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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.06.2007
Aktenzeichen: 1 N 04.3145
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB
Vorschriften:
VwGO § 86 Abs. 2 | |
BauGB § 1 Abs. 3 | |
BauGB § 14 Abs. 1 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
In der Normenkontrollsache
wegen Unwirksamkeit der Veränderungssperre für den südlichen Bereich des Bebauungsplans Nr. * ("*****straße");
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Kiermeir
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2007
am 25. Juni 2007 folgenden
Beschluss:
Tenor:
Der in der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2007 gestellte Beweisantrag des Antragstellers wird abgelehnt.
Gründe:
Der Antrag des Antragstellers, durch die Einvernahme des Mitglieds des Stadtrats der Antragsgegnerin ******* ****** darüber Beweis zu erheben, dass "die Beratung und der anschließende Beschluss der Veränderungssperre in der Sitzung des Stadtrats vom 18. Dezember 2002 allein mit dem Ziel erfolgte, das Vorhaben des Bauantragstellers ****** zu verhindern", dass es "ansonsten keinerlei Überlegungen städtebaulicher Art gab, die für die Veränderungssperre ausschlaggebend waren" und dass "die schriftliche Begründung der Veränderungssperre nicht den Überlegungen bei der Beschlussfassung entspricht", ist abzulehnen.
Ein Bebauungsplan verstößt nicht schon dann gegen § 1 Abs. 3 BauGB, wenn das Aufstellungsverfahren eingeleitet wurde, um ein bestimmtes Vorhaben, das nach der vor dem Inkrafttreten des Bebauungsplans maßgebenden Rechtslage (möglicherweise) zulässig war, zu verhindern. Nicht im bauplanungsrechtlichen Sinne erforderlich und damit unzulässig ist eine solche "Verhinderungsplanung" nur, wenn die Einschränkung oder Umgestaltung des Baurechts, die zur Unzulässigkeit des Vorhabens führt, nicht von städtebaulichen Zielen getragen ist oder wenn die für sie ins Feld geführten städtebaulichen Gründe nur vorgeschoben sind. Eine Veränderungssperre ist unwirksam, wenn schon zum Zeitpunkt ihres Erlasses abzusehen ist, dass es sich bei der ihr zugrunde liegenden Bebauungsplanung um eine unzulässige "Verhinderungsplanung" in diesem Sinn handeln wird; in diesem Fall wird die Veränderungssperre nicht im Sinn von § 14 Abs. 1 BauGB zur Sicherung einer Planung erlassen. Ein solcher Verstoß gegen § 14 Abs. 1 BauGB liegt allerdings nur bei einem offensichtlichen Mangel der Planung vor; es muss schon bei Einleitung des Verfahrens feststehen, dass der Bebauungsplan nicht durch städtebauliche Gründe gerechtfertigt sein wird.
Die beantragte Beweiserhebung durch Vernehmung eines Stadtratsmitglieds als Zeugen ist nicht geeignet, zur weiteren Klärung dieser Voraussetzungen beizutragen. Soweit mit der Zeugenvernehmung "innere Vorstellungen" der Stadtratsmitglieder bewiesen werden sollen, fehlt die Entscheidungserheblichkeit; außerdem ist der Zeuge insoweit kein geeignetes Beweismittel. Sollte es dem Kläger um den Nachweis von Äußerungen in der maßgebenden Stadtratssitzung gehen, die darauf hindeuten, dass die vom Stadtrat beschlossene Begründung nicht dem wahren Planungswillen entspricht, würde es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag handeln.
Soweit mit der Zeugenvernehmung der Nachweis geführt werden soll, von welchen Zielen und Überlegungen sich die Mitglieder des Stadtrats bei der Beratung und Beschlussfassung über die Veränderungssperre am 18. Dezember 2002 "in Wirklichkeit" haben leiten lassen, geht es um "innere Tatsachen" und Motive der einzelnen Stadtratsmitglieder, auf die es für die Entscheidung nicht ausschlaggebend ankommt. Der Senat hat nicht die Wirksamkeit des Bebauungsplans zu beurteilen, die der Antragsteller im Übrigen nicht in Zweifel zieht, sondern die Frage, ob sich die Planung der Antragsgegnerin bei Erlass der Veränderungssperre so offenkundig als unzulässige "Verhinderungsplanung" dargestellt hat, dass die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 BauGB nicht erfüllt waren. Hierzu kann die beantragte Zeugenvernehmung nichts beitragen, weil die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 BauGB bei einer "Verhinderungsplanung" nur dann zu verneinen sind, wenn sich die behaupteten Mängel in objektiv fassbaren Umständen niedergeschlagen haben. Neben den Akten über die Einleitung des Bebauungsplanverfahrens und den Erlass der Veränderungssperre können zwar auch (in den Niederschriften festgehaltene) Meinungsäußerungen einzelner Gemeinde- bzw. Stadtratsmitglieder Aufschluss darüber geben, welchen Zweck die Einleitung einer Planung "wirklich" hatte. Die "inneren Vorstellungen" der einzelnen Mitglieder des Gremiums sind hingegen unerheblich; dies auch deswegen, weil nicht nur bei der Überprüfung des Abwägungsvorgangs im Hinblick auf offensichtliche Fehler (§ 214 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB), sondern auch bei der Prüfung, ob ein schon im Rahmen von § 14 Abs. 1 BauGB rechtlich erheblicher offensichtlicher Verstoß gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz vorliegt, eine Ausforschung der Motive einzelner Gemeinderatsmitglieder zu unterbleiben hat (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Januar 2006, § 214 Rdnr. 141 mit weiteren Nachweisen sowie VGH BW vom 15.7.2002 VBlBW 2003, 68 = NuR 2002, 750).
Davon abgesehen wäre die beantragte Zeugenvernehmung auch deswegen kein geeignetes Beweismittel für den Nachweis der "inneren Tatsachen", die den einstimmig gefassten Beschlüssen über die Änderung des Bebauungsplans und den Erlass der Veränderungssperre zugrunde liegen, weil der benannte Zeuge diese als beteiligtes Stadtratsmitglied allenfalls für sich selbst, nicht aber für die übrigen Mitglieder des Stadtrates angeben könnte. Dasselbe gilt für die unter Beweis gestellte Behauptung, dass die schriftliche Begründung der Veränderungssperre (gemeint ist die Begründung zum Beschluss Nr. 10 a zur Aufstellung des Bebauungsplans) nicht den Überlegungen bei der Beschlussfassung entspricht, wenn mit "Überlegungen" die "inneren" Überlegungen gemeint sind, von denen sich das einzelne Stadtratsmitglied nach Auffassung des Klägers "in Wirklichkeit" hat leiten lassen.
Sollten mit "Überlegungen bei der Beschlussfassung" hingegen Äußerungen in der Stadtratssitzung gemeint sein, die darauf schließen lassen, dass die schriftliche Begründung im Widerspruch zu Äußerungen einzelner Stadtratsmitglieder in der maßgeblichen Sitzung steht, ist der Antrag schon deswegen abzulehnen, weil es sowohl nach dem Vorbringen des Klägers als auch nach den vorliegenden Akten keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass solche Äußerungen erfolgt sind. Die Beweiserhebung würde somit dem Zweck dienen, "auszuforschen", ob objektiv fassbare Umstände vorliegen, die belegen, dass die rechtlich nicht zu beanstandende Begründung des Aufstellungsbeschlusses nur vorgeschoben ist.
Hinweis:
Die Beteiligten werden gebeten, dem Gericht bis zum 13. Juli 2007 mitzuteilen, ob auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung verzichtet wird.
Ende der Entscheidung
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