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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.11.2005
Aktenzeichen: 1 CE 05.153
Rechtsgebiete: VwGO, VwZVG


Vorschriften:

VwGO § 123
VwGO § 146
VwZVG Art. 21
VwZVG Art. 22 Nr. 4
VwZVG Art. 29 Abs. 3 Satz 1
VwZVG Art. 31 Abs. 2
VwZVG Art. 31 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

1 CE 05.153

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Beitreibung eines Zwangsgeldes (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 20. Dezember 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Priegl

ohne mündliche Verhandlung am 30. November 2005

folgenden Beschluss: Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Beitreibung eines Zwangsgeldes.

1. Mit Bescheid des Landratsamts S******** vom 27. August 2002 erhielt der Antragsteller die Baugenehmigung für den Neubau eines Wohnhauses auf dem Grundstück Fl.Nr. **** Gemarkung G******. Bei einer Baukontrolle am 27. Februar 2003 stellte das Landratsamt fest, dass der Antragsteller im Begriff war, das Gebäude abweichend von den genehmigten Bauvorlagen zu errichten (Erweiterung des Kellergeschosses nach Süden um 2 m, Vergrößerung der Außentreppe, Errichtung eines Wintergartens, Errichtung eines umlaufenden Balkons im Obergeschoss an der Süd- und Westfassade, Errichtung von Balkonen an den Giebelseiten des Dachgeschosses, Wandhöhenüberschreitung um 0,75 m [nach Berechnung des Landratsamts], Aufenthaltsraumnutzung im Dachgeschoss). Mit für sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 28. Februar 2003 verfügte das Landratsamt die sofortige Einstellung der Bauarbeiten und drohte für den Fall der Nichtbeachtung ein Zwangsgeld in Höhe von 25.000 Euro an. Der Bescheid wurde nach Rücknahme der zunächst erhobenen Klage bestandskräftig.

Nachdem sich der Antragsteller schriftlich verpflichtet hatte, Bauarbeiten nur in dem vom Landratsamt zugelassenen Umfang durchzuführen, gab die Behörde mit Schreiben vom 20. Mai 2003 bestimmte Arbeiten im Keller-, Erd- und Obergeschoss frei, wies aber darauf hin, dass die Baueinstellung für das Dachgeschoss bestehen bleibe. Im Rahmen mehrerer Baukontrollen stellte das Landratsamt fest, dass der Antragsteller nicht frei gegebene Bauarbeiten durchführte. Im Dachgeschoss wurden Fenster, Balkontüren sowie die Heizung eingebaut und an den Balkonen auf der Westseite des Gebäudes Malerarbeiten vorgenommen. Außerdem wurde das gesamte Gebäude außen verputzt.

Mit Schreiben vom 20. Juli 2004 erklärte die Behörde das Zwangsgeld in Höhe von 25.000 Euro für fällig und drohte für den Fall der Nichtbeachtung der Baueinstellung ein weiteres Zwangsgeld an. Nachdem in mehreren Gesprächen mit dem früheren Bevollmächtigten des Antragstellers eine einvernehmliche Lösung nicht erreicht worden war, teilte das Landratsamt dem Antragsteller mit Schreiben vom 9. November 2004 mit, dass das Zwangsgeld ab dem 15. November 2004 weiter beigetrieben werde. Am 15. November 2004 erhob der Antragsteller gegenüber dem Landratsamt Einwendungen und beantragte, die Zwangsvollstreckung aus der Zwangsgeldandrohung für unzulässig zu erklären. Das Landratsamt lehnte dies mit Schreiben vom 19. November 2004 ab.

2. Am 30. November 2004 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht *******, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Vollstreckung des Zwangsgeldes aus dem Bescheid vom 28. Februar 2003 vorläufig einzustellen.

Mit Beschluss vom 20. Dezember 2004 lehnte das Verwaltungsgericht ******* den Antrag ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Der Antragsteller habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen für Einwendungen gegen die Zwangsgeldandrohung nach Art. 21 VwZVG seien nicht erfüllt. Soweit sich der Antragsteller darauf berufe, dass die Androhung ermessensfehlerhaft und unverhältnismäßig sei, seien die geltend gemachten Gründe nicht erst nach Unanfechtbarkeit der Zwangsgeldandrohung entstanden. Ein Vollstreckungshindernis nach Art. 22 Nr. 4 VwZVG liege ebenfalls nicht vor. Finanzielle Schwierigkeiten und die mögliche Aussichtslosigkeit der Beitreibung des Zwangsgeldes begründeten keine unzumutbare Härte. Der Antragsteller genieße durch die gesetzlichen Pfändungsgrenzen ausreichenden Vollstreckungsschutz. Es sei ihm zuzumuten, sein Grundstück zu belasten. Die nachträgliche Berücksichtigung der Rechtswidrigkeit des Grundverwaltungsaktes sei allenfalls in ganz außergewöhnlichen Ausnahme- bzw. Härtefällen möglich. Ein solcher Fall liege nicht vor. Ein Rechtsanspruch auf Rücknahme der Zwangsgeldandrohung gemäß Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG stehe dem Antragsteller nicht zu. Die Zwangsgeldandrohung sei auch nicht ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig. Die Höhe des Zwangsgeldes sei nicht zu beanstanden. Der Antragsteller habe sich von Anfang an über die Baugenehmigung bewusst hinweggesetzt und sich uneinsichtig gezeigt. Ferner sei zu berücksichtigen, dass das Wohnhaus infolge der planabweichenden Errichtung eine wesentlich größere Nutzfläche erhalten würde. Das Zwangsgeld sei auch fällig geworden, weil der Antragsteller mit den Arbeiten im Bereich des Dachgeschosses und an den Balkonen gegen die Baueinstellung verstoßen habe. Die Arbeiten seien nicht als bloße Sicherungsmaßnahmen zu qualifizieren. Vielmehr habe der Antragsteller vollendete Tatsachen schaffen wollen.

3. Zur Begründung der hiergegen eingelegten Beschwerde trägt der Antragsteller im Wesentlichen vor: Ihm stehe ein Anordnungsanspruch nach Art. 22 Nr. 4 VwZVG in Verbindung mit Art. 48 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG zu, da der Verstoß gegen die Baueinstellungsanordnung in krassem Missverhältnis zur Höhe des beigetriebenen Zwangsgeldes stehe. Die Baueinstellung sei vor allem wegen der Wandhöhenüberschreitung erfolgt. Diese Überschreitung beruhe auf einem Fehler seines Vermessungsingenieurs bei der Höheneinmessung, den er nicht zu vertreten habe und der ihm erst am 18. Januar 2005 zur Kenntnis gelangt sei. Ein Betrag von 25.000 Euro sei für die erste Zwangsgeldandrohung völlig unangemessen. Der Antragsteller habe sich auch nicht uneinsichtig gezeigt. Er habe im Dachgeschoss ausschließlich notwendige Sicherungsmaßnahmen zum Schutz vor Witterungseinflüssen vorgenommen. Der Einbau der Fenster und Türen sei erforderlich gewesen, da sich trotz der zunächst angebrachten Folien Eisschichten auf der Decke im Dach gebildet hätten. Der gesamte Dachbereich und die bereits eingebaute Heizungsanlage seien gefährdet gewesen wären. Schließlich stelle die Zwangsvollstreckung für den Antragsteller aufgrund seiner finanziellen Situation eine unzumutbare Härte dar.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. Dezember 2004 zu ändern und den Antragsgegner zu verpflichten, die Vollstreckung aus dem Bescheid des Landratsamts S******** vom 28. Februar 2003 vorläufig einzustellen.

Der Antragsgegner hat sich nicht geäußert.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die Behördenakte Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 146 Abs. 1 und 4, § 147 VwGO zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu Recht in vollem Umfang abgelehnt. Er ist zwar zulässig (1.), aber nicht begründet (2.).

1. Der Antrag ist zulässig.

Da der Antragsteller gegen die Fälligkeitsmitteilung in der Hauptsache nach § 43 Abs. 1 VwGO Klage auf Feststellung des Nichtbestehens der Zwanggeldforderung erheben kann, ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO mit dem Ziel der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung als Mittel des vorläufigen Rechtsschutzes statthaft (BayVGH vom 28.8.1991 1 CS 91.2199; vom 26.6.1978 BayVBl 1980, 51). Die Anhängigkeit der Hauptsache ist nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit des Antrags. Für den Antrag besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis, weil sich der Antragsteller wegen der Einstellung der Beitreibung des Zwangsgeldes zunächst erfolglos an das Landratsamt gewandt hatte.

2. Der Antrag ist nicht begründet. Der Antragsteller hat einen Anspruch darauf, dass von der Beitreibung des Zwangsgeldes vorläufig abgesehen wird, nicht glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Die Voraussetzungen für die Vollstreckung der Zwangsgelddrohung sind erfüllt (2.1.). Die Einwendungen des Antragstellers gegen den Zwangsgeldanspruch greifen nicht durch (2.2.). Vollstreckungshindernisse liegen nicht vor (2.3.).

2.1. Die allgemeinen (Art. 19 VwZVG) und besonderen (Art. 23 VwZVG) Voraussetzungen für eine Vollstreckung der nach Art. 36 Abs. 2 Satz 1 VwZVG mit der Baueinstellungsanordnung verbundenen Zwangsgelddrohung sind erfüllt. Insbesondere ist die Zwangsgeldforderung in Höhe des angedrohten Betrags von 25.000 Euro fällig geworden.

Eine Zwangsgeldandrohung (Art. 36 VwZVG) ist gemäß Art. 31 Satz 3 Satz 2 ein aufschiebend bedingter Leistungsbescheid im Sinn von Art. 23 Abs. 1 VwZVG. Die geltend gemachte Geldforderung, das Zwangsgeld, wird nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3, Abs. 1 VwZVG kraft Gesetzes fällig (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG), wenn die durch die Grundverfügung auferlegte Pflicht zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung bei Ablauf der Erfüllungsfrist (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG) nicht oder nicht vollständig erfüllt ist (vgl. BayVGH vom 11.7.2001 BayVBl 2002, 275 = NVwZ-RR 2002, 608).

Diese Voraussetzungen liegen vor, weil der Antragsteller der ihm im Bescheid vom 28. Februar 2003 auferlegten Pflicht zur sofortigen Einstellung sämtlicher Bauarbeiten auf dem Grundstück zuwidergehandelt hat. Nach dem nicht in Frage gestellten Ergebnis mehrerer Baukontrollen des Landratsamts hat der Antragsteller nach der Baueinstellung im Dachgeschoss Türen und Fenster sowie eine Heizung einbauen, das gesamte Gebäude verputzen und an Balkonen Malerarbeiten ausführen lassen. Für den Eintritt der Fälligkeit des Zwangsgeldes genügt bereits die Durchführung der Verputz- und Malerarbeiten. Der Antragsteller hat aber auch mit dem Einbau der Türen und Fenster gegen die Baueinstellung verstoßen. Bei diesen Arbeiten handelte es sich nicht nur um zur Substanzerhaltung unerlässliche Sicherungsmaßnahmen (Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue Bayerische Bauordnung, Art. 81 RdNr. 30 mit weiteren Nachweisen; BayVGH vom 2.11.1995 2 CE 95.2851. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr überzeugend dargelegt, dass es zum Schutz des Rohbaus ausgereicht hätte, die Fenster- und Türöffnungen zu verbrettern und mit Planen und Folien zu versehen. Diese Beurteilung wird durch das Beschwerdevorbringen, die angebrachten Folien seien zum Schutz des Dachbereiches vor eindringender Feuchtigkeit nicht geeignet gewesen, nicht in Frage gestellt. Eine Verbretterung der Öffnungen ist nämlich offenbar nicht erfolgt.

2.2. Die Einwendungen des Antragstellers gegen den Zwangsgeldanspruch des Antragsgegners greifen nicht durch.

Nach Art. 21 Satz 2 VwZVG sind Einwendungen gegen die Vollstreckung, die den zu vollstreckenden Verwaltungsakt betreffen, nur zulässig, wenn sie nach dessen Erlass entstanden sind und mit förmlichen Rechtsmitteln nicht mehr geltend gemacht werden können. Die Vorschrift ist zwar auch auf eine Zwangsgeldandrohung anzuwenden. Denn wenn zur Durchsetzung einer Anordnung (Grundverfügung) ein Zwangsgeld angedroht wird, ist nicht nur die Grundverfügung, sondern auch die Zwangsgeldandrohung als Leistungsbescheid (Art. 31 Abs. 3 Satz 2, Art. 23 Abs. 1 VwZVG) ein zu vollstreckender Verwaltungsakt im Sinn von Art. 21 Satz 2 VwZVG. Die Voraussetzungen des Art. 21 Satz 2 VwZVG sind aber nicht erfüllt.

Der Einwand, ein Zwangsgeld von 25.000 Euro sei im Hinblick auf den gesetzlichen Rahmen von mindestens 15 Euro und höchstens 50.000 Euro (Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG) unverhältnismäßig hoch, ist nach Art. 21 Satz 2 VwZVG unzulässig. Der Einwand betrifft zwar den zu vollstreckenden Anspruch. Mit ihm werden aber keine Gründe geltend gemacht, die nach Erlass der Zwangsgeldandrohung entstanden sind und die nicht schon mit der zurückgenommenen Klage gegen die Zwangsgeldandrohung hätten geltend gemacht werden können. Vielmehr rügt der Antragsteller mit diesem Vorbringen einen Verstoß gegen Art. 31 Abs. 2 VwZVG bei Erlass der Zwangsgeldandrohung.

In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird es zwar auch für zulässig erachtet, sich auf die Rechtswidrigkeit des zu vollstreckenden, bestandskräftig gewordenen Verwaltungsaktes zu berufen, wenn dem Betroffenen infolge einer "Ermessensreduzierung auf Null" ein Anspruch auf dessen Rücknahme zusteht (vgl. Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG). Entsprechendes soll gelten, wenn ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens (Art. 51 BayVwVfG) besteht (vgl. BayVGH vom 16.3.1967 VGH n.F. 1, 8 ff.; vom 26.6.1978 BayVBl 1980, 51; kritisch: BayVGH vom 4.8.1999 27 ZS 99.962 mit weiteren Nachweisen). Auch wenn man dieser Auffassung folgen wollte, würde sich aber nichts daran ändern, dass ein auf Einwendungen gemäß Art. 21 VwZVG beruhender Anspruch des Antragstellers auf Einstellung der Beitreibung des Zwangsgeldes wohl nicht besteht. Insbesondere ist nicht zu ersehen, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Zurücknahme der Zwangsgeldandrohung haben könnte. Vielmehr dürfte die Zwangsgeldandrohung rechtmäßig sein. Der Betrag von 25.000 Euro ist wohl schon durch das wirtschaftliche Interesse (Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG), das der Antragsteller an der von der Baugenehmigung abweichenden Bauausführung hatte, gerechtfertigt. Nach summarischer Prüfung war dieses Interesse vor allem deswegen hoch zu bewerten, weil durch die Abweichungen im Bereich des Dachgeschosses die Raumhöhen erreicht werden dürften, die nach Art. 48 Abs. 1, Art. 45 Abs. 2 BayBO für eine Wohnnutzung erforderlich sind. Hinzu kamen die Wohnflächenerweiterungen durch den wintergartenähnlichen Anbau im Erdgeschoss und durch die Vergrößerung der Balkone im Obergeschoss.

Auch der Einwand, der Betrag von 25.000 Euro sei deswegen unangemessen, weil der Antragsteller die auf einer fehlerhaften Einmessung des Vermessungsingenieurs beruhende Überschreitung der Wandhöhe nicht zu vertreten habe, greift nicht durch. Diesen Einwand konnte der Antragsteller nach seinem Vorbringen zwar nicht mit der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung geltend machen, weil er erst nach der Klagerücknahme von dem Fehler des Ingenieurs erfahren habe. Der Einwand ist aber deswegen im Rahmen von Art. 21 VwZVG unbeachtlich, weil er auf eine Anforderung abstellt, auf die es beim Erlass einer Zwangsgeldandrohung nicht ankommt und die insofern nicht den zu vollstreckenden Anspruch betrifft.

Bei der Bemessung des Zwangsgeldes kann zwar neben dem in erster Linie maßgeblichen wirtschaftlichen Interesse des Pflichtigen (Art. 31 Abs. 2 VwZVG) sowie dessen wirtschaftlichen Verhältnissen und dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung der Anordnung auch die Schwere der Zuwiderhandlung gegen öffentliche Vorschriften, auf die mit der zwangsgeldbewehrten Anordnung reagiert wird, berücksichtigt werden (vgl. Harrer/Kugele, Verwaltungsrecht in Bayern, Erl. 3 zu Art. 31 VwZVG). Dabei ist aber nicht auf die Schwere eines Verschuldens abzustellen, sondern auf den "objektiven Grad des Ungehorsams" (Entwurf eines Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes vom 11.11.1960, Bayerischer Landtag, 4. Legislaturperiode, Beilage 1746, S. 23 f.). Das Zwangsgeld ist keine verschuldensabhängige Sanktion für die Nichterfüllung einer Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflicht, sondern ein Beugemittel zu deren Durchsetzung. Dementsprechend konnte das Landratsamt bei der mit der Baueinstellungsanordnung verbundenen Zwangsgeldandrohung zwar auch berücksichtigen, dass der Antragsteller in erheblichem Umfang von der Baugenehmigung abgewichen war. Die Frage, ob er hierbei schuldhaft gehandelt hat, spielte aber für die Bemessung des Zwangsgeldes und somit auch für den zu vollstreckenden Zwangsgeldanspruch keine Rolle.

Davon abgesehen beruht die - im Umfang im Einzelnen noch nicht geklärte - Überschreitung der genehmigten Wandhöhe nach den vorliegenden Behördenakten und dem eigenen Vorbringen des Antragstellers im Verfahren wegen der später erlassenen Baubeseitigungsanordnung (1 ZB 04.3600) nicht allein auf der fehlerhaften Einmessung der Höhenlage des Gebäudes durch den Vermessungsingenieur, sondern auch auf Abweichungen im Bereich des Dachgeschosses. Außerdem wurde die Baueinstellung entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht nur auf die Überschreitung der Wandhöhe, sondern auch auf eine Vielzahl weiterer Verstöße gegen die Baugenehmigung gestützt (Vergrößerung der Außentreppe, Erweiterung des Kellergeschosses, Errichtung eines Wintergartens, Errichtung eines umlaufenden Balkons im Obergeschoss und von Balkonen im Dachgeschoss, Dachüberstände, Aufenthaltsraumnutzung im Dachgeschoss).

2.3. Der Beitreibung des Zwanggeldes steht auch kein Vollstreckungshindernis nach Art. 22 Nr. 4 VwZVG entgegen.

Nach dieser Bestimmung sind Vollstreckungsmaßnahmen einzustellen, wenn und soweit die Anordnungsbehörde "aus sonstigen Gründen" um die Einstellung ersucht. Sonstige Gründe sind andere als die in Art. 22 Nrn. 1 bis 3 VwZVG geregelten Gründe. Bei der Vorschrift handelt es sich um eine aus Gründen der Verhältnismäßigkeit gebotene Billigkeitsregelung. Ein sonstiger Grund liegt insbesondere dann vor, wenn die Durchführung der Vollstreckung für den Betroffenen im Einzelfall eine unzumutbare Härte bedeuten würde (vgl. Nr. 17.2 Spiegelstrich 5 der Bekanntmachung über den Vollzug des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollsteckungsgesetzes vom 25.4.1983, MABl S. 374).

Art. 22 VwZVG richtet sich zwar in erster Linie an die Behörde, die für die - hier noch nicht begonnene - Durchführung der Vollstreckung zuständig ist (Art. 20 Nr. 2, Art. 25 Abs. 1 VwZVG). Besteht jedoch ein Vollstreckungshindernis bereits vor Einleitung der Zwangsvollstreckung, so hindert dies schon die Anordnungsbehörde, das Zwangsgeld beizutreiben (vgl. Giehl, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Anm. I zu Art. 22 VwZVG). Dem steht nicht entgegen, dass nach bayerischem Recht ein mit der Zuwiderhandlung fällig gewordenes Zwangsgeld (Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG) beigetrieben werden kann, ohne dass es einer gesonderten Festsetzung bedarf, wie sie in anderen Vollstreckungsgesetzen vorgesehen ist (vgl. §§ 13, 14 VwZG, §§ 332, 333 AO). Diese auf dem Gesetz zur Vereinfachung verwaltungsrechtlicher Vorschriften vom 27.10.1970 (GVBl S. 469) beruhende Regelung hat nicht zur Folge, dass eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die nach den anderen Vollstreckungsgesetzen zur "Nicht-Festsetzung" oder zur Festsetzung nur eines Teilbetrages des angedrohten Zwanggeldes führen kann, völlig unterbleiben darf. Härtefälle muss die Anordnungsbehörde vielmehr nicht nur bei der in Art. 37 a Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 VwZVG ausdrücklich geregelten, hier nicht einschlägigen Fallgestaltung vermeiden, sondern generell. Um die Wirkung des Zwangsgeldes als Mittel der Zwangsvollstreckung nicht in Frage zu stellen, muss sie bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung aber einen sehr strengen Maßstab anlegen. Nur wenn "ganz besondere Umstände" (vgl. § 765 a Abs. 1 Satz 1 ZPO) vorliegen, kann die Behörde gehalten sein, ein fällig gewordenes Zwangsgeld nicht oder nur teilweise beizutreiben.

Nach diesem Maßstab hat der Antragsteller das Vorliegen eines "sonstigen Grundes" im Sinn von Art. 22 Nr. 4 VwZVG nicht glaubhaft gemacht.

Zwar ist die Gefährdung der wirtschaftlichen oder persönlichen Existenz eines Vollstreckungsschuldners ein Grund für die Einstellung einer Vollstreckungsmaßnahme (vgl. BGH vom 1.12.2004 BGHZ 161, 371 = NJW 2005, 681 und BFH vom 24.4.2001 X B 118/00 - Juris - zu § 765 a ZPO bzw. § 258 AO). Der Antragsteller hat jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass seine wirtschaftliche Existenz durch die Vollstreckung des Zwangsgeldes tatsächlich unmittelbar bedroht ist. Die im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemachten finanziellen Schwierigkeiten wegen einer Kreditaufnahme zur Finanzierung des Wohnhauses und wegen persönlicher Unterhaltsverpflichtungen lassen noch nicht den Schluss auf eine Existenzgefährdung des Antragstellers im Fall der Beitreibung des Zwangsgeldes zu. Ohne konkrete nachprüfbare Angaben über die gesamten Vermögensverhältnisse des Antragstellers ist eine Existenzgefährdung nicht ausreichend glaubhaft gemacht.

Der Senat hält es nicht für ausgeschlossen, dass eine die Beitreibung des Zwangsgelds in voller Höhe hindernde besondere Härte im Einzelfall dann vorliegen kann, wenn zwischen der objektiven Schwere der Pflichtverletzung, die das Fälligwerden des Zwangsgeldes zur Folge hatte, und der Höhe des fälligen Betrags ein eklatantes Missverhältnis besteht. Solche besonderen Voraussetzungen liegen aber schon deswegen nicht vor, weil der Antragsteller die Bauarbeiten auch im Dachgeschoss fortgesetzt hatte, bei dem die Abweichung von der Baugenehmigung wirtschaftlich gesehen das größte Gewicht hat.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 1.5 und Nr. 1.6.1 des Streitwertkatalogs 2004 (NVwZ 2004, 1327).

Ende der Entscheidung

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