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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 16.01.2003
Aktenzeichen: 1 CS 02.1922
Rechtsgebiete: VwGO


Vorschriften:

VwGO § 146 Abs. 4
1. Ein Beschwerdegrund ist nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur dann inhaltlich zu prüfen, wenn er innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgebracht worden ist und wenn er sich im Sinn des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzt.

2. Für eine ausreichende Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung muss die Begründung des Verwaltungsgerichts aufgegriffen und konkret dargelegt werden, weshalb diese unrichtig sein soll.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

1 CS 02.1922

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Baugenehmigung betr. Fl.Nr. 1131/4 Gemarkung N******,

hier: Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 9. Juli 2002,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Waltinger, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Vonnahme

ohne mündliche Verhandlung am 16. Januar 2003 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wehrt sich als Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. 1131/5 Gemarkung N****** dagegen, dass dem Beigeladenen eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses auf dem südlich angrenzenden Grundstück Fl.Nr. 1131/4 erteilt worden ist.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 22. Mai 2002 anzuordnen, mit Beschluss vom 9. Juli 2002 abgelehnt.

Mit ihrer Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, die Baugenehmigung sei nicht hinreichend bestimmt. Damit sei ungewiss, ob das Bauvorhaben die Abstandsflächen zum Grundstück der Antragstellerin einhalte. Die Baugenehmigung schließe nur für den nördlichen Bereich, nicht aber für den Rest des Baugrundstücks aus, dass Auffüllungen vorgenommen werden. Dadurch sei möglich, das Niederschlagswasser vom Baugrundstück auf das Grundstück der Antragstellerin fließe. Zwischenzeitlich habe der Beigeladene ohne Genehmigung eine Grenzgarage errichtet. Dies führe in Verbindung mit dem auf der Westhälfte des Baugrundstücks stehenden Wohnhaus und dem Bauvorhaben für die Antragstellerin zu einem Einmauerungseffekt.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 9. Juli 2002 zu ändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung der Stadt N****** a.d. D**** vom 22. Mai 2002 anzuordnen.

Der Beigeladene beantragt,

die Beschwerde zu verwerfen;

hilfsweise: sie zurückzuweisen.

Für die Beschwerde sei das Rechtsschutzbedürfnis entfallen, weil das Vorhaben zwischenzeitlich weitgehend verwirklicht sei. Jedenfalls sei die Beschwerde aus den zutreffenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts unbegründet.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die Verwirklichung der Baugenehmigung nicht zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses führe, weil der Vollzug rückgängig gemacht werden könne.

Die Antragsgegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Es muss nicht entschieden werden, ob das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag wegen Fertigstellung des Bauvorhabens entfallen ist (vgl. Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 a RdNr. 67). Die Beschwerde hat jedenfalls deswegen keinen Erfolg, weil die Richtigkeit der Entscheidung durch die Beschwerdegründe nicht in Frage gestellt wird. Die Rügen der Antragstellerin sind teils unzulässig, teils unbegründet.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO in der Fassung des Art. 1 Nr. 19 Buchst. b des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess (RmBereinVpG) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I S. 3987) prüft das Oberverwaltungsgericht nur die dargelegten Gründe. Ein Beschwerdegrund ist nur dann inhaltlich zu prüfen, wenn er innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgebracht worden ist und wenn er sich im Sinn des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzt.

1. Die erstmals am 11. September 2002 vorgebrachte Rüge, durch die nachträgliche Errichtung einer Grenzgarage ergebe sich ein Einmauerungseffekt, ist unzulässig. Sie ist erst nach Ablauf der Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO erhoben worden, denn der Beschluss des Verwaltungsgerichts ist bereits am 17. Juli 2002 zugestellt worden. Obendrein ist diese Rüge unbehelflich. Sie betrifft nämlich ein zum genehmigten Bauvorhaben nachträglich hinzutretendes Vorhaben, nicht aber das genehmigte Bauvorhaben selbst. Unabhängig davon ist nicht schlüssig dargelegt, dass die hohen Anforderungen an eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme durch eine Bebauung mit einem Einmauerungseffekt (vgl. BVerwG vom 13.8.1981 DVBl 1981, 928 = BRS 38 Nr. 186 zu einem 15 m von einem zweigeschossigen Wohnhaus entfernten teils sechs-, teils zwölfgeschossigen Wohn- und Geschäftshaus) vorliegen.

2. Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Baugenehmigung unbestimmt sei, ist ebenfalls unzulässig. Sie setzt sich nämlich nicht mit der angefochtenen Entscheidung auseinander.

Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerdebegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Diese verschärften Anforderungen sind ein Ausgleich dafür, dass für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes das Erfordernis der Beschwerdezulassung weggefallen und die Frist für die Begründung der Beschwerde auf einen Monat verlängert worden ist (vgl. VGH BW vom 12.4.2002 NVwZ 2002, 883; BayVGH vom 22.8.2002 Az. 1 CS 02.1547). Eine ausreichende Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung verlangt, dass der Beschwerdeführer aufzeigt, wo und weshalb die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus seiner Sicht überprüfungsbedürftig ist. Hierfür muss er die Begründung des Verwaltungsgerichts aufgreifen und konkret darlegen, weshalb er diese für unrichtig hält (vgl. VGH BW vom 12.4.2002 NVwZ 2002, 883; BayVGH vom 22.8.2002 Az. 1 CS 02.1547).

Das Vorbringen der Antragstellerin zur angeblichen Unbestimmtheit der Baugenehmigung wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

Das Verwaltungsgericht hat sich in seiner Entscheidung mit der Frage der Bestimmtheit der Baugenehmigung befasst, die Bedeutung der Rotrevision des Landratsamts hervorgehoben (Entscheidungsabdruck S. 8) und eine ins Einzelne gehende Berechnung der Abstandsflächen vorgenommen. Die Antragstellerin greift diese Begründung des Verwaltungsgerichts nicht auf und setzt sich mit ihr nicht auseinander. Die unsubstantiierte Behauptung, die Baugenehmigung sei unbestimmt und schließe eine Verletzung der Vorschriften über die Einhaltung von Abstandsflächen nicht aus, wird dem Begründungserfordernis nicht gerecht (vgl. auch OVG SH vom 31.7.2002 NJW 2003, 158).

3. Die Rüge, die Baugenehmigung schließe nur für den nördlichen Bereich, nicht aber für den Rest des Baugrundstücks aus, dass Auffüllungen vorgenommen werden, ist zulässig. Das Verwaltungsgericht hat sich mit diesem bereits im Antragsverfahren vorgebrachten Einwand nicht auseinandergesetzt. Er kann daher im Beschwerdeverfahren ohne weiteres wiederholt werden.

Die Rüge ist jedoch unbegründet. Aus der Nebenbestimmung Nr. 2 der Baugenehmigung "Im nördlichen Bereich um das Gebäude darf keine Auffüllung vorgenommen werden - siehe Roteintragungen in der Planzeichnung. Das ursprüngliche Geländeniveau ist zu belassen", kann nicht geschlossen werden, dass darin eine Genehmigung für Geländeauffüllungen im übrigen Grundstücksbereich liegt. Mit dieser Bestimmung soll vielmehr den Festsetzungen des Bebauungsplans in dem besonders empfindlichen nördlichen Bereich besonderer Nachdruck verschafft werden. Unabhängig davon ist weder schlüssig vorgetragen noch zu ersehen, dass bei Einhaltung dieser Auflage die Gefahr besteht, dass vom Baugrundstück Oberflächenwasser auf das Grundstück der Antragstellerin fließt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da sich dieser durch eigene Antragstellung dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 14 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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