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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.09.2004
Aktenzeichen: 1 CS 04.340
Rechtsgebiete: BayBO, BV, GG


Vorschriften:

BayBO Art. 6 Abs. 1 Satz 1
BayBO Art. 6 Abs. 2 Satz 1
BayBO Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1
BayBO Art. 6 Abs. 9
BayBO Art. 7 Abs. 4 Satz 1
BayBO Art. 7 Abs. 4 Satz 2
BayBO Art. 7 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 Alt. 2
BayBO Art. 6 Abs. 7
BayBO Art. 52 Abs. 6 Satz 1
BV Art. 103 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 14 Abs. 1
Nicht überbaubare Flächen privater Grundstücke (Art. 7 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 Alt. 2 und 3 BayBO) sind in entsprechender Anwendung des Art. 6 Abs. 7 BayBO abstandsflächenrechtlich grundsätzlich den benachbarten bebaubaren Grundstücken zu gleichen Teilen zugeordnet. Grenzen aber an einer Seite Grundstücke der Eigentümer der nicht überbaubaren Fläche und auf der gegenüberliegenden Seite Grundstücke von Dritten an, ist die nicht überbaubare Fläche in vollem Umfang den Eigentümergrundstücken zugeordnet.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

1 CS 04.340

In der Verwaltungsstreitsache

wegen

Anfechtung einer Baugenehmigung für Fl.Nrn. **25 und **25/8 Gemarkung I********* (Antrag nach § 80 a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO);

hier: Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 23. Dezember 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Waltinger, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Vonnahme,

ohne mündliche Verhandlung am 29. September 2004 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert wird unter Änderung der Nr. III des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 23. Dezember 2003 für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren vorläufigen Rechtsschutz gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.

Die Antragsteller sind Eigentümer des mit einer Doppelhaushälfte bebauten Grundstücks Fl.Nr. **25/5 Gemarkung I********* (Wohngrundstück) und Miteigentümer des Grundstücks Fl.Nr. **25/7. Dieses ist im südlichen, an die Wackerstraße grenzenden Teil mit vier Garagen bebaut; im Übrigen dient es als Zufahrt und Zugang zu dem Wohngrundstück der Antragsteller und zu drei weiteren, gleichfalls mit Wohnhäusern bebauten Grundstücken (Fl.Nrn. **25/3, **25/4 und **25/6). Das Grundstück der Antragsteller sowie das nördliche und das südliche Nachbargrundstück grenzen seitlich an die Wegefläche.

Mit Bescheid vom 21. August 2003 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen eine Baugenehmigung für die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern auf den Grundstücken Fl.Nrn. **25 und **25/8 (Häuser 9 und 11), die östlich an den als Zufahrt dienenden Teil des Garagen- und Wegegrundstücks Fl.Nr. **25/7 grenzen. Zu dem Vorhaben der Beigeladenen gehört eine Tiefgarage. Deren Zufahrt soll auf einer Länge von etwa 7,20 m an der Grenze zu der Wegefläche und dann im spitzen Winkel in das Baugrundstück verlaufen. An den der Garagenfläche vorgelagerten Teil der Wegefläche des Grundstücks Fl.Nr. **25/7 sollen nur das 4 m lange, an der Grenze zwischen 2,50 m und 2,30 m hohe, mit einem Flachdach versehene "Einfahrtshäuschen" und ein etwa 2 m langer, zwischen 1,70 m und 1,40 m hoher Teil der mit einem begrünten Dach versehenen Abfahrtsrampe grenzen. Der restliche Teil der Abfahrtsrampe liegt im Bereich des Teils der Wegefläche, die dem Wohngrundstück Fl.Nr. **25/6 vorgelagert ist.

Die Antragsteller haben gegen die Baugenehmigung Widerspruch erhoben, über den noch nicht entschieden worden ist. Ihren Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 23. Dezember 2003 abgelehnt.

Mit der Beschwerde machen die Antragsteller geltend, dass das Wohngebäude auf dem Grundstück Fl.Nr. **25 (Haus 9) sowie die Überdachung der Tiefgaragenzufahrt auf dem Grundstück Fl.Nr. **25/8 gegenüber dem Wegegrundstück Fl.Nr. **25/7 nicht die Abstandsflächen einhielten. Jedenfalls trete im Hinblick auf das dem Wohngrundstück der Antragsteller benachbarte Wohngrundstück Fl.Nr. **25/4 eine Überdeckung der Abstandsflächen auf. Die Tiefgaragenzufahrt verstoße außerdem gegen die dem Schutz vor Lärm und Gerüchen dienende Vorschrift des Art. 52 Abs. 6 Satz 1 BayBO.

Die Antragsteller beantragen,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 23. Dezember 2003 zu ändern und die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Baugenehmigung der Stadt I********* vom 21. August 2003 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.

II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Aus den im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) ergibt sich nicht, dass die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung Rechte der Antragsteller verletzten könnte (§ 80 a Abs. 3 in Verbindung mit § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).

Die Baugenehmigung verletzt nach summarischer Prüfung keine Rechte der Antragsteller aus abstandsflächenrechtlichen Vorschriften (1.). Hinsichtlich des auf dem Baugrundstück Fl.Nr. **25 geplanten Hauses 9 sind die Antragsteller schon keine Nachbarn im abstandsflächenrechtlichen Sinn (1. a). Die auf dem Baugrundstück Fl.Nr. **25/8 geplante überdachte Tiefgaragenzufahrt braucht jedenfalls insoweit keine Abstandsflächen einzuhalten, wie die Antragsteller als Nachbarn betroffen sind (1. b). Die Baugenehmigung verstößt auch nicht gegen Art. 52 Abs. 6 Satz 1 BayBO (2.).

1. a) Die Antragsteller sind selbst dann nicht als abstandsflächenrechtlich geschützte Nachbarn betroffen, wenn ihre Auffassung richtig sein sollte, dass die auf der Westseite des Hauses 9 anfallenden Abstandsflächen nicht vollständig auf dem Baugrundstück Fl.Nr. **25 liegen. Als Miteigentümer des als Zufahrt dienenden Teils des Grundstücks Fl.Nr. **27/7 (Wegefläche) sind sie aus rechtlichen Gründen nicht betroffen (aa). Als Eigentümer ihres Wohngrundstücks Fl.Nr. **25/4 und als Miteigentümer des mit Garagen bebauten Teils des Grundstücks Fl.Nr. **27/7 (Garagenfläche) sind sie aus tatsächlichen Gründen nicht betroffen (bb).

aa) Die Antragsteller können aus ihrem Miteigentum an der Wegefläche keine Rechte aus einer Verletzung der Abstandsflächenvorschriften herleiten, weil die Wegefläche aus rechtlichen Gründen auf Dauer nicht überbaut werden kann.

Die abstandsrechtlichen Vorschriften dienen nicht dem Schutz des Eigentümers eines aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht überbaubaren Grundstücks. Das ergibt sich aus Art. 7 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 Alt. 2 und 3 BayBO. Nach dieser Vorschrift können sich die Abstandsflächen eines Gebäudes ganz oder teilweise auf Nachbargrundstücke erstrecken, wenn diese aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht überbaut werden können. Hierbei handelt es sich um eine der in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO vorgesehenen Ausnahmen von dem Grundsatz, dass die gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 9 BayBO vor den Außenwänden von Gebäuden und vor gebäudeähnlichen Anlagen einzuhaltenden Abstandsflächen auf dem Baugrundstück selbst liegen müssen.

Art. 7 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 Alt. 2 BayBO ist anwendbar. Da es sich bei der Wegefläche nicht um eine öffentliche Verkehrsfläche, sondern um einen Privatweg handelt, greift die Vorschrift des Art. 6 Abs. 7 BayBO, nach der öffentliche Verkehrs-, Grün- und Wasserflächen zur Hälfte in die Abstandsflächen eingerechnet werden, nicht ein. Der Anwendung des Art. 7 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 Alt. 2 BayBO steht auch nicht entgegen, dass eine Teilfläche des Grundstücks Fl.Nr. **25/7 bebaut ist. Der Zweck der Vorschrift rechtfertigt es, sie auch auf nicht bebaubare Teilflächen eines im Übrigen bebauten oder bebaubaren Grundstücks anzuwenden.

Die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 Alt. 2 BayBO liegen vor.

Ein Grundstück kann aus rechtlichen Gründen nicht überbaut werden, wenn aufgrund besonderer rechtlicher Umstände anzunehmen ist, dass auf ihm nicht nur gegenwärtig, sondern auf nicht absehbare Zeit - auf Dauer - abstandsflächenpflichtige Anlagen nicht errichtet werden dürfen (BayVGH vom 14.7.1993 Nr. 1 CS 93, 1779 Seite 6; Lechner in Simon/Busse, BayBO, Art. 7 RdNr. 545). Die Anforderung, dass die Bebaubarkeit auf Dauer ausgeschlossen sein muss, ergibt sich aus dem Zweck der Vorschrift und aus den Gewährleistungen der Eigentumsgarantie (Art. 103 Abs. 1 BV, Art. 14 Abs. 1 GG).

Art. 7 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 Alt. 2 und 3 BayBO und Art. 6 Abs. 7 BayBO ordnen Grundstücke, auf denen selbst keine abstandsflächenpflichtigen Anlagen errichtet werden können oder dürfen, im Interesse eines sparsamen Umgangs mit Grund und Boden (vgl. § 1 a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 BauGB) abstandsflächenrechtlich bebaubaren Nachbargrundstücken zu. Dem Eigentümer des nicht überbaubaren Grundstücks ist diese abstandsflächenrechtliche Inanspruchnahme seines Grundstücks durch Nachbarn wegen des Verbots des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BayBO, dass sich die Abstandsflächen nicht überdecken dürfen, nur zuzumuten, wenn anzunehmen ist, dass sein Grundstück auch in Zukunft unbebaubar bleibt. Die Grundstücksflächen, auf die sich die Abstandsflächen des Nachbargebäudes erstrecken, stehen nämlich so lange nicht für die Abstandsflächen eines anderen Gebäudes zur Verfügung, wie das Nachbargebäude steht. Eine Erstreckung von Abstandsflächen muss der Eigentümer eines gegenwärtig nicht bebaubaren Grundstücks deshalb nur dann hinnehmen, wenn dieses - soweit absehbar - auch in Zukunft nicht bebaut werden kann oder darf.

Die Wegefläche kann nach summarischer Prüfung aus rechtlichen Gründen auf Dauer nicht überbaut werden. Es kann offen bleiben, ob das Grundstück mit Dienstbarkeiten zugunsten der jeweiligen Eigentümer der erschlossenen Wohngrundstücke belastet ist, weil anzunehmen ist, dass eine Bebauung der Zufahrtsfläche auch ohne eine solche Sicherung auf Dauer rechtlich ausgeschlossen ist. Die Antragsteller und die Eigentümer der anderen drei Wohngrundstücke sind nämlich darauf angewiesen, dass ihnen diese Zufahrt auf unabsehbare Zeit erhalten bleibt. Eine andere Erschließungsmöglichkeit kommt wegen des Zuschnitts der Grundstücke und wegen ihrer Bebauung nicht in Betracht. Die Miteigentümer können zivilrechtlich im Innenverhältnis und gegenüber anderen durchsetzen, dass Lage und Funktion der Wegefläche nicht geändert werden (BayVGH vom 14.7.1993 Nr. 1 CS 93.1779 Seite 7; vom 16.7.2001 Nr. 14 ZS 01.1636 Seite 5; Lechner in Simon/Busse, BayBO, Art. 7 RdNr. 557; Jäde, BayVBl 2003, 102).

Da es sich bei der Wegefläche somit um eine aus rechtlichen Gründen auf Dauer nicht bebaubare Grundstücksteilfläche handelt, ist keiner der Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. **25/7 berechtigt, unter Berufung auf sein Miteigentum an der Wegefläche geltend zu machen, dass Abstandsflächen von Bauvorhaben auf den östlich angrenzenden Baugrundstücken der Beigeladenen nicht auf der Wegefläche liegen dürfen. Die Miteigentümer und damit auch die Antragsteller sind insoweit aus rechtlichen Gründen keine Nachbarn im abstandsflächenrechtlichen Sinn.

bb) Als Eigentümer ihres Wohngrundstücks Fl.Nr. **25/5 und als Miteigentümer des mit Garagen bebauten Teils des Grundstücks Fl.Nr. **27/7 (Garagenfläche) können die Antragsteller zwar - auch hinsichtlich des jeweils vorgelagerten Teils der Wegefläche - eine Verletzung der Abstandsflächenvorschriften geltend machen. Sollten Abstandsflächen des Hauses 9 auf der Wegefläche liegen, sind die Antragsteller aber aus tatsächlichen Gründen keine Nachbarn, weil dieser Teil der Wegefläche dem Wohngrundstück Fl.Nr. **27/4 zugeordnet ist.

Jedem der drei westlich an die Wegefläche grenzenden Wohngrundstücke sowie der ebenfalls westlich angrenzenden Garagenfläche des Grundstücks Fl.Nr. **25/7 ist der vorgelagerte Teil der Wegefläche abstandsflächenrechtlich in voller Breite zugeordnet. Das folgt aus einer normergänzenden Auslegung des Art. 7 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 Alt. 2 und 3 BayBO, die folgende Rechtssätze ergibt: Nicht überbaubare Flächen privater Grundstücke sind in entsprechender Anwendung des Art. 6 Abs. 7 BayBO abstandsflächenrechtlich grundsätzlich den benachbarten bebaubaren Grundstücken zu gleichen Teilen zugeordnet. Grenzen aber an einer Seite Grundstücke der Eigentümer der nicht überbauten Fläche und auf der gegenüberliegenden Seite Grundstücke von Dritten an, ist die nicht überbaubare Fläche in vollem Umfang den Eigentümergrundstücken zugeordnet.

Art. 7 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 Alt. 2 und 3 BayBO regelt - anders als Art. 6 Abs. 7 BayBO - nicht, welchen Grundstücken in welchem Umfang das nicht überbaubare Grundstück abstandsflächenrechtlich zugeordnet ist. Diese Lücke ist nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ausfüllung von Regelungslücken unter Beachtung des Gebots der Gleichbehandlung (Art. 118 Abs. 1 BV, Art. 3 Abs. 1 GG), der Eigentumsgarantie (Art. 103 Abs. 1 BV, Art. 14 Abs. 1 GG) und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu schließen.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt, dass eine nicht überbaubare Fläche abstandsflächenrechtlich zu gleichen Teilen auf die angrenzenden bebaubaren Grundstücke aufgeteilt wird. Art. 6 Abs. 7 BayBO trägt dem in der Weise Rechnung, dass nicht überbaubare öffentliche Flächen den angrenzenden bebaubaren Grundstücken je zur Hälfte zugeordnet sind. Diese Regelung ist auf nicht überbaubare private Flächen grundsätzlich entsprechend anwendbar. Sie ist aber einzuschränken, wenn und soweit Grundstücke des Eigentümers oder - wie hier - der Miteigentümer der nicht überbaubaren Fläche angrenzen. Dann gebietet die insoweit vorrangige Eigentumsgarantie, diese Fläche ganz den Grundstücken der Eigentümer zuzuordnen. Auf eine private Wegefläche, an die auf der einen Seite bebaubare Grundstücke der Miteigentümer dieser Fläche grenzen und auf der anderen Seite Grundstücke Dritter, dürfen sich somit ausschließlich die Abstandsflächen von Gebäuden auf den "Eigentümergrundstücken" erstrecken und nicht auch von Gebäuden auf den "Drittgrundstücken" (vgl. BayVGH vom 16.7.2001 Az. 14 ZS 01.1636 Seite 5).

Dieser Vorrang der Eigentumsgarantie vor dem Gleichbehandlungsgrundsatz beruht auf einem sachlichen Differenzierungsgrund. Zwar knüpft die Grundregel des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO, dass die Abstandsflächen, soweit sie sich nicht auf Nachbargrundstücke erstrecken dürfen, auf dem Grundstück selbst liegen müssen, allein an den Zuschnitt der einzelnen Buchgrundstücke und nicht an die Eigentumsverhältnisse an. Die durch Art. 7 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 Alt. 2 und 3 BayBO zugelassene Erstreckung von Abstandsflächen benachbarter Bauvorhaben auf nicht überbaubare private Grundstücke stellt jedoch eine die Eigentümerbefugnisse beschränkende Inhalts- und Schrankenbestimmung dar (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Diese darf nicht weiter gehen, als es der Zweck der Regelung erfordert (BVerfG vom 2.3.1999 BVerfGE 100, 226/241). Deshalb muss das Grundstück abstandsflächenrechtlich vorrangig den Nachbargrundstücken zugeordnet werden, die seinem Eigentümer oder seinen Miteigentümern gehören.

Nach diesen Grundsätzen können die Eigentümer der drei westlich an die Wegefläche grenzenden Wohngrundstücke zwar geltend machen, dass auf der Wegefläche keine Abstandsflächen der Bauvorhaben des Beigeladenen liegen dürfen. Entsprechendes gilt für die Miteigentümer des Grundstück Fl.Nr. **27/7 hinsichtlich der Garagenfläche. Dieses Nachbarrecht steht den Eigentümern aber jeweils nur für den ihrem Grundstück vorgelagerten Teil der Wegefläche zu. Somit wären nicht die Antragsteller, sondern die Eigentümer des nördlich angrenzenden Wohngrundstücks Fl.Nr. **27/4 in ihren Rechten verletzt, wenn die Abstandsflächen des Hauses 9 nicht auf dem Baugrundstück eingehalten würden. Denn die Abstandsflächen lägen auf dem Teil der Wegefläche, der dem Grundstück Fl.Nr. **27/4 zugeordnet ist.

b) Auch hinsichtlich der überdachten Tiefgaragenzufahrt liegt ein Rechte der Antragsteller berührender Verstoß gegen abstandsflächenrechtliche Vorschriften nicht vor.

Die Antragsteller sind insoweit zwar als Miteigentümer des Grundstücks Fl.Nr. **25/7 hinsichtlich der Garagenfläche und des dieser vorgelagerten Teils der Wegefläche abstandsflächenrechtlich Nachbarn. Die geplante Überdachung der Tiefgaragenzufahrt braucht jedoch keine Abstandsflächen einzuhalten.

Nach Art. 7 Abs. 4 Satz 1 Alt. 2 und Satz 2 BayBO brauchen überdachte Tiefgaragenzufahrten mit einer Außenwandlänge von höchstens 8 m und einer Gesamtnutzfläche von höchstens 50 m² keine Abstandsflächen einzuhalten, wenn eine Wandhöhe von 3 m im Mittel nicht überschritten wird. Der an der Grenze geplante Teil der Tiefgaragenzufahrt erfüllt diese Voraussetzungen. Er ist etwa 7,20 m lang und zwischen 2,50 m und 1,30 m hoch. Der anschließende, im spitzen Winkel zur Grenze angeordnete Teil der Überdachung wäre in entsprechender Anwendung des Art. 6 Abs. 3 Satz 3 BayBO eigenständig zu beurteilen, wenn auf ihn trotz seiner geringen, von 1,30 m auf das Geländeniveau abfallenden Höhe die Vorschriften des Abstandsflächenrechts anwendbar sein sollten. Rechte der Antragsteller könnte dieser Teil schon deshalb nicht verletzen, weil er nicht dem Teil der Wegefläche gegenüberliegt, der der Garagenfläche vorgelagert ist.

2. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt nicht die Annahme, dass die Genehmigung für die Tiefgaragenzufahrt gegen Art. 52 Abs. 6 Satz 1 BayBO verstößt. Nach dieser auch auf Tiefgaragenzufahrten anwendbaren Vorschrift müssen Stellplätze und Garagen so angeordnet und ausgeführt werden, dass ihre Benutzung die Gesundheit nicht schädigt und das Arbeiten, das Wohnen und die Ruhe in der Umgebung durch Lärm oder Gerüche nicht erheblich stört.

Hinsichtlich des Grundstücks Fl.Nr. **25/7 liegt kein Verstoß gegen diese Vorschrift vor, weil Garagen und Zufahrten insoweit nicht schützenswert sind. Dass ihr Wohngrundstück Fl.Nr. **25/5 solchen Beeinträchtigungen ausgesetzt werde, haben die Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht geltend gemacht.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 72 Nr. 1 GKG n. F., § 14 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F. Sie orientiert sich an Nr. I.7 Satz 1 Halbsatz 1, Nr. II.7.6.1 des Streitwertkatalogs in der Fassung vom Januar 1996. Rechtsgrundlage für die Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts ist § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG a. F.



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