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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 13.04.2006
Aktenzeichen: 1 N 04.3519
Rechtsgebiete: BauGB, BauGB 1997, BauNVO


Vorschriften:

BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 1
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 2
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 6
BauGB 1997 § 1 Abs. 3
BauGB 1997 § 1 Abs. 6
BauGB 1997 § 214 Abs. 3
BauNVO § 16 Abs. 2 Nr. 1 Alternative 2
BauNVO § 23
1. Wohngebäude im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB ist auch ein gemischt genutztes Gebäude, wenn die Wohnnutzung im Verhältnis zu den anderen Nutzungen nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist.

2. Bei der Festsetzung der zulässigen Grundfläche durch eine absolute Quadratmeterzahl (Größe der Grundfläche gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 Alternative 2 BauNVO) muss ein - jeweils auf das Baugrundstück bezogenes - "Summenmaß" für alle baulichen Anlagen, die beim Maß der baulichen Nutzung zu Buche schlagen, festgesetzt werden. Ob eine auf die einzelnen Anlagen oder Anlagentypen (wie Hauptgebäude) bezogene Festsetzung als ergänzende Regelung zulässig ist, bleibt offen.


Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

1 N 04.3519

In der Normenkontrollsache

wegen Unwirksamkeit des Bebauungsplans *O******-*****

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Langer

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. April 2006

am 13. April 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Der Bebauungsplan "O******-**** der Antragsgegnerin ist unwirksam.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Antragsteller zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan "O******-***" der Antragsgegnerin.

1. Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke Fl.Nrn. *** **** und **** Gemarkung O******. Die durch Teilung des Grundstücks Fl.Nr. ** alt gebildeten drei Grundstücke liegen im Gemeindeteil O****** der Gemeinde *** *********; sie sind mit einem ehemaligen landwirtschaftlichen Anwesen bebaut. Der Antragsteller hat das Grundstück Fl.Nr. ** alt zusammen mit den Grundstücken Fl.Nrn. ** und ** im Jahre 2001 erworben, den ehemaligen Wohnteil durch einen Neubau ("Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung") ersetzt und einen Vorbescheid für die Errichtung weiterer Wohnungen in dem ehemaligen Wirtschaftsteil des Anwesens beantragt. Die Entscheidung über den Antrag wurde gemäß § 15 BauGB zurückgestellt.

Der Bebauungsplan "O******-***" überplant ein etwa 2,1 ha großes, teilweise bebautes Gebiet am östlichen Rand des Gemeindeteils O******. Der westliche Teil des Geltungsbereichs, in dem sich noch zwei landwirtschaftliche Betriebe befinden, ist als Dorfgebiet ausgewiesen; der östliche Teil als allgemeines Wohngebiet. Die überbaubaren Flächen sind durch Baugrenzen festgesetzt. Die "Bauräume" umfassen bei den bereits mit Wohnhäusern bebauten Grundstücken etwa den Bestand; bei den bestehenden (ehemaligen) landwirtschaftlichen Anwesen ist jeweils nur im Bereich des Wohnteils eine überbaubare Fläche festgesetzt. Auf den bisher unbebauten Grundstücken ist jeweils ein "Bauraum" für ein Wohngebäude vorgesehen. Für diese Grundstücke setzt der Bebauungsplan als Maß der baulichen Nutzung eine "maximal zulässige Grundfläche der Hauptgebäude" von jeweils 108 m² fest. "Bei Anbauten und Ersatzbauten" soll die zulässige Grundfläche jeweils der festgesetzten überbaubaren Fläche entsprechen. Nach B.2. der Festsetzungen sind pro Wohngebäude maximal zwei Wohnungen zulässig. Laut der Begründung zum Bebauungsplan ist Ziel der Planung, "den dörflichen Charakter im westlichen Plangebiet zu erhalten und den Siedlungscharakter im östlichen Teil für die einheimische Bevölkerung sicherzustellen." Von den aus der Fl.Nr. ** alt gebildeten Grundstücken liegen die Fl.Nrn. ** und 27/1 vollständig und die Fl.Nr. **** teilweise in dem als Dorfgebiet festgesetzten Teil des Plangebiets. Der auf den Wohnteil beschränkte "Bauraum" befindet sich auf dem Grundstück Fl.Nr. **.

Den Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans fasste der Gemeinderat der Antragsgegnerin am 12. September 2001. Nach einer Vorbesprechung mit den unmittelbar betroffenen Grundstückseigentümern im Dezember 2001 erfolgte im März 2002 die erste Anhörung der Träger öffentlicher Belange. Die Bürgerbeteiligung gemäß § 3 Abs. 1 BauGB fand von Mitte März bis Mitte April 2002 statt. Nahezu alle betroffenen Eigentümer - auch der Antragsteller - machten Änderungsvorschläge. Der überarbeitete Entwurf wurde von Anfang September bis Anfang Oktober 2002 öffentlich ausgelegt. Gleichzeitig beteiligte die Antragsgegnerin noch einmal die Träger öffentlicher Belange. Diese Verfahrensschritte führten zu weiteren geringfügigen Änderungen des Entwurfs, zu denen die betroffenen Eigentümer angehört wurden. Am 28. Juli 2003 beschloss der Gemeinderat den Bebauungsplan in der Fassung vom 25. November 2002 als Satzung. Mit Bescheid vom 5. September 2003 genehmigte das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen den Bebauungsplan in der Fassung vom 21. August 2003. Am 17. September 2003 setzte die Antragsgegnerin diese Fassung durch Bekanntmachung der Genehmigung in Kraft.

2. Zur Begründung des am 23. Dezember 2004 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Normenkontrollantrags macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend: Die Begrenzung der Zahl der Wohnungen sei bei seinem Anwesen schon deswegen unzulässig, weil es sich nicht um ein Wohngebäude, sondern um ein gemischt genutztes Gebäude handele. Die Ermächtigung des § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB gelte jedoch nur für Wohngebäude. Abgesehen davon sei die Festsetzung nicht durch städtebauliche Gründe gerechtfertigt. Das Planungsziel, familiengerechte Wohnungen zu schaffen, werde nämlich jedenfalls bei seinem Anwesen durch die Beschränkung der Wohnungszahl nicht gefördert; denn er wolle gerade solche Wohnungen errichten. Auch der beabsichtigte Schutz der landwirtschaftlichen Betriebe verfange als Planungsziel nicht, weil der Betrieb aufgegeben worden sei, bevor er das Anwesen erworben habe. Angesichts der Größe seines Anwesens sei die Begrenzung der Zahl der Wohnungen auf zwei zudem unverhältnismäßig. Im gesamten Plangebiet gebe es nur noch zwei Nebenerwerbsbetriebe; diese seien auf zusätzliche Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung angewiesen. Das Grundstück Fl.Nr. **** werde infolge einer willkürlichen Festsetzung des Geltungsbereichs des Bebauungsplans "zerschnitten".

Der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass der Bebauungsplan "O******-***" der Antragsgegnerin unwirksam ist.

Die Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Bei dem Gebäude auf dem Grundstück des Antragstellers handele es sich unabhängig davon um ein Wohngebäude, ob man das Anwesen insgesamt oder nur den neu gebauten Wohnteil betrachte; denn im ehemaligen Wirtschaftsteil würden nur noch zwei Pferde gehalten. Die Begrenzung der Wohnungszahl sei durch die Ziele, die von Ein- und Zweifamilienhäusern geprägte dörfliche Struktur von O****** zu erhalten und Immissionskonflikte mit den noch bestehenden landwirtschaftlichen Betrieben zu vermeiden, gerechtfertigt. Die Grenzziehung sei auch im Bereich des Grundstücks des Antragstellers nicht willkürlich, sondern dadurch gerechtfertigt, dass der nördliche Teil des Grundstücks Fl.Nr. ** alt im Außenbereich liege.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt keinen Antrag. Unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Landratsamts vertritt auch er die Auffassung, dass die Begrenzung der Wohnungszahl durch die Planungsziele städtebaulich gerechtfertigt sei. Die Beantwortung der Frage, welche Gebäude als Wohngebäude im Sinn der Festsetzung zur Begrenzung der Wohnungszahl anzusehen seien, könne dem Planvollzug überlassen werden. Das Planungsziel, die noch vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebe zu sichern, beziehe sich ersichtlich nicht auf das Anwesen des Antragstellers.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie auf die von der Antragsgegnerin und dem Vertreter des öffentlichen Interesses vorgelegten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der zulässige Antrag hat Erfolg. Der Bebauungsplan "O******-***" der Antragsgegnerin ist unwirksam.

Es kann offen bleiben, ob der Bebauungsplan deshalb wegen eines Verstoßes gegen § 10 Abs. 1 BauGB unwirksam ist, weil die am 17. September 2003 durch Bekanntmachung der Genehmigung in Kraft gesetzte Fassung vom 21. August 2003 nicht mit der am 28. Juli 2003 als Satzung beschlossenen Fassung vom 25. November 2002 übereinstimmt. Insoweit konnte auch in der mündlichen Verhandlung nicht geklärt werden, ob der Gemeinderat die (geringfügigen) Änderungen, durch die sich die erstere Fassung von der letzteren unterscheidet, bereits mit dem Satzungsbeschluss vom 28. Juli 2003 gebilligt hatte, so dass ein weiterer Beschluss nur erforderlich gewesen wäre, wenn die Beteiligung der von den Änderungen betroffenen Eigentümer (§ 13 BauGB in der für den Bebauungsplan noch maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 27.8.1997 - BGBl I S. 2141) noch zu weiteren Änderungen geführt hätte. Nicht entschieden werden muss ferner, ob der im Bereich des allgemeinen Wohngebiets nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelte Bebauungsplan aufgestellt werden durfte, bevor der Flächennutzungsplan entsprechend geändert worden war (§ 8 Abs. 4 BauGB), und ob ein Verstoß gegen diese Vorschrift nach § 233 Abs. 2 Satz 1, § 214 Abs. 2 Nr. 1 BauGB unbeachtlich wäre. Der Antrag hat jedenfalls deswegen Erfolg, weil die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung (1.) und zur überbaubaren Grundstücksfläche (2.) unwirksam sind und weil diese Mängel zur Gesamtunwirksamkeit der Satzung führen (3.). Auf weitere Mängel, insbesondere bei der Behandlung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, wird hingewiesen (4.).

1. Während die vom Antragsteller in erster Linie beanstandete Festsetzung der höchstzulässigen Zahl von Wohnungen in Wohngebäuden ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB findet und auch die im Plangebiet vorhandenen gemischt genutzten Gebäude erfasst (a), sind die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung nicht von den Ermächtigungsgrundlagen des § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB und der §§ 16 ff. BauNVO gedeckt (b).

a) Die Festsetzung, dass pro Wohngebäude maximal zwei Wohnungen zulässig sind (B.1. Satz 1 der Bebauungsplansatzung), findet ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB. Nach dieser Vorschrift kann die Gemeinde im Bebauungsplan die höchstzulässige Zahl von Wohnungen in Wohngebäuden festsetzen. Die Bedenken des Antragstellers, dass eine derartige Festsetzung für "gemischt genutzte" Gebäude nicht zulässig sei, betreffen nicht die Ermächtigungsgrundlage, sondern den Erforderlichkeitsgrundsatz des § 1 Abs. 3 BauGB 1997, der nicht nur für die Planung insgesamt, sondern auch für jede einzelne Festsetzung gilt (BVerwG vom 18.3.2004 BVerwGE 120, 239 = NVwZ 2004, 856). Nicht erforderlich ist eine Festsetzung unter anderem dann, wenn sie den mit ihr verfolgten Zweck aus Rechtsgründen nicht erreichen kann. Solche Bedenken gegen die Wirksamkeit der Begrenzung der Wohnungszahl bestehen hier jedoch schon deswegen nicht, weil die für das gesamte Plangebiet getroffene Regelung ihren Zweck bei den nach dem Bebauungsplan zulässigen (vorhandenen und neuen) "reinen" Wohngebäuden auch dann erfüllen könnte, wenn sie auf die "gemischt genutzten" Gebäude nicht anwendbar wäre und somit insoweit "ins Leere ginge". Außerdem trifft es nicht zu, dass eine Festsetzung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB Gebäude, die auch anderen Zwecken als dem Wohnen dienen, nicht erfasst. Die geltende Fassung der Vorschrift beruht auf Art. 1 Nr. 13 Buchst. a) dd) des Gesetzes über das Baugesetzbuch vom 8. Dezember 1986 (BGBl I. S. 2191/2194). Nach der Begründung zum damaligen Regierungsentwurf ist die Regelung insbesondere für Gebiete gedacht, "in denen durch Begrenzung der Zahl der zulässigen Wohnungen unerwünschte Umstrukturierungen der städtebaulichen Eigenart des Gebiets verhindert werden sollen, andererseits jedoch Beschränkungen hinsichtlich des zulässigen Maßes der Nutzung unverhältnismäßig wären" (BR-Drs. 575/85 Seite 72). In Betracht kommen soll eine Begrenzung der Wohnungszahl vor allem in Baugebieten, "die Fremdenverkehrsfunktionen erfüllen, und in Dorfgebieten, wenn es durch Errichtung einer größeren Zahl von Wohnungen in Gebäuden - unter Einhaltung des zulässigen Bauvolumens - und auf diese Weise durch ein Überhandnehmen von Wohnungen zu Beeinträchtigungen der städtebaulichen Funktion kommen würde" (BR-Drs 575/85 a. a. O.; vgl. auch Söfker in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Januar 2005, § 9 RdNr. 69 ff.). Dieser Gesetzeszweck rechtfertigt es, ein Gebäude schon dann als Wohngebäude im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB anzusehen, wenn es auch dem Wohnen dient und wenn die Wohnnutzung im Verhältnis zu den anderen Nutzungen nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. BVerwG vom 8.10.1998 BVerwGE 107, 256 = NVwZ 1999, 415 und Gierke in Brügelmann, Baugesetzbuch, Stand September 2005, § 9 RdNr. 167). Diese Voraussetzung ist, soweit sich dies den Akten entnehmen lässt, auch bei den gemischt genutzten (ehemaligen) landwirtschaftlichen Anwesen erfüllt, weil die Wohnnutzung in diesen Gebäuden jeweils einen nennenswerten Teil der Nutzfläche einnimmt; dass die Wohnnutzung überwiegt, ist nicht erforderlich. Ob die Begrenzung der Zahl der Wohnungen auf zwei auch bei allen Grundstücken auf einer fehlerfreien Abwägung (§ 1 Abs. 6 BauGB 1997) der betroffenen Eigentumsbelange beruht, lässt der Senat offen.

b) Die Festsetzungen unter B.1. zum Maß der baulichen Nutzung ("Die maximal zulässige Grundfläche der neu zu errichtenden Hauptgebäude beträgt jeweils 108 m², bei einer max. Gebäudebreite von 9,00 m; Doppelhaus 10,00 m. Bei Anbauten und Ersatzbauten entspricht sie jeweils der festgesetzten, überbaubaren Grundstücksfläche.") sind nicht von § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, §§ 16 ff. BauNVO gedeckt.

§ 16 Abs. 2 Nr. 1 Alternative 2 BauNVO ermächtigt zwar dazu, die - nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO zwingend erforderliche - Regelung des Umfangs, in dem die im Bauland liegende Fläche des Baugrundstücks (§ 19 Abs. 3 BauNVO) von baulichen Anlagen überdeckt werden darf (vgl. § 19 Abs. 2 BauNVO), durch Festsetzung einer absoluten Quadratmeterzahl zu bestimmen. Bei einer solchen Begrenzung der zulässigen Grundfläche muss aber ein - jeweils auf das Baugrundstück bezogenes - "Summenmaß" (Ziegler in Brügelmann, Baugesetzbuch, Stand März 1998, § 16 RdNr. 25) für alle baulichen Anlagen, die beim Maß der baulichen Nutzung zu Buche schlagen, festgesetzt werden. Eine auf einzelne Anlagen bezogene Festsetzung ist - jedenfalls als alleinige Regelung gemäß § 16 Abs. 2 Nr. 1 Alternative 2 BauNVO - deswegen nicht von der Ermächtigung gedeckt, weil bei einer solchen Festsetzung die Anrechnungsvorschrift des § 19 Abs. 4 BauNVO, die ein Kernstück der durch die Vierte Verordnung zur Änderung der Baunutzungsverordnung (BGBl I Seite 127) neugefassten Vorschriften zum Maß der baulichen Nutzung bildet, nicht vollzogen werden könnte (Ziegler in Brügelmann, a. a. O.; a. A. Fickert/Fieseler, Baunutzungsverordnung, 10. Aufl., § 16 RdNr. 27, die - soweit sie zur Begründung ihrer Auffassung auf das Gebot des § 10 Abs. 3 Satz 2 BauNVO, im Wochenendhausgebiet die zulässige Grundfläche der Wochenendhäuser festzusetzen, verweisen - übersehen, dass es sich bei dieser Verpflichtung zu einer anlagenbezogenen Begrenzung der zulässigen Grundfläche um eine spezielle Vorschrift handelt, für die es in den allgemeinen Maßvorschriften der §§ 16 ff. BauNVO keine entsprechende Regelung gibt [vgl. Stock in König/Roeser/Stock, Baunutzungsverordnung, 2. Aufl., § 10 RdNr. 23]). Aus demselben Grund (Nichtvollziehbarkeit des § 19 Abs. 4 BauNVO) ist eine auf bestimmte Anlagentypen abstellende Regelung der zulässigen Grundfläche, wie sie die Antragsgegnerin mit der vorstehend im Wortlaut zitierten, auf die "Hauptgebäude" bezogenen Festsetzung getroffen hat, nicht von der Ermächtigung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 Alternative 2 BauNVO gedeckt. § 19 Abs. 4 Satz 3 ermächtigt die Gemeinde zwar, hinsichtlich der sog. Überschreitungsregelung und der sog. Kappungsgrenze Regelungen zu treffen, die von § 19 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 BauNVO abweichen, und dabei zwischen den verschiedenen in § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO aufgeführten Anlagen zu differenzieren. Die allgemeine Festsetzung der zulässigen Grundfläche muss jedoch nicht nur bei der Festsetzung einer Grundflächenzahl (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 Alternative 1 BauNVO), sondern auch bei der Festsetzung der Größe der Grundfläche (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 Alternative 2 BauNVO) für alle auf diese Fläche anzurechnenden Anlagen und damit ohne Unterscheidung zwischen Hauptgebäuden und den in § 19 Abs. 4 Satz 1 BauNVO aufgeführten "Nicht-Hauptanlagen" getroffen werden. Ob die zulässige Grundfläche von Hauptgebäuden ergänzend zu einer diesen Anforderungen genügenden Regelung begrenzt werden darf, kann offen bleiben, weil die Antragsgegnerin die fragliche Festsetzung als alleinige Regelung erlassen hat.

2. Die Festsetzung der überbaubaren Grundstücksflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB, § 23 BauNVO) für die Grundstücke, auf denen (ehemalige) landwirtschaftliche Anwesen stehen, ist, soweit sie nicht schon gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz des § 1 Abs. 3 BauGB 1997 verstößt (a), jedenfalls deswegen unwirksam, weil sie auf Abwägungsmängeln (§ 1 Abs. 6, § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB 1997) beruht (b). Dies hat die Unwirksamkeit aller Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche zur Folge (c).

a) Bei den Grundstücken, auf denen (ehemalige) landwirtschaftliche Anwesen stehen (Fl.Nrn. *** ** und ** alt), setzt der Bebauungsplan nur im Bereich der Wohnteile ("Kopfteile") der Anwesen - mittels Baugrenzen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1, Abs. 3 BauNVO) - "Bauräume" fest. Die (ehemaligen) Wirtschaftsteile befinden sich jeweils außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche. Jedenfalls bei den beiden noch aktiven landwirtschaftlichen Betrieben verstoßen diese Regelungen gegen § 1 Abs. 3 BauGB, weil sie nicht geeignet sind, ein Hauptziel der Planung zu erreichen (OVG NW vom 14.5.2004 NVwZ-RR 2005, 7). Ein in der Begründung (§ 9 Abs. 8 BauGB a. F.) hervorgehobener Zweck des Bebauungsplans besteht darin, " die vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebe ... in ihrem Bestand zu sichern und die Möglichkeit der Weiterentwicklung zu gewährleisten" (Seite 1 der Begründung). Diesem Planungsziel widersprechen die Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche diametral, weil sie zur Folge haben, dass jedes bauplanungsrechtlich relevante Vorhaben (§ 29 Abs. 1 BauGB) außerhalb der "Kopfteile" der Anwesen hinsichtlich des Kriteriums der überbaubaren Grundstücksfläche gegen den Bebauungsplan verstößt. Durch diese die Entwicklungsmöglichkeiten der landwirtschaftlichen Betriebe behindernde Rechtsfolge wird im Übrigen auch die städtebauliche Rechtfertigung für die Ausweisung des westlichen Teils des Plangebiets als Dorfgebiet in Frage gestellt (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO).

b) Davon abgesehen liegt in dieser - von der Antragsgegnerin allem Anschein nach nicht ausreichend bedachten und von den betroffenen Eigentümern wohl nicht erkannten - Folge der Festsetzungen auch eine unverhältnismäßige und somit dem Gebot einer gerechten Abwägung (§ 1 Abs. 6 BauGB 1997) widersprechende Einschränkung der Eigentumsrechte. Durch die Planungsziele, den dörflichen Charakter des Gebiets zu erhalten und einem Überhandnehmen der Wohnnutzung entgegenzuwirken (Seite 1 f. der Begründung), mögen zwar Festsetzungen, die - bei den noch aktiven Betrieben - im Bereich der Wirtschaftsteile eine landwirtschaftliche Nutzung und - im Übrigen - eine andere wirtschaftlich tragfähige "Nicht-Wohnnutzung" vorschreiben (und somit eine Wohnnutzung ausschließen), gerechtfertigt sein. Öffentliche Belange, die es rechtfertigen, die (ehemaligen) Wirtschaftsteile der Anwesen jeweils völlig "auf den Bestandsschutz zu setzen", sind jedoch nicht ersichtlich. Entsprechendes gilt im Übrigen für die Behandlung der im Plangebiet vorhandenen Garagen, für die jeweils kein "Bauraum" festgesetzt wurde, obwohl Garagen nach B.14. Satz 1 der Festsetzungen "nur innerhalb der hierfür festgesetzten Baugrenzen zulässig (sind)."

Außerdem erscheint die Festsetzung der überbaubaren Grundstücksflächen auch im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot bedenklich. Während nämlich auf dem Grundstück Fl.Nr. ** - bei dem nördlichen Wohngebäude - und auf dem Grundstück Fl.Nr. ** - bei dem "Wohnteil" nördlich des Erschließungsweges - durch eine großzügige "Bauraum"-Festsetzung auf bisher nicht bebauter Fläche jeweils etwa eine Verdoppelung des Grundfläche des vorhandenen Wohngebäudes bzw. des "Wohnteils" ermöglicht wird, verwehrt der Bebauungsplan dem Antragsteller eine entsprechende Erweiterung seines "Wohnteils" in den ehemaligen Wirtschaftsteil hinein, obwohl diese aus dem Blickwinkel eines sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden (§ 1 a Abs. 1 BauGB a. F.) günstiger zu beurteilen wäre.

Hinzu kommt, dass die Abwägung der Eigentumsbelange des Antragstellers auch insofern Mängel aufweist, als der bauplanungsrechtliche Status seines Grundstücks teilweise unzutreffend beurteilt wurde. Zur Rechtfertigung dafür, dass die Grenze des Geltungsbereichs des Bebauungsplans im Bereich des Grundstücks Fl.Nr. ** alt so festgesetzt wurde, dass der nördliche Teil nicht im Plangebiet liegt, hat die Antragsgegnerin darauf verwiesen, dass "nur der Bereich überplant werden (soll), für den bereits Baurecht nach § 34 BauGB besteht" (Seite 3 des [nicht mit einem Datum versehenen] Auszugs aus der Niederschrift über die Gemeinderatssitzung, in der die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung gemäß § 3 Abs. 2 BauGB behandelt wurden). Die hiermit indirekt zum Ausdruck gebrachte bauplanungsrechtliche Beurteilung, dass der nördliche Teil des Grundstück Fl.Nr. ** alt im Außenbereich (§ 35 BauGB) liege, war unzutreffend. Unter Berücksichtigung des Anbaus auf der Nordseite des Anwesens des Antragstellers, der - obgleich er seit mehr als zwanzig Jahren besteht - in dem für die Planzeichnung verwendeten Kartenmaterial nicht dargestellt ist, ist es nicht zweifelhaft, dass zumindest die gesamte bebaute Fläche des Grundstücks Fl.Nr. ** alt im Innenbereich liegt. Das von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Luftbild hat diese Beurteilung bestätigt. Hiervon ausgehend - und unter Berücksichtigung der Teilung des Grundstücks Fl.Nr. ** alt in die Grundstücke Fl.Nrn. *** **** und ****, die zum nach § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB 1997 maßgebenden Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses bereits erfolgt (und der Antragsgegnerin durch die Erteilung des Negativzeugnisses vom 17.10.2002 auch bekannt) war, erscheint der Einwand des Antragstellers, dass die Grenze des Bebauungsplans im Bereich seines Grundbesitzes willkürlich gezogen wurde, berechtigt.

Die Abwägungsmängel sind noch nicht unbeachtlich geworden, weil die Siebenjahresfrist, innerhalb deren sie gerügt werden müssen (§ 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB, § 215 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 2 BauGB 1997) noch nicht abgelaufen ist. Die Mängel sind auch erheblich, weil sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB 1997). Es besteht die "konkrete Möglichkeit" (BVerwG vom 29.1.1992 NVwZ 1992, 662), dass das Abwägungsergebnis anders ausgefallen wäre, wenn die Antragsgegnerin die Auswirkungen der Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche auf die landwirtschaftlichen Betriebe und die Tatsache, dass auch der nördliche Teil des Anwesens des Antragstellers im Innenbereich liegt, bei der Abwägung berücksichtigt hätte.

c) Infolge der Verstöße gegen § 1 Abs. 3 bzw. § 1 Abs. 6 BauGB 1997 sind nicht nur die für die Grundstücke Fl.Nrn. *** ** und ** alt festgesetzten "Bauräume" unwirksam. Festsetzungen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB in Verbindung mit § 23 BauNVO trennen die Flächen, auf die sich eine nach dem Bebauungsplan (oder nach § 34 BauGB) grundsätzlich zulässige Bebauung beschränken soll, von den Flächen, die von baulichen Anlagen frei bleiben sollen. Ein Grundstück, das im Geltungsbereich eines Bebauungsplans mit Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche außerhalb der festgesetzten Flächen liegt, ist nicht bebaubar (BayVGH vom 6.5.2003 - 1 N 01.2766). Die Folge einer auf die Grundstücke beschränkten Feststellung der Unwirksamkeit wäre somit nicht, dass sich dort die Zulässigkeit von Vorhaben (im Sinn von § 29 Abs. 1 BauGB) hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche nach § 34 Abs. 1 BauGB richten würde. Vielmehr wäre für diese Grundstücke keine überbaubare Fläche festgesetzt. Dies aber widerspräche offensichtlich der Planungsabsicht der Antragsgegnerin. Aus diesem Grund erfasst der Fehler alle Festsetzungen des Bebauungsplans zur überbaubaren Fläche.

3. Der Bebauungsplan ist insgesamt unwirksam. Die Ungültigkeit eines Teils eines Bebauungsplans führt grundsätzlich zur Ungültigkeit der gesamten Satzung. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Festsetzungen ohne den ungültigen Teil eine sinnvolle städtebauliche Ordnung ergeben (objektive Teilbarkeit) und wenn nach dem mutmaßlichen Willen des Normgebers angenommen werden kann, dass er den Bebauungsplan notfalls auch ohne die unwirksamen Bestimmungen erlassen hätte (subjektive Teilbarkeit). Nach diesem Maßstab ist der Bebauungsplan insgesamt unwirksam, weil anzunehmen ist, dass der Bebauungsplan ohne die ungültigen Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung und zur überbaubaren Grundstücksfläche nicht erlassen worden wäre.

4. Für den Fall, dass die Antragsgegnerin den Bebauungsplan neu aufstellt, weist der Senat noch auf Folgendes hin:

Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist die Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz im Rahmen der Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) zu berücksichtigen. Eingriffe sind nach § 18 Abs. 1 BNatSchG Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen, die die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Dass durch die Bebauung der bisher nicht bebauten Flächen des Plangebiets ein derartiger Eingriff erfolgt, wird auch von der Antragsgegnerin nicht in Frage gestellt. Die Antragsgegnerin hat aber einen Ausgleich im Hinblick auf § 1 a Abs. 3 Satz 4 BauGB 1998 (= § 1 a Abs. 3 Satz 5 BauGB) nicht für erforderlich gehalten, weil das festgesetzte Maß der baulichen Nutzung dem nach § 34 BauGB zulässigen Nutzungsmaß entspreche (Seite 4 der Begründung zum Bebauungsplan). Ob diese Überlegung zutrifft, ist fraglich. Nach den Plänen und dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Luftbild spricht Vieles dafür, dass sich die Flächen des Plangebiets, die nördlich der vorhandenen Erschließungsstraße und östlich der Bebauung auf dem nördlichen Teil des Grundstücks Fl.Nr. ** liegen, im Außenbereich befinden.

Nach B.2 Satz 2 der Bebauungsplansatzung ist ein Doppelhaus nur auf dem Grundstück Fl.Nr. **** zulässig. Eine Rechtsgrundlage für diese Festsetzung kann § 22 Abs. 2 Satz 2 BauNVO sein. Das setzt jedoch voraus, dass der Bebauungsplan die Bauweise (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB, § 22 BauNVO) regelt, was in der vorliegenden Fassung nicht der Fall ist. Im Übrigen scheint auf dem Grundstück Fl.Nr. **** ein - in der Festsetzung unter B.2 Satz 2 nicht berücksichtigtes - Doppelhaus zu stehen.

5. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Entscheidung in Nr. I der Urteilsformel nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils ebenso veröffentlichen wie der Bebauungsplan bekannt zu machen wäre (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB).

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 7 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004.

Ende der Entscheidung

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