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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 15.01.2007
Aktenzeichen: 1 N 04.1226
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB


Vorschriften:

VwGO § 47
BauGB § 1 Abs. 3
BauGB § 1 Abs. 6
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 10
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchstabe a
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 25
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1
BauGB § 214 Abs. 3 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

1 N 04.1226

In der Normenkontrollsache

wegen Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 38 ("An der St **** nördlich von ********")

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Langer

ohne weitere mündliche Verhandlung am 15. Januar 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Der Bebauungsplan Nr. 38 ("An der St **** nördlich von ******") der Gemeinde ****** ist unwirksam.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsteller zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 38 ("An der St **** nördlich von ******") der Antragsgegnerin.

Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. **** Gemarkung ******. Das Landratsamt München erteilte ihm mit Bescheid vom 10. Juni 1999 die Baugenehmigung zur Nutzungsänderung eines auf dem Grundstück vorhandenen Gebäudes für eine (nie in Betrieb gegangene) Berufsimkerei in ein Betriebsleiterwohnhaus für eine Pensionspferdehaltung sowie zur Errichtung eines Pferdestalls mit zehn Pferdeboxen, eines Stadels und einer Miste. Mit Bescheid des Landratsamts ******* vom 6. Dezember 2002 erhielt der Antragsteller außerdem die Baugenehmigung zur Errichtung eines Reitplatzes in Form einer wasserdurchlässig befestigten Fläche. Beide Bescheide sind bestandskräftig. Die genehmigten Vorhaben sind verwirklicht und stellen den derzeitigen Bestand an baulichen Anlagen auf dem Grundstück dar.

Der Gemeinderat der Antragsgegnerin beschloss am 16. Juni 1999 die Aufstellung eines Bebauungsplans für das Grundstück Fl.Nr. **** sowie die beiden südlich davon gelegenen kleineren Grundstücke Fl.Nrn. **** und ****/1 und erließ gleichzeitig eine Satzung über eine Veränderungssperre für das Grundstück Fl.Nr. ****. Der Bebauungsplan wurde (als "Bebauungsplan Nr. 38 an der St **** nördlich von ******") am 29. Mai 2002 als Satzung beschlossen und - nach Behebung eines Ausfertigungsmangels - mit erneuter Bekanntmachung vom 19. Juli 2002 rückwirkend zum 31. Mai 2002 in Kraft gesetzt.

Der Bebauungsplan hat ausweislich des Aufstellungsbeschlusses und der Begründung zum Ziel, durch Beschränkung der Zulässigkeit baulicher Anlagen eine landschaftlich wertvolle Hanglage zu schützen, den Talraum von Zersiedelung freizuhalten und der weiteren Siedlungsentwicklung der Ortschaft ****** in Richtung Norden entgegenzuwirken. Der Bebauungsplan trifft hierzu vor allem drei die Nutzung bestimmende Festsetzungen. Etwa in der Mitte des Grundstücks Fl.Nr. **** ist eine Fläche für Landwirtschaft festgesetzt, in der bauliche Anlagen als privilegierte Vorhaben gemäß § 35 BauGB grundsätzlich zulässig sind; diese Fläche deckt sich im Wesentlichen mit dem Umgriff der vorhandenen Gebäude (Festsetzung A 2.1). Entlang des westlichen Rands des Grundstücks Fl.Nr. **** ist ein 10 bis 25 m breiter Geländestreifen umgrenzt, für den Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft vorgesehen sind (Festsetzung A 2.2). Der gesamte Geltungsbereich des Bebauungsplans mit Ausnahme der von Festsetzung A 2.1 erfassten Fläche sowie eines Radwegs mit Straßenbegleitgrün entlang der St **** ist schließlich als "Fläche für die Landwirtschaft, 2-3 mahdiges Grünland, Beweidung zulässig" festgesetzt, die "grundsätzlich von baulichen Anlagen frei zu halten" ist; als Ausnahme ist auf einer im Plan markierten Fläche ein offener Reitplatz (20 m x 40 m) ohne Überdachung zulässig; ferner können Weidezäune zugelassen werden (Festsetzung A 2.3).

Der Antragsteller hat sich bereits im Bebauungsplanverfahren mehrfach mit Anregungen gegen die Planung gewandt, weil diese keine ausreichenden Möglichkeiten vorsehe, um die Existenz seines bestandsgeschützten Betriebs durch eine Erweiterung dauerhaft zu sichern. Die Anregungen wurden nur teilweise berücksichtigt.

Mit dem am 6. Mai 2004 gestellten Normenkontrollantrag macht der Antragsteller die Unwirksamkeit des Bebauungsplans geltend, weil dieser nicht erforderlich sei und gegen das Abwägungsgebot verstoße. Der Bebauungsplan sei - wie sich auch aus der Begründung ergebe - eine bloße "Negativ- bzw. Verhinderungsplanung", mit der die Antragsgegnerin ihren in der Vergangenheit erfolgslosen Versuch fortsetze, die genehmigten Vorhaben des Antragstellers zu verhindern und weitere Bauwünsche abzuwehren. Die Einschränkung "2-3 mahdiges Grünland, Beweidung zulässig" sei bei der Festsetzung einer landwirtschaftlichen Fläche unzulässig, weil die Legaldefinition der Landwirtschaft keine Unterscheidung von extensiver und intensiver Bewirtschaftung kenne. Unzulässig sei auch die Festsetzung, dass die landwirtschaftliche Fläche "grundsätzlich von baulichen Anlagen freizuhalten" sei; keinesfalls könnten Anlagen ausgeschlossen werden, die der Landwirtschaft dienten. Für die Festsetzung einer Landschaftsschutzfläche lägen ausschließlich naturschutzrechtliche, nicht jedoch städtebauliche Gründe vor. Insgesamt hätten alle Festsetzungen keinen die Nutzung der Grundstücke leitenden Charakter, sondern dienten vielmehr lediglich dem Ausschluss der privilegierten Nutzung des Antragstellers. Bereits aus dem Vorliegen einer bloßen "Negativplanung" folge zugleich ein Verstoß gegen das Abwägungsgebot. Im Übrigen sei die Planung nicht von gewichtigen öffentlichen Belangen der Gemeinde getragen. Ein schützenswertes Landschaftsbild sei wegen der unmittelbaren Nähe zum Ortsrand von ******, der Staatsstraße und der an ihr vorhandenen Gebäude sowie der über das Grundstück des Antragstellers verlaufenden 20 kV-Freileitung nicht gegeben. Demgegenüber seien die Eigentumsbelange und das Bestands- und Nutzungserweiterungsinteresse des Antragstellers in der Abwägung überhaupt nicht erkannt oder jedenfalls falsch gewichtet worden.

Der Antragsteller beantragt,

den Bebauungsplan Nr. 38 ("An der St **** nördlich von ******") der Gemeinde ****** für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin weist darauf hin, dass das Bebauungsplangebiet im Flächennutzungsplan als Grünlandfläche mit besonderer ökologischer und gestalterischer Funktion dargestellt sei. Das Ziel des Bebauungsplans, der weiteren Siedlungsentwicklung der Ortschaft ****** in Richtung Norden entgegenzuwirken, entspreche dem tatsächlichen Willen der Antragsgegnerin und stelle keine bloß vorgeschobene "Negativplanung" dar. Bei der Festsetzung einer landwirtschaftlichen Fläche seien Spezifizierungen im Sinne spezieller Zweckbestimmungen zulässig. Auch die Verbindung einer landwirtschaftlichen mit einer von Bebauung freizuhaltenden Fläche sei rechtlich zulässig. Die dem Bebauungsplan zugrunde liegende Abwägung sei fehlerfrei. Der Betrieb des Antragstellers sei erst kurz vor Beginn der Bauleitplanung errichtet worden. Den im Rahmen der Bauleitplanung vorgetragenen Erweiterungsabsichten sei hinsichtlich des Reitplatzes entsprochen worden. In Bezug auf einen Longierzirkel und einen Springparcours habe die Antragsgegnerin den öffentlichen Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes sowie der möglichsten Schonung des Außenbereichs den Vorrang gegeben; eine rentable Betriebsführung sei auch ohne diese Erweiterungen möglich. Im Übrigen würden bei einer weiteren Ausdehnung der baulichen Anlagen diese nicht mehr nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnehmen; auch sei die Erweiterung um Longierzirkel und Springparcours nur zu Lasten der ohnehin nicht ausreichenden Koppelfläche möglich. Die Antragsgegnerin legt ergänzend drei Wirtschaftlichkeitsberechnungen für den Betrieb des Antragstellers vor.

Der Senat hat am 4. April 2006 mündlich verhandelt und am 26. April 2006 einen Ortstermin durchgeführt, in dem die Beteiligten zugleich auf eine weitere mündliche Verhandlung verzichtet haben. Die Beteiligten haben sich schriftsätzlich noch zur Verpachtung der Pensionspferdehaltung durch den Antragsteller sowie zu den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Reitsportbetriebs (Reiterhof) auf der Ostseite der Staatsstraße St **** (Fl.Nr. 2059) geäußert.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die Niederschriften über die mündliche Verhandlung und den Ortstermin sowie auf die von der Antragsgegnerin vorgelegte Bebauungsplanakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag, über den gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden kann, hat Erfolg.

1. Der Antrag ist zulässig

Der Antragsteller ist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt, weil er sich als Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks gegen eine bauplanerische Festsetzung wendet, die unmittelbar sein Grundstück betrifft und damit Inhalt und Schranken seines Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) bestimmt (vgl. BVerwG vom 22.8.2000 NVwZ 2000, 1413). Aus der Festsetzung einer Fläche für die Landwirtschaft, die grundsätzlich von baulichen Anlagen frei zu halten ist (A 2.3), ergeben sich Einschränkungen für die Nutzbarkeit des Grundstücks Fl.Nr. ****, die über die allgemein geltenden Zulässigkeitsvoraussetzungen für Außenbereichsvorhaben (§ 35 BauGB) hinausgehen. Ob die Pensionspferdehaltung auf dem Grundstück von dem Antragsteller selbst betrieben wird oder der Betrieb verpachtet ist, ist für die Frage der Antragsbefugnis unerheblich.

2. Der Antrag ist auch begründet.

Zwar finden die von dem Antragsteller angegriffenen Festsetzungen eine Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 BauGB (a). Auch ist die Planung der Antragsgegnerin erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB (b). Die Festsetzung einer Fläche für die Landwirtschaft, die grundsätzlich von Bebauung frei zu halten ist, stellt jedoch eine unverhältnismäßige und damit abwägungsfehlerhafte (§ 1 Abs. 6 BauGB 1998) Einschränkung des Grundeigentums dar (c). Die Unwirksamkeit dieser Festsetzung führt zur Unwirksamkeit des gesamten Bebauungsplans (d).

a) Die in dem Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen sind von den Ermächtigungsgrundlagen in § 9 Abs. 1 BauGB gedeckt.

Die Festsetzung einer Fläche für die Landwirtschaft, die grundsätzlich von baulichen Anlagen frei zu halten ist (A 2.3), ist - als solche - zulässig. Zwar ermächtigt § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchstabe a BauGB für sich genommen nicht zum Ausschluss baulicher Anlagen, die der Landwirtschaft dienen. Aufgrund von § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB kann jedoch auch für Flächen für die Landwirtschaft festgesetzt werden, dass sie von Bebauung freizuhalten sind, mit der Folge, dass auch solche baulichen Anlagen ausgeschlossen sind, die im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB einem landwirtschaftlichen Betrieb dienen (vgl. BVerwG vom 17.12.1998 NVwZ 1999, 984; vom 27.1.1999 NVwZ 1999, 878 = BayVBl 1999, 410; vom 24.2.2003 NuR 2004, 310).

Zulässig ist es auch, im Rahmen von Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchstabe a BauGB spezielle Zweckbestimmungen vorzunehmen, die über die in § 201 BauGB genannten Unterscheidungen landwirtschaftlicher Betätigungen hinausgehen (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 9 RdNrn. 147, 149).

Die Festsetzungen von Erhaltungs- und Pflanzgeboten (A 2.4, A 2.5 und A 2.6) können sich auf § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB stützen. Die in dieser Vorschrift genannte Ausnahme hinsichtlich der Flächen, für die landwirtschaftliche Nutzung oder Wald festgesetzt ist, soll lediglich verhindern, dass mit derartigen Festsetzungen der land- oder forstwirtschaftliche Anbau reguliert wird (vgl. Gaentzsch in Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., § 9 Rn. 67); das wird hier ersichtlich jedoch weder bezweckt noch faktisch bewirkt.

b) Die Planung der Antragsgegnerin genügt auch den Anforderungen des Erforderlichkeitsgrundsatzes (§ 1 Abs. 3 BauGB).

Der Bebauungsplan hat zum Ziel, den Talgrund und die Hanglagen entlang der Staatsstraße St **** zu schützen und von Zersiedelung freizuhalten sowie der weiteren Siedlungsentwicklung der Ortschaft ****** in Richtung Norden entgegenzuwirken. Damit ist die Planung durch städtebauliche Gründe getragen und gerechtfertigt. Unerheblich ist, dass das positive Planungsziel vorwiegend durch "negative", das heißt Nutzungsmöglichkeiten ausschließende Festsetzungen verfolgt wird. Unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB steht der Planung auch nicht entgegen, dass der landschaftliche Reiz des Tals, wie auch der Augenschein ergeben hat, durch vorhandene bauliche und sonstige Anlagen bereits deutlich beeinträchtigt ist. Es ist der Antragsgegnerin grundsätzlich nicht verwehrt, auf eine Verbesserung der Situation hinzuwirken oder zumindest einer befürchteten weiteren Verschlechterung gegenzusteuern. Zulässig ist es auch, planerische Maßnahmen dabei - anlassbezogen - auf einen Teilbereich des betroffenen Landschaftsraums zu beschränken.

c) Die Festsetzung einer von Bebauung grundsätzlich frei zu haltenden Fläche, die den Großteil des Grundstücks Fl.Nr. **** sowie die beiden weiteren Grundstücke Fl.Nrn. **** und ****/1 einnimmt, führt jedoch zu einer unverhältnismäßigen und damit abwägungsfehlerhaften (§ 1 Abs. 6 BauGB 1998) Einschränkung des Grundeigentums.

Bei der Festsetzung von Flächen, die von Bebauung freizuhalten sind, muss die Gemeinde die damit verfolgten Belange des Gemeinwohls und die schutzwürdigen Interessen der Eigentümer unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitssatzes im Rahmen der Abwägung in ein ausgewogenes Verhältnis bringen (vgl. BVerfG vom 19.12.2002 NVwZ 2003, 727). Dabei hat die Gemeinde zu beachten, dass Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB eine besonders einschneidende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums an den überplanten Grundstücken (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) darstellen und dass sie die Eigentümerbefugnisse sehr weitgehend einschränken; die Tatsache, dass nach § 40 Abs. 1 Nr. 12, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BauGB ein Übernahmeanspruch des Eigentümers bestehen kann, bestätigt dies (vgl. zum Ganzen BVerwG vom 17.12.1998 NVwZ 1999, 984; vom 27.1.1999 NVwZ 1999, 878 = BayVBl 1999, 410; vom 24.2.2003 NuR 2004, 310). Im Hinblick auf diese Folgen ist die Festsetzung von Flächen, die von Bebauung freizuhalten sind, nur dann verhältnismäßig, wenn für den Ausschluss jeglicher Bebauung gewichtige Belange sprechen und diese die entgegenstehenden Eigentumsbelange überwiegen (Urteil des Senats vom 16.6.2006 1 N 03.2347). Besteht auf dem betroffenen Grundstück ein Recht zur Bebauung, kommt der normativen Entziehung desselben erhebliche Bedeutung im Rahmen der Abwägung zu; in die Abwägung ist insbesondere einzustellen, dass sich der Entzug der baulichen Nutzungsmöglichkeiten für den Betroffenen wie eine (Teil-) Enteignung auswirken kann (BVerfG vom 19.12.2002 a.a.O.).

Nach diesen Maßstäben verstößt die großflächige Festsetzung einer (grundsätzlich) von Bebauung freizuhaltenden Fläche gegen das Abwägungsgebot, weil sie dem Antragsteller bauliche Nutzungsmöglichkeiten entzieht, ohne dass entsprechend gewichtige öffentliche Belange diese Einschränkung des Eigentums rechtfertigen.

Die Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB beschränkt, soweit sie das Grundstück des Antragstellers betrifft, eine ausgeübte landwirtschaftliche Nutzung. Von dem Ausschluss der Bebauung ausgenommen ist lediglich die Fläche in der Mitte des Grundstücks, auf der sich die vorhandenen Gebäude des Pferdehaltungsbetriebs befinden; als Ausnahme zugelassen ist außerdem auf einer genau bestimmten Fläche die (bereits verwirklichte) Errichtung eines offenen Reitplatzes. Der Betrieb des Antragstellers ist damit, was die Errichtung baulicher Anlagen anbelangt, im Wesentlichen "auf den Bestand gesetzt"; die Errichtung neuer, auch kleinerer baulicher Anlagen, wie etwa eines Longierzirkels, ist nicht oder nur unter Erteilung einer Befreiung zulässig. Von den Beschränkungen des Bebauungsplans können Vorhaben betroffen sein, die der Sicherung oder Erweiterung des bestehenden Betriebs dienen, aber zum Beispiel auch Vorhaben im Rahmen einer Nutzungsänderung in eine andere Art von landwirtschaftlichem Betrieb. Dies bedeutet eine erhebliche Einschränkung des Baurechts auf dem Grundstück im Vergleich zu der vor dem Inkrafttreten des Bebauungsplans geltenden Rechtslage. Denn die als landwirtschaftlicher Betrieb zu qualifizierende Pensionspferdehaltung des Antragstellers gehört zu denjenigen Nutzungen, die nach der gesetzlichen Entscheidung des § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert dem Außenbereich zugewiesen sind. Zwar ist das Baurecht für die in § 35 Abs. 1 BauGB genannten Vorhaben, für die Gesetzgeber "sozusagen generell geplant" hat (BVerwG vom 6.12.1967 BVerwGE 28, 148/150 = NJW 1968, 1105), nur grundsätzlich und nicht in jeder Hinsicht vergleichbar mit den Bebauungsmöglichkeiten aufgrund der Festsetzungen eines qualifizierten Bebauungsplans (§ 30 Abs. 1 BauGB) oder mit der Zulässigkeit von Vorhaben im unbeplanten Innenbereich (§ 34 BauGB); im Unterschied zu diesen ist bei privilegierten Außenbereichsvorhaben insbesondere die Frage des konkreten Standortes in weitem Umfang der Prüfung im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren vorbehalten (vgl. BVerwG vom 20.1.1984 BVerwGE 68, 311/314 f. = NVwZ 1984, 367 = BayVBl. 1984, 471). Der Bebauungsplan der Antragsgegnerin geht jedoch über diese bauaufsichtlichen Kontrollmöglichkeiten entscheidend hinaus; die Festsetzung einer von jeglicher Bebauung freizuhaltenden Fläche macht ein Vorhaben pauschal und unabhängig davon unzulässig, ob öffentliche Belange im konkreten Einzelfall entgegenstehen. Die Kombination der Festsetzung einer Fläche für die Landwirtschaft mit einer diese in weitem Umfang überlagernden Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB kehrt so im Ergebnis das gesetzliche Modell der grundsätzlichen Zulässigkeit privilegierter Vorhaben (bei bauaufsichtlicher Einzelfallkontrolle) um in eine grundsätzliche Unzulässigkeit (mit der Möglichkeit allenfalls der Erteilung einer Befreiung).

Diesem weitgehenden Entzug baulicher Nutzungsmöglichkeiten stehen keine öffentlichen Belange von solchem Gewicht gegenüber, dass sie den Eingriff rechtfertigen könnten. Ungeachtet der Tatsache, dass die Antragsgegnerin mit dem Bestreben, den Talraum nördlich von ****** von Zersiedelung freizuhalten bzw. einer (weiteren) Zersiedelung entgegenzuwirken, ein legitimes städtebauliches Ziel verfolgt, ist - auch nach den Ergebnissen des Augenscheins - festzustellen, dass die Landschaft in dem betroffenen Bereich nicht mehr vorrangig durch ihre natürliche Eigenart, sondern in erheblichem Umfang durch vorhandene bauliche und sonstige Anlagen geprägt wird. Entlang des etwa 300 m langen Abschnitts der Staatsstraße **** vom nördlichen Ortsrand bis zur Gemeindegrenze befinden sich außer der Pensionspferdehaltung des Antragstellers gegenüberliegend ein zweiter (größerer) Reiterhof mit Haupt- und Nebengebäuden, Reitplatz, Longierzirkel und Koppelflächen sowie weitere Bauten (gemeindliches Pumpenhaus; Gebäude auf Fl.Nr. ****). Der Talraum wird gekreuzt von einer gut sichtbaren Hochspannungsfreileitung; über das Plangebiet verläuft ferner eine 20 kV-Freileitung. Eine wesentliche Ursache für die Beeinträchtigung des Landschaftsbilds und den Eindruck der Zersiedelung ist schließlich das Vorhandensein zahlreicher hoher Zäune, die die Freiflächen der beiden Pferdehaltungsbetriebe nach allen Richtungen hin umgeben und mehrfach unterteilen; der Bestand wie auch die Neuerrichtung von Umzäunungen bleiben von dem Bebauungsplan unberührt, weil hierfür eine ausdrückliche Ausnahme vorgesehen ist (Festsetzung A 2.3 Satz 4), die aus Gründen des Eigentumsschutzes für den bestehenden Betrieb auch geboten sein dürfte. Der Beitrag zur Verbesserung des landschaftlichen Gesamtbilds des Talraums, den die Festsetzung einer freizuhaltenden Fläche auf den Grundstücken Fl.Nrn. ****, **** und ****/1 vor dem Hintergrund dieser Vorbelastungen tatsächlich leisten kann, ist zu gering, um die unmittelbaren rechtlichen Nachteile und Einschränkungen, welche die Festsetzung zur Folge hat, auf allen betroffenen Flächen zu rechtfertigen. Hinreichend gewichtig erscheint nach dem Ergebnis des Augenscheins allenfalls das Planungsziel, die klare Begrenzung des nördlichen Ortsrandes auf der Westseite der Staatsstraße zu erhalten und zu verhindern, dass die Wohnbebauung infolge der Errichtung weiterer Anlagen nördlich des Ortsrandes mit den Gebäuden des Reiterhofes optisch zusammenwächst. Dieses Planungsziel würde den Einsatz des "scharfen Instruments" des § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB aber nur im Bereich der an den nördlichen Ortsrand anschließenden Grundstücke Fl.Nrn. ****/1 und **** rechtfertigen. Im (deutlich größeren) Bereich des Grundstücks Fl.Nr. **** sind ähnlich gewichtige Gründe nicht gegeben. Das gilt sowohl für die Teilfläche südlich der Gebäude, auf deren östlichem Drittel sich der Reitplatz befindet und über die die 20 KV-Leitung verläuft, als auch - erst recht - für die schmälere Fläche nördlich der Gebäude, die stärker von der Straße sowie den Anlagen des Betriebs auf der anderen Straßenseite und zudem von der die nordöstliche Ecke dieser Fläche berührenden Hochspannungsleitung geprägt ist. Jedenfalls auf diesen - flächenmäßig weit überwiegenden - Teilen der betroffenen Flächen stehen die sehr weitgehenden Einschränkungen infolge der Festsetzung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB außer Verhältnis zu dem Gewicht der für die Regelung ins Feld geführten öffentlichen Belange. Den Einwand, dass weitere bauliche Anlagen für den Pferdepensionsbetrieb nicht mehr nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnehmen und nicht in einer flächensparenden, den Außenbereich schonenden Weise ausgeführt würden, könnte die Antragsgegnerin einem Vorhaben des Antragstellers (wie der Errichtung eines Longierzirkels oder eines Reitparcours) auch entgegensetzen, wenn auch die von der Festsetzung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB betroffenen Flächen nur als Fläche für die Landwirtschaft festgesetzt würden; denn nach der nicht zu beanstandenden Zweckbestimmung der Flächen für die Landwirtschaft (A 2.1 der Festsetzungen) sind auf diesen nur privilegierte Vorhaben zulässig.

Der Abwägungsfehler ist auch erheblich, weil er offensichtlich ist und Einfluss auf das Abwägungsergebnis hatte (§ 233 Abs. 2 Satz 1, § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB). Die für die Abwägung maßgeblichen Umstände und die von der Antragsgegnerin angestellten Überlegungen und Gewichtungen ergeben sich aus der Bebauungsplanakte. Der Fehler hatte auch Einfluss auf das Abwägungsergebnis, weil er die tragenden Grundlagen der Entscheidung der Antragsgegnerin betrifft.

d) Die Unwirksamkeit der Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB führt zur Unwirksamkeit des gesamten Bebauungsplans.

Die Unwirksamkeit der Festsetzung einer Fläche für die Landwirtschaft, die grundsätzlich von Bebauung frei zu halten ist (A 2.3), betrifft den zentralen Punkt der Planung der Antragsgegnerin. Deshalb ist weder anzunehmen, dass die Antragsgegnerin den Bebauungsplan auch ohne die unwirksame Festsetzung beschlossen hätte, noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin die Festsetzung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB auf die beiden, an den nördlichen Ortsrand anschließenden Grundstücke beschränkt hätte. Die Feststellung einer Teilunwirksamkeit kommt deshalb nicht in Betracht.

3. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Entscheidung in Nr. I der Urteilsformel nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils ebenso veröffentlichen wie der Bebauungsplan bekannt zu machen wäre (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB).

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 72 Nr. 1 Halbsatz 1 GKG n. F., § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 GKG a.F. und orientiert sich an Nr. 7.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 1996 (NVwZ 1996, 563).

Ende der Entscheidung

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