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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.02.2007
Aktenzeichen: 1 CS 06.3219
Rechtsgebiete: VwGO, WEG, BayBO


Vorschriften:

VwGO § 80 a Abs. 3
VwGO § 91 Abs. 1
VwGO § 146 Abs. 4
WEG § 21 Abs. 1
BayBO Art. 6 Abs. 4 Satz 1
BayBO Art. 6 Abs. 5
BayBO Art. 7 Abs. 5 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

1 CS 06.3219

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Anfechtung einer Baugenehmigung für ein Wohngebäude (Fl.Nr. ***/8 Gemarkung G*******); Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs;

hier: Beschwerde der Antragsteller zu 1 bis 3 gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 2. November 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Langer

ohne mündliche Verhandlung am 23. Februar 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsteller zu 1 und 2 sowie der Antragsteller zu 3 tragen je die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens; die Antragsteller zu 1 und 2 tragen ihren Anteil als Gesamtschuldner.

Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren als Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft L*******straße 1 a, ***** G*******-******** (Grundstück Fl.Nr. ***/6 Gemarkung G*******), vorläufigen Rechtsschutz gegen eine der beigeladenen Wohnungseigentümergemeinschaft *********str. 2, ***** G*******-******** (Grundstück Fl.Nr. ***/8), erneut erteilte Baugenehmigung für ein seit längerem fertig gestelltes Wohngebäude. Im Beschwerdeverfahren verfolgen nur noch die Antragsteller zu 1 bis 3 den in erster Instanz erfolglosen Antrag weiter. Nach Lage der Akten hat die Eigentümergemeinschaft L*******straße 1 a ein weiteres Mitglied; dieses hatte sich von vorne herein nicht an dem Verfahren beteiligt.

1. Mit Bescheid vom 27. April 1999 erteilte der Antragsgegner der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen die Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohngebäudes mit Tiefgarage auf dem Grundstück Fl.Nr. ***/8. Von diesem Grundstück grenzt der vordere, zur *********straße orientierte Teil, in dem sich unter anderem die Tiefgaragenzufahrt und der Zugang zu dem Anwesen befinden, mit seiner Nordostseite an das Grundstück der Antragsteller. Der rückwärtige Teil des Baugrundstücks grenzt auf der Nordostseite an das Grundstück Fl.Nr. ***/2. Nach den genehmigten Plänen liegt die nordöstliche Außenwand des Wohngebäudes dem Grundstück Fl.Nr. ***/2 gegenüber. Auf Höhe des Grundstücks der Antragsteller befinden sich nur Vorbauten und vortretende Bauteile, nämlich eine Mauer zur Begrenzung eines Freisitzes im Erdgeschoss, eine an diese Mauer in südöstlicher Richtung anschließenden Mauer der Tiefgaragenzufahrt, die seitlichen Brüstungen des Balkons im ersten Obergeschoss und des zurückgesetzten Balkons im Dachgeschoss sowie das Vordach, das auf der Südostseite um 1,80 m und auf der Nordostseite um 1,50 m auskragt. Bei der Berechnung der vor der südöstlichen Gebäudeseite (Giebelseite) anfallenden Abstandsflächen ging der Antragsgegner davon aus, dass die beiden Balkone und das Vordach in ihrer Gesamtwirkung nicht mehr als untergeordnete Bauteile im Sinn von Art. 6 Abs. 3 Satz 7 BayBO angesehen werden könnten. Aus diesem Grund wurde auf dieser Gebäudeseite eine "fiktive" Wand in der Flucht der Vorderkanten der Balkone angenommen. Als oberer Abschluss dieser Wand wurde der gedachte Schnittpunkt mit dem Vordach angesehen. Bei dem dem Grundstück der Antragsteller gegenüber liegenden Abschnitt der nordöstlichen Gebäudeseite sah der Antragsgegner hingegen nur "reale" Gebäudeteile, nämlich die Mauer zur Begrenzung des Freisitzes im Erdgeschoss, die seitliche Brüstung des Balkons im Obergeschoss und die Tiefgaragenmauer, als abstandsflächenrechtlich erheblich an.

Die Antragsteller erhoben gegen die Baugenehmigung Anfechtungsklage, nachdem über ihren Widerspruch nicht entschieden worden war. Das Verwaltungsgericht München wies die Klage mit Urteil vom 21. August 2003 ab. Das Gericht folgte der abstandsflächenrechtlichen Beurteilung des Beklagten. Auf der dem Grundstück der Antragsteller zugewandten Nordostseite sei keine bis zum Schnittpunkt mit dem Vordach reichende "fiktive" Wand anzunehmen. Dass bei der Südostseite von einer "fiktiven" Wand ausgegangen worden sei, berühre die Antragsteller nicht.

Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung der Antragsteller hatte Erfolg. Mit Urteil vom 13. April 2005 (1 B 04.636 - Juris) hob der Verwaltungsgerichtshof die Baugenehmigung vom 27. April 1999 auf, weil sie Rechte der Antragsteller verletze. Das genehmigte Vorhaben widerspreche Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO, weil der Teil der Abstandsfläche der nordöstlichen Außenwand, der vor den unter dem südöstlichen Vordach angeordneten, dem Grundstück der Antragsteller gegenüberliegenden Wandteilen anfalle, teilweise auf diesem Grundstück liege. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners und des Verwaltungsgerichts seien in diesem Bereich nicht nur die tatsächlich vorhandenen Wandteile zu berücksichtigen. Da der von Bauteilen freie Luftraum zwischen der Balkonbrüstung im ersten Obergeschoss und dem Vordach nur 1,60 m hoch sei, sei für die Abstandsflächenberechnung anzunehmen, dass sich der dem Grundstück der Antragsteller gegenüberliegende Wandteil über die Balkonbrüstung im Obergeschoss hinaus mit einem bis zum Schnittpunkt mit dem Vordach reichenden "fiktiven" Wandteil fortsetze. Hiervon ausgehend betrage die Tiefe der "vollen" Abstandsfläche (Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayBO) rund 7,30 m. Dieses Maß werde auf dem Baugrundstück nicht eingehalten, weil der strittige Wandabschnitt nur 5 m von der Grenze entfernt sei. Eine Halbierung gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO komme nicht in Betracht, weil das 16 m-Privileg auf der nordöstlichen Gebäudeseite bereits bei den dem Grundstück Fl.Nr. ***/2 gegenüberliegenden Wandabschnitten "verbraucht" worden sei.

2. Mit im Oktober 2005 und März 2006 eingereichten Bauvorlagen beantragte die Beigeladene erneut eine Baugenehmigung für ihr Bauvorhaben. Dem Bauantrag beigefügt war die Zustimmung des Eigentümers des Grundstücks Fl.Nr. ***/2 zu einer weiteren Abstandsflächenübernahme gemäß Art. 7 Abs. 5 Satz 1 BayBO. Der Eigentümer erklärt sich damit einverstanden, dass sich von der nordöstlichen Abstandsfläche eine insgesamt 2,79 m tiefe und 2,61 m breite Teilfläche auf sein Grundstück erstreckt.

Mit Bescheid vom 12. Juni 2006 genehmigte der Antragsgegner das Bauvorhaben mit mehreren "Rotrevisionen".

Die Antragsteller legten Widerspruch ein und beantragten beim Verwaltungsgericht, die aufschiebende Wirkung ihres Rechtsbehelfs anzuordnen, hilfsweise, festzustellen, dass die Baugenehmigung vom 12. Juni 2006 nicht vollzogen werden darf. Das Verwaltungsgericht lehnte die Anträge mit Beschluss vom 2. November 2006 als unzulässig ab. Da das Bauvorhaben bereits fertig gestellt sei, fehle das Rechtsschutzbedürfnis.

3. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragsteller zu 1 bis 3 mit den Anträgen,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 2. November 2006 zu ändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die Baugenehmigung des Antragsgegners vom 12. Juni 2006 anzuordnen,

hilfsweise, festzustellen, dass die Baugenehmigung vom 12. Juni 2006 nicht vollzogen werden darf,

weiter hilfsweise bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache festzustellen, dass die Baugenehmigung vom 12. Juni 2006 rechtswidrig ist.

Der Antragsgegner hat sich nicht geäußert.

Die Rechtsanwälte Dr. ******* und Kollegen, G*******-********, beantragen für die ******* ***** ***** Bauträger GmbH, G*******-********, die in Baugenehmigungsverfahren als Planfertiger der Beigeladenen tätig war, die Beschwerde zurückzuweisen. Die Beigeladene selbst oder ihre Mitglieder haben sich nicht geäußert.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich nicht beteiligt.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg

1. Es ist schon fraglich, ob die Antragsteller zu 1 und 2 sowie der Antragsteller zu 3 ohne die Antragsteller zu 4 und 5, die kein Rechtsmittel eingelegt haben, und ohne die Miteigentümerin, die sich von vorneherein nicht an dem Verfahren beteiligt hat, beschwerdebefugt sind.

Die Antragsteller zu 1 und 2 sowie der Antragsteller zu 3 berufen sich mit ihrem mit der Beschwerde weiterverfolgten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz als Wohnungseigentümer auf eine Verletzung des Gemeinschaftseigentums durch einen Verstoß gegen die nachbarschützenden Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO. Das Sondereigentum der Antragsteller zu 1 und 2 sowie des Antragstellers zu 3 ist von dem behaupteten Rechtsverstoß ersichtlich nicht betroffen. Beim Geltendmachen von Nachbarrechten wegen einer Verletzung von öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die dem Schutz des gemeinschaftlichen Eigentums dienen, handelt es sich um eine Maßnahme der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 20 Abs. 1 WEG). Diese steht gemäß § 21 Abs. 1 WEG grundsätzlich den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu. Anders als bei einer Bruchteilsgemeinschaft (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 WEG, § 744 Abs. 2, § 1011 BGB) ist der einzelne Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, § 21 Abs. 1 WEG nicht berechtigt, aufgrund seines ideellen Anteils am gemeinschaftlichen Eigentum wegen Beeinträchtigungen dieses Eigentums Abwehrrechte gegen ein Bauvorhaben auf einem Nachbargrundstück geltend zu machen (vgl. BGH vom 11.12.1992 NJW 1993, 727/728 ff.). Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die rechtsfähig ist, soweit sie das gemeinschaftliche Eigentum verwaltet und dabei am Rechtsverkehr teilnimmt (BGH vom 2.6.2005 NJW 2005, 2061/2062), beschließt Verwaltungsmaßnahmen, wenn nichts anderes vereinbart ist, gemäß § 21 Abs. 3 WEG durch Stimmenmehrheit.

Nach diesem Maßstab darf die geltend gemachte Rechtsverletzung nur von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer abgewehrt werden. Ob die Antragsteller zu 1 und 2 sowie der Antragsteller zu 3 hierzu befugt sind, ist fraglich, denn sie repräsentieren nur der zwei der vier Wohnungen (vgl. Blatt 28 der Bauakten) und damit möglicherweise nicht die erforderliche Mehrheit der Stimmen. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsteller zu 1 und 2 sowie der Antragsteller zu 3 berechtigt sein könnten, namens der Gemeinschaft Nachbarrechte der Eigentümergemeinschaft als Notgeschäftsführer (§ 21 Abs. 2 WEG) geltend zu machen, bestehen nicht; insbesondere ist nicht zu ersehen, dass dem Gemeinschaftseigentum durch das Vorhaben der Beigeladenen unmittelbar ein Schaden droht (§ 21 Abs. 2 WEG; vgl. zum Ganzen: BayVGH vom 12.9.2005 NVwZ-RR 2006, 430 = BayVBl 2006, 374).

2. Das Rechtsmittel hat aber auch dann keinen Erfolg, wenn die Antragsteller zu 1 und 2 sowie der Antragsteller zu 3 auch ohne die Antragsteller zu 4 und 5 sowie die weitere Miteigentümerin befugt sein sollten, für die Eigentümergemeinschaft vorläufigen Rechtsschutz gegen die Baugenehmigung zu beantragen. Das gilt sowohl für die Weiterverfolgung des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags (a) als auch für den erst im Beschwerdeverfahren gestellten weiteren Hilfsantrag (b). a) Hinsichtlich des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags ist die Beschwerde unzulässig (aa); jedenfalls aber ist das Rechtsmittel insoweit unbegründet (bb).

aa) Soweit die Antragsteller zu 1 und 2 sowie der Antragsteller zu 3 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Baugenehmigung bzw. auf Feststellung, dass diese Genehmigung nicht vollzogen werden darf, weiterverfolgen, ist ihr Rechtsmittel gemäß § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO als unzulässig zu verwerfen, weil es nicht ausreichend begründet worden ist.

In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sind Beschwerden gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen (§ 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Das Beschwerdegericht prüft nur die dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Begründung einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen (vgl. auch die dem angefochtenen Beschluss beigefügte Rechtsmittelbelehrung). Mit diesen Anforderungen und mit der Erstreckung des Anwaltszwangs auf das Beschwerdeverfahren (§ 67 Abs. 1 Satz 2 VwGO) soll erreicht werden, dass das Beschwerdevorbringen so aufbereitet wird, dass das Beschwerdegericht mit einer hohen Richtigkeitsgewähr rasch über das Rechtsmittel entscheiden kann. Eine Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung erfordert, dass der Bevollmächtigte der die Beschwerde führenden Partei die die Entscheidung tragende Begründung des Verwaltungsgerichts aufgreift, den Streitstoff und die einschlägigen Tatsachen- und Rechtsfragen konkret durchdringt sowie aufbereitet und in nachvollziehbarer Weise aufzeigt, in welchen Punkten und aus welchen Erwägungen heraus er die Begründung und das Ergebnis der Entscheidung für unrichtig hält (vgl. VGH BW vom 12.4.2002 NVwZ 2002, 883/884; BayVGH vom 7.4.2003 NVwZ 2003, 766; BayVGH vom 2.10.2006 - 1 CS 06.2181).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Das Verwaltungsgericht hat das Rechtsschutzinteresse - ohne zwischen dem "Hauptantrag", die aufschiebende Wirkung anzuordnen, und dem "Hilfsantrag", festzustellen, dass die Baugenehmigung nicht vollzogen werden darf, zu unterscheiden - verneint, weil sich die Rechtsstellung der Antragsteller in Bezug auf die geltende gemachte Verletzung der Abstandsflächenvorschriften nicht verbessern würde, wenn den Anträgen entsprochen wird. Bei einer vorläufigen Sicherung der durch die Abstandsflächenvorschriften geschützten Nachbarrechte komme es nicht auf eine mögliche Beeinträchtigung durch die Nutzung an, sondern darauf, ob die Errichtung der die Belichtung (und Lüftung) schmälernden Gebäudeteile durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung noch (teilweise) vorläufig unterbunden werden könne. Dies sei bei dem Vorhaben der Beigeladenen nicht der Fall, weil das Gebäude bereits fertiggestellt sei.

Mit diesen die angefochtene Entscheidung tragenden Ausführungen, deren Richtigkeit im Übrigen jedenfalls in dem hier vorliegenden Fall, dass das Gebäude bereits bezugfertig (und zudem schon bezogen) ist, unumstritten ist (vgl. Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 a RdNr. 67 mit weiteren Nachweisen), setzt sich die Beschwerdebegründung nicht auseinander; vielmehr weist sie nur darauf hin, dass die strittigen Bauteile die Belichtung und Belüftung einschränken und dass die Balkone von den Beigeladenen genutzt werden (Seite 3 unten des Schriftsatzes vom 7.12.2006). Die Antragsteller zu 1 bis 3 stellen auch nicht in Frage, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung nicht zwischen dem "Hauptantrag" und dem "Hilfsantrag" differenziert hat. Davon abgesehen ist diese Auslegung auch nicht zu beanstanden; denn die Feststellung, dass die Baugenehmigung nicht vollzogen werden darf, würde in der Sache nichts anderes bedeuten als die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen diese Genehmigung.

bb) Die Beschwerde hätte hinsichtlich des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags aber auch dann keinen Erfolg, wenn man unterstellt, dass die Beschwerdebegründung den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO genügt. In diesem Fall wäre das Rechtsmittel unbegründet, weil die Ablehnung des Antrags als - mangels Rechtsschutzinteresses - unzulässig nicht zu beanstanden ist.

Das Rechtsschutzinteresse für einen Antrag auf gerichtlichen Rechtsschutz fehlt, wenn die Inanspruchnahme des Gerichts für den Antragsteller nutzlos erscheint, weil er mit der begehrten gerichtlichen Entscheidung seine Rechtsstellung aktuell nicht verbessern kann (BVerwG vom 11.2.2004 BauR 2004, 1264; BVerwG vom 28.4.1999 BRS 62 Nr. 47 mit weiteren Nachweisen). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend näher ausgeführt hat, ist dies hier der Fall, weil die Gebäudeteile, durch die sich die Antragsteller zu 1 bis 3 in ihren durch Art. 6 BayBO geschützten Rechten verletzt sehen, bereits errichtet sind.

b) Die Beschwerde hat auch insoweit keinen Erfolg, wie die Antragsteller zu 1 bis 3 - erstmals im Beschwerdeverfahren - "hilfshilfsweise" die vorläufige Feststellung begehren, dass die Baugenehmigung vom 12. Juni 2006 rechtswidrig ist.

Der Senat lässt offen, ob dies schon daraus folgt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Beschwerdeinstanz eine Antragserweiterung, wie sie die Antragsteller zu 1 bis 3 vorgenommen haben, im Hinblick auf eine von § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO bezweckte Konzentration des Rechtsstreits in der Beschwerdeinstanz auf den Prozessstoff der ersten Instanz generell (OVG NW vom 25.07.2002 NVwZ-RR 2003, 72; Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand September 2004, § 146 RdNr. 13 c mit weiteren Nachweisen) oder jedenfalls dann unzulässig ist, wenn - wie hier - die Beschwerde hinsichtlich des vom Verwaltungsgericht behandelten Begehrens keinen Erfolg hat bzw. nicht zu einer umfassenden eigenen Sachprüfung durch das Beschwerdegericht führt (HambOVG vom 22.08.2003 NVwZ-RR 2004, 621).

An dem Ergebnis ändert sich auch dann nichts, wenn man eine der raschen Klärung der Sache dienende Änderung eines Antrags gemäß § 80 Abs. 5, § 80 a und § 123 VwGO auch in der Beschwerdeinstanz nicht für ausgeschlossen hält (Eyermann/Happ, VwGO, 12. Aufl., § 146 RdNr. 25; in dieselbe Richtung gehend: Guckelberger in Sodan/ Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 146 RdNr. 92 f.; vgl. auch BayVGH vom 10.7.2006 - 1 CS 06.983 - Juris [zur Anpassung des Antrags an eine während des Beschwerdeverfahrens erfolgte Änderung der angefochtenen Genehmigung]). Denn die von den Antragstellern zu 1 bis 3 erklärte Antragserweiterung ist unzulässig. Weder hat ihr der Antragsgegner, der sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert hat, zugestimmt, noch ist die Antragserweiterung sachdienlich (§ 91 Abs. 1 VwGO in entsprechender Anwendung). Die Sachdienlichkeit fehlt, weil der neu gestellte Antrag auf vorläufige Feststellung der Nachbarrechtswidrigkeit der Baugenehmigung unzulässig ist (vgl. Eyermann/Rennert, VwGO, 12. Aufl., § 91 RdNr. 31).

Für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) dieses Inhalts fehlt jedenfalls das Rechtsschutzinteresse. So wie einer Klage der Antragsteller zu 1 bis 3 auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung oder auf Feststellung, dass der Antragsgegner zu einem bauaufsichtlichen Einschreiten gegen das fertig gestellte Gebäude verpflichtet ist, entgegenzuhalten wäre, dass die Antragsteller zu 1 bis 3 ihre Rechte wirkungsvoller mit einer Anfechtungsklage bzw. einer Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) verfolgen können (vgl. Ehlers in Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, VwGO, Vorb § 40 RdNr. 89 ff.), müssen sich die Antragsteller zu 1 bis 3 im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutz auf den von ihnen gestellten Antrag auf Anordnung der aufschiebende Wirkung bzw. auf die Möglichkeit, eine den Antragsgegner zum Einschreiten verpflichtende einstweilige Anordnung zu beantragen, verweisen lassen. Diese Rechtsschutzmöglichkeiten sind auch im Hinblick auf das aus Art. 19 Abs. 4 GG abzuleitende Gebot eines effizienten Rechtschutzes ausreichend. Dass der Antrag gemäß § 80 a Abs. 3 VwGO in diesem Verfahren aus den genannten Gründen keinen Erfolg hat und dass ein Antrag auf eine vorläufige Verpflichtung zu einem bauaufsichtlichen Einschreiten unter den gegebenen Umständen wenig aussichtsreich erscheint, steht dem nicht entgegen.

3. Schließlich hat das Rechtsmittel - von allem Vorstehenden abgesehen - auch deswegen keinen Erfolg, weil dem Beschwerdevorbringen zu den abstandsflächenrechtlichen Anforderungen nicht zu entnehmen ist, dass die Baugenehmigung Rechte der Antragsteller zu 1 bis 3 verletzen könnte (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach summarischer Prüfung sind vielmehr die abstandsflächenrechtlichen Mängel, die zur Aufhebung der Genehmigung vom 27. April 1999 geführt haben, in dem neuen Genehmigungsverfahren ausgeräumt worden. Vor dem dem Grundstück der Antragsteller gegenüberliegenden, aus "realen" und "fiktiven" Teilen zusammengesetzten Abschnitt der nordöstlichen Außenwand wird zwar nur eine nach dem 16 m-Privileg des Art. 6 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO bemessene ("halbe") Abstandsfläche auf dem Baugrundstück eingehalten (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO). Die Rechte der Antragsteller zu 1 bis 3 werden hierdurch aber nicht verletzt, weil die Voraussetzungen für eine Anwendung des 16 m-Privilegs erfüllt sind.

Das Privileg kann beim Vorhaben der Beigeladenen zweimal in Anspruch genommen werden; eine Einschränkung gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO greift nicht ein. Das 16 m-Privileg wird auch nur zweimal, nämlich auf der Nordost- und der Südwestseite herangezogen. Auf den beiden anderen Gebäudeseiten hält das Gebäude jeweils eine nach Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayBO berechnete ("volle") Abstandsfläche ein (zu dieser Voraussetzung vgl. BayVGH vom 17.4.2000 VGH n. F. 53, 89 = BayVBl 2000, 562). Eine Anwendung des 16 m-Privilegs ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die nordöstliche und die südwestliche Gebäudeseite jeweils länger als 16 m sind. Erforderlich ist nur, dass die Gesamtlänge aller Wandabschnitte einer Gebäudeseite, auf der die "volle" Abstandsfläche nicht auf dem Baugrundstück (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO) bzw. - nach Maßgabe des Art. 7 Abs. 5 Satz 1 BayBO - auf einem Nachbargrundstück eingehalten wird, nicht mehr als 16 m beträgt (BayVGH vom 21.4.1986 VGH n. F. 39, 9 = BayVBl 1986, 397). Diese Voraussetzung ist auch auf der Nordostseite erfüllt, wie im Einzelnen dem genehmigten Plan "Abstandsflächen" entnommen werden kann. Entgegen der Auffassung der Antragsteller zu 1 bis 3 schadet es schließlich auch nicht, dass auf der Nordostseite Wandabschnitte mit einer "halben" und mit einer "vollen" Abstandsfläche so verteilt sind, dass vor einem in sich nicht weiter gegliederten Wandteil sowohl Art. 6 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO als auch - in dem Bereich, in dem sich die Abstandsfläche infolge der im zweiten Genehmigungsverfahren erweiterten "Übernahme" nach Art. 7 Abs. 5 Satz 1 BayBO auf das Nachbargrundstück Fl.Nr. ***/2 erstrecken darf - Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayBO Anwendung finden. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann der Bauherr nämlich nicht nur grundsätzlich frei entscheiden, auf welchen Gebäudeseiten Art. 6 Abs. 5 BayBO zur Anwendung kommen soll; er kann auch entscheiden, vor welchen Wandabschnitten einer mehr als 16 m langen Gebäudeseite die "halbe" Abstandsfläche liegen soll. Letzteres gilt nicht nur für eine Gebäudeseite, bei der die Wand durch Vor- und Rücksprünge bzw. durch unterschiedliche Wandhöhen gegliedert ist, sondern auch für eine ungegliederte Wand, die einer unregelmäßig, das heißt nicht parallel zur Wand verlaufenden Grundstücksgrenze gegenüberliegt (BayVGH vom 25.5.1998 VGH n. F. 51, 101 = BayVBl 1999, 246). Entsprechendes gilt, wenn die Grenze - wie hier - zwar parallel zur Wand verläuft, aber infolge einer Abstandsflächenübernahme überschritten werden darf.

4. Die Antragsteller zu 1 und 2 sowie der Antragsteller zu 3 haben - nach § 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO je zur Hälfte - die Kosten ihrer erfolglosen Beschwerde zu tragen (§ 154 Abs. 2). Nach § 159 Satz 2 VwGO tragen die Antragsteller zu 1 und 2 ihren Kostenanteil als Gesamtschuldner. Dass die beigeladene Wohnungseigentümergemeinschaft ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, erscheint billig (§ 162 Abs. 3 VwGO), weil sie keinen Antrag gestellt und somit nicht das Risiko übernommen hat, selbst Kosten auferlegt zu bekommen (§ 154 Abs. 3 VwGO). Zwar haben die Rechtsanwälte Dr. ******* und Kollegen, G*******-********, für die Hausverwaltung ******* ***** ***** Bauträger GmbH, G*******-********, die Zurückweisung des "Antrags auf Zulassung der Beschwerde" beantragt. Diese Gesellschaft ist aber nicht am Verfahren beteiligt. Es kann dahinstehen, ob die Feststellung im Tenor der Baugenehmigung vom 12. Juni 2006, dass die Eigentümergemeinschaft *********straße 2 durch die Hausverwaltung ******* ***** ***** Bauträger GmbH vertreten werde, für das Baugenehmigungsverfahren gerechtfertigt ist (nach Lage der Akten ist die Gesellschaft im Genehmigungsverfahren lediglich als Planfertiger aufgetreten). In verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist jedenfalls zu keinem Zeitpunkt eine Bevollmächtigung der Hausverwaltung angezeigt worden.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG; sie orientiert sich an Nrn. 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs 2004.

Ende der Entscheidung

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