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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 03.03.2006
Aktenzeichen: 1 CS 06.227
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB, BImSchG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 a Abs. 3
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3
BImSchG § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

1 CS 06.227

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Anfechtung einer Baugenehmigung für einen Rinderstall (Fl.Nr. *** Gemarkung ***********), Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs;

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 29. Dezember 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Langer

ohne mündliche Verhandlung am 3. März 2006

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für einen Rinderstall.

Der Antragsteller führt einen landwirtschaftlichen Milchviehbetrieb im Haupterwerb. Außerdem vermietet er fünf Ferienwohnungen ("Urlaub auf dem Bauernhof"), die sich zum Teil im Obergeschoss des Betriebsleiterhauses auf der Hofstelle (Fl.Nr. *** Gemarkung S**********), zum Teil in einem etwa 50 m weiter östlich gelegenen Nebenhaus befinden. Das Grundstück Fl.Nr. *** liegt nordöstlich der Hofstelle des Beigeladenen (Fl.Nr. ***), der ebenfalls einen landwirtschaftlichen Betrieb im Haupterwerb (Milchkühe mit Nachzucht) führt. Im näheren Umkreis der beiden Höfe befinden sich keine weiteren landwirtschaftlichen Betriebe oder sonstigen baulichen Anlagen.

Mit Bescheid vom 22. September 2005 erteilte das Landratsamt W*******-S******* dem Beigeladenen die Baugenehmigung zur Errichtung eines Boxenlaufstalls mit 53 Kuhplätzen, Plätzen für die Nachzucht sowie einem angebauten Melkhaus auf dem Grundstück Fl.Nr. ***. Die Baugenehmigung ist mit Auflagen sowie mit dem Hinweis versehen, dass ab einer Viehbesatzdichte von 2,45 GV/ha außerdem eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) erforderlich sei. Der Standort der genehmigten Anlagen befindet sich östlich der Hofstelle des Beigeladenen. Das östliche Drittel des Stallgebäudes ist unmittelbar südlich des 43 m entfernten Wohnhauses des Antragstellers geplant.

Der Antragsteller, der sich bereits im Baugenehmigungsverfahren sowie mit verschiedenen Petitionen gegen das Vorhaben gewandt hatte, erhob Widerspruch und beantragte außerdem beim Landratsamt, die Vollziehung der Baugenehmigung auszusetzen sowie die Bauarbeiten vorläufig einzustellen. Über den Widerspruch und den Antrag nach § 80 a Abs. 1 Nr. 2, § 80 Abs. 4 VwGO wurde bisher nicht entschieden.

Unter dem 17. Oktober 2005 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen und den Antragsgegner zu verpflichten, die Bauarbeiten mit einer sofort vollziehbaren Verfügung vorläufig einzustellen. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 29. Dezember 2005 ab. Zur Begründung führte es aus, dass die Baugenehmigung nachbarschützende Vorschriften, insbesondere das Gebot der Rücksichtnahme, nicht verletze. Der Antragsteller werde durch das nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB zulässige Vorhaben keinen schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB ausgesetzt. Die Ferienwohnungen begründeten als bloß "mitgezogener" Teil des landwirtschaftlichen Betriebs kein höheres Schutzniveau zugunsten des Antragstellers. Die Beeinträchtigung des "Bergblicks" sei kein abwägungsrelevanter Belang. Lärmemissionen, die das übliche Maß landwirtschaftlicher Betriebsgeräusche überschritten, und unzumutbare Geruchsbelästigungen seien nicht zu erwarten; der Abstand zu den Gebäuden des Antragstellers sei auch dann ausreichend, wenn der Stall als sog. Offenstall errichtet werde. Der Beigeladene müsse keinen anderen, für den Antragsteller günstigeren Standort wählen. Der Antragsteller habe keinen Anspruch darauf, dass für das Vorhaben des Beigeladenen ein (vereinfachtes) immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durchgeführt werde.

Mit der Beschwerde macht der Antragsteller geltend, dass das Bauvorhaben das Gebot der Rücksichtnahme verletze. Die genehmigte Wohnnutzung des Antragstellers sei trotz ihrer Betriebsbezogenheit deutlich schutzwürdiger als das Interesse des Beigeladenen, den Stall an dem gewählten Standort zu errichten. Es bestehe eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Lärm für den Antragsteller unzumutbar sein werde. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass für das Außenbereichsvorhaben des Beigeladenen der Grenzwert nach Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. c TA Lärm einzuhalten sei; hierzu seien, obwohl dazu Veranlassung bestand, keine tatsächlichen Feststellungen getroffen worden. Die Erhebungen der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik der TU München ("Gelbe Hefte" 52 und 63), die das Gericht für die Beurteilung der Geruchsimmissionen herangezogen habe, träfen auf Offenställe nicht zu und seien vom Gericht zudem falsch angewandt worden. Nach der sächsischen Richtlinie "Immissionsschutzrechtliche Regelung Rinderanlagen", dem Entwurf der TA Luft 2000 und der Erhebung des Bayerischen Arbeitskreises "Immissionsschutz in der Landwirtschaft" seien vielmehr unzumutbare Beeinträchtigungen durch Stallgerüche zu befürchten. Wegen der schädlichen Umwelteinwirkungen sei der Beigeladene verpflichtet, das Vorhaben an einem Alternativstandort zu verwirklichen. Für das Vorhaben hätte schließlich anstelle des Baugenehmigungsverfahrens ein vereinfachtes immissionsschutzrechtliches Verfahren durchgeführt werden müssen; durch die Wahl des falschen Verfahrens sei der Antragsteller in subjektiven Rechten verletzt.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 29. Dezember 2005 zu ändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung des Landratsamts W*******-S******* vom 22. September 2005 anzuordnen.

Der Antragsgegner und der Beigeladene beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss. Er verweist ergänzend auf einen zwischen dem Landratsamt und dem Beigeladenen geschlossenen Vertrag, der die Zahl der vom Beigeladenen gehaltenen Großvieheinheiten so begrenze, dass keine Genehmigungspflicht nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz gegeben sei. Schädliche Umwelteinwirkungen seien in Anbetracht der - näher dargestellten - Funktionsweise eines Offenstalls nicht zu erwarten.

Nach Auffassung des Beigeladenen kann der Antragsteller kein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme verlangen. Die TA Lärm enthalte keine Regelung für Außenbereichsvorhaben. Die Nutzung des Stalls verursache nur landwirtschaftstypische und deshalb zulässige Lärmimmissionen; im Übrigen befinde sich auf der Hofstelle des Antragstellers auf der anderen Seite des Betriebsleiterhauses ebenfalls ein Stall. Die vom Antragsteller herangezogenen Regelwerke für Geruchsimmissionen seien nur auf "normale" Wohnhäuser, nicht aber auf bewohnte Gebäude eines landwirtschaftlichen Betriebs anwendbar. Der Beigeladene müsse sich für sein rechtmäßiges Vorhaben auch nicht auf Alternativstandorte verweisen lassen, zumal der gewählte Standort auch der wirtschaftlich günstigste sei. Das Vorhaben bedürfe keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die vorgelegte Bauakte Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt. Dem gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein maßgebenden Beschwerdevorbringen ist nach summarischer Prüfung nicht zu entnehmen, dass die im vereinfachten Verfahren erteilte Baugenehmigung gegen Vorschriften des Genehmigungsmaßstabs (Art. 73 Abs. 1 BayBO) verstößt, die dem Schutz des Antragstellers als Grundstücksnachbarn dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. So wie sich der Sachverhalt für die Beurteilung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes darstellt, liegt kein den Antragsteller in seinen Rechten verletzender Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vor.

Die Errichtung des Boxenlaufstalls mit Melkhaus dient der Erweiterung eines im Außenbereich gelegenen landwirtschaftlichen Betriebs; sie stellt damit ein gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiertes Vorhaben dar. Der Antragsteller kann deshalb Nachbarschutz nur über das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme beanspruchen, das bei Außenbereichsvorhaben als ein - teils ungeschriebener, teils gesetzlich geregelter - öffentlicher Belang im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB zu beachten ist (vgl. BVerwG vom 28.10.1993 NVwZ 1994, 686). Weder die Einschränkung des "freien Bergblicks" (dazu a) noch - soweit derzeit erkennbar - die von dem Vorhaben des Beigeladenen zu erwartenden Lärm- und Geruchsimmissionen (dazu b) stellen danach eine unzumutbare Beeinträchtigung des Antragstellers dar.

a) Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg auf eine Beeinträchtigung des "freien Bergblicks" berufen.

Der ungeschmälerte Fortbestand einer "schönen Aussicht" stellt grundsätzlich nur eine Chance dar, die nicht dem Schutz durch das - insoweit ungeschriebene - Gebot der Rücksichtnahme unterliegt. Anderes kann unter engen Voraussetzungen gelten, wenn ein Grundstück durch eine besondere Aussichtslage in einer Weise geprägt ist, dass es hierdurch als "situationsberechtigt" anzusehen ist (vgl. BVerwG vom 13.6.1969 DVBl 1970, 60; vom 9.2.1995 NVwZ 1995, 895; VGH BW vom 12.9.1991 BRS 52 Nr. 187; BayVGH vom 29.7.1992 BayVBl 1993, 721). Eine solche "Situationsberechtigung" liegt beim Grundstück des Antragstellers nicht vor. Denn der "freie Bergblick" hat für die Nutzung des Grundstücks als landwirtschaftliche Hofstelle keine in diesem Sinne prägende Bedeutung. Dieser Nutzung aber ist, was den rechtlichen Schutz anbelangt, auch die Vermietung der Ferienwohnungen als "mitgezogener Teil" des landwirtschaftlichen Betriebs untergeordnet (siehe unten II 1 b aa). Im Hinblick auf die Attraktivität der zu vermietenden Ferienwohnungen stellt der "freie Bergblick" deshalb lediglich eine wirtschaftliche Chance dar, in deren Fortbestand kein rechtlich geschütztes Vertrauen gesetzt werden kann. Im übrigen dürfte der Reiz eines "Urlaubs auf dem Bauernhof" des Antragstellers zwar zu einem guten Teil, aber - wegen der zahlreich angebotenen Erholungsmöglichkeiten und Freizeitaktivitäten und der als solcher nach wie vor attraktiven Lage des Hofs - wohl nicht ausschlaggebend von der schönen Zimmeraussicht abhängen; zudem wird jedenfalls der freie Bergblick von den beiden im Nebenhaus gelegenen Ferienwohnungen aus nicht eingeschränkt.

b) Der Antragsteller wird durch das Vorhaben des Beigeladenen voraussichtlich auch keinen unzumutbaren schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB - einer speziellen gesetzlichen Ausprägung des Rücksichtnahmegebots (vgl. BVerwG vom 21.1.1983 NVwZ 1983, 609) - ausgesetzt.

aa) Das Verwaltungsgericht hat die Schutzwürdigkeit der Belange des Antragstellers zutreffend bewertet. Der Beigeladene schuldet dem Antragsteller nur das Maß an Rücksichtnahme, wie es zwei benachbarte landwirtschaftliche Betriebe im Außenbereich im Verhältnis zueinander beanspruchen können.

Der Antragsteller kann insbesondere nicht deshalb einen gesteigerten Schutz verlangen, weil auch (und vorwiegend) die von ihm betriebene Vermietung von Ferienwohnungen betroffen ist. Die Nutzung von Gebäuden eines landwirtschaftlichen Betriebs zur Vermietung an Feriengäste stellt eine landwirtschaftsfremde Betätigung dar, die als Vorhaben im Außenbereich nur unter der Voraussetzung zulässig ist, dass sie durch ihre betriebliche Zuordnung zu der landwirtschaftlichen Tätigkeit von dieser gleichsam "mitgezogen" wird und damit im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dem landwirtschaftlichen Betrieb "dient" (vgl. BVerwG vom 19.4.1985 NVwZ 1986, 200). Wegen dieser Abhängigkeit von der landwirtschaftlichen Tätigkeit begründet die Vermietung von Ferienwohnungen keinen nachbarlichen Schutzanspruch, der über den des landwirtschaftlichen Betriebs als solchen hinausgeht.

bb) Der Antragsteller wird, soweit er in schutzwürdigen Belangen betroffen ist, nach den derzeit erkennbaren Umständen nicht durch unzumutbare schädliche Umwelteinwirkungen beeinträchtigt.

Für die Bestimmung der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen im Rahmen von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB kann auf die Begriffsbestimmungen und Grundsätze des Bundes-Immissionsschutzgesetzes - insbesondere § 3 Abs. 1 und § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG - zurückgegriffen werden (vgl. BVerwG vom 21.1.1983 NVwZ 1983, 609). Anhaltspunkte für die Unzumutbarkeit von Beeinträchtigungen geben dabei die technischen Regelwerke des Immissionsschutzrechts, die jedoch nicht schematisch, sondern unter Berücksichtigung der konkreten bauplanungsrechtlichen Verhältnisse anzuwenden sind (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, RdNr. 88 zu § 35).

aaa) Von dem Rinderstall werden nach dem derzeitigen Erkenntnisstand voraussichtlich keine für den Antragsteller unzumutbaren Lärmeinwirkungen ausgehen.

Anhaltspunkte für die bauplanungsrechtliche Beurteilung schädlicher Umwelteinwirkungen durch Geräusche sind vor allem der nach § 48 BImSchG erlassenen Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 26. August 1998 zu entnehmen. Die TA Lärm enthält zwar keine Regelung, die auf den hier vorliegenden Immissionskonflikt zwischen zwei landwirtschaftlichen Betrieben im Außenbereich unmittelbar zutrifft. Dieser Situation entsprechen jedoch, wovon auch die Beschwerde ausgeht, am ehesten die für Kern-, Dorf- und Mischgebiete geltenden Immissionsrichtwerte (Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. c TA Lärm). Die Beschwerde hat keine Umstände dargelegt, die es wahrscheinlich machen, dass die Nutzung des Rinderstalls zu einer nach diesen Maßstäben unzumutbaren Lärmbeeinträchtigung führt. Eine solche Beeinträchtigung ergibt sich auch nicht aus der Stellungnahme des Sachgebiets 51 des Landratsamts vom 18. August 2005. Die Stellungnahme sieht die Problematik einer möglichen Lärmbeeinträchtigung vor allem im Zusammenhang mit der "landwirtschaftlich-touristischen" Nutzung des Betriebsleiterhauses und der sich hieraus ergebenden Möglichkeit des Antragstellers, zusätzliche Einkünfte zu erzielen; diese Gesichtspunkte begründen, wie dargelegt, keinen gesteigerten Schutz des Antragstellers. Unabhängig davon wirft die Stellungnahme Fragen der schalltechnischen Verträglichkeit auf, die nicht von der Hand zu weisen sind; sie betont allerdings zugleich, dass zum Thema "Lärmemissionen aus Offenställen" bisher weder von Seiten des Landesamts für Umweltschutz noch von Seiten der Landesanstalt für Landwirtschaft eigene Messergebnisse oder sonstige verwertbare Daten oder Abschätzungen vorlägen. Auch von Seiten der Beteiligten sind bisher keine tragfähigen und auf das konkrete Vorhaben bezogenen Feststellungen getroffen worden. Nach Einschätzung des Senats besteht auf der Grundlage dieses Erkenntnisstands keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass das Vorhaben des Beigeladenen die genannten Grenzen zumutbarer Lärmimmissionen überschreitet. Dies schließt nicht aus, dass sich bei einer abschließenden Überprüfung die Erforderlichkeit von Nutzungseinschränkungen oder baulichen Änderungen ergeben könnte.

bbb) Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes möglichen Einschätzung ist ferner nicht zu erwarten, dass der Rinderstall für den Antragsteller unzumutbare Geruchsimmissionen verursachen wird.

Für die Bestimmung der Erheblichkeitsschwelle von Rinderstallgerüchen bestehen weder rechtlich verbindliche Vorschriften noch ein technisches Regelwerk wie die VDI-Richtlinie 3471 für die Schweinehaltung. Als brauchbaren Anhalt und als Orientierungshilfe zieht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, der sich der Senat anschließt und die auch das Verwaltungsgericht zugrunde gelegt hat, die Erhebungen der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik der Technischen Universität München - Weihenstephan "Geruchsemissionen aus Rinderställen" vom März 1994 ("Gelbes Heft 52") und "Geruchsfahnenbegehungen an Rinderställen" vom Juni 1999 ("Gelbes Heft 63") heran (vgl. zuletzt BayVGH vom 21.1.2004 Az. 14 CS 03.2926 sowie BayVGH vom 1.4.2004 Az. 25 B 98.3300 und 25 B 98.3301, jeweils mit weiteren Nachweisen). Das vorliegende Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gibt - auch im Hinblick auf die nur begrenzte Möglichkeit einer weiteren Sachverhaltsaufklärung - keinen Anlass, von diesem Beurteilungsmaßstab grundsätzlich abzuweichen. Es ist deshalb auch nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht andere sachverständige Stellungnahmen nicht herangezogen hat, weil diese für eine angrenzende Wohnbebauung entwickelt und für die Situation zweier konkurrierender landwirtschaftlicher Betriebe im Außenbereich nicht anwendbar seien.

Auf der Grundlage der Erhebungen der Bayerischen Landesanstalt für Landtechnik hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass im vorliegenden Fall mit unzumutbaren Geruchsimmissionen nicht zu rechnen ist. Nach dem "Gelben Heft 52" (S. 47/48) liegt der durchschnittliche Abstand, bei dem Stallgeruch gerade noch schwach wahrnehmbar ist, in einer Größenordnung von 30 m; für deutlich wahrnehmbaren Stallgeruch wurde eine Geruchsschwellenentfernung von unter 10 m ermittelt. Bei einem Bestand von bis zu 500 Rindern (entspricht etwa 400 Großvieheinheiten) seien die Geruchsschwellenentfernungen praktisch unabhängig von der Bestandsgröße. Danach begegnet das Vorhaben des Beigeladenen - bei einem Abstand zwischen Stallgebäude und Betriebsleiterhaus von 43 m und einem Rinderbestand von maximal etwa 100 Großvieheinheiten - keinen Bedenken.

Allerdings hat, wie die Beschwerde geltend macht, die nachfolgende Erhebung von 1999 ("Gelbes Heft 63") die Methoden und Ergebnisse der Erhebung von 1994 zum Teil modifiziert. So wurde der Rahmen, innerhalb dessen die Geruchsschwellenentfernung praktisch unabhängig von der Bestandsgröße ist, für Offenställe von 400 auf 240 Großvieheinheiten reduziert (S. 74, 76); dies wirkt sich auf das Vorhaben des Beigeladenen nicht aus. Ferner wurde das - gröbere - Raster bestimmter Geruchsschwellenentfernungen zu einer - differenzierteren - Erhebungsmethode fortentwickelt, die vor allem auf die zeitanteilige Überschreitungshäufigkeit für bestimmte Geruchsstoffkonzentrationen abstellt, die wiederum in Abhängigkeit zur Entfernung von der jeweiligen Geruchsquelle steht (S. 40 ff., 58 ff.). Diese differenziertere Methode ist für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ungeeignet, weil ihre Anwendung von zahlreichen - zum Beispiel bautechnischen und meteorologischen - Parametern abhängt, die sich nach dem vorliegenden Erkenntnisstand nicht zuverlässig beurteilen lassen. Angesichts der eindeutigen Ausgangslage, die sich aufgrund der Beurteilung nach den oben genannten Geruchsschwellenentfernungen ergibt, ist deshalb mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen, dass durch das Vorhaben des Beigeladenen voraussichtlich keine unzumutbaren Geruchsimmissionen hervorgerufen werden. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen einer bestimmten Überschreitungshäufigkeit für bestimmte Geruchsstoffkonzentrationen nicht gleichbedeutend mit einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots ist. Auch in einem solchen Fall bedarf es einer Interessenabwägung und einer wertenden Beurteilung der Zumutbarkeit, die sich an der konkreten örtlichen - hier durch die Nachbarschaft zweier landwirtschaftlicher Betriebe mit Viehhaltung geprägten - Situation orientiert.

c) Der Antragsteller kann von dem Beigeladenen auch nicht verlangen, dass er den Rinderstall an einem anderen, die Nachbarschaft weniger belastenden Standort errichtet. Die Prüfung am Maßstab des Rücksichtnahmegebots ist an das genehmigte Vorhaben gebunden. Verletzt es an dem gewählten Standort keine Nachbarrechte, so muss der Nachbar das Vorhaben auch dann hinnehmen, wenn es einen besser geeigneten Alternativstandort gäbe (vgl. BVerwG vom 26.6.1997 NVwZ-RR 1998, 357; vom 13.10.1998 NVwZ 1999, 298). Da der Rinderstall an dem gewählten Standort, wie dargelegt, den Antragsteller voraussichtlich nicht unzumutbar beeinträchtigt, kommt es auf die mögliche Eignung von Alternativstandorten nicht an.

2. Nicht entscheidungserheblich und deshalb nicht klärungsbedürftig ist schließlich die Frage, ob das Vorhaben des Beigeladenen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 Satz 3 BImSchG in Verbindung mit Nr. 7.1 Spalte 2 Buchst. b des Anhangs zur 4. BImschV einer im vereinfachten Verfahren zu erteilenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf.

Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Durchführung des "richtigen" Verfahrens nur insoweit, als das Verfahren (auch) dem Schutz seiner materiellen Nachbarrechte dient (BVerwG vom 5.10.1990 BVerwGE 85, 368/373 = NVwZ 1991, 369). Das materielle Baurecht und das materielle Immissionsschutzrecht, wie es im vereinfachten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen wäre, gewährleisten einen im Wesentlichen gleichartigen und gleichwertigen Schutz des Nachbarn gegen schädliche Umwelteinwirkungen (vgl. BVerwG vom 30.9.1983 BVerwGE 68, 58/59 = NVwZ 1984, 509; OVG RhPf vom 21.1.2005 BauR 2005, 1756). Insbesondere kann, wie dargelegt, auch im Rahmen von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB auf die Maßstäbe des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG und auf die technischen Regelwerke des Immissionsschutzrechts - wie die TA Lärm - zurückgegriffen werden (siehe oben II. 1. b bb vor aaa). Jedenfalls was den Schutz der Nachbarrechte durch das Gebot der Rücksichtnahme anbelangt, würde die Prüfung des Vorhabens des Beigeladenen im vereinfachten immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, in dem die TA Lärm unmittelbar anzuwenden wäre, keine anderen Fragen aufwerfen und zu keinen anderen Ergebnissen führen als die hier vorgenommene baurechtliche Prüfung, in der die TA Lärm als Anhaltspunkt für die Beurteilung herangezogen wurde. Insoweit ist auf das oben (II. 1. b bb aaa) Gesagte zu verweisen. Eine auf der Durchführung eines "falschen" Verfahrens beruhende Verletzung von Nachbarrechten des Antragstellers scheidet damit aus.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen entspricht der Billigkeit, weil er einen Antrag gestellt und damit ein Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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