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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 04.04.2006
Aktenzeichen: 1 N 04.1661
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB, BauNVO


Vorschriften:

VwGO § 47 VwGO
BauGB 1998§ 1 Abs. 6
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 6
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 10
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 15
BauGB § 42 Abs. 2
BauGB § 42 Abs. 3
BauGB § 214 Abs. 3 Satz 2
BauNVO § 1 Abs. 9
BauNVO § 16 Abs. 2
BauNVO § 16 Abs. 3
BauNVO § 22 Abs. 3
BauNVO § 22 Abs. 4
BauNVO § 23 Abs. 2
BauNVO § 23 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Im Namen des Volkes

1 N 04.1661

In der Normenkontrollsache

wegen

Unwirksamkeit des Bebauungsplans "******************";

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Langer

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 7. März 2006 am 4. April 2006 folgendes

Urteil:

Tenor:

I. Der Bebauungsplan "*******/******" der Gemeinde R****** ist unwirksam.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragstellerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan "*******/******" der Antragsgegnerin.

1. Der Gemeinderat der Antragsgegnerin beschloss am 11. April 2001 die Aufstellung des Bebauungsplans "*******/******". Der Bebauungsplan wurde am 21. April 2004 als Satzung beschlossen und am 18. Mai 2004 ortsüblich bekanntgemacht. Sein Geltungsbereich wird im Westen vom Ufer des R******s und im Osten von der D***straße, die in einem Abstand von ca. 40 bis 130 m zum Seeufer verläuft, sowie in einem kürzeren Abschnitt von der S**straße begrenzt; im Norden bildet das Grundstück *****. **, im Süden bilden die Grundstücke Fl.Nrn. ****** **** ***** und ***** die Grenze (Nord-Süd-Ausdehnung rund 600 m). Das Bebauungsplangebiet ist - mit unterschiedlicher Dichte - überwiegend bebaut.

Nach der Begründung zum Bebauungsplan liegt der Grundgedanke der Planung in der Erhaltung und Stärkung des baulichen Bestands in seiner gemischten Nutzung und Gebäudestruktur sowie ferner in der Erhaltung und Stärkung der Durchblicke von der D***straße zum See. Die bestehenden Grünflächen zwischen D***straße und Seeufer sollen bewahrt und auch langfristig nicht mehr "nachverdichtet" werden.

Soweit der Bebauungsplan Flächen als Baugebiet festsetzt, handelt es sich im nördlichen, teils noch durch Landwirtschaft geprägten Bereich um ein Dorfgebiet (MD), im südlichen Bereich um allgemeine Wohngebiete (WA). Für Gebäude - sowohl im Dorfgebiet als auch im allgemeinen Wohngebiet - ist die höchstzulässige Anzahl von Wohnungen bestimmt. Entlang des Seeufers sind durchgehend private Grünflächen, die - abhängig von der vorhandenen Bebauung - eine unterschiedliche Tiefe aufweisen, sowie eine kleine öffentliche Grünfläche festgesetzt. An insgesamt neun Stellen sind Flächen ausgewiesen, die als Sichtverbindungen zum See nicht bebaut und nur eingeschränkt bepflanzt werden dürfen. Diese Sichtschneisen unterscheiden sich erheblich in ihrer Fläche. Sie unterscheiden sich außerdem darin, dass zum Teil ein freier Durchblick zum See bereits besteht, zum Teil ein solcher Durchblick erst langfristig angestrebt wird, wenn derzeit vorhandene Nebengebäude, Zäune und Bepflanzung die Sicht nicht mehr verstellen (fotographische Dokumentation des Bestands in der Begründung zum Bebauungsplan).

2. Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Grundstücke Fl.Nrn. **, ** und ** Gemarkung R******, die im nördlichen Bereich des Bebauungsplangebiets liegen.

Auf dem Grundstück Fl.Nr. ** befindet sich die Hofstelle des landwirtschaftlichen Betriebs der Antragstellerin und ihres Ehemanns mit Betriebsleiterwohnung und drei Ferienwohnungen. Das Grundstück liegt nach dem Bebauungsplan im Dorfgebiet; die Zahl der Wohnungen ist auf fünf beschränkt.

Bei den Grundstücken Fl.Nrn. ** und ** handelt es sich um einen privaten Garten, der teilweise auch von Feriengästen genutzt wird. Auf dem Grundstück Fl.Nr. ** befindet sich ein Nebengebäude. Die Grundstücke Fl.Nrn. ** und ** sind im Bebauungsplan vollständig als private Grünfläche ausgewiesen; etwa durch die Mitte der von beiden Grundstücken gebildeten Fläche verläuft eine freizuhaltende Sichtschneise. Im Bebauungsplanverfahren erhobene Einwendungen der Antragstellerin gegen diese Festsetzungen sind von der Antragsgegnerin zurückgewiesen geworden.

3. Mit dem am 21. Juni 2004 gestellten Normenkontrollantrag macht die Antragstellerin geltend, dass der Bebauungsplan aus mehreren Gründen unwirksam sei.

Die textliche Festsetzung Nr. C.1.7, wonach Einzelhandelsbetriebe nur bis zu einer Verkaufsfläche von maximal 300 qm zulässig sind, finde keine Grundlage in § 1 Abs. 4 bis 9 BauNVO; die so umschriebenen Einzelhandelsbetriebe stellten keinen eigenständigen Nutzungstyp dar.

Für die Beschränkung der Zahl der Wohnungen im Bereich des Dorfgebiets fehle insgesamt die städtebauliche Rechtfertigung. Solche Beschränkungen seien für gemischt zu nutzende Gebäude - wie dem auf Grundstück Fl.Nr. ** - unzulässig; Ferienwohnungen dürften in die Zahl der Wohnungen nicht eingerechnet würden.

Unwirksam sei schließlich die Festsetzung einer privaten Grünfläche, zum Teil als Sichtschneise, jedenfalls für die Grundstücke Fl.Nrn. ** und ** der Antragstellerin. Verbindliche Ziele der Raumordnung, die eine Anpassungspflicht der Antragsgegnerin begründen könnten, lägen nicht vor. Die Planung sei bereits im Abwägungsvorgang fehlerhaft, weil die privaten Belange der Antragstellerin in unzutreffendem Umfang und mit zu geringem Gewicht berücksichtigt worden seien. Die Antragsgegnerin habe verkannt, dass der Bebauungsplan bestehendes Baurecht entziehe, weil die Grundstücke Fl.Nrn. ** und ** innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile lägen. Hierin liege ein offensichtlicher Mangel, der auch auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sei. Die Festsetzung einer privaten Grünfläche sei auch im Ergebnis unhaltbar, weil sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentum der Antragstellerin darstelle. Darstellungen im Flächennutzungsplan rechtfertigten keinen Entzug von Baurecht; im Übrigen seien die Grundstücke nicht von dem Grüngürtel zum See, sondern von der umliegenden Bebauung geprägt. Eine Sichtschneise zum See sei derzeit nicht vorhanden und lasse sich mit den Mitteln des Bebauungsplans auch langfristig nicht verwirklichen. Die Antragsgegnerin habe nicht einmal den Versuch eines verhältnismäßigen Ausgleichs der kollidierenden Belange unternommen; es wäre ohne weiteres möglich, Teilflächen der Grundstücke der Antragstellerin für eine Bebauung zu öffnen und durch die Anordnung der überbaubaren Fläche sicherzustellen, dass über die Restflächen ein Durchblick zum See künftig vielleicht einmal entstehen kann.

In der Gesamtschau sei der Bebauungsplan zumindest für den Bereich des Dorfgebiets und der daran zum See hin anschließenden Grünflächen unwirksam.

Die Antragstellerin beantragt,

den Bebauungsplan "*******/******" der Gemeinde R****** vom 21. April 2004 für unwirksam zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die textliche Festsetzung Nr. 1.7 sei zulässig; Einzelhandelsläden mit geringer Verkaufsfläche (Nachbarschaftsläden) stellten einen Anlagetyp im Sinne von § 1 Abs. 9 BauNVO dar. Unabhängig davon würde eine eventuelle Unwirksamkeit dieser Festsetzung die Gültigkeit des Bebauungsplans im Übrigen nicht berühren.

Nicht zu beanstanden sei ferner die Beschränkung der Wohnungszahl. Sie sei auch in Dorfgebieten zulässig, um unerwünschte Umstrukturierungen zu verhindern. Ferienwohnungen dienten der Wohnnutzung, nicht der Beherbergung.

Die Festsetzung privater Grünflächen auf den Grundstücken Fl.Nrn. ** und ** stehe im Einklang mit den Zielen der Raumordnung. Nach dem Landesentwicklungsprogramm 2003 sollen Seeuferbereiche von einer Bebauung freigehalten sowie naturnahe Landschaftselemente erhalten und durch ergänzende Flächen zu einem System von Grünzügen weiterentwickelt werden; nach dem Regionalplan ******* handle es sich beim R****** um einen ökologisch und gestalterisch wertvollen See. Angesichts der konkreten örtlichen Situation bestehe ein qualitativ bedeutsames öffentliches Interesse an der Freihaltung und langfristigen Schaffung von Sichtschneisen. Die Antragsgegnerin habe bei der Abwägung die privaten Interessen der Grundstückseigentümer berücksichtigt, den öffentlichen Belangen jedoch Vorrang eingeräumt. Die privaten Belange seien durch die Situationsgebundenheit der betroffenen Grundstücke (Seeufernähe, Schutzwürdigkeit der Landschaft) in ihrer Bedeutung gemindert. Außerdem komme den Eigentümerbelangen nach Ablauf der Sieben-Jahres-Frist des § 42 Abs. 2 BauGB in der Abwägung ein geringeres Gewicht zu. Etwaige Mängel im Abwägungsvorgang seien gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB unerheblich und jedenfalls nicht kausal für das Abwägungsergebnis.

Die Landesanwaltschaft Bayern hat sich als Vertreter des öffentlichen Interesses am Verfahren beteiligt. Sie hält den Antrag im Ergebnis für unbegründet. Die Grundstücke Fl.Nrn. ** und ** seien zwar vor Aufstellung des Bebauungsplans nach § 34 BauGB zu beurteilen gewesen; der Schutz vor entschädigungslosem Entzug sei jedoch nach § 42 Abs. 2 BauGB entfallen.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, auch des Parallelverfahrens 1 N **.*****, und auf die von der Antragsgegnerin vorgelegten Bebauungsplanakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der zulässige Antrag hat Erfolg. Der Bebauungsplan "*******/******" der Antragsgegnerin ist unwirksam.

Zwar sind die von der Antragsstellerin angegriffenen Festsetzungen zur Verkaufsfläche von Einzelhandelsbetrieben und zur höchstzulässigen Zahl von Wohnungen in Wohngebäuden nicht zu beanstanden (1.). Fehlerhaft sind jedoch die Festsetzungen von privaten Grünflächen und von einzelnen der freizuhaltenden Sichtschneisen, ferner - wegen des Fehlens von Festsetzungen zur Grundflächenzahl oder zur Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen - die Festsetzungen zum Nutzungsmaß sowie schließlich zwei Detailregelungen zur Zulässigkeit von Nebenanlagen und zu Abweichungen von den Abstandsflächenvorschriften (2.). Die Unwirksamkeit dieser Festsetzungen führt zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans (3.).

1. Die Beschränkungen bzw. Bestimmungen, die der Bebauungsplan hinsichtlich der Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben in den Baugebieten (a) und der Zahl von Wohnungen in Wohngebäuden (b) trifft, sind wirksam.

a) Die Festsetzung, dass Einzelhandelsbetriebe nur bis zu einer Verkaufsfläche von maximal 300 qm zulässig sind (C.1.7), ist von der Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs. 9 BauNVO gedeckt.

Im Rahmen der Vorschriften, die die Gemeinde zu einer "Feinsteuerung" der in den Baugebieten zulässigen Nutzungen und Anlagen ermächtigen (§ 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO), gestattet es § 1 Abs. 9 BauNVO, einzelne Unterarten von Nutzungen mit planerischen Festsetzungen zu erfassen. Gegenstand einer solchen Festsetzung können allerdings nur bestimmte Anlagentypen sein. Unproblematisch sind insoweit Gattungsbezeichnungen oder ähnliche typisierende Beschreibungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist es Gemeinden jedoch nicht grundsätzlich verwehrt, auch auf die Größe von Anlagen - wie etwa auf die Verkaufs- oder Geschossfläche von Einzelhandelsbetrieben - abzustellen, sofern durch die Größenangabe "bestimmte Arten" von Anlagen im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO zutreffend gekennzeichnet werden. Die Gemeinde muss dazu darlegen, warum Betriebe unter bzw. über den von ihr festgesetzten Größen generell oder doch jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Verhältnisse einem bestimmten Anlagentyp entsprechen (vgl. BVerwG vom 8.11.2004 NVwZ 2005, 324 mit weiteren Nachweisen).

Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Festsetzung. Aus der Begründung des Bebauungsplans (Nr. 3.1.3) ergibt sich, dass die Antragsgegnerin die Einzelhandelsversorgung im Altortbereich in einem "dorfverträglichen Maß" verbessern und fördern möchte. Die Festlegung der zulässigen Verkaufsfläche auf maximal 300 qm entspreche der möglichen Nutzung eines ehemals landwirtschaftlichen genutzten Gebäudes im Erdgeschoss. Damit ist, auch wenn dieser Begriff nicht ausdrücklich verwendet wird, hinreichend positiv der Typ eines "Dorfladens" als eine bestimmte Art der im Dorfgebiet allgemein zulässigen Einzelhandelsbetriebe (§ 5 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO) bzw. als eine besondere Form der im allgemeinen Wohngebiet zulässigen Läden (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BauBNVO) umschrieben, der sich in die örtlichen Verhältnisse und in die vorhandene und nach dem Bebauungsplan zu erhaltende Gebäude- und Nutzungsstruktur einfügt.

b) Die durch Planzeichen erfolgte - durchgängige - Festsetzung der höchstzulässigen Zahl von Wohnungen (A.3.1) findet ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB. Dies gilt auch, soweit sie die Grundstücke Fl.Nrn. *** *** *** ** und ** erfasst, auf denen nach der textlichen Festsetzung C.1.2 im Erdgeschoss der Hauptgebäude jeweils nur die Nutzungen gemäß § 5 Abs. 2 Nrn. 1, 4, 5, 6 und 7 BauNVO zulässig sind, es sich also nicht um ausschließlich zu Wohnzwecken, sondern um "gemischt" zu nutzende Gebäude handelt.

Die geltende Fassung von § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB beruht auf Art. 1 Nr. 13 Buchstabe a) dd) des Gesetzes über das Baugesetzbuch vom 8. Dezember 1986 (BGBl I. S. 2191/2194). Nach der Begründung zum damaligen Regierungsentwurf ist die Regelung insbesondere für Gebiete gedacht, "in denen durch Begrenzung der Zahl der zulässigen Wohnungen unerwünschte Umstrukturierungen der städtebaulichen Eigenart des Gebiets verhindert werden sollen, andererseits jedoch Beschränkungen hinsichtlich des zulässigen Maßes der Nutzung unverhältnismäßig wären" (BR-Drs. 575/85 Seite 72). In Betracht kommen soll eine Begrenzung der Wohnungszahl vor allem in Baugebieten, "die Fremdenverkehrsfunktionen erfüllen, und in Dorfgebieten, wenn es durch Errichtung einer größeren Zahl von Wohnungen in Gebäuden - unter Einhaltung des zulässigen Bauvolumens - und auf diese Weise durch ein Überhandnehmen von Wohnungen zu Beeinträchtigungen der städtebaulichen Funktion kommen würde" (BR-Drs 575/85 a. a. O.; vgl. auch Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, Stand Januar 2005, § 9 RdNr. 69 ff.). Dieser Gesetzeszweck rechtfertigt es, ein Gebäude schon dann als Wohngebäude im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB anzusehen, wenn es auch dem Wohnen dient und wenn die Wohnnutzung im Verhältnis zu den anderen Nutzungen nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (Urteil des Senats vom 13.4 2006 Az. 1 N 04.3519; ähnlich Löhr in Battis/ Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Aufl 2005, § 9 RdNr. 29; vgl. auch BVerwG vom 8.10.1998 BVerwGE 107, 256/259 = NVwZ 1999, 415 und Gierke in Brügelmann, Baugesetzbuch, Stand September 2005, § 9 RdNr. 167).

Diese Voraussetzung ist nicht nur bei den (weitaus überwiegenden) "reinen" Wohngebäuden im Plangebiet, sondern auch bei den "gemischt" zu nutzenden Gebäuden auf den oben genannten fünf Grundstücken erfüllt, weil sich der Ausschluss der Wohnnutzung dort jeweils nur auf das Erdgeschoss bezieht und im Übrigen eine Zahl von (maximal) vier bis sechs Wohnungen je Gebäude zugelassen ist. Damit ist zugleich der in dem Normenkontrollantrag gezogenen - bereits für sich genommen zweifelhaften - Folgerung, dass die (angenommene) Unwirksamkeit der Beschränkung der Wohnungszahl in "gemischt genutzten" Gebäuden auch die entsprechenden Beschränkungen bei "reinen" Wohngebäuden hinfällig machen würde, die Grundlage entzogen.

Die weitere - auch von den Beteiligten nicht vertiefte - Frage, ob die für die einzelnen Gebäude im Plangebiet konkret festgesetzte Höchstzahl von Wohnungen in jedem Fall auf einer fehlerfreien Abwägung der betroffenen Eigentumsbelange beruht, lässt der Senat offen. Was speziell die Anrechnung von "Ferienwohnungen" auf die festgesetzte Wohnungszahl betrifft, so handelt es sich zudem im Schwerpunkt wohl nicht um ein Problem der Normenkontrolle nach § 47 VwGO. Denn die Frage, ob die Vermietung von Wohnraum an Feriengäste bauplanungsrechtlich als "Wohnnutzung" oder aber als "Beherbergung" einzustufen ist, betrifft nicht in erster Linie die Ebene der Wirksamkeit der satzungsmäßigen Festsetzungen, sondern deren Anwendung auf bestimmte Nutzungssachverhalte, die je nach den konkreten Umständen der Wohnraumüberlassung möglicherweise unterschiedlich zu beurteilen sind.

2. Der Bebauungsplan verstößt jedoch aus anderen Gründen gegen materielles Recht. Fehlerhaft sind die Festsetzungen von privaten Grünflächen (a) und von einzelnen Sichtschneisen (b), das Fehlen von Festsetzungen zur Grundflächenzahl oder zur Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen (c) sowie zwei Detailregelungen betreffend die Zulässigkeit von Nebengebäuden (d) und die "Ausnahme" von den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften (e).

a) Die Ausweisung von privaten Grünflächen (A.2.3.2) ist in dem vom Bebauungsplan festgesetzten Umfang nicht abwägungsgerecht (§ 1 Abs. 6 BauGB 1998).

Die Festsetzung einer Grünfläche gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB setzt zum einen eine eigene städtebauliche Funktion und Zweckbestimmung dieser Fläche voraus; zum anderen sind wegen der mit der Festsetzung verbundenen Einschränkungen für die Nutzbarkeit des Grundstücks die betroffenen Eigentumsbelange zu beachten. Aus beiden Gesichtspunkten ergeben sich insbesondere bei bebauten oder bebaubaren Grundstücken Grenzen für den Umfang, in dem die nicht überbaubaren Flächen solcher Grundstücke für die Festsetzung privater Grünflächen in Anspruch genommen werden dürfen. Der mit der Festsetzung verfolgte Zweck wird es in der Regel nicht erfordern oder rechtfertigen, die Grünfläche unmittelbar bis an die Außenwand eines Gebäudes oder an die Grenze eines eng gefassten Bauraums heranreichen zu lassen. Bei einer solchen Regelung kommt das rechtlich geschützte Interesse des Grundstückseigentümers an einem gewissen "Umgriff" um die vorhandene oder zugelassene Bebauung für die auch außerhalb eines Bauraums zulässigen Nutzungen und Anlagen im Allgemeinen zu kurz (vgl. Urteil des Senats vom 8.7.2004 Az. 1 N 01.590).

Diesen Maßgaben trägt die vorliegende Grünflächenfestsetzung nicht hinreichend Rechnung. Die Antragsgegnerin verfolgt mit ihr zwar den legitimen Zweck, einen - im nördlichen Teil des Plangebiets teilweise durch Bebauung unterbrochenen, im Übrigen aber intakten - "Grüngürtel zum See" zu sichern. Die Grünflächenfestsetzung stellt daher nicht, wie im Parallelverfahren 1 N **.***** geltend gemacht wird, eine nach § 1 Abs. 3 BauGB unzulässige "Negativ-" oder "Verhinderungsplanung" dar. Die Festsetzung ist ferner auch nicht deswegen ungültig, weil sie in der Beschreibung des Planzeichens keinen über den allgemeinen Nutzungszweck als private Grünfläche hinausgehenden speziellen Nutzungszweck - etwa im Sinne der in § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB aufgeführten Beispiele - benennt (BVerwG vom 23.4.1998 NVwZ 1998, 1179). Fehlerhaft, nämlich deutlich "überdimensioniert" ist jedoch der Umfang der in Anspruch genommenen privaten Grundstücksflächen. Die konkrete Festsetzung der Grünflächen beschränkt sich großenteils nicht, wie es der Zweckbestimmung entspräche, auf den zu sichernden Uferbereich, sondern erstreckt sich auf praktisch die gesamte nicht überbaubare Fläche zwischen dem See und einer - sich mehr oder weniger weit vom Seeufer entfernenden - Linie, die der vorhandenen Bebauung bzw. den festgesetzten Bauräumen folgt und zum Teil - etwa im Bereich des Grundstücks Fl.Nr. **** (Antragstellerin zu 1 im Parallelverfahren 1 N **.*****) - bis an die Dorfstrasse reicht. In der südlichen Hälfte, aber auch am nördlichen Ende des Plangebiets schließt die Grünfläche unmittelbar oder in minimalem Abstand an die Seeseite der Gebäude oder Bauräume an. Das Gebäude auf dem Grundstück Fl.Nr. ** ist vollständig (inselartig) von der Grünfläche umgeben. Die vom Ufer zurückgesetzten, zum Teil hinter dem Gebäude auf Fl.Nr. ** liegenden und überwiegend dem Innenbereich zuzurechnenden (dazu nachfolgend 2 b) Grundstücke Fl.Nrn. ** und ** der Antragstellerin sind ebenfalls zur Gänze als Grünfläche festgesetzt. Diese Ausdehnung der Grünflächen ist weder durch den Zweck der Festsetzung geboten noch mit den durch die Eigentumsgarantie geschützten Nutzungsinteressen vereinbar. Die Bedenken gegen den Umfang der Grünflächenausweisung werden auch nicht dadurch ausgeräumt, dass die Grünflächen zwar nicht mit Garagen oder Carports (Festsetzung C.1.6), im Übrigen aber offenbar ohne weitere Einschränkung mit Nebenanlagen gemäß § 14 BauNVO bebaut werden dürfen (Begründung des Bebauungsplans Seite 10). Die Notwendigkeit einer solchen "Öffnung" für Nebenanlagen bestätigt lediglich, dass die Antragsgegnerin mit der Festsetzung privater Grünflächen zum Teil über ihr Ziel "hinausgeschossen" ist. Auf der anderen Seite bleibt unklar, wie sichergestellt sein soll, dass sich die danach zulässigen Nebenanlagen im Rahmen der Zweckbestimmung der Grünfläche halten.

Der Abwägungsfehler, der in der zu weitreichenden Festsetzung von privaten Grünflächen liegt, ist erheblich, weil er offensichtlich ist und Einfluss auf das Abwägungsergebnis hatte (§ 233 Abs. 2 Satz 1, § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB). Offensichtlich ist der Fehler, weil sich die für die Abwägung maßgeblichen Umstände und die von der Antragsgegnerin angestellten Überlegungen und Gewichtungen aus der Bebauungsplanakte ergeben (siehe insbesondere den Auszug aus der Niederschrift über die Gemeinderatssitzung vom 21.4.2004, Bl. 177 ff. der Bebauungsplanakte). Der Fehler hatte auch Einfluss auf das Abwägungsergebnis, weil anzunehmen ist, dass die Antragsgegnerin die Grünflächen mit einem geringeren Umfang festgesetzt hätte, wenn sie die vorstehenden Gesichtspunkte bei der Abwägung berücksichtigt hätte. Da sich dem Bebauungsplan jedoch keine rechtssichere Abgrenzung eines "Grüngürtels zum See" entnehmen lässt, ist die Festsetzung privater Grünflächen (A.2.3.2) insgesamt unwirksam.

b) Auch die Festsetzung von Sichtschneisen, die von jeder Bebauung freizuhalten sind (A.2.3.3), führt zum Teil zu unverhältnismäßigen und damit abwägungsfehlerhaften (§ 1 Abs. 6 BauGB 1998) Einschränkungen des Grundeigentums.

Die Festsetzung von Flächen, die von der Bebauung freizuhalten sind, findet ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB. Sie kann, wie im vorliegenden Fall, andere Festsetzungen überlagern. Darauf hinzuweisen ist allerdings, dass die Beschreibung der (durch Planzeichen festgesetzten) Sichtschneisen als "private Grünflächen, die als Sichtverbindung zum See nicht bebaut und nur eingeschränkt bepflanzt werden dürfen", zumindest missverständlich ist, weil die Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB nicht nur Grünflächen, sondern - im Bereich der Grundstücke Fl.Nrn. *** *** ***** **** sowie insbesondere *** - auch als Dorf- oder allgemeines Wohngebiet ausgewiesene Bauflächen überlagern.

Bei der Festsetzung freizuhaltender Flächen muss die Gemeinde die damit verfolgten Belange des Gemeinwohls und die schutzwürdigen Interessen der Eigentümer unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitssatzes im Rahmen der Abwägung in ein ausgewogenes Verhältnis bringen (vgl. dazu BVerfG vom 19.12.2002 NVwZ 2003, 727). Dabei hat die Gemeinde zu beachten, dass die mit einer Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB verbundene Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums an den überplanten Grundstücken (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) die Eigentümerbefugnisse sehr weitgehend einschränkt. Die Tatsache, dass nach § 40 Abs. 1 Nr. 12, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BauGB ein Übernahmeanspruch des Eigentümers bestehen kann, bestätigt dies (vgl. zum Ganzen BVerwG vom 27.1.1999 NVwZ 1999, 878 = BayVBl 1999, 410, vom 17.12.1998 NVwZ 1999, 984; vom 24.2.2003 NuR 2004, 310). Im Hinblick auf ihre einschneidenden Folgen ist eine Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB daher nur dann verhältnismäßig, wenn für den Ausschluss jeglicher Bebauung gewichtige Belange sprechen und diese die entgegenstehenden Eigentumsbelange überwiegen (Urteil des Senats vom 16.6.2006 1 N 03.2347). Besteht auf dem betroffenen Grundstück ein Recht zur Bebauung, kommt der normativen Entziehung desselben erhebliche Bedeutung im Rahmen der Abwägung zu; in die Abwägung ist insbesondere einzustellen, dass sich der Entzug der baulichen Nutzungsmöglichkeiten für den Betroffenen wie eine (Teil-) Enteignung auswirken kann (BVerfG vom 19.12.2002 a.a.O.).

Nach diesen Maßstäben sind nicht alle Festsetzungen von Sichtschneisen mit der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) vereinbar.

Zwar ist das Ziel der Antragsgegnerin, Durchblicke von der D***straße zum See zu erhalten und zum Teil auch erst herzustellen, hinreichend gewichtig, um Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB grundsätzlich zu rechtfertigen. Die in der Begründung des Bebauungsplans enthaltenen Fotographien zeigen, dass die zu sichernden Ausblicke auf den See und die dahinter liegende Landschaft und Gebirgskette von bemerkenswerter Schönheit sind; die Bedeutung der Sichtverbindungen ergibt sich ferner daraus, dass für die Öffentlichkeit ein unmittelbarer Zugang zum See im Ortsbereich nur auf einem kleinen (als öffentliche Grünfläche festgesetzten) Badeplatz möglich ist. Ob und inwieweit auch das Landesentwicklungsprogramm und der Regionalplan die Planung der Antragsgegnerin fordern oder unterstützen, kann dahingestellt bleiben; die verfolgte Konzeption ist - dem Grundsatz nach - aus sich heraus hinreichend tragfähig.

Die öffentlichen Belange sind jedoch nicht bei jeder einzelnen der festgesetzten Sichtschneisen geeignet, die entgegenstehenden Eigentumsinteressen zu überwinden. Dies gilt insbesondere für die Festsetzung von Sichtschneisen, die die Grundstücke Fl.Nrn. ** und ** der Antragstellerin sowie die Grundstücke Fl.Nrn. ** und **** der Antragsteller in dem Parallelverfahren 1 N **.***** betreffen. Diese Festsetzungen sind unwirksam.

Die durch die Grundstücke Fl.Nrn. ** und ** gebildete Fläche liegt wohl insgesamt, zumindest aber in ihrem auf drei Seiten von Gebäuden (auf den Grundstücken Fl.Nrn. *** *** *** ** und **) umgebenen Teil im planungsrechtlichen Innenbereich (§ 34 BauGB). Auf ihr war vor Inkrafttreten des Bebauungsplans die Errichtung von jedenfalls einem Wohngebäude zulässig. Dieses Baurecht ist durch die Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB vollständig entzogen; eine Bebauung kommt, auch wenn man die weitere Festsetzung einer privaten Grünfläche auf beiden Grundstücken (siehe oben 2 a) außer Betracht lässt, nicht mehr sinnvoll in Betracht, weil die Fläche von der freizuhaltenden Sichtschneise in erheblicher Breite mittig durchschnitten wird. Dieser weitreichende Eingriff in die Nutzbarkeit der Grundstücke verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Entzug des Baurechts ist insbesondere nicht bereits deshalb zulässig, weil die Antragstellerin innerhalb der Siebenjahresfrist des § 42 Abs. 2 und 3 BauGB von den ihr offenstehenden baulichen Nutzungsmöglichkeiten keinen Gebrauch gemacht hat. Auch ein gemäß § 42 Abs. 3 BauGB entschädigungsfreier Eingriff ist nicht voraussetzungslos zulässig; er ist entschädigungsfrei, wenn er zulässig ist, aber er ist nicht schon deshalb zulässig, weil er entschädigungsfrei wäre. Auch wenn die Antragstellerin - auf der Ebene des Sekundärrechtsschutzes - also keine Entschädigung verlangen könnte, bedeutet das nicht, dass sie sich - auf der Ebene des Primärrechtsschutzes - gegen die Aufhebung bestehender Nutzungsmöglichkeiten nicht auf die Eigentumsgarantie berufen kann. Ob an der im Urteil des Senats vom 3. September 2002 (BayVBl 2003, 273) vertretenen, von der Antragsgegnerin zitierten Rechtsprechung festzuhalten ist, dass sich die Wertungen des Planungsschadensrechts auf die Beurteilung von Festsetzungen eines Bebauungsplans zumindest in der Weise auswirken, dass sich das Gewicht privater Eigentumsbelange nach Ablauf der Siebenjahresfrist des § 42 Abs. 2 und 3 BauGB verringert, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Denn auch wenn man von einer solchen "Vorwirkung" des Planungsschadensrechts zulasten der Antragstellerin ausgeht, vermögen die öffentlichen Belange, die für die über die Grundstücke Fl.Nrn. ** und ** verlaufende Sichtschneise angeführt werden, nach den konkreten Umständen des Sachverhalts den Eingriff nicht zu rechtfertigen. Der Durchblick zum See wird - wie aus den in der Begründung des Bebauungsplans befindlichen sowie von der Antragstellerin vorgelegten Fotographien ersichtlich ist - im Bereich der festgesetzten Sichtschneise derzeit von Zäunen, Bepflanzung und bestandsgeschützten Nebengebäuden verstellt. Die Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB soll hier demgemäß auch nicht dem Erhalt einer vorhandenen, sondern der Herstellung einer künftigen Sichtverbindung dienen. Während der Entzug des Baurechts auf den betroffenen Grundstücken jedoch definitiv ist, bleibt die Verwirklichung der Sichtverbindung letztlich eine vage Aussicht. Hinzu kommt, dass sich nicht weit nördlich und südlich der Sichtschneise weitere durch Festsetzungen gesicherte, zum Teil besonders markante Durchblicke auf den See befinden; insofern hat die - in ihrem Entstehen ungewisse - Sichtschneise über die Grundstücke der Antragstellerin keine besondere oder gar tragende Bedeutung in der planerischen Konzeption der Antragsgegnerin. Schließlich erscheint es auch nicht ausgeschlossen, die von Bebauung freizuhaltende Fläche geringer zu dimensionieren - etwa so wie die unmittelbar südlich gelegene, über die Grundstücke Fl.Nrn. **, ** und ** verlaufende Sichtschneise - und sie so zu führen, dass auf den Grundstücken Fl.Nrn. ** und ** gleichwohl zumindest eine Möglichkeit der Bebauung verbleibt.

Aus ähnlichen Gründen stellt auch die Festsetzung der im südlichen Teil des Plangebiets gelegenen, der Fläche nach größten Sichtschneise, die sich über die Grundstücke Fl.Nrn. ** und **** sowie Fl.Nrn. ** und **** (Antragsteller in dem Parallelverfahren 1 N **.*****) erstreckt, eine unverhältnismäßige und damit abwägungsfehlerhafte Einschränkung des Grundeigentums dar. Die betroffenen Grundstücke liegen mit ihrer jeweils östlichen, zur D***straße bzw. zum Steigweg hin gewandten Teilfläche im Innenbereich (§ 34 BauGB). Dort bestehende bauliche Nutzungsmöglichkeiten unterfallen, auch wenn sie - wie im Falle des Grundstücks Fl.Nr. **** - innerhalb der Siebenjahresfrist des § 42 Abs. 2 und 3 BauGB nicht ausgeübt worden sind, aus den dargelegten Gründen grundsätzlich dem Schutz der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG). Während auf drei der vier Grundstücke (Fl.Nrn. *** **** und **) immerhin im jeweils östlichen Teil Bauräume ausgewiesen sind, ist das Grundstück Fl.Nr. **** - zusätzlich zu der Festsetzung einer privaten Grünfläche (dazu siehe oben 2 a) - nahezu ganz mit einer freizuhaltenden Sichtschneise überplant. Jedenfalls dieser vollständige Entzug bis dahin bestehenden Baurechts ist nicht durch das öffentliche Interesse an der Sicherung des Durchblicks auf See und Gebirge gerechtfertigt. Zwar sind vorliegend die öffentlichen Belange höher zu veranschlagen als im Falle der die Grundstücke der Antragstellerin betreffenden Festsetzung, weil es sich hier um eine nicht erst herzustellende, sondern bereits vorhandene und durchaus beeindruckende Sichtverbindung handelt. Das von der D***straße aus eröffnete "Sichtfenster" ist jedoch so breit, dass sich das öffentliche Interesse an der Sicherung eines Durchblicks und das private Interesse am Erhalt bestehenden Baurechts nicht gegenseitig ausschließen. Wie die von den Antragstellern des Parallelverfahrens 1 N **.***** bereits im Planaufstellungsverfahren vorgelegten Skizzen illustrieren (VGH-Akte Bl. 65/66), ist es auch bei einer nur vergleichsweise geringen Schmälerung oder einer Teilung der Sichtschneise möglich, mindestens auf dem Grundstück Fl.Nr. **** die Möglichkeit einer substantiellen Bebauung aufrecht zu erhalten und wohl auch die Bebaubarkeit anderer betroffener Grundstücke zu verbessern. Bei dieser Sachlage ist der weitreichende Eingriff in das Eigentum, insbesondere an dem Grundstück Fl.Nr. ****, unverhältnismäßig und damit abwägungsfehlerhaft.

Ob ähnliche Erwägungen auch für das Grundstück Fl.Nr. ** gelten, soweit dieses im Innenbereich liegen sollte, kann offen bleiben, weil dies für die gerichtliche Entscheidung (unten 3.) nicht mehr erheblich ist.

Auch die Abwägungsfehler bei der Festsetzung der Sichtschneisen sind erheblich, weil sie offensichtlich sind und Einfluss auf das Abwägungsergebnis hatten (§ 233 Abs. 2 Satz 1, § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB). Das zur Festsetzung privater Grünflächen Gesagte (oben 2 a am Ende) gilt hier entsprechend.

c) Die Festsetzungen des Bebauungsplans zum Nutzungsmaß sind deshalb fehlerhaft, weil sie keine Festsetzungen zur Grundflächenzahl oder zur Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen enthalten (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO).

Der Bebauungsplan enthält zwar weder bei den Festsetzungen durch Planzeichen (A.) noch bei den textlichen Festsetzungen (C.) ausdrücklich als solche bezeichnete Bestimmungen zum Maß der baulichen Nutzung. Wohl auch im Hinblick darauf ist der Bebauungsplan lediglich als einfacher Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 3 BauGB beschlossen worden. Der Bebauungsplan setzt jedoch für jeden einzelnen Bauraum Haustypen fest, wobei teilweise ein Typ zwingend vorgeschrieben ist, teilweise zwei Typen zur Wahl stehen. Für die insgesamt drei Haustypen (A, B, C) werden nähere Festsetzungen getroffen (C.4.9), die bei allen drei Typen die Höhe der baulichen Anlage (traufseitige Außenwandhöhe) und im Falle der Typen A und B zusätzlich auch die Zahl der Vollgeschosse regeln. Auch wenn sie in erster Linie baugestalterisch motiviert sein mögen, entsprechen diese Regelungen zwei der von der Baunutzungsverordnung zur Verfügung gestellten Maßbestimmungsfaktoren (§ 16 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 BauNVO) und stellen deshalb ihrer Form und Wirkung nach Festsetzungen des Maßes der baulichen Nutzung dar. Regelt ein Bebauungsplan aber das Maß der baulichen Nutzung, so muss er die nach § 16 Abs. 3 BauNVO gebotenen Mindestfestsetzungen treffen. Das Festsetzungsgebot des § 16 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO gilt dabei auch dann, wenn - wie hier geschehen - gemäß § 23 BauNVO die überbaubaren Grundstücksflächen festgesetzt werden (BVerwG vom 18.12.1995 NVwZ 1996, 894).

Die Antragsgegnerin hat es versäumt, die erforderlichen Festsetzungen zur Grundflächenzahl oder aber zur Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO) zu treffen. Dieser Fehler kann nicht etwa durch entsprechende ergänzende Festsetzungen im Urteil behoben werden. Rechtsfolge des Unterlassens der Antragsgegnerin ist deshalb, dass die Regelungen des Bebauungsplans zur Zahl der Vollgeschosse und zur Gebäudehöhe (C.4.9) unwirksam sind, weil sie als Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen genügen.

d) Unwirksam ist auch die Festsetzung C.1.2.2, wonach bei bestimmten Grundstücken landwirtschaftliche Nebengebäude sowie Garagen und Nebenanlagen gemäß § 14 BauNVO auch außerhalb der Baugrenzen zulässig sind.

Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 3 BauNVO können in dem Fall, dass - wie hier - Baugrenzen festgesetzt sind, in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang bestimmte Ausnahmen von dem Verbot, dass Gebäude und Gebäudeteile die Baugrenze nicht überschreiten dürfen, vorgesehen werden. Macht die Gemeinde von dieser Ermächtigung Gebrauch, so erlässt sie eine Regelung im Sinne von § 31 Abs. 1 BauGB; sie schafft die Voraussetzung dafür, dass die Bauaufsichtsbehörde im Wege einer Ermessensentscheidung im Einzelfall eine Ausnahme von den im Bebauungsplan festgesetzten Baugrenzen zulassen kann. § 23 Abs. 3 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 3 BauNVO ermächtigt jedoch nicht zu Festsetzungen, die keinen Ausnahmetatbestand normieren, sondern die Zulässigkeit von Gebäuden oder Gebäudeteilen auf der nicht überbaubaren Grundstücksfläche unmittelbar regeln (BayVGH vom 28.5.1993 BayVBl. 1993, 656). Eine solche unmittelbare Regelung der Zulässigkeit von Gebäuden und Gebäudeteilen außerhalb der Baugrenzen hat die Antragsgegnerin hier getroffen. Im Hinblick auf die gebotene Bestimmtheit von Normen, wegen der Bedeutung der Unterscheidung von zwingenden und Ermessensvorschriften sowie zur Wahrung der Entscheidungszuständigkeit der Bauaufsichtsbehörde kann die in der Festsetzung gewählte Formulierung ("... sind ... zulässig") nicht als eine bloß sprachliche Ungenauigkeit behandelt werden.

e) Unwirksam ist schließlich die Festsetzung C.3.2, wonach bestimmte Grundstücke "von der Regelung durch den Art. 6 BayBO" ausgenommen sind.

Regelungen in einem Bebauungsplan, die zu Abweichungen von den Anforderungen der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften führen, sind jedenfalls hinsichtlich der seitlichen Grundstücksgrenzen nur in Form von Festsetzungen zur Bauweise (§ 22 BauNVO) zulässig. So hat etwa die Festsetzung einer geschlossenen Bauweise (§ 22 Abs. 3 BauNVO) oder einer sonstigen Bauweise, bei der an die seitlichen Grundstücksgrenzen herangebaut werden darf oder muss (§ 22 Abs. 4 BauNVO), zur Folge, dass auch bauordnungsrechtlich die Freihaltung von Abstandsflächen nicht erforderlich ist (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO). Die schlichte Anordnung einer "Ausnahme" von den Abstandsflächenvorschriften - ohne Bezug zu einer Festsetzung der Bauweise - ist nicht zulässig.

3. Die Unwirksamkeit der vorgenannten Festsetzungen führt zur Unwirksamkeit des gesamten Bebauungsplans.

Die Unwirksamkeit der Festsetzung privater Grünflächen sowie einzelner Sichtschneisen und die Unwirksamkeit der Regelungen zur Zahl der Vollgeschosse und zur Gebäudehöhe betreffen zentrale Teile und das Gesamtgefüge des Planungskonzepts der Antragsgegnerin. Es erscheint schon fraglich, ob der verbleibende Teil der Festsetzungen noch eine den Anforderungen des § 1 BauGB gerecht werdende, sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken kann. Jedenfalls ist nicht anzunehmen, dass die Antragsgegnerin den Bebauungsplan auch ohne die unwirksamen Festsetzungen beschlossen hätte. Die Feststellung einer Teilunwirksamkeit kommt deshalb nicht in Betracht.

4. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Entscheidung in Nr. I der Urteilsformel nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils ebenso veröffentlichen wie der Bebauungsplan bekannt zu machen wäre (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB).

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht muss sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Das gilt auch für die Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision. Abweichend davon können sich juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 72 Nr. 1 Halbsatz 1 GKG n. F., § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 6 GKG a.F. und orientiert sich an Nr. 7.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 1996 (NVwZ 1996, 563).



Ende der Entscheidung

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