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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.02.2008
Aktenzeichen: 1 B 05.104
Rechtsgebiete: VwGO
Vorschriften:
VwGO § 161 Abs. 2 Satz 1 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Aufhebung einer Baugenehmigung für eine Doppelgarage (Fl.Nr. 29/1 Gemarkung **********);
hier: Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2004,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Häberlein
ohne mündliche Verhandlung am 13. Februar 2008
folgenden Beschluss:
Tenor:
I. Das Verfahren wird eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 11. November 2004 ist wirkungslos geworden.
II. Der Beklagte trägt die Hälfte der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen; die Beigeladenen zu 1 und 2 tragen je ein Viertel dieser Kosten. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten stritten um eine dem Kläger erteilte Baugenehmigung für eine Doppelgarage.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 29/1 Gemarkung **********, das mit einem Wohnhaus bebaut ist. Der Beigeladene zu 1 ist Eigentümer, der Beigeladene zu 2 Erbbauberechtigter des benachbarten Grundstücks Fl.Nr. 30; auf dem Grundstück befindet sich - in einem Abstand von (an der engsten Stelle) etwa 1 m zum Grundstück des Klägers - ein Wohngebäude.
Mit Bescheid vom 27. August 2002 erteilte das Landratsamt Pfaffenhofen a. d. Ilm dem Kläger die Baugenehmigung für eine Doppelgarage auf dem Grundstück Fl.Nr. 29/1. Die Garage soll - an die südöstliche Seite des Wohnhauses des Klägers angebaut - in einem Abstand von ca. 2,10 bis 2,70 m zu dem Wohngebäude der Beigeladenen errichtet werden. Die Baugenehmigung lässt dazu eine Abweichung von Art. 6 BayBO a. F. ("Unterschreitung der erforderlichen Abstandsflächen nach Süd-Osten") zu.
Die Beigeladenen erhoben gegen die Baugenehmigung Widerspruch und beantragten mit Erfolg beim Verwaltungsgericht München, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen (Beschluss vom 14.11.2002 - M 11 SN 02.4745).
Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2003 hob die Regierung von Oberbayern den Bescheid vom 27. August 2002 auf. Die Baugenehmigung verstoße gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Außerdem liege die Garage innerhalb einer von den Rechtsvorgängern des Klägers übernommenen Abstandsfläche für das Wohngebäude der Beigeladenen, die nicht überbaut werden dürfe.
Auf die Klage des Klägers hin hob das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 11. November 2004 den Widerspruchsbescheid auf. Das Landratsamt habe die Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften ermessensfehlerfrei zugelassen. Die Abstandsflächenübernahme stehe der Abweichung nicht entgegen. Wegen der beengten Verhältnisse auf dem Grundstück des Klägers liege ein atypischer Sachverhalt vor. Für das Wohngebäude der Beigeladenen sei eine unzumutbare Beeinträchtigung der Belichtung nicht zu befürchten. Soweit zwischen den benachbarten Gebäuden eine sog. "enge Reihe" entstehe, sei diese hinnehmbar.
Mit Bescheid vom 25. Juli 2005 ließ das Landratsamt im Hinblick darauf, dass die Garage in der übernommenen Abstandsfläche errichtet werden soll, eine Abweichung von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO bzw. Art. 7 Abs. 5 Satz 2 BayBO a. F. zu. Mit Beschluss vom 3. April 2006 hat der Senat die Berufung der Beigeladenen zugelassen. Nachdem in der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2008 die Sach- und Rechtslage insbesondere im Hinblick auf die am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Neufassung der Bayerischen Bauordnung erörtert worden war und der Senat mit Schreiben vom 17. Januar 2008 Hinweise zu möglichen Folgen der Neufassung für die Verwaltungsstreitsache gegeben hatte, hat der Kläger die Baugenehmigung vom 27. August 2002 im Hinblick darauf, dass sein Vorhaben nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BayBO keiner Baugenehmigung mehr bedarf, "zurückgegeben" und den Rechtstreit für erledigt erklärt. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung zugestimmt. Die Beigeladenen sind der Auffassung, dass ihr Rechtsmittel vor der Erledigung begründet war.
II.
Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, weil der Rechtsstreit durch die übereinstimmenden Erklärungen des Klägers und des Beklagten in der Hauptsache beendet worden ist. Eine Zustimmung der Beigeladenen ist nicht erforderlich (vgl. NdsOVG vom 29.1.2007 NdsVBl. 2007, 219 mit weiteren Nachweisen; Kopp/Schenke VwGO, 15. Aufl., § 161 RdNr. 14). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist wirkungslos geworden (§ 173 VwGO in Verbindung mit § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO). Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind vor allem die Erfolgsaussichten zu berücksichtigen. Nach diesem Maßstab - und unter Berücksichtigung von § 154 Abs. 3 VwGO, wonach einem Beigeladenen Kosten auferlegt werden dürfen, wenn er einen Antrag gestellt hat, sowie von § 162 Abs. 3 VwGO, dem zufolge die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterlegenen Partei oder der Staatskasse auferlegt - erscheint es gerechtfertigt, dass der Beklagte die Hälfte der Kosten beider Instanzen trägt, dass diese Kosten im Übrigen den Beigeladenen zu gleichen Teilen (§ 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO) auferlegt werden und dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Diese Verteilung der Kostenlast entspricht der Billigkeit, weil die Berufung der Beigeladenen voraussichtlich erfolglos geblieben wäre.
Maßgebend für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage ist die Sach- und Rechtslage bei Eintritt des erledigenden Ereignisses, also bei "Zurückgabe" der Baugenehmigung. Zu diesem Zeitpunkt verstieß die Baugenehmigung nach summarischer Prüfung nicht gegen Rechte der Beigeladenen schützende Vorschriften, die im vereinfachten Genehmigungsverfahren (Art. 73 Abs. 1 BayBO a. F.) zu prüfen waren.
In abstandsflächenrechtlicher Hinsicht bestanden keine Bedenken (mehr). Die mit der Baugenehmigung zugelassene Abweichung war dadurch gegenstandslos geworden, dass die Garage nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO ohne Abstandsflächen zulässig ist, obwohl sie nicht an der Grundstücksgrenze, sondern mit einem die Mindestabstandsfläche unterschreitenden Grenzabstand geplant ist. Diese für den Kläger als Bauherrn günstige Änderung der Rechtslage, durch die sich auch die Bedenken, die zur Zulassung der Berufung geführt haben, erledigt haben, wäre bei einer Entscheidung über die Berufung zu berücksichtigen gewesen (BVerwG vom 23.4.1998 NVwZ 1998, 1179). Die weitere, mit Bescheid vom 25. Juli 2005 zugelassene Abweichung kann bei der summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten außer Betracht bleiben, weil sie entbehrlich gewesen sein dürfte. Wie in dem Hinweisschreiben näher erläutert wurde, durfte die Garage auch nach altem Recht in den Abstandsflächen eines anderen Gebäudes errichtet werden. Dass es sich in diesem Fall um eine übernommene Abstandsfläche handelt, ist rechtlich wohl ohne Bedeutung.
Auch in bauplanungsrechtlicher Hinsicht verstieß die Baugenehmigung wohl nicht - wegen einer Verletzung des im Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 BauGB enthaltenen Rücksichtnahmegebots - gegen Nachbarrechte. Insbesondere ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes beim Augenschein und den vorliegenden Fotografien nicht anzunehmen, dass die Belichtung des Wohnhauses der Beigeladenen erheblich beeinträchtigt wird. Bei einem Gebäudeabstand von etwa 2,50 m befindet sich das Flachdach der 2,50 m hohen Garage auf derselben Höhe wie die Oberkante der beiden betroffenen Fenster. Ein Lichteinfall von schräg oben ist damit nach wie vor möglich. Außerdem wird der betroffene Raum (Esszimmer) durch ein weiteres Fenster in der nordöstlichen Außenwand sowie über ein Dachflächenfenster belichtet. Angesichts dieser Verhältnisse hätte der Senat die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit wohl nicht anders beurteilt als das Verwaltungsgericht.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GKG.
Ende der Entscheidung
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