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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.06.2007
Aktenzeichen: 1 CS 07.265
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB, BayBO


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 a Abs. 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
BauGB § 34 Abs. 1
BayBO Art. 6 Abs. 1 Satz 1
BayBO Art. 6 Abs. 2 Satz 1
BayBO Art. 6 Abs. 3 Satz 2
BayBO Art. 6 Abs. 3 Satz 5
BayBO Art. 6 Abs. 3 Satz 7
BayBO Art. 6 Abs. 5 Satz 1
BayBO Art. 73 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

1 CS 07.265

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Anfechtung von Baugenehmigungen für die Errichtung von Wohngebäuden auf Fl.Nrn. ****/2 und ****/188 Gemarkung ******** (Antrag gemäß § 80 a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO);

hier: Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Januar 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Priegl

ohne mündliche Verhandlung am 14. Juni 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Nrn. I. und II. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 9. Januar 2007 werden geändert. Sie erhalten folgende Fassung:

"I. Die aufschiebende Wirkung der Widersprüche der Antragsteller gegen die Tekturgenehmigungen vom 13. September 2006 (Az. T-0309/2006) und vom 2. November 2006 (Az. T-0309/2006-1) wird hinsichtlich des erdgeschossigen Vorbaus an der Westseite der Doppelhaushälfte auf dem Grundstück Fl.Nr. ****/2 Gemarkung ******** angeordnet.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

II. Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller als Gesamtschuldner zu sieben Achtel, die Antragsgegnerin und die Beigeladene zu je einem Sechzehntel. Die Antragsteller tragen ferner als Gesamtschuldner sieben Achtel der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen; im Übrigen trägt die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst."

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragsteller als Gesamtschuldner zu drei Viertel und die Antragsgegnerin zu einem Viertel. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Nr. III. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 9. Januar 2007 wird geändert; der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehrten im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorläufigen Rechtsschutz gegen der Beigeladenen erteilte Baugenehmigungen für die Errichtung eines Doppelhauses. Im Beschwerdeverfahren wenden sie sich nur noch gegen die Genehmigungen für die ihrem Grundstück zugewandte Haushälfte.

1. Die Antragsteller sind Eigentümer des nördlich an den F****weg grenzenden, mit einer Doppelhaushälfte bebauten Grundstücks Fl.Nr. ****/44 Gemarkung Parsdorf. Im Südosten grenzt das Grundstück Fl.Nr. ****/2 alt (jetzt Fl.Nrn. ****/2 und 2685/188) der Beigeladenen an. Mit (bestandskräftigem) Bescheid vom 16. August 2006 (Az. B-0228/2006) erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die Baugenehmigung für die Errichtung eines Doppelhauses ("Haus 1" und "Haus 2") und eines Einfamilienhauses ("Haus 3") mit Garagen auf diesem Grundstück. Mit Bescheiden vom 13. September 2006 (Az. T-0308/2006 für "Haus 1", Az. T-0309/2006 für "Haus 2") erhielt die Beigeladene zwei Tekturgenehmigungen für verschiedene Änderungen des Doppelhauses, darunter für den Anbau jeweils eines erdgeschossigen Vorbaus an der Südost- und der dem Grundstück der Antragsteller zugewandten Nordwestseite. Mit Bescheiden vom 2. November 2006 (Az. T-0308/2006-1 für "Haus 1", Az. T-0309/2006-1 für "Haus 2") wurden der Beigeladenen zwei weitere Tekturgenehmigungen für eine Vergrößerung der Geschoss- und der Firsthöhen erteilt.

Die Antragsteller erhoben gegen die vier Tekturgenehmigungen Widersprüche und beantragten beim Verwaltungsgericht München vorläufigen Rechtsschutz. Mit Beschluss vom 9. Januar 2007 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Die Widersprüche hätten aller Voraussicht nach keinen Erfolg. Hinsichtlich der vom Grundstück der Antragsteller abgewandten östlichen Doppelhaushälfte ("Haus 1") scheide eine mögliche Rechtsverletzung der Antragsteller von vorneherein aus. Hinsichtlich der westlichen Doppelhaushälfte ("Haus 2") seien Nachbarrechte nicht verletzt. Der Einwand der Antragsteller, dass die vor die nordwestliche Außenwand vorspringende Vorbauwand den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Brandwand nicht genüge, gehe ins Leere, weil der bauliche Brandschutz im vereinfachten Genehmigungsverfahren nicht geprüft werde. Abstandflächenvorschriften seien nicht verletzt. Die dem Grundstück der Antragsteller zugewandte Nordwestwand des Doppelhauses könne das 16 m-Privileg in Anspruch nehmen. Die erforderliche Abstandsfläche mit einer Tiefe von 1/2 H werde auf Höhe des Grundstücks der Antragsteller auf dem Baugrundstück eingehalten. Von der geringfügigen Überschreitung der Abstandsflächen im nördlichen Bereich des Baugrundstücks sei nur das nördlich an das Grundstück der Antragssteller grenzende Grundstück Fl.Nr. ****/11 betroffen. Die Geländeoberfläche sei in den Baugenehmigungen nicht festgelegt worden. Der Vorbau an der nordwestlichen Außenwand bleibe bei der Ermittlung der Abstandsfläche außer Betracht, weil er untergeordnet sei. Die Fläche seiner Außenwand nehme bei Einrechnung der Dachfläche weniger als ein Sechstel, ohne Dachfläche sogar weniger als ein Achtel der Gesamtfläche der nordwestlichen Giebelwand ein. Eine ausreichende Belichtung und Belüftung sowie die erforderliche soziale Distanz zum Grundstück der Antragsteller seien gewahrt. Auch sei zu berücksichtigen, dass das Grundstück der Antragsteller von dem Vorbau nur in einer Länge von 1,50 m betroffen sei, weil dieser ihrem Grundstück nur insoweit gegenüber liege. Im Übrigen hätten die Antragsteller auf ihrem eigenen Grundstück nicht nur eine Grenzgarage, sondern auch einen Holzschuppen nahe der Grenze zum Grundstück der Beigeladenen errichtet. Nachbarschützende bauplanungsrechtliche Vorschriften seien ebenfalls nicht verletzt. Das im unbeplanten Innenbereich gelegene Vorhaben füge sich in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Mit einer Firsthöhe von "unterhalb 9,5 m" verstoße es auch nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme, zumal der Abstand zwischen dem Wohnhaus der Antragsteller und der westlichen Doppelhaushälfte circa 15 m betrage.

2. Mit der Beschwerde machen die Antragsteller geltend: Das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag sei weiterhin gegeben, weil das Bauvorhaben noch nicht vollständig fertig gestellt sei. Die Tekturgenehmigungen verletzten nachbarschützende Rechte. Der bauliche Brandschutz sei Gegenstand der angefochtenen Genehmigungen. Jedenfalls sei die Antragsgegnerin aufgrund des Schreibens der Antragsteller vom 15. November 2006, mit dem angeregt worden sei, die Bauarbeiten einzustellen, zum Einschreiten verpflichtet gewesen. Das Bauvorhaben halte die Abstandsflächen nicht ein. Auch bei Anwendung des 16 m-Privilegs müsse ein Mindestabstand von 3 m zum benachbarten Grundstück gewahrt bleiben. Dies sei nicht der Fall. Der Vorbau auf der Nordwestseite sei von der Grundstücksgrenze weniger als 3 m entfernt. Er dürfe bei der Ermittlung der Abstandsflächen nicht außer Betracht bleiben, weil er angesichts seiner Nutzfläche von 6,735 m² nicht nur von untergeordneter Bedeutung sei. Vielmehr handle es sich um einen Anbau. Dieser sei inzwischen um zwei Ziegelreihen erhöht worden. Auch die Höhe der dem Grundstück der Antragsteller zugewandten Außenwand sei fehlerhaft berechnet worden. Die Geländeoberfläche sei zum Nachteil der Antragsteller 0,50 m über dem natürlichen Gelände ihres Grundstücks festgelegt worden. Im Bereich des Dachgeschosses sei die Wand nicht nur mit einem Drittel ihrer Höhe anzurechnen, weil das Dachgeschoss als Terrassengeschoss geplant sei; daher könne von einer Giebelfläche im Sinn von Art. 6 Abs. 3 Satz 5 BayBO nicht gesprochen werden. Im Übrigen befinde sich der Grenzstein zwischen dem nordöstlich des Grundstücks der Antragsteller gelegenen Grundstück Fl.Nr. ****/11 und dem an dieses nordöstlich anschließenden Grundstück Fl.Nr. ****/6 etwa 0,37 m östlich der im Katasterplan dargestellten Grundstücksgrenze. Deshalb sei der Abstand der Giebelwand des Bauvorhabens vom Grundstück der Antragsteller geringer als der Abstand von dem nördlich angrenzenden Grundstück Fl.Nr. ****/11. Dass sich auf dem Grundstück der Antragsteller eine Grenzgarage und ein Holzschuppen befänden, sei für die Berechnung der Abstandsflächen des Bauvorhabens unerheblich. Auch Bauplanungsrecht werde durch das Bauvorhaben verletzt. Der First des Doppelhauses sei ohne Beachtung der nachbarlichen Interessen auf 9,65 m erhöht worden. Damit sei die Firsthöhe deutlich größer als bei den Gebäuden auf den Grundstücken der näheren Umgebung. Die im Bescheid vom 2. November 2006 angeführten Gebäude mit vergleichbarer Höhe auf den jenseits des F****weges gelegenen Grundstücken Fl.Nrn. ****/22 und **** zählten nicht zur maßgeblichen Umgebung, weil der 8,5 m breite F****weg eine trennende Wirkung habe. Schließlich verstoße das Vorhaben gegen das Rücksichtnahmegebot. Das geplante Doppelhaus wirke mit der Höhe von annähernd 11 m auf das lediglich 9 m hohe Wohnhaus der Antragsteller erdrückend. Das Bauvorhaben beeinträchtige die freie Aussicht der Antragsteller nach Osten und ermögliche unzumutbare Einblicke in ihr Grundstück. Zudem drohe wegen der höher liegenden Geländeoberfläche des Baugrundstücks eine Vernässung des Grundstücks der Antragsteller.

Die Antragsteller beantragen (sinngemäß),

den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 9. Januar 2007 zu ändern und die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Tekturgenehmigungsbescheide vom 13. September 2006 (Az. T-0309/2006) und vom 2. November 2006 (Az. T-0309/2006-1) für die Doppelhaushälfte auf dem Grundstück Fl.Nr. ****/2 ("Haus 2") anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antrag sei mangels Rechtsschutzinteresses der Antragsteller unzulässig, weil das Gebäude bereits im Rohbau fertig gestellt sei. Hinsichtlich der Bescheide für die östliche Doppelhaushälfte fehle außerdem die Antragsbefugnis, weil eine mögliche Rechtsbeeinträchtigung insoweit ausgeschlossen sei. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet. Eine Verletzung der Rechte der Antragsteller durch Nichtbeachtung brandschutzrechtlicher Bestimmungen scheide aus, weil der bauliche Brandschutz nicht Gegenstand der angefochtenen Genehmigungen sei. Die Anregung im Schreiben der Antragsteller vom 15. November 2006 könne nicht als Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gewertet werden. Außerdem würde ein solcher Antrag die Rechtmäßigkeit der Genehmigungen nicht berühren. Die Abstandsflächenvorschriften seien nicht verletzt. Der Mindestabstand zum Grundstück der Antragsteller sei eingehalten. Für die nordwestliche Außenwand des Bauvorhabens könne das 16 m-Privileg in Anspruch genommen werden. Die Geländeoberfläche sei nicht festgesetzt worden. Die genehmigte Firsthöhe von 9,65 m sei zutreffend von dem natürlichen Gelände aus gemessen worden. Die zur Beurteilung der zulässigen Firsthöhe herangezogenen Vergleichsgrundstücke lägen innerhalb der relevanten Umgebung. Durch den Quergiebel auf der Südwestseite des Doppelhauses könnten die Antragsteller nicht in ihren Rechten verletzt werden, weil dieser Giebel nicht gegenüber ihrem Grundstück geplant sei. Der Vorbau auf der Nordwestseite des Doppelhauses sei im Verhältnis zu der Außenwand von untergeordneter Bedeutung. Auf seine Nutzfläche komme es nicht an. Das Rücksichtnahmegebot sei ebenfalls nicht verletzt. Die Antragsteller hätten in erheblichem Umfang selbst an der Grenze zum Grundstück der Beigeladenen Nebenanlagen errichtet. Zudem sei ihr Wohnhaus deutlich von dieser Grenze abgerückt. Eine Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung und Besonnung sowie der Wohnqualität sei deshalb nicht zu erwarten. Der Einwand einer Vernässung oder Versumpfung des Grundstücks sei nicht nachzuvollziehen.

Auch die Beigeladene wendet sich gegen den Antrag.

II.

Die Beschwerde hat zum Teil Erfolg.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nur noch der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen die beiden Tekturgenehmigungen vom 13. September 2006 (Az. T-0309/2006) und vom 2. November 2006 (Az. T-0309/2006-1) für die westliche, dem Grundstück der Antragsteller zugewandte Doppelhaushälfte ("Haus 2"). Der seinem Wortlaut nach nicht eindeutige Beschwerdeantrag ist in diesem Sinn auszulegen (§ 88 VwGO), weil in ihm zwar das gesamte Vorhaben angesprochen wird, aber nur die Tekturbescheide für das "Haus 2" genannt werden und weil sich die zur Begründung des Antrags erhobenen Einwände nur auf dieses Gebäude beziehen. Nicht mehr begehrt wird somit die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen die Genehmigungen für die östliche Doppelhaushälfte ("Haus 1"; Az. T-0308/2006 und T-0308/2006-1).

Von Anfang an nicht Gegenstand des Verfahrens ist ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) mit dem Ziel, die Antragsgegnerin wegen Verstößen gegen die Brandschutzvorschriften vorläufig zu einem Einschreiten gegen das Bauvorhaben zu verpflichten. Ein solcher Antrag wurde im gerichtlichen Verfahren nicht gestellt. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Tekturgenehmigungen vom 13. September 2006 und vom 2. November 2006 für das "Haus 2" anzuordnen, nur zum Teil zu Recht abgelehnt. Der Antrag ist weiterhin zulässig (1.) und hinsichtlich des Vorbaus auf der Nordwestseite auch begründet (2.). Der Senat verwendet für den Vorbau nicht (auch) den Begriff "Erker", weil als Erker überwiegend nur ein Vorbau (Wandanbau) bezeichnet wird, der "nicht vom Boden aufsteigt, sondern von einer auskragenden Balkenlage oder Konsolen getragen wird" (de.wikipedia.org/wiki/Erker). Rechtliche Auswirkungen hat dies nicht, weil der Begriff "Erker" in der maßgebenden Vorschrift des Art. 6 Abs. 3 Satz 7 BayBO als Unterbegriff zu dem Begriff "Vorbau" verwendet wird. Hierauf ist im Folgenden unter 2. c) bb) (1) näher einzugehen.

1. Der Antrag ist zulässig.

Der Antrag ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht deswegen unzulässig geworden, weil das Doppelhaus während des Beschwerdeverfahrens im Rohbau fertig gestellt wurde. Zwar entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für einen Nachbarantrag auf vorläufigen Rechtsschutz mit der Fertigstellung des Rohbaus in der Regel dann, wenn der Nachbar nur eine Beeinträchtigung durch das Gebäude als solches vorläufig abwehren will. Eine erst nach Fertigstellung des Rohbaus ergehende Anordnung der aufschiebenden Wirkung und eine ihr nachfolgende Baueinstellung durch die Behörde würden in diesem Fall die Rechtsstellung des Nachbarn regelmäßig nicht mehr verbessern, weil hinsichtlich der geltend gemachten Rechtsverletzung bereits vollendete Tatsachen geschaffen wurden. Sieht sich der Nachbar hingegen (auch) durch die Nutzung der genehmigten baulichen Anlage in seinen Rechten verletzt, kann diese Rechtsverletzung mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung auch nach Fertigstellung des Rohbaus noch vorläufig verhindert und somit auch die Rechtsstellung des Nachbarn noch verbessert werden (BayVGH vom 31.1.2000 - 26 ZS 99.2999 - juris; VGH BW vom 12.1.2005 BauR 2005, 35; OVG MV vom 17.1.2005 BRS 69 Nr. 134). Letzteres ist hier der Fall. Die Antragsteller wenden sich nicht nur gegen von dem Baukörper der Doppelhaushälfte ausgehende Beeinträchtigungen, sondern auch gegen - erst bei der Nutzung des Gebäudes mögliche - Einblicke in ihr Anwesen. Dieser Einwand ist zwar, wie im Folgenden darzulegen ist, nicht begründet; er ist aber nicht so weit hergeholt, dass ihm schon im Hinblick auf das Rechtsschutzinteresse jede Relevanz abzusprechen wäre.

2. Der Antrag ist nur zum Teil begründet.

Hinsichtlich der brandschutzrechtlichen Vorschriften scheidet eine Verletzung von Rechten der Antragsteller (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) schon deswegen aus, weil die angefochtenen Baugenehmigungen zur Vereinbarkeit des Vorhaben mit diesen Vorschriften keine Feststellungen treffen (a). In bauplanungsrechtlicher Hinsicht ergeben die Prüfung des für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs in erster Linie maßgebenden Beschwerdevorbringens (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) und eine ergänzende Prüfung der angesprochenen Fragen von Amts wegen keine Verstöße gegen Rechte der Antragsteller schützende Vorschriften (b). Dagegen liegt hinsichtlich der Abstandsflächenvorschriften ein Verstoß vor, der zur teilweisen Anordnung der aufschiebenden Wirkung führt (c).

a) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht den Einwand der Antragsteller, der Vorbau entspreche nicht den brandschutzrechtlichen Anforderungen des Art. 31 BayBO, für unbeachtlich gehalten. Zwar sind die brandschutzrechtlichen Vorschriften der Art. 15, 28 ff. BayBO grundsätzlich nachbarschützend (BayVGH vom 8.12.2003 - 25 ZB 99.1810 - juris). Da die Vereinbarkeit mit diesen Vorschriften gemäß Art. 73 Abs. 1 BayBO im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen ist, können die Antragsteller aber durch die in diesem Verfahren erteilten Baugenehmigungen nicht wegen eines solchen Verstoßes in ihren Rechten verletzt sein (vgl. BayVGH vom 27.12.2001 BayVBl 2002, 499). Es besteht allenfalls ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten, der aber - selbst wenn man in dem Schreiben der Antragsteller vom 15. November 2006 an die Antragsgegnerin einen Antrag auf ein Einschreiten der Behörde sehen würde - nicht Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist.

b) Das bauplanungsrechtlich nach der Innenbereichsvorschrift des § 34 BauGB zu beurteilende Vorhaben verstößt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu Lasten der Antragsteller gegen das im Begriff des "Einfügens" im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme (vgl. BVerwG vom 11.1.1999 NVwZ 1999, 879).

Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Ein Vorhaben fügt sich im Allgemeinen ein, wenn es sich hinsichtlich aller vier Zulässigkeitskriterien innerhalb des Rahmens hält, der durch die in der Umgebung vorhandene Bebauung gezogen wird. Auch ein den Rahmen wahrendes Vorhaben ist ausnahmsweise unzulässig, wenn es nicht die gebotene Rücksicht auf die Bebauung in der Nachbarschaft nimmt. Umgekehrt ist ein den Rahmen überschreitendes Vorhaben ausnahmsweise zulässig, wenn es trotz der Überschreitung keine "städtebauliche Spannungen" hervorruft (vgl. BVerwG vom 26.5.1978 BVerwGE 55, 369 f.). Das Einfügungsgebot dient grundsätzlich nur allgemein der städtebaulichen Ordnung und nicht auch dem Schutz der Nachbarn (BVerwG vom 23.6.1995 NVwZ 1996, 170; vom 28.4.2004 NVwZ 2004, 1244). Nachbarrechte werden durch einen Verstoß gegen § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nur dann verletzt, wenn die ausnahmsweise Unzulässigkeit eines den Rahmen einhaltenden Vorhabens darauf beruht, dass es sich auf ein Nachbargrundstück unzumutbar auswirkt, oder wenn die von einem den Rahmen überschreitenden Vorhaben hervorgerufenen "städtebaulichen Spannungen" gerade in solchen Auswirkungen bestehen (BVerwG vom 6.12.1996 NVwZ-RR 1997, 516).

Nach diesem Maßstab sind Rechte der Antragsteller voraussichtlich nicht verletzt. Ob sich das Bauvorhaben hinsichtlich des durch die Beschwerde allein in Frage gestellten Maßes der baulichen Nutzung, insbesondere im Hinblick auf die genehmigte Firsthöhe (vgl. § 16 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO, § 18 Abs. 1 BauNVO), in dem durch die Bebauung in der näheren Umgebung vorgegebenen Rahmen hält, muss nicht entschieden werden. Maßgebend ist allein, ob das Vorhaben das Anwesen der Antragsteller durch eine "abriegelnde" oder "erdrückende Wirkung" (und eine damit einher gehende Verschattung) unzumutbar beeinträchtigt. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen "übergroßen" Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BVerwG vom 13.3.1981 DVBl 1981, 928: zwölfgeschossiges Gebäude in Entfernung von 15 m zum Nachbarwohnhaus; vom 23.5.1986 DVBl 1986, 1271: 11,50 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem Wohnanwesen). Bei der (mit Bescheid vom 2.11.2006) genehmigten Höhe der nordwestlichen Giebelwand von maximal 6,445 m (gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 2 BayBO gemessen von der natürlichen Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut) und einer Firsthöhe von 9,65 m einerseits sowie einem Grenzabstand der Wand von etwas mehr als 3,60 m und einem Abstand von etwa 15 m vom Wohnhaus der Antragsteller andererseits kann jedoch von solchen Auswirkungen bei weitem nicht die Rede sein. Das gilt auch unter Berücksichtigung des in der Beschwerdebegründung angegebenen Höhenunterschieds von etwa 0,50 m zwischen dem (tiefer liegenden) Grundstück der Antragsteller und dem Baugrundstück.

Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist das Vorhaben auch nicht deswegen "rücksichtslos", weil es die Sicht vom Anwesen nach Osten einschränkt. Das Interesse an der Aufrechterhaltung einer bestimmten Aussicht ist auch im Rahmen der Abwägung, aufgrund deren über die Reichweite des Rücksichtnahmegebots zu entscheiden ist, grundsätzlich kein schutzwürdiger Belang (BayVGH vom 30.11.2005 - 1 CS 05.2535 mit weiteren Nachweisen - juris). Als Eigentümer eines Grundstücks in einem verhältnismäßig dicht bebauten Wohngebiet können die Antragsteller - trotz der bestehenden offenen Bauweise - nicht darauf vertrauen, dass ein bislang nicht oder nur teilweise eingeschränkter Ausblick von ihrem Grundstück bei einer Bebauung des Nachbargrundstücks erhalten bleibt.

Den Bewohnern der Doppelhaushälfte werden - auch von dem in dieser Hinsicht vor allem beanstandeten, dem Grundstück der Antragsteller jedoch nur zum Teil gegenüberliegenden Vorbau aus - keine Einblicke in deren Anwesen ermöglicht, die in einem städtischen Wohngebiet mit verdichteter Bebauung nicht hinzunehmen wären. Angesichts der Grenzbebauung auf dem Grundstück der Antragsteller und angesichts des Abstandes ihres Wohnhauses von der gemeinsamen Grenze können von dem Vorbau aus im Übrigen ohnehin wohl nur Teile des Gartens eingesehen werden.

Schließlich ist nicht anzunehmen, dass den Antragstellern infolge des Bauvorhabens unzumutbare Beeinträchtigungen durch eine Vernässung ihres Grundstücks drohen. Dass die Entwässerung des Baugrundstücks aufgrund einer mangelhaften Erschließung nicht gesichert sei, machen die Antragsteller nicht geltend. Ihre Befürchtung, dass ihr Grundstück wegen der mit der Tekturgenehmigung vom 2. November 2006 zugelassenen geringfügigen Erhöhung der Geländeoberfläche um bis zu 0,10 m auf Dauer vernässt werden könnte, ist nicht belegt.

c) Nach summarischer Prüfung verletzt das genehmigte Vorhaben zum Teil die Abstandsflächenvorschriften. Zwar wird die Abstandsfläche, die vor der "Hauptwand" der dem Grundstück der Antragsteller zugewandten Gebäudeseite anfällt, auf dem Baugrundstück eingehalten (aa). Bei dem Vorbau liegt jedoch ein Rechtsverstoß vor, weil dieser bei der Abstandsflächenberechnung nicht unberücksichtigt bleiben darf (bb). Dementsprechend ist die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Tekturgenehmigung vom 13. September 2006, durch die der Vorbau zugelassen wurde, und gegen die Tekturgenehmigung vom 2. November 2006, die mit der Zulassung einer größeren Höhe des Erdgeschosses wohl auch den Vorbau betrifft, anzuordnen. Die Anordnung kann auf den Vorbau beschränkt werden, weil die Tekturgenehmigungen insoweit teilbar sind (cc). Von den Antragstellern zuletzt gerügte mögliche Abweichungen von den Baugenehmigungen im Zuge der Bauausführung sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

aa) Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen baulichen Anlagen freizuhalten. Die Tiefe der Abstandsfläche bemisst sich nach der Wandhöhe (Art. 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO). Weist eine Gebäudeseite infolge von Vor- bzw. Rücksprüngen sowie von unterschiedlichen Höhen versetzte Außenwandteile auf, ist die Wandhöhe nach Art. 6 Abs. 3 Satz 3 BayBO für jeden Wandteil gesondert zu ermitteln. Zur Wandhöhe hinzugerechnet werden nach Maßgabe von Art. 6 Abs. 3 Satz 4 BayBO die Dachhöhe und nach Maßgabe von Art. 6 Abs. 3 Satz 5 BayBO die Höhe von Giebelflächen im Bereich des Daches. Das sich so ergebende Maß wird gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 6 BayBO mit H bezeichnet. Die Tiefe der Abstandsfläche beträgt nach Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayBO grundsätzlich 1 H, mindestens 3 m. Vor zwei Außenwänden, die jeweils nicht länger als 16 m sein dürfen, genügt nach Art. 6 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO die Hälfte des nach Art. 6 Abs. 4 BayBO erforderlichen Maßes; das Mindestmaß beträgt jedoch auch in diesem Fall 3 m (sog. 16 m-Privileg). Bei der Abstandsflächenberechnung unberücksichtigt bleiben vor die Außenwand tretende Bauteile und Vorbauten, wenn sie im Verhältnis zu der ihnen zugehörigen Außenwand untergeordnet sind, nicht mehr als 1,50 m vortreten und von den Grundstücksgrenzen mindestens 2 m entfernt bleiben (Art. 6 Abs. 3 Satz 7 BayBO).

In Übereinstimmung mit diesen Vorgaben hat das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden, dass die Abstandsfläche der nordwestlichen Giebelwand - unter von den Antragstellern nicht in Frage gestellter Inanspruchnahme des 16 m-Privilegs (Art. 6 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO) - auf dem Baugrundstück eingehalten wird (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO). Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

(1) Zu Recht hat das Verwaltungsgericht gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 2 BayBO die in den genehmigten Bauzeichnungen dargestellte natürliche Geländeoberfläche als unteren Bezugspunkt für die Berechnung der Wandhöhe angenommen. Eine Festlegung der Geländeoberfläche im Sinn von Art. 6 Abs. 3 Satz 2 Alternative 2 BayBO ist nicht erfolgt. Die Zulassung der "möglichen neuen Geländeoberkante", die nach dem Bescheid vom 2. November 2006 bis zu 0,10 m höher liegt als das natürliche Gelände, stellt keine Festlegung dar (BayVGH vom 30.4.2007 - 1 CS 06.3335 mit weiteren Nachweisen). Abgesehen davon würde sich eine Festlegung auf dieses Niveau zum Nachteil der Antragsteller auswirken, weil sie eine Verringerung der Wandhöhe zur Folge hätte. Dass das Gelände im Bereich des Grundstücks der Antragsteller an der Grenze insgesamt circa 0,50 m tiefer liegt als die genehmigte neue Geländeoberfläche des Baugrundstücks, ist unerheblich, weil für die Berechnung der Wandhöhe die Verhältnisse auf dem Baugrundstück maßgebend sind. Schließlich ist der Höhenunterschied - auch nach der geringfügigen Aufschüttung - nicht so groß, dass die Antragsgegnerin mit Rücksicht auf das Anwesen der Antragsteller eine Festlegung der Geländeoberfläche auf ein Niveau unterhalb des natürlichen Geländes hätte in Betracht ziehen müssen.

(2) Nicht zu beanstanden ist auch, dass das Verwaltungsgericht bei der Berechnung der Wandhöhe die im Bereich des Daches liegende Fläche der nordwestlichen Außenwand nicht mit ihrer Gesamthöhe, sondern nur mit einem Drittel berücksichtigt hat. Bei dieser Fläche handelt es sich nicht - wie bei dem Vorhaben, zu dem die von den Antragstellern genannte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Februar 1994 (26 CS 93.3436 - juris) ergangen ist - um den Wandteil eines Dachterrassengeschosses, sondern um eine Giebelfläche im Sinne von Art. 6 Abs. 3 Satz 5 BayBO. Das oberste Geschoss der Doppelhaushälfte ist auch nach den mit dem Tekturbescheid vom 13. September 2006 genehmigten Bauvorlagen nicht als Geschoss mit senkrechten (zurückgesetzten) Außenwänden, sondern als Dachgeschoss mit einem Satteldach (und Dachgauben auf den Traufseiten) geplant. Dass über dem südwestlichen Vorbau im Bereich des Daches eine circa 8 m breite Dachterrasse vorgesehen ist, ändert nichts daran, dass das - teilweise (auf den Traufseiten) von Dachflächen umschlossene - Geschoss ein Dachgeschoss ist.

(3) Eine Verletzung der Abstandsflächenbestimmungen durch die nordwestliche "Hauptwand" ergibt sich schließlich nicht daraus, dass sich der Grenzstein zwischen den Grundstücken Fl.Nr. ****/6 und Fl.Nr. ****/11 nach Angaben der Antragsgegnerin 0,37 m östlich von dieser Grenze befindet. Zum einen kommt es für die Frage, ob sich Abstandsflächen auf das Grundstück der Antragsteller erstrecken, nicht auf den Grenzverlauf zwischen dem Grundstück Fl.Nr. ****/11 und dem Baugrundstück an, sondern auf denjenigen zwischen dem Grundstück der Antragsteller und dem Baugrundstück. Dass die an dieser Grundstücksgrenze abgemarkten Grenzpunkte nicht mit dem im Katasterkartenwerk dargestellten Grenzverlauf übereinstimmen, machen die Antragsteller nicht geltend. Zum anderen bliebe auch eine von der katastermäßigen Eintragung der Grundstückgrenze abweichende Lage der Grenzsteine ohne Folge für die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung. Maßgeblich ist nämlich grundsätzlich nicht die Lage der Grenzsteine, sondern der Grenzverlauf des Baugrundstücks, wie er sich aus dem zu den Bauvorlagen gehörenden Auszug aus dem Katasterkartenwerk (§ 1 Abs. 1 Nr. 7, § 7 Abs. 1 BauVorlV) ergibt (OVG SA vom 21.6.2004 - 2 L 353/03 - juris; ThürOVG vom 15.5.1996 BRS 58 Nr. 102). Denn die Richtigkeitsvermutung des Grundbuches (§ 891 BGB) bezüglich der Eigentumsverhältnisse an einem Grundstück erstreckt sich auf den im Liegenschaftskataster dargestellten Grenzverlauf (BGH vom 2.12.2005 NJW-RR 2006, 662). Stimmen das Liegenschaftskataster oder die abgemarkten Grenzpunkte mit den tatsächlichen Eigentumsverhältnissen nicht überein, muss der Eigentümer seine Rechte (§§ 985 ff., § 919 f. BGB) zunächst im Zivilrechtsweg geltend machen.

bb) Berechtigt ist jedoch der Einwand der Antragsteller, dass der Vorbau die auf seiner Nordwestseite anfallende Abstandsfläche nicht auf dem Baugrundstück einhält. Vor den Außenwänden dieses Vorbaus fallen - gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 3 BayBO gesondert zu berechnende - Abstandsflächen an, weil die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 Satz 7 BayBO nicht erfüllt sind. Zwar dürfte der Vorbau noch untergeordnet sein (1); er erfüllt aber nicht die weiteren Voraussetzungen der Vorschrift (2). Die Abstandsfläche vor der nordwestlichen Vorbauwand liegt teilweise auf dem Grundstück der Antragsteller (3).

(1) Der Vorbau dürfte die Voraussetzungen der von Art. 6 Abs. 3 Satz 7 BayBO geforderten Unterordnung (noch) erfüllen. Wohl zu Recht hat das Verwaltungsgericht bei der Prüfung, ob der Vorbau "untergeordnet" ist, allein auf den optischen Eindruck abgestellt, der vor allem durch das größenmäßige Verhältnis des Vorbaus zur Gesamtfläche der nordwestlichen Außenwand bestimmt wird. Das dabei gefundene Ergebnis, dass der Vorbau mit seiner (einschließlich der Dachschräge) eine Fläche von rund 15,3 m² umfassenden nordwestlichen Wand im Verhältnis zur Größe der gesamten nordwestlichen Außenwand mit einer Fläche von rund 93,6 m² noch untergeordnet erscheint, ist nach summarischer Prüfung anhand der Pläne und Fotografien nicht zu beanstanden. Das gilt auch, wenn man sich nicht auf einen reinen Flächenvergleich beschränkt, sondern die Baumasse des Vorbaus berücksichtigt, der - im Gegensatz zu seinem Pendant auf der Südwestseite - das zulässige Maß von 1,50 m schon ohne sein Vordach ausschöpft (vgl. aber auch § 1 Nr. 5 des Gesetzentwurfs der Staatsregierung zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und Änderungsgesetz [LT-Drs. 15/7161, Seite 9], wonach - gemäß einem neuen Art. 6 Abs. 8 Nr. 2 Buchstabe a - Vorbauten nur ein Drittel der Breite der jeweiligen Außenwand, höchstens jedoch 5 m einnehmen dürfen).

Entgegen den Einwänden der Antragsteller kommt es für das Merkmal der Unterordnung nach dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift wohl nicht auf weitere Kriterien, wie die Größe einer durch den Vorbau gewonnenen Nutzfläche, an. Für eine solche einschränkende Auslegung ist nach dem Wortlaut der mit Gesetz vom 18. April 1994 (GVBl S. 251) neu gefassten Bestimmung des Art. 6 Abs. 3 Satz 7 BayBO wohl kein Raum mehr. Mit der Neufassung sollte klargestellt werden, dass Bezugsgröße für die Untergeordnetheit eines Bauteils oder Vorbaus die Größe der Fläche der zugehörigen Außenwand sein soll (vgl. LT-Drs. 12/13482, Seite 40 f.). Weitere Anforderungen an die Unterordnung hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Die Rechtsprechung zu der bis zum 31. Mai 1994 geltenden Fassung des Art. 6 Abs. 3 Satz 7 BayBO dürfte deshalb insoweit überholt sein, als sie im Rahmen der Prüfung der "Untergeordnetheit" auch die Funktion des Vorbaus berücksichtigt (in diesem Sinne wohl: BayVGH vom 9.3.1992 - 2 B 90.2534; vgl. auch OVG NRW vom 12.11.2003 - 7 A 405/02 - Juris; Hess VGH vom 12.10.1995 BRS 57 Nr. 139).

Im Hinblick auf den Hauptzweck des Abstandsflächenrechts, eine ausreichende Belichtung und Lüftung zu gewährleisten (vgl. Art. 7 Abs. 1 Satz 2 BayBO), erscheint es auch nicht überzeugend, bei der Auslegung des Begriffs "Vorbauten" (generell oder bei bestimmten Arten von Vorbauten) zusätzlich auf die Funktion abzustellen und die Voraussetzungen der Vorschrift zu verneinen, wenn ein Vorbau (auch) dem Zweck dient, zusätzliche Wohnfläche zu gewinnen. Diese Auslegung führt außerdem zu kaum lösbaren Abgrenzungsproblemen. Das gilt nach Auffassung des Senats auch für als "Erker" einzustufende Vorbauten, weshalb offen bleiben kann, ob der streitgegenständliche Vorbau als Erker bezeichnet werden kann (a. A. jedenfalls hinsichtlich der Erker Rauscher in Simon/Busse, BayBO, Art. 6 RdNr. 220 f.). Denn "Erker" werden in Art. 6 Abs. 3 Satz 7 BayBO - neben den "Balkonen" - nur als Unterfall eines Vorbaus aufgeführt und Balkone haben gerade (auch) die Funktion, zusätzliche Wohnfläche (im Freien) zu schaffen. Auch wenn in der Vorschrift hinter "Balkone" kein Komma steht, ist nicht anzunehmen, dass die Begriffe "Erker" und "Balkone" in der seit dem 1. Juni 1994 geltenden Fassung der Vorschrift nicht mehr als Beispiele aufgeführt werden, sondern neben die beiden Oberbegriffe "vortretende Bauteile" und "Vorbauten" treten sollten. Hierfür gibt es - auch in den zitierten Gesetzesmaterialien - keinen Anhaltspunkt.

(2) Der Vorbau erfüllt jedoch deswegen nicht die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 Satz 7 BayBO, weil er wegen seines Dachvorsprungs jedenfalls mehr als 1,50 m vorspringt; außerdem dürfte der Dachvorsprung weniger als 2 m von der Grenze zum Grundstück der Antragsteller entfernt sein.

Nach den mit Bescheid vom 13. September 2006 genehmigten Bauvorlagen springt die nordwestliche Außenwand des Vorbaus zwar nur 1,50 m vor. Das Pultdach des Vorbaus ist jedoch mit einem (nach der Darstellung in der Südwest-Ansicht) 0,50 m tiefen Vorsprung geplant, der als nicht nur vor die "Vorbauwand", sondern auch vor die "Hauptwand" tretender Bauteil bei der abstandsflächenrechtlichen Prüfung nicht außer Betracht bleiben darf. Der Vorbau springt somit gegenüber der "Hauptwand" insgesamt um 2,00 m vor. Außerdem wird der Mindestabstand von 2 m zur Grenze des Grundstücks der Antragsteller wohl (knapp) unterschritten. Zeichnet man das Vordach in den - insoweit allerdings nicht vermaßten - Erdgeschossgrundriss ein, ergibt sich ein Grenzabstand von etwa 1,90 m.

Diese Mängel sind zu berücksichtigen, obwohl sie im Beschwerdeverfahren nicht angesprochen wurden. Nach dem Wortlaut von § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO prüft das Beschwerdegericht in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zwar nur die vom Beschwerdeführer dargelegten Gründe. Im Hinblick auf die dem Gericht obliegende Verpflichtung, durch eine in der Sache richtige Entscheidung effizienten Rechtsschutz zu gewährleisten (Art. 19 Abs. 4 GG), sind jedoch auch nicht dargelegte Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die "im Ansatz" bereits in das Verfahren eingeführt sind (BayVGH vom 27.8.2002 BayVBl 2003, 304; vom 10.7.2006 - 1 CS 06.407 mit weiteren Nachweisen - juris). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, weil die Einwände der Antragsteller gegen die Prüfung der abstandsflächenrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens durch das Verwaltungsgericht nicht sachgerecht behandelt werden könnten, wenn man die mit dem Dachvorsprung zusammenhängenden Fragen außer Acht ließe.

(3) Darf der Vorbau aber nicht nach Art. 6 Abs. 3 Satz 7 BayBO unberücksichtigt bleiben, sondern sind seine Außenwände gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 3 BayBO als gegenüber der "Hauptwand" versetzte Wandteile jeweils selbst abstandsflächenrechtlich relevant, dann liegt auf der Nordwestseite des Vorbaus ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO vor.

Wahrt der Dachvorsprung auch den Mindestabstand von 2 m nicht, ist auf der Nordwestseite für die Lage und die Tiefe der Abstandsfläche nicht die "reale" Außenwand des Vorbaus maßgebend, sondern eine "fiktive" Wand in der Flucht der Außenkante des Dachvorsprungs (vgl. BayVGH vom 29.11.2006 - 1 CS 06.2717 - Juris). Vor dieser, wie sich den Bauvorlagen (Südwest-Ansicht) entnehmen lässt, etwa 2,60 m hohen "fiktiven" Wand würde eine Abstandsfläche mit einer Tiefe von 3 m anfallen (Mindesttiefe gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO). Das Pultdach des Vorbaus bleibt gemäß Art. 6 Abs. 3 Satz 4 BayBO unberücksichtigt, weil es weniger als 45° geneigt ist. Da der Grenzabstand der "fiktiven" Wand, wie erwähnt, wohl nur etwa 1,90 m beträgt, läge die 3 m tiefe Abstandsfläche entgegen den die Rechte der Antragsteller schützenden Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO mit einer Tiefe von etwa 1,10 m auf deren Grundstück (soweit der Vorbau diesem Grundstück gegenüberliegt).

An dem Ergebnis, dass Rechte der Antragsteller verletzt sind, würde sich auch dann nichts ändern, wenn der etwa 0,50 m vortretende Dachvorsprung des Vorbaus den 2 m-Abstand von der Grenze einhalten würde. In diesem Fall wäre für die Lage und die Berechnung der strittigen Abstandsfläche zwar die "reale" nordwestliche Außenwand des Vorbaus maßgebend; der Dachvorsprung bliebe in diesem Fall außer Betracht, weil er bezogen auf diese Wand nur 0,50 m beträgt. Da der Abstand der "realen" nordwestlichen Vorbauwand von der Grenze etwa 2,60 m beträgt, läge die 3 m tiefe Abstandsfläche auch in diesem Fall teilweise auf dem Grundstück der Antragsteller.

cc) Wegen dieses Rechtsverstoßes ist die aufschiebende Wirkung der Widersprüche anzuordnen. Die Anordnung kann auf den Vorbau beschränkt werden (vgl. § 80 a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, wonach die Anordnung "ganz oder teilweise" erfolgen darf), weil die Tekturgenehmigungen insoweit teilbar sind. Wie auch den Bauvorlagen der ursprünglichen Genehmigung vom 16. August 2006 zu entnehmen ist, handelt es sich bei dem Vorbau um einen konstruktiv abtrennbaren Teil des Bauvorhabens. Die Tekturgenehmigungen können daher auch ohne den Teil, der die Antragsteller in ihren Rechten verletzt, Bestand haben.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich am Streitwertkatalog 2004 (NVwZ 2004, 1327), der für eine Nachbarklage gegen eine Baugenehmigung einen Betrag von 7.500 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Reduzierung der vorgeschlagenen Werte um bis zu 50 % empfiehlt (Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 9.7.1). Die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts wird geändert (§ 63 Abs. 3 GKG), weil Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht auch die die östliche Doppelhaushälfte betreffenden Baugenehmigungen waren und weil es sich damit um zwei Verfahren handelt, deren Werte gemäß § 39 Abs. 1 GKG zusammenzurechnen sind.

Ende der Entscheidung

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