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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 12.01.2007
Aktenzeichen: 1 N 06.2319
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB, BauNVO


Vorschriften:

VwGO § 47 Abs. 2 Satz 1
BauGB § 1 Abs. 3
BauGB § 1 Abs. 6
BauNVO § 5 Abs. 1
Ein neu ausgewiesenes Dorfgebiet kann die erforderliche landwirtschaftliche Prägung auch durch Betriebe erfahren, die ihren Standort in einem unmittelbar angrenzenden, durch einen anderen Bebauungsplan festgesetzten Dorfgebiet haben.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Im Namen des Volkes

1 N 06.2319

Verkündet am 12. Januar 2007

In der Normenkontrollsache

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Langer

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2006

am 12. Januar 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsteller dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan Nr. 9 ("********") der Antragsgegnerin.

1. Die Antragsteller sind Eigentümer der Grundstücke Fl.Nr. **/3 und ***/1 Gemarkung ********. Die Grundstücke liegen nördlich der ******** Straße am nordöstlichen Rand der zusammenhängenden Bebauung von ********. Das zuerst genannte Grundstück ist mit einem Wohnhaus, das zuletzt genannte mit einem Wirtschaftsgebäude bebaut. Die Baugenehmigungen wurden einem Rechtsvorgänger der Antragsteller mit Bescheid des Landratsamts ******** vom 5. März 1968 erteilt. Die Antragsteller haben die Grundstücke mit Kaufvertrag vom 10. Juni 1991 von den Erben des damaligen Bauherrn erworben (das Grundstück Fl.Nr. ***/1 als Teilfläche des damals noch ungeteilten Grundstücks Fl.Nr. *** alt). Unter D. 6 des Vertrages ("Bebauungszustimmung") haben sich die Antragsteller gegenüber der (am Vertrag im Übrigen nicht beteiligten) Antragsgegnerin unwiderruflich verpflichtet, "einer künftigen Festlegung der Bebaubarkeit der Restfläche von Flst.Nr. ***, auch für ein reines Wohngebiet", zuzustimmen.

Die Antragsteller betreiben Landwirtschaft als Nebenerwerb. Nach ihren Angaben halten sie vier schottische Hochlandrinder, vier Mangalitza-Schweine, 15 Mutterschafe, je 15 Hühner, Enten, Gänse und Puten sowie 40 Masthähnchen. Die Betriebsflächen umfassen 11,8 ha; davon befinden sich 3,55 ha im Eigentum der Antragsteller.

Der Bebauungsplan Nr. 9 überplant ein etwa 5,7 ha großes, östlich, nördlich und nordwestlich der Grundstücke der Antragsteller gelegenes, bisher landwirtschaftlich genutztes Gelände. Der westliche, als Dorfgebiet ausgewiesene Teil des Plangebiets schließt sich - unter Einbeziehung des Grundstücks Fl.Nr. ***/1 der Antragsteller - an die Bebauung nördlich der ******** Straße und östlich der ********** Straße an. Der östliche, als allgemeines Wohngebiet festgesetzte Teil reicht von der ******** Straße im Süden bis zu einem landwirtschaftlichen Weg im Norden.

Den Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 9 fasste der Gemeinderat der Antragsgegnerin am 13. Juli 2004. Nach einem Behördengespräch am 16. Dezember 2004 beschloss der Gemeinderat am 23. Dezember 2004 die Einbeziehung der Grundstücke Fl.Nrn. ***/1 und 59 (Teilfläche) in den geplanten Geltungsbereich sowie eine Änderung der geplanten Nutzungsart. Anstatt das Gebiet insgesamt als allgemeines Wohngebiet auszuweisen, sollte "der Übergang vom bestehenden Ortsrand zum neuen Baugebiet" als Dorfgebiet festgesetzt werden. Nach einer "Gesprächsrunde" am 2. Februar 2005 fand am 19. April 2005 eine Bürgerbeteiligung gemäß § 3 Abs. 1 BauGB statt. Die Antragsteller hatten mit Schriftsatz ihrer früheren Bevollmächtigten vom 11. April 2005 die Befürchtung geäußert, dass ihr landwirtschaftlicher Betrieb durch das Baugebiet beeinträchtigt werde. Nach weiteren Gesprächen mit den Antragstellern entschied der Gemeinderat am 3. August 2005, die Grundstücke der Antragsteller im geplanten Geltungsbereich des Bebauungsplans zu belassen, entsprechend einer Empfehlung des Landratsamts ******** einen Abstand von 35 m zum nächstgelegenen Wohngebäude vorzusehen und den westlichen Teil des Plangebiets als Dorfgebiet festzusetzen. Von Ende August bis Ende September 2005 führte die Antragsgegnerin zum geänderten Entwurf erneut eine Bürgerbeteiligung gemäß § 3 Abs. 1 BauGB durch. Gleichzeitig wurden die Träger öffentlicher Belange angehört. In der Sitzung vom 8. November 2005 beschloss der Gemeinderat unter anderem, entsprechend dem Wunsch der Antragsteller im Bereich des Grundstücks Fl.Nr. ***/1 auf die Festsetzung von Baugrenzen zu verzichten. Von Mitte Dezember 2005 bis Mitte Januar 2006 wurde der Entwurf (zusammen mit einem Entwurf für die im Parallelverfahren durchgeführte Änderung des Flächennutzungsplans) öffentlich ausgelegt. Am 15. Februar 2006 beschloss der Gemeinderat den Bebauungsplan als Satzung, nachdem er den "Immissionsschutzabstand" auf der Grundlage einer Stellungnahme des Landratsamts vom 6. Februar 2006 trotz erneuter Einwände der Antragsteller als ausreichend erachtet und entschieden hatte, einen die Grundstücke der Antragsteller östlich und nördlich umschließenden "Pflanzgürtel" wieder in den Entwurf aufzunehmen. Die Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses erfolgte am 5. Mai 2006.

Für die nördlich der ******** Straße und östlich der ********** Straße gelegenen Grundstücke hat die Antragsgegnerin eine im Juli 1989 bekanntgemachte "Ortsabrundungssatzung nach § 34 BauGB" erlassen. Das Grundstück Fl.Nr. **/3 lag innerhalb, das Grundstück Fl.Nr. ***/1 außerhalb des Geltungsbereichs dieser Satzung. Die von der Ortsabrundungssatzung erfassten Grundstücke sowie die hieran anschließenden bebauten Grundstücke südlich der ******** Straße sowie beidseits der ******** Straße wurden durch den am 21. Oktober 2005 bekannt gemachten Bebauungsplan "******** *******" als Dorfgebiet festgesetzt.

2. Mit dem am 23. August 2006 eingegangenen Normenkontrollantrag und einem einen Tag später eingereichten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (1 NE 06.2334) wenden sich die Antragsteller gegen den Bebauungsplan. Sie machen geltend: Sie seien antragsbefugt, weil sie in Folge der in dem Baugebiet geplanten reinen Wohnnutzung mit Einschränkungen ihres Betriebes zu rechnen hätten. Die Festsetzung des westlichen Teils des Plangebiets als Dorfgebiet sei nicht im rechtlichen Sinne erforderlich, weil auch in diesem Teil nur Wohnhäuser vorgesehen seien. Das Grundstück Fl.Nr. ***/1 werde in der Begründung des Bebauungsplans zwar unter dem Punkt "Immissionsschutz" erwähnt. Das Grundstück sei aber nur zum Zwecke der Abstandsminderung in dem Bebauungsplan einbezogen worden; es sei nicht in das neue Baugebiet eingebunden.

Die Antragsteller beantragen,

festzustellen, dass der Bebauungsplan Nr. 9 ("********") der Gemeinde ******** unwirksam ist.

Die Antragsgegnerin und die Beigeladenen zu 1 bis 4 beantragen jeweils,

den Antrag abzulehnen.

Die Antragsgegnerin hält den Antrag für unzulässig, weil die Antragsteller nicht antragsbefugt seien. Außerdem fehle das Rechtschutzinteresse, weil die Antragsteller mit der beim Erwerb der Grundstücke erklärten "Bebauungszustimmung" auf ihr Antragsrecht verzichtet hätten. Der Antrag sei auch unbegründet. Die Festsetzung des Dorfgebiets sei nicht funktionslos. Die Grundstücke seien so geschnitten und die überbaubaren Flächen so festgesetzt, dass eine neue landwirtschaftliche Hofstelle ohne weiteres errichtet werden könnte. Die Belange der Antragsteller seien - der Stellungnahme des Landratsamtes folgend - im Rahmen der Abwägung ausreichend berücksichtigt worden.

Die Beigeladenen zu 1 bis 4 schließen sich im Wesentlichen der Auffassung der Antragsgegnerin an. Sie heben hervor, dass sich die Antragsteller in dem Kaufvertrag vom Juni 1991 verpflichtet haben, der Ausweisung eines Wohngebiets im Bereich des Grundstücks Fl.Nr. *** zuzustimmen.

Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht schriftlich zur Sache geäußert.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses stellt heraus, dass der Immissionskonflikt zwischen der Tierhaltung der Antragsteller und den geplanten Wohngebäuden durch Einbeziehung des Grundstücks Fl.Nr. ***/1 in den Bebauungsplan und durch Ausweisung der an dieses Grundstück grenzenden Parzellen als Dorfgebiet unter Beteiligung des Landratsamtes wirksam gelöst worden sei.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die von der Antragsgegnerin sowie dem Vertreter des öffentlichen Interesses vorgelegten Bebauungsplanakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist zulässig (1.), aber nicht begründet (2.).

1. Der Antrag ist zulässig. Die Antragsbefugnis (a) und das Rechtschutzinteresse sind gegeben (b).

a) Die Antragsteller sind antragsbefugt, weil sie hinreichend substantiiert geltend machen, in ihrem Recht auf fehlerfreie Abwägung ihrer Belange verletzt zu sein (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO).

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Antragsteller muss Tatsachen vortragen, die die geltend gemachte Rechtsverletzung möglich erscheinen lassen. Wer von einem Bebauungsplan unmittelbar betroffen ist, ist im Allgemeinen schon deswegen antragsbefugt, weil die Festsetzungen Inhalt und Schranken seines Grundeigentums bestimmen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Hingegen muss derjenige, der einen Bebauungsplan als nicht unmittelbar betroffener Dritter angreift, oder der zwar auch unmittelbar betroffen ist, sich aber gegen Festsetzungen wendet, die nicht für sein Grundstück gelten, aufzeigen, dass sein aus dem Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7 BauGB) folgendes Recht verletzt sein kann (vgl. BVerwG vom 10.3.1998 NVwZ 1998, 732 f.). Hierfür reichen die bloße Bezeichnung eigener Belange und die Behauptung, es liege eine Rechtsverletzung vor, nicht aus (vgl. BVerwG vom 24.9.1998 BVerwGE 107, 215/218 = BayVBl. 1999, 249/250). Vielmehr muss substantiiert dargelegt werden, dass ein Belang des Antragstellers bei der Abwägung möglicherweise fehlerhaft behandelt wurde (BVerwG vom 5.4.1974 BVerwGE 45, 309/326; vom 24.9.1998 a.a.O.; vom 26.2.1999 NVwZ 2000, 197).

Nach diesem Maßstab sind die Antragsteller antragsbefugt, weil ihr Interesse, ihren im Aufbau befindlichen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb möglichst unbeeinträchtigt von benachbarter Wohnbebauung führen zu können, abwägungserheblich war und weil die Antragsteller hinreichend substantiiert geltend machen, dass die Antragsgegnerin dieses Interesse möglicherweise fehlerhaft abgewogen hat. Der Haupteinwand der Antragsteller, dass es sich bei der Ausweisung des an die Hofstelle der Antragsteller grenzenden Teils des Plangebiets als Dorfgebiet - verkürzt ausgedrückt - um einen "Etikettenschwindel" handele, betrifft zwar in erster Linie den Erforderlichkeitsgrundsatz des § 1 Abs. 3 BauGB. Der Einwand berührt aber auch die Abwägung der Belange der Antragsteller; denn die Abwägungsentscheidung der Antragsgegnerin beruht insoweit auf der Wirksamkeit der Dorfgebietsfestsetzung. Mit dem Einwand wird auch eine mögliche Rechtsverletzung aufgezeigt. Er greift zwar, wie im Folgenden darzulegen ist, nicht durch; er ist aber nicht so weit hergeholt, dass die Möglichkeit eines Abwägungsfehlers von vorneherein auszuschließen wäre.

b) Für den Antrag besteht auch ein Rechtsschutzinteresse. Die Einrede der Antragsgegnerin, die Antragsteller hätten mit der in dem Grundstückskaufvertrag vom 10. Juni 1991 erklärten "Bebauungszustimmung" auf ihr Antragsrecht verzichtet, ist nicht begründet. Zwar kann auf die Befugnis, die Wirksamkeit eines Bebauungsplans im Wege der Normenkontrolle prüfen zu lassen, wohl ebenso verzichtet werden, wie beispielsweise auf das Klagerecht gegen einen Verwaltungsakt. Nach allgemeiner Ansicht kann ein Antrags- oder Klageverzicht jedoch erst dann wirksam erklärt werden, wenn die zu überprüfende Entscheidung bereits ergangen ist (Brenner in Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 74 RdNr. 48; Meissner in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand Oktober 2005 § 74 RdNr. 46 jeweils mit weiteren Nachweisen). Schon aus diesem Grund kann in der 1991 eingegangenen Verpflichtung, "einer künftigen Festlegung der Bebaubarkeit der Restfläche von Flst.Nr. ***, auch für ein reines Wohngebiet", zuzustimmen, nicht ein auf Einrede der Antragsgegnerin hin zu berücksichtigender Verzicht auf das Recht, die Wirksamkeit des im Mai 2006 in Kraft getretenen Bebauungsplans überprüfen zu lassen, gesehen werden.

2. Der Antrag ist nicht begründet. Weder liegt ein Verstoß gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz vor (a) noch ist der Antragsgegnerin bei der Abwägung der betrieblichen Belange der Antragsteller ein rechtlich erheblicher Fehler unterlaufen (b). Andere ernstlich in Betracht zu ziehende Unwirksamkeitsgründe werden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.

a) Die Festsetzung des westlichen Teils des Plangebiets als Dorfgebiet ist städtebaulich gerechtfertigt und damit im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB erforderlich.

Eine Bebauungsplanfestsetzung ist nicht erforderlich, wenn die Regelung nicht dem entspricht, was wirklich gewollt ist, sondern nur vorgeschoben ist, um das eigentliche (unzulässige) Planungsziel zu verdecken ("Etikettenschwindel"). Die Festsetzung eines Dorfgebiets widerspricht in diesem Sinn § 1 Abs. 3 BauGB, wenn die diesen Gebietstyp kennzeichnende Mischung von Landwirtschaft, Wohnen und Gewerbe bzw. Handwerk (§ 5 Abs. 1 BauNVO) nicht beabsichtigt ist, sondern die Ausweisung nur erfolgt, um die Schutzwürdigkeit der in Wirklichkeit allein geplanten Wohnbebauung zu verringern (BayVGH vom 10.7.1995 BayVBl 1996, 48 = NVwZ-RR 1996, 430; vom 5.3.2001 BayVBl 2002, 465), oder wenn von vorneherein feststeht, dass die durch § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO vorgegebene Mischung der Nutzungsarten nicht erreicht werden kann ("anfängliche Funktionslosigkeit"; vgl. HessVGH vom 15.2.2005 ZfBR 2005, 386 = BRS 69 Nr. 36).

Solche Mängel liegen bei der strittigen Dorfgebietsfestsetzung nicht vor. Zwar steht nach der Entstehungsgeschichte des Bebauungsplans außer Frage, dass die Antragsgegnerin das neue Baugebiet vorrangig ausgewiesen hat, um Wohnbedürfnisse der Bevölkerung (§ 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB) zu erfüllen. Dieses Planungsziel, das auch in der Begründung des Bebauungsplans (§ 9 Abs. 8 BauGB) deutlich zum Ausdruck kommt, schließt aber die Festsetzung eines Dorfgebiets nicht aus. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO in Fassung der Vierten Verordnung zur Änderung der Baunutzungsverordnung vom 23. Januar 1990 (BGBl I S. 127) ist nämlich die Unterbringung von Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe nicht mehr, wie nach den früheren Fassungen der Vorschrift, "vorwiegender" Zweck eines Dorfgebiets. Dieser Zweck steht vielmehr gleichrangig neben den Zwecken, Wohngebäude sowie nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe und der Versorgung des Gebiets dienende Handwerksbetriebe aufzunehmen. Mit dieser Neuregelung des Gebietszwecks hat die Baunutzungsverordnung den Strukturwandel in der Landwirtschaft berücksichtigt, der (immer noch) durch die Aufgabe kleinerer und die Flächen- und Tierbestandserhöhung größerer Betriebe gekennzeichnet ist und der bei realistischer Betrachtung nicht erwarten lässt, dass es in nennenswertem Umfang zu Neugründungen landwirtschaftlicher Hofstellen kommt. Angesichts dieser Strukturveränderung besteht die Funktion des Gebietstyps "Dorfgebiet" in erster Linie darin, bestehende landwirtschaftliche Betriebe zu sichern und deren Umfeld für die anderen Zwecke eines Dorfgebiets nutzbar zu machen. So gesehen ermöglicht die Ausweisung eines Dorfgebiets auch dann eine organische bauliche Entwicklung noch dörflich strukturierter Ortsteile, wenn die Festsetzung eines an den alten Ortsbereich anschließenden Wohngebiets auf nicht lösbare immissionsschutzrechtliche Schwierigkeiten stoßen würde (vgl. BayVGH vom 14.2.1996 - 26 N 94.1011 [nicht veröffentlicht]).

Nach diesem Maßstab ist die Festsetzung nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat so geplant, dass der als Dorfgebiet festgesetzte Teil des neuen Baugebiets die Zweckbestimmung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO erfüllen kann. Die erforderliche landwirtschaftliche Prägung wird dieser Gebietsteil durch die Betriebe der Antragsteller dieses Verfahrens und des Antragstellers des Parallelverfahrens (1 N 06.2486) erfahren. Dass sich die Hofstellen nur zum Teil in dem neuen Gebiet, im Übrigen aber in einem unmittelbar angrenzenden weiteren Dorfgebiet befinden, ist unerheblich (aa). Angesichts des Zuschnitts der überbaubaren Flächen erscheint es auch nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass sich in dem Gebiet ein nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb oder ein der Gebietsversorgung dienender Handwerksbetrieb ansiedeln wird (bb).

aa) Was die landwirtschaftliche Prägung anbelangt, so hat die Antragsgegnerin zum einen das Betriebsgrundstück der Antragsteller in den Geltungsbereich des Bebauungsplans einbezogen und damit dem im Aufbau befindlichen landwirtschaftlichen Betrieb eine planungsrechtliche Absicherung gegeben (zur unterschiedlichen Reichweite von Abwehransprüchen eines Landwirts im [faktischen] Dorfgebiet und im Innenbereich gemäß § 34 Abs. 1 BauGB vgl. BVerwG vom 16.09.1993 BVerwGE 94, 151 = NJW 1994, 1546 einerseits und BVerwG vom 14.01.1993 NVwZ 1993, 1184 = BRS 55 Nr. 175 andererseits). Zum anderen schließt der Dorfgebietsteil des steitgegenständlichen Bebauungsplans unmittelbar an das durch den Bebauungsplan "******** *******" ausgewiesene umfangreiche Dorfgebiet an, in dessen Geltungsbereich sich - jeweils unmittelbar an der gemeinsamen Gebietsgrenze - das Wohnhaus der Antragsteller und das Hofgrundstück des Antragstellers des Parallelverfahrens befinden. Entgegen der Meinung der Antragsteller reicht dies für die "landwirtschaftliche Komponente" der erforderlichen gemischten Struktur des Dorfgebiets aus.

Zwar kann ein Dorfgebiet die zur Wahrung des Gebietscharakters erforderliche landwirtschaftliche Prägung grundsätzlich nur durch einen im Gebiet selbst ansässigen Betrieb erfahren; es genügt nicht, wenn sich ein landwirtschaftlicher Betrieb im angrenzenden Innen- oder Außenbereich auf das Baugebiet auswirkt. Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich der prägende Betrieb in einem unmittelbar angrenzenden, durch Bebauungsplan festgesetzten Dorfgebiet befindet. Bei einer solchen - hier vorliegenden - Fallgestaltung, bei der auch eine Erweiterung des vorhandenen Dorfgebiets in Betracht kommt, schadet es nicht, wenn das neue Gebiet seine landwirtschaftliche Prägung ganz oder teilweise "von außen" erfährt; denn die rein gesetzestechnische Entscheidung, ob ein vorhandenes Baugebiet erweitert oder unmittelbar angrenzend ein neues Gebiet desselben Typs ausgewiesen wird, kann nicht den Ausschlag geben.

Auch das zu erwartende zahlenmäßige Überwiegen der Wohnbebauung schadet nicht. Das richtige Verhältnis von Wohnen und Landwirtschaft in einem Dorfgebiet ist nicht durch einen numerischen Vergleich, sondern nach der städtebaulichen Prägung zu bestimmen. In dieser Hinsicht hat ein landwirtschaftlicher Betrieb deutlich mehr Gewicht als das einzelne Wohngebäude. Wegen seiner größeren Baukörper und wegen der von ihm verursachten Emissionen prägt der Betrieb nicht nur seine unmittelbare Umgebung, sondern einen größeren Bereich. Das gilt auch für die Hofstellen der Antragsteller dieses Verfahrens und des Antragstellers des Parallelverfahrens. Zwar handelt es sich in beiden Fällen (noch) um kleine "Landwirtschaften", die sich an der Grenze zum landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb (Betrieb verstanden im Sinne des baurechtlichen, etwa in § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB verwendeten Begriffs) befinden. Den Stellungnahmen, die das für den Immissionsschutz zuständige Sachgebiet des Landratsamts im Bebauungsplanverfahren abgeben hat, ist jedoch zu entnehmen, dass die Immissionen der beiden Tierhaltungen wesentliche Teile des neuen Dorfgebiets prägen werden. Unter Heranziehung der (auf die jeweils verschiedene Tierarten umfassenden Tierbestände nicht unmittelbar anwendbaren) VDI-Richtlinie 3471 Emissionsminderung Tierhaltung - Schweine (abgedruckt bei König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Aufl., Anhang 9) hat der "Umweltingenieur" für die Zahl von Großvieheinheiten (GV), die sich auf der Grundlage der von der Antragsgegnerin zu Beginn des Bebauungsplanverfahrens ermittelten Tierzahlen ergaben, bei Ausweisung eines Wohngebiets einen Immissionsschutzabstand von den Ställen von rund 100 m (Antragsteller des Parallelverfahrens) bzw. 130 m (Antragsteller dieses Verfahrens) ermittelt (Schreiben vom 2.3.2005, Blatt 124 f. der Bebauungsplanakten). Auch wenn diese Abschätzung nur der Vorbereitung der im "Nahbereich" erforderlichen "Sonderbeurteilung" (vgl. Nr. 3.2.3.4 der VDI-Richtlinie 3471) diente, lässt sie den Schluss zu, dass wesentliche Teil des neuen Dorfgebiets von den Immissionen der beiden Betriebe betroffen und insofern landwirtschaftlich geprägt sein werden. Geht man von den genannten Abstandsmaßen (100 m bzw. 130 m) aus, liegen nämlich alle im Bebauungsplan vorgesehenen Parzellen des Dorfgebiets im Einwirkungsbereich. Selbst wenn man die genannten Maße im Hinblick darauf, dass sie nur als erster Anhaltspunkt ermittelt wurden, jeweils um ein Drittel kürzt, also Abstände von rund 65 m bzw. 85 m zugrundelegt, befinden sich noch 16 der insgesamt 26 Parzellen des neuen Dorfgebiets im Einwirkungsbereich der beiden Betriebe (außerhalb lägen nur die Nrn. 7, 11, 15, 16, 22, 25, 45 und 46). Auch dies würde genügen, weil die Antragsgegnerin bei der Abgrenzung der Gebietsteile in gewissem Umfang auch Zweckmäßigkeitserwägungen berücksichtigen durfte. Die gut nachzuvollziehende Grenzziehung entlang des das Baugebiet in Nord-Süd-Richtung durchquerenden ********s wäre aus diesem Grund selbst dann nicht zu beanstanden, wenn hierdurch auch einige weniger stark betroffene Parzellen in das Dorfgebiet einbezogen worden sein sollten.

bb) Was die "gewerbliche bzw. handwerkliche Komponente" des Dorfgebiets anbelangt, so sind die überbaubaren Grundstücksflächen (auch) im Dorfgebietsteil des Plangebiets so festgesetzt, dass eine Ansiedlung von nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben oder der Versorgung des Gebiets dienenden Handwerksbetrieben, die eher zu erwarten ist als die Ansiedlung eines neuen landwirtschaftlichen Betriebs, nicht von vorneherein ausgeschlossen erscheint. Auch insoweit bestehen somit aus dem Blickwinkel von § 1 Abs. 3 BauGB keine Bedenken. Jedoch müssen die Antragsgegnerin und das Landratsamt beim "Vollzug" des Bebauungsplans anhand des Maßstabes des § 15 Abs. 1 BauNVO (vgl. BVerwG vom 04.05.1988 DVBl 1988, 848 [zu einem Mischgebiet]) darauf achten, dass der Gebietscharakter gewahrt wird. Dies könnte in Frage gestellt sein, wenn in dem Dorfgebietsteil ausschließlich Wohngebäude errichtet würden. Allerdings könnte die Dorfgebietsfestsetzung im Bereich der von den landwirtschaftlichen Immissionen weniger stark betroffenen Parzellen wohl ohne Schmälerung der Belange der beiden kleinen Betriebe in die Festsetzung eines Wohngebiets geändert werden; denn in einem Übergangsbereich zu einem Dorfgebiet müssen auch in einem Wohngebiet liegende Grundstücke eine etwas höhere Immissionsbelastung hinnehmen.

b) Es liegen keine rechtlich erheblichen Abwägungsfehler vor.

Das Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 6 BauGB 1998) ist verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn nicht alle nach Lage der Dinge abwägungserheblichen Belange berücksichtigt werden oder wenn die Bedeutung der von der Planung berührten Belange verkannt oder der Ausgleich zwischen diesen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der dem objektiven Gewicht einzelner Belange nicht gerecht wird (BVerwG vom 12.12.1969 BVerwGE 34, 301; vom 1.11.1974 BVerwGE 47, 144; vom 14.2.1975 BVerwGE 48, 56).

Nach diesem Maßstab ist die Planung nicht zu beanstanden.

Was das Gewicht der Belange der Antragsteller anbelangt, so hat die Antragsgegnerin zu deren Gunsten davon abgesehen, den baurechtlichen Status des im Aufbau befindlichen Nebenerwerbsbetriebs genau zu ermitteln. Die Antragsgegnerin hat für die Abwägung auch keine Folgerungen aus der bereits erwähnten "Bebauungszustimmung" gezogen, sondern den Betrieb so berücksichtigt, wie er derzeit geführt wird und sich in allen Stadien des Verfahrens jeweils eingehend mit den Einwänden der Antragsteller befasst. Dabei hat die Antragsgegnerin die Vorstellungen der Antragsteller weitgehend berücksichtigt. So wurde zur Abschirmung gegenüber den neuen Bauparzellen entlang der Ostgrenze des Grundstücks Fl.Nr. ***/1 und entlang der Nordgrenzen dieses Grundstücks sowie des Grundstücks Fl.Nr. **/3 ein mit Bäumen und Sträuchern zu bepflanzender Streifen als private Grünfläche (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB) festgesetzt. Bei der Festsetzung des Betriebsgrundstücks der Antragsteller als Fläche für die Landwirtschaft (§ 9 Abs. 1 Nr. 18 Buchstabe a BauGB) hat die Antragsgegnerin auf die Festlegung der überbaubaren Flächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB, § 23 BauNVO) verzichtet und damit den Antragstellern insoweit für die Situierung eines Neubaus freie Hand gelassen. Dies erkennen die Antragsteller auch an; sie bemängeln jedoch den ihrer Auffassung nach zu geringen Abstand zwischen ihrem Betriebsgrundstück und der zu erwartenden Wohnbebauung und damit das Abwägungsergebnis. Dieser Einwand ist jedoch nicht berechtigt. Die Planung stützt sich in diesem Punkt auf die Äußerungen des für den Immissionsschutz zuständigen Sachgebiets des Landratsamts, das beim Betrieb der Antragsteller schon in der bereits erwähnten Stellungnahme vom 2. März 2005 als Ergebnis der "Sonderbeurteilung für den Nahbereich" einen Abstand von 34 m vom Stallmittelpunkt zum nächstgelegenen Wohnhaus gefordert hatte und hieran auch im weiteren Verlauf des Verfahrens festgehalten hat. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass diese Beurteilung, die die Antragsgegnerin bei der Festsetzung der überbaubaren Grundstücksflächen ohne Einschränkungen berücksichtigt hat, unzutreffend sein könnte. Auch die Antragsteller haben - sowohl während des Bebauungsplanverfahrens als auch mit dem Normenkontrollantrag - nichts vorgebracht, was Veranlassung geben könnte, diese sachverständige Beurteilung zu hinterfragen; insbesondere haben sie keine Äußerung eines Sachverständigen vorgelegt, die die Einschätzung des Landratsamts konkret in Frage stellt. Es ist deshalb anzunehmen, dass auch die nächstgelegenen neuen Wohnhäuser (Parzellen Nrn. 1 bis 3 und 48) nur Belastungen ausgesetzt sein werden, die im Dorfgebiet hinzunehmen sind. 3. Die Antragsteller haben - gemäß § 159 Satz 2 VwGO als Gesamtschuldner - die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil sie unterlegen sind (§ 154 Abs. 1 VwGO). Dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, erscheint hinsichtlich der Beigeladenen zu 5 bis 10 schon deswegen als billig (§ 162 Abs. 3 VwGO), weil diese keinen Antrag gestellt und sich somit nicht dem Risiko ausgesetzt haben, im Fall des Unterliegens Kosten auferlegt zu bekommen (§ 154 Abs. 3 VwGO). Die Beigeladenen zu 1 bis 4 haben zwar jeweils einen Antrag gestellt. Um das Kostenrisiko des Antragstellers zu begrenzen, erklärt der Senat in Normenkontrollverfahren die außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen jedoch in der Regel auch dann nicht für erstattungsfähig, wenn dieser den Bebauungsplan durch eigene Antragstellung erfolgreich verteidigt hat (vgl. BayVGH vom 7.3.2002 NVwZ 2003, 236 = BayVBl 2003, 248; vom 19.5.2003 1 NE 02.2315). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat der Senat bisher nur dann gemacht, wenn Bebauungsplan nur ein Grundstück überplant und sich der Antragsteller deshalb - ähnlich wie bei einer Nachbarklage - nur einem Eigentümer gegenübersieht (vgl. Urteil vom 13.4.2006 - 1 N 04.1501). Dies ist hier nicht der Fall. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und Abs. 7 GKG. Sie orientiert sich an der Empfehlung unter Nr. 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004.

Ende der Entscheidung

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