaltungsgericht vermisste "Magnetwirkung".
Die Baugenehmigung verstoße auch gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO. Bei einem in zeitlicher Hinsicht nicht beschränkten Betrieb der Gastronomie, von dem mangels Betriebszeitenregelung auszugehen sei, und unter Berücksichtigung der bei der An- und Abfahrt zur bzw. von der Tiefgarage entstehenden Geräusche seien unzumutbare Lärmbelästigungen zu erwarten. Die vom Beklagten vorgelegte Stellungnahme des für den Immissionsschutz zuständigen Sachgebiets des Landratsamtes betreffe nur das streitgegenständliche Vorhaben, obwohl eine Beurteilung aller Geräusche des "Stadtmarktes" angezeigt sei. Nach einer Stellungnahme des Landratsamts vom 30. November 2007 führe allein der Fahrverkehr zu einer Belastung in Höhe des Immissionsrichtwertes für die Nachtzeit. Da die Baugenehmigung vom 20. Juni 2002 für das Balettstudio einen Immissionsrichtwert von 42 dB(A) nachts zulasse, werde der zulässige Immissionsrichtwert schon durch die gastronomischen Nutzungen und das Balettstudio überschritten. Es sei unverständlich, dass das Landratsamt bei der Genehmigung des Ballettstudios Auflagen zum Immissionsschutz gesetzt habe, bei dem streitgegenständlichen Vorhaben jedoch keine entsprechenden Regelungen für erforderlich gehalten habe.
Das Rücksichtnahmegebot sei gegenüber dem Anwesen der Klägerin auch wegen der erheblichen Verschlechterung der Belichtung und Besonnung sowie der Störung des Wohnfriedens verletzt. Mit der Aufstockung des Mitteltraktes gehe der Ausgleich für die erheblichen Nachteile verloren, die sich für die Klägerin dadurch ergäben, dass der vordere und der rückwärtige Teil des Gebäudekomplexes gegenüber dem Grundstück der Klägerin nicht die Abstandsflächen einhielten.
Die Baugenehmigung verstoße auch gegen die Abstandsflächenvorschriften. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Erfordernis einer so genannten abstandsflächenrechtlichen Gesamtprüfung bei baulichen Änderungen und Nutzungsänderungen von Gebäuden, welche die aktuellen Abstandsflächenvorschriften nicht einhielten, sei zwar nicht ganz einheitlich. Bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden werde jedoch in mehreren Entscheidungen eine Gesamtprüfung für erforderlich gehalten. Für diese Prüfung seien die gesetzlichen Abstandsflächenvorschriften maßgebend. Die Abstandsflächenregelung der ursprünglichen Fassung des Bebauungsplans beziehe sich nicht auf die auf dem Baugrundstück gegenüber dem Grundstück der Klägerin einzuhaltenden Abstandsflächen. Abgesehen davon durfte die damalige Festsetzung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs unwirksam gewesen sein. Die Festsetzungen gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayBO a. F. in der 2. Änderungssatzung seien unwirksam, weil die Beigeladene zu 1 bei der Abwägung der Einwände der Klägerin am 27. September 1999 zu Unrecht angenommen habe, dass die Abstandsflächen bereits durch die ursprüngliche Fassung verkürzt gewesen seien, dass die Bebauungsplanänderung eine Verbesserung für das Grundstück der Klägerin bringe und dass der "Stadtmarkt" die gesetzlichen Abstandsflächen einhalte. Zwar treffe es zu, dass nach der ursprünglichen Fassung des Bebauungsplans ein fünfgeschossiger Gebäudeteil mit einem Abstand von nur der Hälfte der Wandhöhe hätte errichtet werden können. Schon seit der Neufassung des Abstandsflächenrechts durch das Vierte Gesetz zur Änderung der Bayerischen Bauordnung vom 21. Juni 1982 sei dies jedoch nicht mehr möglich gewesen. Somit habe die 2. Änderung keine Verbesserung für die Klägerin in abstandsflächenrechtlicher Hinsicht gebracht. Die erforderliche Gesamtbetrachtung dürfe sich nicht auf den Mitteltrakt beschränken. Gemäß Art. 6 BayBO müsse eine abstandsflächenrechtliche Zulässigkeitsprüfung von dem Gebäude und nicht von einem Gebäudeteil ausgehen. Eine Gesamtprüfung sei nicht nur wegen des Entstehens eines neuen abstandsflächenpflichtigen Gebäudeteils erforderlich, sondern auch wegen der mit dem Vorhaben einhergehenden Nutzungsintensivierung. Die Gesamtprüfung führe zu dem Ergebnis, dass auf der Ostseite des vorderen und des rückwärtigen Teils des "Stadtmarktes" jeweils eine "volle" Abstandsfläche nicht auf dem Baugrundstück eingehalten werde. Das "16 m-Privileg" komme nicht zur Anwendung, weil die maßgeblichen Wandteile zusammen länger als 16 m seien. Davon abgesehen, verstoße die Baugenehmigung auch deswegen gegen Abstandsflächenrecht, weil der vordere und der rückwärtige Gebäudeteil jeweils höher als in den ursprünglich genehmigten Bauvorlagen vorgesehen ausgeführt worden seien. Bei dem vorderen Gebäudeteil liege die Firsthöhe bei 16,10 m statt beim genehmigten Maß von 15,80 m und die Traufhöhe bei 13,43 m statt 13,15 m. Bei dem Mitteltrakt weise das Dach statt des genehmigten Maßes von 4,20 m eine Höhe von 4,43 m auf. Bei dem rückwärtigen Gebäudeteil betrage die Firsthöhe 12,65 m statt des genehmigten Maßes von 12,25 m. Wegen dieser Abweichungen hätte der Beigeladene zu 2 eine Baugenehmigung für das Gesamtgebäude beantragen müssen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 14. März 2003 zu ändern und den Baugenehmigungsbescheid des Landratsamts ********* vom 15. September 2000 aufzuheben.
Der Beklagte stellt keinen Antrag. Nach Stellungnahmen des für den Immissionsschutz zuständigen Sachgebiets des Landratsamts würden um 3 dB(A) reduzierte Lärmrichtwerte eines Mischgebiets beim Anwesen der Klägerin auch dann eingehalten, wenn man die beiden vorhandenen gastronomischen Betriebe berücksichtige. Im Übrigen habe sich die Situation für die Klägerin infolge einer Verlegung des Gehweges auf der Südostseite des "Stadtmarktes" verbessert.
Die Festsetzung der zulässigen Grundfläche in der Satzung über die zweite Änderung des Bebauungsplans sei wirksam. Der Klammerzusatz "für den Hauptbaukörper" bedeute nicht, dass die zulässige Grundfläche nur für den Hauptbaukörper festgesetzt sei. Der Hinweis entspreche der üblichen Praxis, wonach der festgesetzte Wert von dem Hauptbaukörper ausgeschöpft und für die "Nebenanlagen" im Sinn von § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO die sogenannte Überschreitungsregelung in Anspruch genommen werde. Abwägungsfehlerhaft sei zwar, dass die Beigeladene zu 1 nicht berücksichtigt habe, dass die Überschreitungsregelung für die Tiefgarage bei weitem nicht ausreiche. Dieser Fehler sei in diesen Verfahren aber zu vernachlässigen, weil er nur die Belange des Beigeladenen zu 2, nicht aber die der Klägerin berühre. Auch die zu Recht geltend gemachten Mängel bei der Abwägung der abstandsflächenrechtlichen Folgen der Festsetzungen führten nicht zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans.
Dass die Baugenehmigung für die Aufstockung des Mitteltrakts keine Auflagen zum Immissionsschutz enthalte, sei nicht zu beanstanden. Nach dem Bauantrag habe es keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die Nutzung des neuen Gebäudeteils eine der Klägerin nicht zumutbare Belastung zur Folge haben könnte. Ob das Gebäude des "Stadtmarkts" abweichend von der ursprünglichen Genehmigung errichtet wurde, könne offen bleiben, weil die abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit dieser Gebäudeteile nicht aus Anlass des Vorhabens zu prüfen sei.
Die Beigeladene zu 1 stellt keinen Antrag.
Nach ihrer Auffassung ist die der zweiten Änderungssatzung zugrunde liegende Abwägung nicht zu beanstanden. Einzelne, möglicherweise nicht ganz richtige Feststellungen im Zusammenhang mit der Verkürzung der Abstandsflächen änderten nichts daran, dass die öffentlichen und privaten Belange knapp, aber gerecht abgewogen worden seien. Auch die Festsetzung der zulässigen Grundfläche sei nicht fehlerhaft.
Der Beigeladene zu 2 beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er macht geltend:
Maßgebend sei die Baunutzungsverordnung 1968. Der "Stadtmarkt *********" sei schon deswegen kein Einkaufszentrum, weil der Gebäudekomplex überwiegend für andere Zwecke als zum Einkaufen genutzt werde.
§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sei weder bei einer Einzel- noch bei einer Gesamtbetrachtung verletzt. Eine Nutzung während der Nachtzeit, durch die die Klägerin in ihren Rechten verletzt werden könnte, finde nicht statt.
Die Abstandsflächenvorschriften seien weder bei einer Einzelbetrachtung des Mitteltrakts noch bei einer Gesamtbetrachtung der östlichen Gebäudeseite verletzt. Die von der Klägerin genannten Entscheidungen seien nicht einschlägig. Gegen eine Gesamtbetrachtung spreche im Übrigen, dass dann eine Änderung eines Gebäudes, das zum Zeitpunkt seiner Errichtung den Abstandsflächenvorschriften entsprochen habe, aber nicht mit neuen rechtlichen Anforderungen im Einklang stehe, nicht möglich wäre. Die aus der Änderung der abstandsflächenrechtlichen Anforderungen resultierenden Besonderheiten müssten auch bei der Bewertung der Satzung über die 2. Änderung des Bebauungsplans berücksichtigt werden. Die im Auftrag der Klägerin durchgeführten Messungen hätten keine Abweichungen von den eingereichten Plänen ergeben. Der Einwand der Klägerin, dass die tatsächliche Höhe des Gebäudes die im Jahr 1977 genehmigten Maße überschreite, lasse außer Acht, dass das Gelände von der ****************-Straße nach Osten um 0,60 m bzw. - infolge einer Aufschüttung - um 0,40 bis 0,55 m abfalle. Aus diesem Grund müssten für die Berechnung der Abstandsflächen von der tatsächlich ermittelten Höhe im Bereich des vorderen Gebäudetrakts zunächst 0,40 m abgezogen werden.
3. Der Senat hat am 15. Oktober 2004 einen Augenschein durchgeführt und am 7. Dezember 2004 sowie am 6. November 2007 mündlich verhandelt. Auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung haben alle Beteiligten verzichtet.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die vom Beklagten und der Beigeladenen zu 1 vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich alle Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Berufung hat Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen, weil die Baugenehmigung vom 15. September 2000 für die Aufstockung des Mitteltrakts des "Stadtmarktes *********" die Rechte der Klägerin verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Baugenehmigung verstößt gegen Abstandsflächenrecht und damit gegen Rechte der Klägerin schützende Vorschriften, die nach Art. 72 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO in der bei Erteilung der Genehmigung maßgebenden, am 1. Januar 1998 in Kraft getretenen Fassung vom 4. August 1997 (GVBl S. 433) im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren. Die neue Fassung des Gesetzes vom 14. August 2007 (GVBl S. 588) hat insoweit keine Änderung gebracht (vgl. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO).
Wegen des Verstoßes gegen nachbarschützendes Abstandsflächenrecht kann offen bleiben, ob die Baugenehmigung auch gegen Rechte der Klägerin schützende bauplanungsrechtliche Vorschriften verstößt.
1. Die genehmigte Aufstockung des Mitteltrakts widerspricht den Rechte der Klägerin schützenden abstandsflächenrechtlichen Anforderungen, weil die Abstandsflächen der östlichen Außenwände des vorderen und des rückwärtigen Gebäudeteils des "Stadtmarktes" teilweise auf dem Grundstück der Klägerin liegen. Die abstandsflächenrechtliche Zulässigkeit dieser Gebäudeteile ist zu prüfen, obwohl sie von dem Vorhaben nicht unmittelbar berührt werden (a). Für diese Gesamtbeurteilung ist die Sach- und Rechtslage bei Erteilung der angefochtenen Baugenehmigung maßgebend (b). Die Tiefe der auf der Ostseite des "Stadtmarktes" anfallenden Abstandsflächen ist aber nicht nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayBO 1998 zu bestimmen, sondern nach Art. 6 Abs. 4 und 5 BayBO 1998. Die sich danach ergebenden Abstandsflächen liegen teilweise auf dem Grundstück der Klägerin (c).
a) Da im Zuge der geplanten Aufstockung des Mitteltrakts neue Außenwände entstehen sollen, steht außer Frage, dass das Vorhaben eine Prüfung der abstandsflächenrechtlichen Zulässigkeit erforderlich macht. Um die Rechte der Klägerin zu wahren, hätte das Landratsamt bei dieser Prüfung die gesamte östliche Seite des "Stadtmarktes" in den Blick nehmen müssen und nicht nur den Mittelteil mit der dem Grundstück der Klägerin zugewandten neuen Wand. Die Voraussetzungen, unter denen anlässlich einer baulichen Änderung eine abstandsflächenrechtliche Gesamtprüfung erforderlich ist, sind erfüllt. Der Grundsatz der Gesamtprüfung (oder Gesamtbeurteilung) setzt bei dem Begriff des Vorhabens in bauplanungsrechtlicher (§ 29 Abs. 1 BauGB) bzw. in bauordnungsrechtlicher (vgl. Art. 62 Abs. 1 BayBO 1998 und Art. 55 Abs. 1 BayBO) Hinsicht an. Was Vorhaben in diesem Sinn und damit Gegenstand der baurechtlichen Zulässigkeitsprüfung ist, wird grundsätzlich (mit dem Bauantrag) vom Bauherrn bestimmt. Diese Befugnis des Bauherrn besteht aber nur innerhalb "objektiver" Grenzen, die sich aus den Erfordernissen einer sachgerechten Prüfung der jeweils betroffenen rechtlichen Anforderung ergeben. Dieser von der Rechtsprechung zum bauplanungsrechtlichen Vorhabensbegriff (BVerwG vom 4.7.1980 NJW 1981, 776 = ZfBR 1980, 243; vom 20.8.1992 NVwZ-RR 1993, 66) entwickelte Grundsatz gilt für den bauordnungsrechtlichen Begriff entsprechend. Danach muss sich die abstandsflächenrechtliche Zulässigkeitsprüfung hier schon deswegen auf die gesamte östliche Gebäudeseite erstrecken, weil die Außenwände dort höher ausgeführt wurden als es die für die Errichtung des "Stadtmarktes" erteilte Baugenehmigung zuließ. Ob eine abstandsflächenrechtliche Gesamtprüfung auch aus den anderen im Verfahren erörterten Gründen (bauliche Änderung bzw. Nutzungsänderung eines Gebäudes, bei dem von der Änderung nicht unmittelbar betroffene Teile zwar dem zum Zeitpunkt der Änderung maßgeblichen Abstandsflächenrecht nicht entsprechen, aber durch nach früherem Recht erteilte Genehmigungen in ihrem Bestand geschützt sind) erforderlich wäre, kann damit offen bleiben.
In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist seit langem anerkannt, dass bei einer Änderung eines genehmigungspflichtigen, aber nicht genehmigten oder abweichend von der erteilten Genehmigung errichteten Gebäudes nicht die Änderung "isoliert" zur Überprüfung gestellt werden darf, sondern dass sich der Bauantrag - und dementsprechend auch die materielle Prüfung - auf das gesamte Gebäude mit der geplanten Änderung erstrecken müssen (BayVGH vom 7.3.1979 - Nr. 64 XIV 75; so auch: Koch/Molodovsky/Famers, BayBO, Stand Dezember 2007, Art. 55 RdNr. 13; Gassner in Simon/Busse, BayBO, Stand Januar 2009, Art. 64 RdNr. 54; vgl. ferner BayVGH vom 29.1.2003 BayVBl 2003, 663; vom 25.5.2004 - 1 B 01.266 - juris). Diese Prüfung des Gebäudes "in der geänderten Gestalt" muss jedenfalls die rechtlichen Anforderungen umfassen, die von der Änderung berührt werden (vgl. BVerwG vom 4.2.2000 NVwZ 2000, 1047 = BauR 2000, 1041). Somit ist bei einer abstandsflächenrechtlich relevanten Änderung eines Gebäudes eine Gesamtprüfung der abstandsflächenrechtlichen Zulässigkeit jedenfalls dann erforderlich, wenn bei der Errichtung des Gebäudes in abstandsflächenrechtlich relevanter Weise von der Baugenehmigung abgewichen wurde. Auf die vom Beklagten (im Schreiben des Landratsamts vom 30.1.2008) aufgeworfene Frage, ob die Klägerin noch ein Einschreiten gegen die Abweichungen von der ursprünglichen Baugenehmigung erreichen könnte, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Frage dürfte zwar (u. a.) das Gewicht der bei der Entscheidung über eine Abweichung (Art. 63 Abs. 1 BayBO) von den abstandsflächenrechtlichen Vorschriften zu würdigenden nachbarlichen Belange berühren, aber nicht die aus den dargelegten Gründen zu bejahende Erforderlichkeit einer Gesamtbeurteilung.
Nach diesen Maßstäben muss die gesamte östliche Gebäudeseite - und nicht nur, wie das Landratsamt in seinem Schreiben vom 30. Januar 2008 meint, der Mitteltrakt - im Zuge der geplanten Aufstockung des Mitteltrakts abstandsflächenrechtlich neu beurteilt werden, weil die vorhandenen Wandhöhen auf der gesamten Gebäudeseite zum Nachteil der Klägerin von den in den Jahren 1977/1978 erteilten Baugenehmigungen abweichen. Dies ergibt sich aus einem Vergleich zwischen den (nach der mündlichen Verhandlung vom 6.11.2007 beigezogenen) Bauakten zur ursprünglichen Baugenehmigung für den "Stadtmarkt" auf der einen und der Darstellung des Bestandes in den Bauvorlagen für das streitgegenständliche Vorhaben sowie den von der Klägerin in der Verhandlung vom 6. November 2007 vorgelegten Ergebnissen einer Vermessung der Ostseite des Gebäudes durch ein Ingenieurbüro auf der anderen Seite. Nach den mit Bescheid vom 25. April 1977 genehmigten Bauvorlagen ("Blatt 9 Ostfassade Westfassade") ist die vorspringende, dem Grundstück der Klägerin zugewandte Giebelwand des an der ****************-Straße stehenden Teils des "Stadtmarktes" etwa 13,20 m hoch (Abstand zwischen der in den Bauvorlagen mit waagrechtem Verlauf dargestellten Geländeoberfläche und dem Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut des Quergiebels [Art. 6 Abs. 3 Satz 2 BayBO 1998 = Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO]); die Firsthöhe liegt bei etwa 15,80 m. Die östliche Außenwand des Mitteltrakts ist etwa 4,20 m hoch. Die Maße der östlichen Giebelwand des rückwärtigen Teils des Gebäudekomplexes betragen etwa 8,10 m (Wandhöhe im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Satz 2 BayBO 1998) und etwa 12,30 m (Firsthöhe). In den Bauvorlagen zu der streitgegenständlichen Baugenehmigung, in denen das Gelände im Bereich zwischen der Südostecke und der Nordostecke der vorspringende Giebelwand des vorderen Teils des Gebäudekomplexes leicht nach Norden abfallend und im Übrigen wiederum mit waagrechtem Verlauf dargestellt ist, liegt die Wandhöhe der vorderen vorspringenden Giebelwand hingegen bei etwa 13,40 m an der Südost- und etwa 13,60 m an der Nordostecke und die Firsthöhe bei etwa 16,10 m. Die östliche Außenwand des Mitteltrakts ist nach diesen Bauvorlagen etwa 4,60 m hoch. Die Maße der östlichen Giebelwand des rückwärtigen Teils des Gebäudekomplexes betragen etwa 8,50 m (Wandhöhe) und 12,70 m (Firsthöhe). Dass die Darstellung des Bestandes in den Bauvorlagen zur Genehmigung vom 15. September 2000 im Wesentlichen den tatsächlich vorhandenen Höhen entspricht, ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus der erwähnten Vermessung. Wie bereits in dem Hinweisschreiben vom 16. November 2007 näher erläutert wurde, besteht zwischen den in den neuen Bauvorlagen dargestellten Höhen und den von dem Ingenieurbüro ermittelten Maßen kein nennenswerter Unterschied. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen des Beigeladenen zu 2 und der von ihm vorgelegten Vermessung. Zwar trifft es zu, dass bei den auf die Oberkante des Erdgeschossfußbodens bezogenen Höhen kein Unterscheid zwischen der Darstellung in den Bauvorlagen gemäß Genehmigung vom 25. April 1977 und den (auf der Grundlage von Kopien dieser Bauvorlagen erstellten) streitgegenständlichen Vorlagen besteht. In der Ostansicht der letzteren liegt der, wie üblich, mit "0,00 m" bezeichnete Erdgeschossfußboden jedoch nicht, wie in den ursprünglichen Vorlagen etwa 0,20 m über dem Gelände, sondern etwa 0,35 m bzw. 0,55 m. Da für die Ermittlung der für die Berechnung der Abstandsfläche in erster Linie maßgeblichen Wandhöhe nicht die Höhenlage des Erdgeschossfußbodens, sondern die Geländeoberfläche maßgeblich ist, ergibt sich hieraus, dass der Gebäudekomplex auf der Ostseite die mit dem Bescheid vom 15. September 2000 genehmigte Höhe um etwa 0,15 m bis etwa 0,35 m überschreitet.
In welchem Umfang das Gelände bei der Errichtung des Stadtmarktes aufgeschüttet wurde, kann offen bleiben. Eine Abweichung von der ursprünglichen Baugenehmigung liegt nämlich auch dann vor, wenn man zugunsten des Beigeladenen zu 2 unterstellt, dass mit der Baugenehmigung vom 25. April 1977 gestattet wurde, den in den damaligen Bauvorlagen dargestellten waagrechten Geländeverlauf herzustellen, und dass diese neue Geländeoberfläche damals als unterer Bezugspunkt für die Abstandsflächenberechnung angesehen wurde. Auch bei diesem Ausgangspunkt sind die vorhandenen Wände bzw. Wandteile auf der Ostseite höher als im Jahr 1977 genehmigt wurde. Das genehmigte Maß wird durchgehend um mindestens etwa 0,15 m bis 0,20 m überschritten. Zwar sind die auf den Erdgeschossfußboden bezogenen Maße gleichgeblieben; in den, wie bereits festgestellt wurde, die vorhandenen Höhen im Wesentlichen zutreffend wiedergebenden Bauvorlagen zur streitgegenständlichen Baugenehmigung liegt der Erdgeschossfußboden jedoch mindestens um etwa 0,35 m über dem Niveau der ****************-Straße, während diese Differenz in den Bauvorlagen zur ursprünglichen Genehmigung nur knapp 0,20 m beträgt.
b) Für die abstandsflächenrechtliche Gesamtbeurteilung ist die Sach- und Rechtslage bei Erteilung der angefochtenen Baugenehmigung maßgebend. Eine Änderung zugunsten des Beigeladenen zu 2, derentwegen auf einen späteren Zeitpunkt abzustellen wäre (BVerwG vom 23.4.1998 NVwZ 1998, 1179 = ZfBR 1998, 256), ist nicht erfolgt. Die maßgeblichen Vorschriften (bei Erteilung der angefochtenen Baugenehmigung: Art. 6 Abs. 4 und 5, Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayBO 1998) haben sich inhaltlich nicht geändert (vgl. Art. 6 Abs. 5 und 6 BayBO).
c) Die vor den Außenwänden bzw. Wandteilen der östlichen Gebäudeseite anfallenden Abstandsflächen werden entgegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO 1998 nicht auf dem Baugrundstück eingehalten.
(1) Die Tiefe dieser Abstandsflächen ist nach Art. 6 Abs. 4 und 5 BayBO a. F. und nicht nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayBO a. F. zu bestimmen. Zwar erfüllen die Festsetzungen der 2. Änderung des Bebauungsplans die Voraussetzungen der zuletzt genannten Vorschrift (vgl. BayVGH vom 17.7.2007 - 1 CS 07.1704 - juris). Denn durch die Festsetzung von Baugrenzen (§ 23 Abs. 1 und 3 BauNVO) und Wand- bzw. Firsthöhen (§ 16 Abs. 2 Nr. 4, § 18 BauNVO) werden im Sinn von Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayBO 1998 Außenwände zugelassen. Diese Festsetzungen sind aber unwirksam, weil die Beigeladene zu 1 deren abstandsflächenrechtliche Auswirkungen nicht ordnungsgemäß abgewogen hat.
Eine Gemeinde, die durch Änderung eines Bebauungsplans die Tiefe der im Plangebiet einzuhaltenden Abstandsflächen (indirekt) durch Außenwände zulassende oder vorschreibende Festsetzungen neu bestimmen will (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayBO 1998 = Art. 6 Abs. 5 Satz 3 Halbsatz 1 BayBO), muss nicht nur die Planungsschranken des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und 3 BayBO 1998 (= Art. 6 Abs. 5 Satz 3 Halbsatz 2 BayBO) einhalten. Da die Gemeinde mit der neuen abstandsflächenrechtlichen Regelung Inhalt und Schranken des überplanten Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) in abstandsflächenrechtlicher Hinsicht neu bestimmt, muss sie auch die betroffenen Eigentumsbelange sachgerecht abwägen. Hierfür muss die Gemeinde ein zutreffendes Bild von den Auswirkungen der beabsichtigten Rechtsänderung haben.
Dem entspricht die Abwägung der im Verfahren zur 2. Änderung des Bebauungsplans erhobenen Einwände der Klägerin in der Stadtratssitzung vom 27. September 1999 nicht. Die Anforderungen der insoweit noch maßgeblichen Vorschrift des § 1 Abs. 6 BauGB in der Fassung vom 27. August 1997 (BGBl I S. 2141) sind nicht erfüllt.
Wie bereits in dem Hinweisschreiben vom 16. November 2007 festgestellt wurde, ist es zumindest missverständlich, wenn bei der Behandlung der Einwendungen der Klägerin darauf verwiesen wurde, dass die Abstandsflächen bereits durch Nr. A.2 der Festsetzungen der ursprünglichen Fassung des Bebauungsplans verkürzt gewesen seien. Denn die damalige Verkürzung wirkte nur im Verhältnis zwischen den im Bebauungsplan ausdrücklich aufgeführten Grundstücken. Der Bereich zwischen dem Baugrundstück und dem Grundstück der Klägerin zählte hierzu nicht.
Davon unabhängig war auch die Erwägung, dass die Reduzierung der Zahl der zulässigen Vollgeschosse von fünf (ursprüngliche Fassung) auf drei (2. Änderung) im rückwärtigen Teil zu einer Verbesserung für das Grundstück der Klägerin führe, in abstandsflächenrechtlicher Hinsicht unzutreffend, wenn man, wie der Bevollmächtigte der Klägerin in seinem Schriftsatz vom 10. Dezember 2007 zu Recht fordert, nicht nur, wie der Senat in dem Hinweisschreiben vom 16. November 2007, die abstandsflächenrechtliche Lage bei Inkrafttreten der ursprünglichen Fassung des Bebauungsplans als Vergleichsmaßstab heranzieht, sondern auch die auf dem 4. Gesetz zur Änderung der Bayerischen Bauordnung vom 21. Juni 1982 (GVBl S. 313) beruhende Neuregelung des Abstandsflächenrechts berücksichtigt. Denn nach den durch die 4. Novelle eingeführten Vorschriften des Art. 6 Abs. 4 und 5 BayBO 1982/1998 musste ein fünfgeschossiges Gebäude entsprechend weiter von der Grundstücksgrenze entfernt sein, um die Abstandsflächen auf dem Baugrundstück einhalten zu können, als ein dreigeschossiges. Richtig an der Erwägung der Beigeladenen zu 1 war lediglich, dass die geplante Verringerung der Zahl der zulässigen Vollgeschosse die negativen Folgen der mit der 2. Änderung beabsichtigten indirekten Bestimmung der Abstandsflächentiefe mittels Außenwände vorschreibender bzw. zulassender Festsetzungen abgemildert hätte.
Jedenfalls aber war die weitere für die Abwägung maßgebliche Feststellung, dass die gesetzlichen Abstandsflächen gegenüber dem Grundstück der Klägerin eingehalten würden, nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses unzutreffend. Dies gilt auch dann, wenn man annimmt, dass sich diese Feststellung - die vorstehend dargelegten Abweichungen von der ursprünglichen Baugenehmigung außer Acht lassend - auf die mit Bescheid vom 25. April 1977 genehmigten Wandhöhen bezieht. Auf der 48 m langen, von der Grenze zum Grundstück der Klägerin zwischen 10,5 m (Südostecke ab dem 1. Obergeschoss) und rund 8 m entfernten östlichen Seite, hält das Gebäude eine "volle", nach Art. 6 Abs. 4 BayBO 1998 bemessene Abstandsfläche nur im Bereich des etwa 21 m langen Mitteltrakts auf dem Baugrundstück ein. Sowohl bei dem vorderen als auch bei dem rückwärtigen Gebäudeteil sind die "vollen" Abstandsflächen tiefer als der vorhandene Grenzabstand. Bei dem vorderen Gebäudeteil gilt dies nicht nur für den nach Osten vorspringenden Wandteil mit der Giebelfläche, sondern insgesamt. Die "halben" Abstandsflächen gemäß Art. 6 Abs. 5 BayBO 1998 würden zwar eingehalten; die betroffenen, dem Grundstück der Klägerin gegenüberliegenden Außenwände bzw. Wandteile sind jedoch zusammen länger als 16 m, so dass teilweise eine "volle" (nicht eingehaltene) Abstandsfläche anfällt.
Dieser Abwägungsfehler ist - unabhängig davon, ob er nach den heute maßgebenden Vorschriften als Fehler bei der Ermittlung und Bewertung im Sinn von § 2 Abs. 3 BauGB oder als unter § 1 Abs. 7 BauGB fallender Gewichtungsfehler anzusehen ist - beachtlich, weil er offensichtlich ist und von Einfluss auf das Ergebnis des Verfahrens bzw. der Abwägung war (§ 233 Abs. 2, § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB). Offensichtlich ist der Fehler, weil er sich unmittelbar aus der Niederschrift über die maßgebliche Stadtratssitzung ergibt. Es besteht auch die "konkrete Möglichkeit" (BVerwG vom 21.8.1981 BVerwGE 64, 33 = NJW 1982, 591 = BayVBl 1992, 1118), dass die "Außenwände zulassenden bzw. vorschreibenden Festsetzungen" anders ausgefallen wären, wenn sich die Beigeladene zu 1 dessen bewusst gewesen wäre, dass der Gebäudekomplex des "Stadtmarktes" auf seiner dem Grundstück der Klägerin zugewandten Gebäudeseite die zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses maßgeblichen gesetzlichen Abstandsflächenvorschriften nicht einhält. Der Abwägungsmangel ist auch nicht unbeachtlich geworden. Denn die Klägerin hat den Mangel im Schriftsatz vom 8. Mai 2002 (Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung) und damit innerhalb der nach § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB noch maßgeblichen Siebenjahresfrist des § 215 Abs. 1 Halbsatz 1 BauGB 1997 gegenüber der an diesem Verfahren beteiligten Beigeladenen zu 1 gerügt (vgl. BayVGH vom 30.1.2009 - 1 N 08.1119 - juris).
(2) Dass die Abstandsflächen vor den Außenwänden bzw. Wandteilen des vorderen und des rückwärtigen Teils der Ostseite des "Stadtmarktes" nicht auf dem Baugrundstück eingehalten werden, ergibt sich bereits aus dem Vorstehenden. Im Hinblick auf die letzte Äußerung des Beigeladenen zu 2 ist lediglich zu bekräftigen, dass das 16-m-Privileg nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH vom 21.4.1986 VGH n. F. 39, 9 = BayVBl 1986, 397) auf jeder Gebäudeseite nur einmal angewendet werden darf und dass bei der Anwendung des 16 m-Privilegs aneinandergebaute Gebäude wie ein Gebäude zu behandeln sind (Art. 6 Abs. 5 Satz 3 BayBO 1998 = Art. 6 Abs. 6 Satz 3 BayBO). Bei "natürlicher Betrachtungsweise" (BayVGH vom 21.4.1986 a. a. O.) besteht kein Zweifel, dass es sich bei dem "Stadtmarkt" um einen aneinandergebauten, abstandsflächenrechtlich einheitlich zu beurteilenden Gebäudekomplex und somit bei dessen Ostseite um eine Gebäudeseite handelt. Die vom Beigeladenen zu 2 zitierte Kommentarstelle (Dhom in Simon/ Busse, BayBO, Art. 6 [1998] RdNr. 257) betrifft einen anderen Sachverhalt, nämlich zwei selbständige Gebäude, die zwar durch einen Zwischenbau verbunden sind, bei denen dieser Zwischenbau jedoch von dem betroffenen Nachbargrundstück so weit entfernt ist, dass der Gesamtkomplex aus diesem Blickwinkel bei "natürlicher Betrachtungsweise" nicht mehr aneinandergebaut erscheint. Hiervon kann bei der Ostseite des "Stadtmarktes", dessen Mitteltrakt nur geringfügig gegenüber dem vorderen und dem rückwärtigen Teil zurückgesetzt ist, nicht die Rede sein.
2. Da die Baugenehmigung wegen eines Verstoßes gegen abstandsflächenrechtliche Vorschriften aufzuheben ist, kann offen bleiben, ob Rechte der Klägerin auch in bauplanungsrechtlicher Hinsicht verletzt werden. Der Senat weist deswegen hierzu lediglich auf Folgendes hin:
Die im Zuge der Aufstockung geplante Vergrößerung der Verkaufsflächen und der gastronomisch genutzten Flächen erfordert eine Gesamtbeurteilung hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Anforderungen, die von dieser Änderung berührt werden (BVerwG vom 4.2.2000 a.a.O.). Zu der danach erforderlichen Gesamtbeurteilung des Stadtmarktes hinsichtlich der Nutzungsart wird auf das Hinweisschreiben vom 16. November 2007 verwiesen. In diesem Schreiben wurde näher dargelegt, dass ein Gebietsbewahrungsanspruch der Klägerin nicht verletzt sein dürfte, weil für das festgesetzte Mischgebiet die BauNVO 1968 maßgeblich und der Stadtmarkt nicht als der übergemeindlichen Versorgung dienendes Einkaufszentrum im Sinn von § 11 Abs. 3 BauNVO 1968 einzustufen sein dürfte. Die Richtigkeit der dieser Beurteilung zugrunde liegenden Feststellung, dass die 2. Änderung des Bebauungsplans unwirksam sein dürfte, hängt wohl nicht davon ab, ob an den vom Beklagten und der Beigeladenen zu 1 kritisierten Ausführungen zur Frage, ob die Festsetzung der zulässigen Grundfläche von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist, festzuhalten ist. Denn der in dem Schreiben näher dargelegte, auch nach Auffassung des Beklagten vorliegende Fehler bei der Bemessung der zulässigen Grundfläche dürfte - zusammen mit den vorstehend dargelegten Abwägungsmängeln - zur Gesamtunwirksamkeit der 2. Änderung des Bebauungsplans führen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO sowie § 154 Abs. 3 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Kosten des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht hat der Beklagte als unterlegener Teil (§ 154 Abs. 1 VwGO) allein zu tragen; dem gleichfalls unterlegenen Beigeladenen zu 2 dürfen Kosten der ersten Instanz nicht auferlegt werden, weil dieser vor dem Verwaltungsgericht keinen Antrag gestellt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO). Die Kosten des Berufungsverfahrens, in dem der Beigeladene zu 2 einen Antrag gestellt hat, tragen der Beklagte und der Beigeladene zu 2 je zur Hälfte (§ 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO).
Beide Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten in vollem Umfang selbst. Hinsichtlich des Berufungsverfahrens ist dies beim Beigeladenen zu 2 deswegen billig im Sinn von § 162 Abs. 3 VwGO, weil er mit seinem Antrag unterlegen ist. Im Übrigen besteht deswegen keine Veranlassung, außergerichtliche Kosten für erstattungsfähig zu erklären, weil die Beigeladene zu 1 in beiden Instanzen und der Beigeladene zu 2, wie bereits erwähnt, in der ersten Instanz keinen Antrag gestellt und sich somit insoweit nicht dem Risiko, Kosten auferlegt zu bekommen, ausgesetzt haben (§ 154 Abs. 3 VwGO).
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.112,92 Euro (entspricht 10.000 DM) festgesetzt (§ 72 Nr. 1 Halbsatz 1 GKG n. F., § 14 Abs. 1 Satz 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F.).
Ende der Entscheidung
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