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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 01.08.2006
Aktenzeichen: 1 ZB 06.30605
Rechtsgebiete: AsylVfG, VwGO


Vorschriften:

AsylVfG § 78
VwGO § 60 Abs. 1
VwGO § 60 Abs. 2 Satz 1
VwGO § 60 Abs. 2 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

1 ZB 06.30605

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Anerkennung als Asylberechtigte und Abschiebungsschutzes;

hier: Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Mai 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Langer

ohne mündliche Verhandlung am 1. August 2006

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe:

Der Antrag ist unzulässig.

Die Klägerin hat zwar innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Urteils des Verwaltungsgerichts durch ihren neuen Bevollmächtigten die Zulassung der Berufung beantragt (§ 78 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG). Entgegen den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG wurden innerhalb dieser Frist aber keine Zulassungsgründe dargelegt.

Der Klägerin kann wegen der Versäumung der Frist des § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, weil sie nicht ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten (1.). Außerdem wurde die versäumte Rechtshandlung nicht nachgeholt (2.)

1. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 VwGO für die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind nicht erfüllt, weil die Versäumung der Frist auf einem Verschulden der Klägerin bzw. einem Verschulden ihres neuen Bevollmächtigten beruht, das sich die Klägerin gemäß § 173 VwGO, § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Es stand der Klägerin zwar frei, wenige Tage vor der für den 9. Mai 2006 anberaumten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, zu der ihre früheren Bevollmächtigten ordnungsgemäß geladen worden waren, einen Anwaltswechsel in die Wege zu leiten. Nachdem sie sich zu diesem Schritt entschlossen hatte, musste sie aber dafür Sorge tragen, dass sie ihrem neuen Bevollmächtigten das Mandat so rechtzeitig erteilt, dass die Zwei-Wochen-Frist des § 78 Abs. 4 Satz 1 und 4 AsylVfG für den Antrag auf Zulassung der Berufung und für dessen Begründung eingehalten werden kann (vgl. OVG LSA vom 25.7.1995 - 2 L 140/95 - Juris). Außerdem hätte der neue Bevollmächtigte die Klägerin im Rahmen des sich anbahnenden Mandatsverhältnisses auf die Rechtsmittelfrist hinweisen müssen. Aus dem Wiedereinsetzungsantrag ergibt sich nicht, dass es nicht möglich war, diese Verpflichtungen zu erfüllen.

Der neue Bevollmächtigte hat dem Verwaltungsgericht bereits mit Schriftsatz vom 5. Mai 2006 mitgeteilt, dass ihn die Klägerin telefonisch beauftragt habe, ihre Interessen wahrzunehmen. Die Ausfertigung des Urteils vom 9. Mai 2006 wurde den früheren Bevollmächtigten der Klägerin, die dem Verwaltungsgericht erst am 27. Juni 2006 die Beendigung ihres Mandats angezeigt haben, rund einen Monat später, nämlich am 9. Juni 2006, zugestellt. Im Wiedereinsetzungsantrag wird kein Grund genannt und es ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb es der Klägerin nicht möglich gewesen sein sollte, innerhalb dieses Zeitraums für klare Verhältnisse hinsichtlich ihrer weiteren Vertretung zu sorgen. Der Hinweis darauf, dass die Akten dem neuen Bevollmächtigten erst ab dem 30. Juni 2006 zur Verfügung standen, genügt zur Glaubhaftmachung (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO) nicht, weil das Versäumnis gerade darin besteht, dass die vorher ausreichend zur Verfügung stehende Zeit nicht genutzt wurde, um fristgerecht auf das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2006 zu erwartende Urteil des Verwaltungsgerichts reagieren zu können.

2. Davon abgesehen kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch deswegen nicht gewährt werden, weil § 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO nicht beachtet wurden. Nach dieser Vorschrift muss die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nachgeholt werden. Dies ist (bis heute) nicht geschehen.

Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt mit dem Wegfall des Hindernisses, auf dem die Fristversäumung beruht (§ 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Wenn man entgegen dem unter 1. Ausgeführten unterstellt, dass die Klägerin zunächst gehindert war, den Zulassungsantrag rechtzeitig zu begründen, begann diese Frist am 30. Juni 2006, einem Freitag, zu laufen, nämlich dem Tag, an welchem dem neuen Bevollmächtigten die Akten für die mit dem Zulassungsantrag beantragte Akteneinsicht zugegangen sind. Ab diesem Zeitpunkt standen dem Bevollmächtigten die Unterlagen zur Verfügung, die er für die Ausarbeitung der Begründung benötigte.

Wenn die Vorschrift des § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO anzuwenden ist, der zufolge die Wiedereinsetzungsfrist zwei Wochen beträgt, ist die Frist bereits am Freitag, den 14. Juli 2006, abgelaufen (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alternative 1 BGB). Die Begründung des Zulassungsantrags wäre aber auch dann nicht rechtzeitig nachgeholt worden, wenn § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO maßgebend sein sollte. Nach dieser Vorschrift gilt (u. a.) bei der Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung eine Frist von einem Monat. Es ist schon sehr fraglich, ob diese auf dem Ersten Gesetz zur Modernisierung der Justiz vom 24.8.2004 (BGBl I S. 2198) beruhende Vorschrift in Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz Anwendung findet. Der Gesetzgeber wollte mit der neuen Regelung sicherstellen, dass einer Prozesspartei, der nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe Wiedereinsetzung gewährt wird, für die Begründung des Rechtsmittels dieselbe Frist zur Verfügung steht wie der vermögenden Partei (vgl. BT-Drs. 15/1508 S. 17 f [zu der entsprechenden Vorschrift des § 234 ZPO] sowie BT-Drs. 15/3482, S. 23). Dies spricht dafür, die Vorschrift nur heranzuziehen, wenn auch die Begründungsfrist einen Monat beträgt (vgl. § 124 a Abs. 4 Satz 1 und 4 VwGO). Die Frage muss aber nicht entschieden werden. Die Monatsfrist wäre gemäß § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alternative 1 BGB, § 222 Abs. 2 ZPO am Montag, dem 31. Juli 2006, abgelaufen, weil der 30. Juli 2006 ein Sonntag war. Auch innerhalb dieser Frist hat der Bevollmächtigte der Klägerin nur den Wiedereinsetzungsantrag gestellt, aber nicht die Begründung für den Zulassungsantrag nachgeliefert. Sein Antrag, ihm eine neue Frist für die Begründung zu setzen, ist schon deswegen unbehelflich, weil die gesetzliche Begründungsfrist des § 78 Abs. 4 Satz 1 und 4 AsylVfG nicht verlängert werden kann (vgl. auch Eyermann/Jörg Schmidt, VwGO, 12. Aufl., § 60 RdNr. 25).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylVfG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 Alternative 1 RVG.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

Ende der Entscheidung

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