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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.10.2003
Aktenzeichen: 1 ZB 01.1513
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB, BauNVO
Vorschriften:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2 | |
VwGO § 144 Abs. 4 | |
BauGB § 30 Abs. 1 | |
BauGB § 31 Abs. 1 | |
BauGB § 36 Abs. 1 Satz 1 | |
BauNVO § 8 Abs. 3 Nr. 3 | |
BauNVO § 15 Abs. 1 Satz 1 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Baugenehmigung für eine Spielhalle und eine Werbeanlage auf Fl.Nr. 627/3 Gemarkung S***************;
hier: Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 15. März 2001,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Waltinger, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Priegl
ohne mündliche Verhandlung am 9. Oktober 2003
folgenden Beschluss:
Tenor:
I. Die Berufung wird zugelassen.
II. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 1 B 01.1513 fortgesetzt. Der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.
Gründe:
I.
Die Kläger beantragten am 7. Februar 2000 eine Baugenehmigung für den Umbau eines Lagers in eine Spielhalle und für eine Werbeanlage auf dem Grundstück Fl.Nr. 627/3 Gemarkung S***************. Das Grundstück liegt in einem durch den Bebauungsplan "R******* u** G************ S***************" festgesetzten Gewerbegebiet, in dem Vergnügungsstätten nur ausnahmsweise zulässig sind. In dem Anwesen befinden sich bereits zwei Diskotheken. Auf dem südlich angrenzenden, durch die L*********** getrennten Grundstück Fl.Nr. 851/6 befindet sich in einem gewerblichen Anwesen ein Wettbüro.
Die Beigeladene verweigerte zu dem vom Bauantrag umfassten Antrag auf Gewährung einer Ausnahme ihr Einvernehmen. Über den Bauantrag wurde nicht entschieden. Das Verwaltungsgericht hat die Untätigkeitsklage der Kläger mit Urteil vom 15. März 2001 abgewiesen.
Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung machen die Kläger geltend, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestünden und dass die Sache besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten aufweise.
Die Beigeladene beantragt, den Zulassungsantrag abzulehnen. Der Beklagte hält ihn für unbegründet.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat Erfolg.
Die Rechtssache weist besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die entscheidungstragenden Gründe des Verwaltungsgerichts betreffen besonders schwierige Fragen. Das Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO analog).
1. In tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht schwierig ist die vom Verwaltungsgericht bejahte Frage, ob die Genehmigung der Spielhalle zu einer der Eigenart des Gewerbegebiets widersprechenden Häufung von Vergnügungsstätten führen würde (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO).
Die Kläger legen ausführlich und mit nicht von vorneherein von der Hand zu weisenden Argumenten dar, dass sich die vom Verwaltungsgericht angenommene "erkennbare planerische Konzeption", in dem Gebiet überwiegend produzierendes Gewerbe anzusiedeln, weder dem Bebauungsplan und dessen Begründung noch anderen Unterlagen entnehmen lasse. Dieser Einwand wird auch durch den Hinweis der Beigeladenen auf die Begründung des Bebauungsplans für das benachbarte Sondergebiet nicht widerlegt. Außerdem ziehen die Kläger die Feststellung des Verwaltungsgerichts, "es liege auf der Hand", dass die in dem Gewerbegebiet allgemein zulässigen Nutzungen, durch die geplante Spielhalle in unzulässiger Weise zurückgedrängt würden, so substantiiert in Zweifel, dass voraussichtlich ein Augenschein erforderlich sein wird, um diese Frage zu klären.
2. Die Frage, ob § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO dem Vorhaben entgegensteht, ist auch entscheidungserheblich. Das angefochtene Urteil erweist sich nicht aus anderen Gründen, die keine weiteren tatsächlichen Feststellungen erfordern und die Zulassung der Berufung nicht rechtfertigen, als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO analog).
Die Aktenlage lässt nicht die Annahme zu, dass die Kläger für ihr Vorhaben keinen Anspruch auf Gewährung einer Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans haben (§ 31 Abs. 1 BauGB, § 1 Abs. 3 Satz 2, § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO). Ob die Voraussetzungen für eine Ausnahme vorliegen, ist vielmehr offen. Die Beigeladene hat nämlich ihr Einvernehmen mit fehlerhaften Erwägungen verweigert.
Im Gemeinderatsbeschluss vom 14. März 2000 wurde das Einvernehmen mit der Begründung versagt, das Vorhaben stehe im Widerspruch zu dem Planungswillen der Gemeinde, einen reinen Gewerbepark zu errichten. Die Beigeladene hat hierbei nicht berücksichtigt, dass es sich wegen der bereits zugelassenen Ausnahmen nicht mehr um ein "reines" Gewerbegebiet handelt.
Soweit die Beigeladene mit dem Beschluss vom 14. März 2000 früheren "Grundsatzbeschlüssen" entsprechen wollte, "Spielotheken strikt abzulehnen", hat sie verkannt, dass bei der Entscheidung über das Einvernehmen nur städtebauliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden dürfen. Dabei sind die Wertungen des Gesetzgebers für die Gewerbefreiheit, und damit auch für die grundsätzliche Zulässigkeit von Spielhallen, hinzunehmen. Die Gemeinden dürfen nicht mit den Mitteln der Bauleitplanung eine eigene "Spielhallenpolitik" betreiben, indem sie diese Einrichtungen unabhängig von Erwägungen der Bodennutzung allgemein, etwa zum Jugendschutz oder aus Vorsorge gegen die Förderung oder Ausbreitung der Spielleidenschaft, für ihr Gemeindegebiet ausschließen (BVerwG vom 22.5.1987 E 77, 308/312 = NVwZ 1987, 1072/1073). Da die Beigeladene im Bebauungsplan "R******* u** G************ S***************" von der Möglichkeit des § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauNVO, alle oder einzelne der in § 8 Abs. 3 BauNVO vorgesehenen Ausnahmen auszuschließen, keinen Gebrauch gemacht hat, hätte sie davon ausgehen müssen, dass auch die Bestimmungen des § 8 Abs. 3 BauNVO über die ausnahmsweise Zulässigkeit von Nutzungsarten Bestandteil des Bebauungsplans geworden (§ 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO) und damit vom planerischen Willen mitumfasst sind (Gaentzsch in Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 3. Aufl., § 31 RdNr. 2 m.w.N.).
Die Folgen der Zulassung (Nr. II der Entscheidungsformel) ergeben sich aus § 194 Abs. 1 Nr. 1 VwGO n. F., § 124 a Abs. 2 Satz 4 VwGO a. F.). Die Kosten des erfolgreichen Zulassungsverfahrens sind Teil der Kosten des Berufungsverfahrens.
Belehrung
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Wegen der Verpflichtung, sich im Berufungsverfahren vertreten zu lassen, wird auf die Rechtsmittelbelehrung der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.
Hinweis
Als Berufungsbegründung genügt angesichts des Sach- und Streitstandes des Falles und der vorstehenden Erwägungen eine Bezugnahme auf die Antragsbegründung.
Ende der Entscheidung
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