Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 30.11.2006
Aktenzeichen: 1 B 03.481
Rechtsgebiete: BauGB, BGB


Vorschriften:

BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1
BauGB § 35 Abs. 2
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7
BGB § 242
Zum "Dienen" eines Wohnhauses für einen Nebenerwerbsbetrieb, für den bereits ein inzwischen entprivilegiertes Wohnhaus genehmigt wurde.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

1 B 03.481

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Erteilung einer Baugenehmigung für ein Wohnhaus auf dem Grundstück Fl.Nr. ***** Gemarkung *******;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 29. August 2002,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Langer

ohne weitere mündliche Verhandlung am 30. November 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt für seinen im Nebenerwerb geführten Schafzuchtbetrieb eine Baugenehmigung für ein Betriebsleiterwohnhaus mit Garagen im Außenbereich.

Der Kläger, der im Hauptberuf Installateur ist, ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ***/4 (vormals Teilflächen aus Fl.Nrn. *** und ***/2) Gemarkung *****. Am 17. April 1991 erteilte das Landratsamt *****-******** dem Kläger und seinem Bruder, die die Schafzucht bis Ende 1998 gemeinsam im Nebenerwerb betrieben haben, die Baugenehmigung für die Errichtung eines Schafstalles auf dem Grundstück Fl.Nr. ***/4 (neu). Mit Bescheid vom 20. Dezember 1994 erhielt der Bruder des Klägers für den gemeinsamen Nebenerwerbsbetrieb die Baugenehmigung für ein Betriebsleiterwohnhaus auf dem Grundstück Fl.Nr. *** (alt). Den gleichzeitig gestellten Bauantrag für ein zweites Betriebsleiterwohnhaus auf dem Grundstück Fl.Nr. ***/4 (neu) nahm der Kläger im gerichtlichen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht München (M 11 K 96.3677) zurück.

Im September 1998 stellte der Kläger erneut einen Bauantrag zum Neubau eines "landwirtschaftlichen Aussiedlerhofs mit Wohnhaus und Garagen" auf dem Grundstück Fl.Nr. ***/4 (neu). Zur Begründung gab er an, dass der gemeinsam mit seinem Bruder geführte Betrieb geteilt worden sei. Sein Bruder betreibe nunmehr eine Lämmermast. Er selbst beabsichtige, die Schafzucht fortzuführen. Mit notariellem Auseinandersetzungs- und Überlassungsvertrag vom 24. November 1999 hoben der Kläger und sein Bruder die bestehende Miteigentümergemeinschaft an dem Grundstück Fl.Nr. *** (alt) auf. Der östliche Grundstücksteil (jetzt Fl.Nr. ***/4) wurde dem Kläger und seiner Ehefrau, der westliche Grundstücksteil (jetzt Fl.Nr. *** neu) mit dem bestehenden Betriebsleiterwohnhaus wurde dem Bruder des Klägers und dessen Ehefrau übertragen.

Mit Bescheid vom 27. März 2001 lehnte das Landratsamt den Bauantrag des Klägers ab, weil das geplante Wohnhaus als nichtprivilegiertes Außenbereichsvorhaben unzulässig sei. Das Wohnhaus diene nicht dem Betrieb. Die Schafhaltung erfordere nicht die ständige Anwesenheit des Betriebsinhabers. Auch sei die Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit des Betriebes nicht gegeben, weil von der bewirtschafteten Gesamtfläche von 18,18 ha nur 4 % (0,74 ha) im Eigentum des Klägers stünden. Die Getreidelagerung im Obergeschoss sei aus fachlicher Sicht unzweckmäßig und bei Neubauten nicht mehr üblich. Wegen der zu befürchtenden Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung sei das Bauvorhaben auch nicht als sonstiges Vorhaben im Außenbereich zulässig. Zudem sei eine ordnungsgemäße Abwasserbeseitigung und damit eine ausreichende Erschließung nicht gewährleistet.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Regierung von ********** mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2001 aus den Gründen des Ablehnungsbescheids zurück.

Die Klage wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 29. August 2002 im Wesentlichen mit folgender Begründung ab: Das Vorhaben liege im Außenbereich, sei aber nicht privilegiert. Zwar bestünden keine Zweifel an der Dauerhaftigkeit des Nebenerwerbsbetriebs. Das Wohnhaus "diene" aber nicht dem Betrieb des Klägers, weil die Schafhaltung nicht die ständige Anwesenheit des Betriebsinhabers erfordere. Dies bestätige eine Stellungnahme des Amtes für Landwirtschaft vom 24. Mai 2000, die auf eine frühere Stellungnahme vom 23. Juni 1993 Bezug nehme. Auch könne sich der Kläger auf die dienende Funktion des Bauvorhabens nicht berufen, weil er den Bedarf durch die Übertragung seines Miteigentumsanteils an dem Wohngebäude auf dem Grundstück Fl.Nr. *** an seinen Bruder selbst verursacht habe. Für die Betreuung der Schafe hätte er sich im Wohnhaus des Bruders eine kleine Einliegerwohnung sichern können. Als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB sei das Bauvorhaben nicht zulässig, weil es den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspreche und zur Erweiterung einer Splittersiedlung führe.

Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Berufung des Klägers. Zur Begründung der Berufung führt der Kläger aus, das Bauvorhaben sei als privilegiertes Vorhaben im Außenbereich zulässig. Bei der Schafzucht handle es sich um Landwirtschaft im Sinn von § 201 BauGB. Das Futter für die Schafe werde überwiegend auf den zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Flächen erzeugt. Der Kläger bewirtschafte inzwischen 23,45 ha landwirtschaftliche Flächen. Davon stünden 3,82 ha in seinem Eigentum; hinzu komme eine Fläche von 0,65 ha, über die er bereits einen notariellen Kaufvertrag geschlossen habe. Ob das selbst erzeugte Futter auf Eigentums- oder Pachtflächen gewonnen werde, sei unerheblich. Auch führe der Kläger einen Betrieb im Sinn von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB. Obwohl die vorhandenen Eigentumsflächen im Verhältnis zu den Pachtflächen gering seien, sei die Dauerhaftigkeit des Betriebs gewährleistet. Der Nebenerwerbsbetrieb werde mindestens seit 1985 erfolgreich geführt. Das bestätige auch der erzielte Gewinn. Er selbst werde den Betrieb noch 14 Jahre bis zum 65. Lebensjahr weiter führen. Anschließend werde ihn sein jetzt 30jähriger Sohn übernehmen, der seit seinem 16. Lebensjahr täglich im Betrieb mithelfe. Das Vorhaben diene auch dem Betrieb. Der Betrieb mit 230 Muttertieren erfordere die ständige Anwesenheit des Klägers oder seiner im Betrieb mitarbeitenden Ehefrau. Die Stellungnahme des Amtes für Landwirtschaft von 1993 sei nicht mehr aktuell. Das Betriebsleiterwohnhaus sei nach Gestaltung und Ausstattung auf die betrieblichen Bedürfnisse zugeschnitten. Schließlich stehe der Privilegierung nicht die seinem Bruder im Jahr 1994 für das bestehende Betriebsleiterwohnhaus erteilte Baugenehmigung entgegen. Er selbst sei aus dieser Baugenehmigung nicht berechtigt. Er sei zwar Miteigentümer an der betreffenden Grundstücksfläche gewesen, habe aber an dem Wohnhaus seines Bruders nie ein Nutzungsrecht gehabt. Daher habe er sich auch kein Wohnrecht sichern können.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 28. Dezember 2004 den Bescheid des Landratsamts *****-******** vom 27. März 2001 und den Widerspruchsbescheid der Regierung von ********** vom 19. September 2001 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die Baugenehmigung zur Errichtung eines landwirtschaftlichen Betriebsleiterwohnhauses mit Garagen auf dem Grundstück Fl.Nr. ***/4 Gemarkung ***** zu erteilen.

Der Beklagte tritt der Berufung entgegen. Zwar könne nach einer neueren Stellungnahme des Landwirtschaftsamts vom 13. Mai 2005 von einem bestehenden Nebenerwerbsbetrieb ausgegangen werden. Auch sei die Errichtung des Wohnhauses in unmittelbarer Nähe zur Weidefläche grundsätzlich dienlich. Der durch die ständige Anwesenheit mögliche zusätzliche Gewinn von 2.500 Euro jährlich stehe aber außer Verhältnis zu den Investitionskosten für das Wohnhaus von ca. 150.000 Euro. Auch sei die Dauerhaftigkeit des Betriebes angesichts des Alters des Klägers von 51 Jahren und der unsicheren Betriebsnachfolge nicht gegeben. Im Übrigen hätte für den Kläger bei Betriebsübernahme im Jahr 1999 die Möglichkeit einer Erweiterung des bestehenden Wohnhauses des Bruders bestanden. Da sich der Kläger diese Möglichkeit der Teilprivilegierung selbst verbaut habe, bleibe für eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB kein Raum mehr.

Während des Berufungsverfahrens erteilte das Landratsamt dem Bruder des Klägers aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs die Baugenehmigung für die Errichtung eines Pferdestalles mit Bergehalle für Pensionspferdehaltung auf dem Grundstück Fl.Nr. *** (neu).

Der Senat hat am 5. Juli 2005 mündlich verhandelt. Auf Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die vom Beklagten vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten kann ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Sie ist zulässig, aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der ablehnende Bescheid vom 27. März 2001 und der Widerspruchsbescheid vom 19. September 2001 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung für den Neubau eines landwirtschaftlichen Betriebsleiterwohnhauses mit Garagen auf dem Grundstück Fl.Nr. ***/4, weil das Vorhaben in dem für die Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsentscheidung öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht (Art. 72 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 BayBO). Das zweifellos im Außenbereich (§ 35 Abs. 1 BauGB) geplante Vorhaben ist nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert (1.); als sonstiges Vorhaben ist es gemäß § 35 Abs. 2 und 3 BauGB unzulässig (2.).

1. Das Vorhaben ist nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert. Ob es sich bei der Schafhaltung des Klägers um einen landwirtschaftlichen (Nebenerwerbs-)Betrieb im Sinne dieser Vorschrift handelt, muss nicht entschieden werden. Die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sind jedenfalls deswegen nicht erfüllt, weil das geplante Wohngebäude diesem landwirtschaftlichen Betrieb nicht dient.

Ein Bauvorhaben im Außenbereich ist nicht allein deshalb im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert, weil der Bauherr im Haupt- oder Nebenberuf Landwirt ist (BVerwG vom 21.6.1996 Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 322). Es "dient" nur dann einem landwirtschaftlichen Betrieb, wenn ein "vernünftiger" Landwirt unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs ein Vorhaben mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde. Bei der Auslegung des Merkmals "dienen" ist der Grundgedanke des § 35 BauGB, dass der Außenbereich grundsätzlich nicht bebaut werden soll, zu beachten; durch ihn wird die Privilegierung eingeschränkt. Es reicht deshalb nicht aus, dass ein Vorhaben nach den Vorstellungen des Landwirts für seinen Betrieb förderlich ist. Andererseits kann nicht verlangt werden, dass das Vorhaben für den Betrieb schlechthin unentbehrlich ist. Die bloße Förderlichkeit einerseits und die Unentbehrlichkeit andererseits bilden den äußeren Rahmen für das Merkmal des Dienens (BVerwG vom 19.6.1991 BRS 52 Nr. 78). Das Bauvorhaben muss zudem durch die Zuordnung zu dem konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt und nach seinen Dimensionen auf die betrieblichen Bedürfnisse abgestimmt sein (BVerwG vom 31.8.1993 - 4 B 150/93 - Juris; vom 12.6.1989 - 4 B 110/89 - Juris). Das Merkmal des Dienens ist zu verneinen, wenn das Vorhaben zwar nach seinem Verwendungszweck gerechtfertigt ist, nach seiner Gestaltung, Beschaffenheit oder Ausstattung aber nicht durch diesen Verwendungszweck geprägt wird. Der eigentliche Zweck des Erfordernisses des "Dienens" liegt darin, Missbrauchsversuchen begegnen zu können. Nicht der behauptete Zweck des Vorhabens, sondern seine wirkliche Funktion ist entscheidend. Es sollen Vorhaben verhindert werden, die zwar an sich objektiv geeignet wären, einem privilegierten Betrieb zu dienen, mit denen aber in Wirklichkeit andere Zwecke verfolgt werden (BVerwG vom 16.5.1991 DÖV 1992, 73). Handelt es sich - wie hier - um ein Wohngebäude, so ist vor allem auch auf das sich aus den spezifischen Abläufen eines landwirtschaftlichen Betriebs ergebende Erfordernis einer ständigen Anwesenheit und Bereitschaft auf der Hofstelle abzustellen (BayVGH vom 11.7.1996 RdL 1996, 286). Bei landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieben besteht Anlass zu besonderer Prüfung, ob ein Wohnhaus in diesem Sinne dem Betrieb dient (BVerwG vom 23.12.1983 BRS 40 Nr. 81).

Nach diesen Maßstäben dient das Bauvorhaben nicht der Schafhaltung des Klägers. Zum einen ist das beantragte Betriebsleiterwohnhaus auf dem Grundstück Fl.Nr. ***/4 neben dem bestehenden Wohnhaus auf dem Grundstück Fl.Nr. *** nicht erforderlich (a). Zum anderen ist das geplante Wohnhaus nach seiner Gestaltung und Ausstattung nicht in der erforderlichen Weise durch die betrieblichen Erfordernisse der Schafhaltung geprägt (b).

a) Das Bauvorhaben ist für den Schafhaltungsbetrieb des Klägers im rechtlichen Sinn nicht erforderlich.

Zwar dürfte ein Wohnhaus in unmittelbarer Nachbarschaft zum genehmigten Schafstall zur sachgerechteren Führung des Betriebs notwendig sein. Für die Annahme, dass die räumliche Nähe eines Betriebsleiterwohnhauses zum Schafstall jedenfalls bei der standortgebundenen Koppelschafhaltung des Klägers mehr als nur "förderlich" ist, spricht bereits das Gutachten des von der Regierung von ********** öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen ******* vom 25. April 1994, in dem die Dienlichkeit jedenfalls eines Wohnhauses für den Betriebsinhaber für den damals 185 Mutterschafe umfassenden Betrieb vor allem wegen der erforderlichen sofortigen Anwesenheit bei der Ablammung und aus Gründen der Diebstahlsicherung bejaht wurde (Blatt 29 ff der Bauakte Nr. 3 - 93 361). Eine Bestätigung dieser Beurteilung sieht der Senat in der Stellungnahme des Amts für Landwirtschaft ************/************** vom 13. Mai 2005 (Blatt 203 der Gerichtsakte), wonach die räumliche Nähe des Wohnhauses zum Schafstall insbesondere während der Ablammzeit in den Wintermonaten für die Verbesserung des Betriebsablaufs und zur Steigerung des Betriebsergebnisses "wünschenswert" ist. Unerheblich wäre, dass der aktuelle Wohnsitz des Klägers vom Schafstall nur 6 km und die Arbeitsstelle des Klägers nur wenige hundert Meter entfernt sind. Ist ein Betriebsleiterwohnhaus am Standort der Betriebsgebäude im Sinne des "Dienens" erforderlich, kann die Zulässigkeit auf den Betriebsflächen im Außenbereich nicht mit der Begründung verneint werden, der Betrieb könne ohne nennenswerte Nachteile auch von einem im Innenbereich gelegenen Gebäude aus bewirtschaftet werden (BVerwG vom 16.5.1991 ZfBR 1991, 277).

Das beantragte Wohnhaus auf dem Grundstück des Klägers "dient" dem Schafhaltungsbetrieb aber deswegen nicht, weil für den Betrieb auf dem Grundstück Fl.Nr. *** (neu) bereits ein Betriebsleiterwohnhaus genehmigt und errichtet worden ist. Zwar kann dieses Wohnhaus vom Kläger als inzwischen alleinigem Betriebsinhaber nicht genutzt werden, weil es nach dem Ausscheiden des Bruders des Klägers aus dem gemeinsamen Betrieb im Jahr 1998 und nach der Teilung des Grundstücks Fl.Nr. *** (alt) im Jahr 1999 im Eigentum des Bruders und dessen Ehefrau steht und seitdem von dieser Familie bewohnt wird. Nach dem auch im Verwaltungsrecht entsprechend § 242 BGB geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. BVerwG vom 1.4.2004 Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 21), der auch das Verbot widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium") umfasst, darf sich der Kläger aber nicht auf die fehlende Nutzungsmöglichkeit berufen. Als "vernünftige", auf Schonung des Außenbereichs bedachte Landwirte hätten die beiden Brüder das gemeinschaftliche Eigentum im Jahre 1999 nicht in der Weise aufteilen dürfen, dass der Kläger den Teil des Betriebs übernimmt, der (allenfalls) die Errichtung eines Wohnhauses im Außenbereich rechtfertigt, das Wohnhaus aber dem Bruder übertragen wird. Es erscheint widersprüchlich, wenn der Kläger ein Wohnhaus für den Schafzuchtbetrieb beansprucht, nachdem er sich durch die Aufgabe seines Miteigentumsanteils der Möglichkeit begeben hat, die auch ihm zustehenden Nutzungsrechte (§ 1008, § 903 Satz 1, § 741, § 743 Abs. 2 BGB) an dem für diesen Zweck errichteten Wohngebäude geltend zu machen.

Es kann dahinstehen, ob dieses Verhalten ohne Folgen für die Frage der Privilegierung eines zweiten Wohnhauses bliebe, wenn die gegenwärtige Nutzung des dem Bruder übertragenen Hauses in ihrem Bestand geschützt oder zumindest materiell legal wäre. Diese Voraussetzungen sind nämlich nicht erfüllt. Mit der Aufgabe der Schafzucht durch den Bruder des Klägers im Jahr 1998 ist eine Entprivilegierung des Wohnhauses eingetreten (vgl. BVerwG vom 9.9.2002 BauR 2003, 1021); denn es ist nicht ersichtlich, dass die "Lämmermast", die der Bruder des Klägers seinerzeit aufgenommen haben soll, für sich alleine die Voraussetzungen eines die Errichtung eines Wohnhauses im Außenbereich rechtfertigenden landwirtschaftlichen Betriebs erfüllt hätte. Bei der weiteren Nutzung des Wohnhauses durch die Familie des Bruders, die nach Art. 62 Satz 2, Art. 63 Abs. 4 Nr. 1 BayBO als genehmigungspflichtige Nutzungsänderung einzustufen ist, handelt es sich somit um ein "sonstiges" Außenbereichsvorhaben im Sinne von § 35 Abs. 2 BauGB. Die Voraussetzungen eines nach § 35 Abs. 4 BauGB erleichtert zulässigen Vorhabens lagen und liegen nicht vor. Von dem allenfalls in Betracht kommenden Tatbestand des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB war und ist zumindest die von der Änderung der Vorschrift durch das EAG Bau nicht berührte Voraussetzung des Buchstaben g (Übernahme einer Verpflichtung, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene [privilegierte] Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs erforderlich) nicht erfüllt. Als sonstiges Vorhaben war und ist die Wohnnutzung unzulässig, weil sie öffentlichen Belangen widersprach und widerspricht (näher hierzu unter 2.). An dieser rechtlichen Beurteilung hat sich auch durch die vom Bruder des Klägers nunmehr betriebene Pensionspferdehaltung nichts geändert. Denn nach der überzeugenden Stellungnahme des Amts für Landwirtschaft und Forsten ************ **** *** vom 8. September 2006 (Blatt 208 der Gerichtsakte) ist die ständige Anwesenheit des Betriebsinhaber bei dem derzeitigen Bestand von sechs Pensionspferden und zwei eigenen Reitpferden nicht erforderlich, so dass das Wohnhaus auf dem Grundstück Fl.Nr. *** auch nicht dem Pensionspferdehaltungsbetrieb "dient".

b) Der dienenden Funktion des neuen Wohnhauses steht außerdem entgegen, dass es im Hinblick auf die in den Planzeichnungen dargestellte Ausgestaltung des Dachgeschosses des Gebäudes nicht ausreichend durch die Erfordernisse des Schafhaltungsbetriebs geprägt ist. Abgesehen davon, dass es unzweckmäßig und nicht mehr üblich ist, ein Getreidelager im Dachraum eines landwirtschaftlichen Wohnhauses anzuordnen (vgl. Stellungnahme des Amts für Landwirtschaft vom 23.6.1993, Blatt 76 der Bauakte 24-980686), entsprechen weder der auf der Südseite des Gebäudes geplante Balkon im Ausmaß von 7,86 m x 1,80 m mit Türen und Fenstern noch die Fenster auf der Nordseite des Gebäudes der für einen "Getreideboden" üblichen Gestaltung. Insoweit erscheint das Gebäude nicht in der gebotenen Weise durch seinen betrieblichen Zweck geprägt. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass das Dachgeschoss nicht als Getreidelager, sondern ebenfalls für Wohnzwecke genutzt werden soll.

2. Das Wohnhaus ist nicht als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB zulässig, weil seine Ausführung öffentliche Belange beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt bereits deshalb vor, weil das Vorhaben nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten den Darstellungen des geltenden Flächennutzungsplans widerspricht (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB), der das Baugrundstück als Fläche für die Landwirtschaft darstellt. Zudem würde das Wohnhaus die Splitterbebauung östlich des Ortsrandes von ***** in unerwünschter Weise verfestigen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt (§ 72 Nr. 1 Halbsatz 1 GKG n. F., § 14 Abs. 1 Satz 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F. in Verbindung mit Nr. II.7.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 1996 [NVwZ 1996, 553]).

Ende der Entscheidung

Zurück