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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.10.2007
Aktenzeichen: 1 ZB 07.340
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB, BauNVO


Vorschriften:

VwGO § 124 a Abs. 4 Satz 4
BauGB § 34 Abs. 1
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

1 ZB 07.340

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Anfechtung einer Baugenehmigung für die Nutzung des früheren Wirtschaftsteils eines ehemals landwirtschaftlichen Anwesens als "Veranstaltungsort" (Fl.Nr. * Gemarkung Widdersberg);

hier: Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 23. November 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Häberlein

ohne mündliche Verhandlung am 26. Oktober 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Kläger zu 1 und 2 als Gesamtschuldner und der Kläger zu 3 tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens je zur Hälfte. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Kläger wenden sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Nutzung eines ehemals landwirtschaftlich genutzten Gebäudeteils als Veranstaltungsort für Feierlichkeiten mit Bewirtschaftung, kleiner Schnapsbrennerei, Brauerei und kleinem Biergarten auf dem Grundstück Fl.Nr. * der Gemarkung ***********. Die Kläger zu 1 und 2 sind Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. **** der Gemarkung ***********, das - getrennt durch das Grundstück Fl.Nr. *** - westlich des Baugrundstücks gelegen ist. Unmittelbar daran westlich anschließend befindet sich das Grundstück Fl.Nr. ****, dessen Eigentümer der Kläger zu 3 ist.

Mit Bescheid vom 10. Oktober 2005 erteilte das Landratsamt ********* dem Beigeladenen die Baugenehmigung mit immissionsschutzrechtlichen Auflagen. Der Widerspruch der Kläger wurde mit Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 15. Februar 2006 zurückgewiesen. Ihre Anfechtungsklage wies das Verwaltungsgericht München nach einem Augenschein mit Urteil vom 23. November 2006 ab. Zur Begründung führte es sinngemäß aus, dass den Klägern kein Anspruch auf Bewahrung eines reinen oder allgemeinen Wohngebietes zustehe, weil die Umgebung des Baugrundstücks nicht einem Wohngebiet entspreche. Vielmehr handele es sich um eine "städtebauliche Gemengelage" im Sinn von § 34 Abs. 1 BauGB. In diese füge sich das Bauvorhaben ein. Die immissionsschutzrechtlichen Auflagen der Baugenehmigung stellten sicher, dass das Vorhaben die gebotene Rücksicht auf die Wohnbebauung der Kläger nehme.

Die Kläger beantragen, die Berufung zuzulassen. Sie machen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung geltend.

Der Beklagte sowie der Beigeladene beantragen, den Antrag abzulehnen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist hinsichtlich des geltend gemachten Gebietsbewahrungsanspruchs zwar ausreichend dargelegt; er liegt aber nicht vor (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO), weil das Vorbringen der Kläger nicht geeignet ist, in diesem Punkt ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen (1.). Soweit die Kläger das Rücksichtnahmegebot verletzt sehen, fehlt es schon an einer § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Darlegung des Zulassungsgrundes (2.)

1. Es ist nicht ernstlich fraglich, dass das Verwaltungsgericht den Klägern einen Anspruch auf Bewahrung eines "faktischen" allgemeinen Wohngebiets (§ 34 Abs. 2 BauGB, § 4 BauNVO) - jedenfalls im Ergebnis (§ 144 Abs. 4 VwGO in entsprechender Anwendung) - zu Recht abgesprochen hat.

Dies gilt unabhängig davon, ob die Feststellung in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils, dass sich auf dem - zweifelsfrei zur Umgebung gehörenden - Grundstück Fl.Nr. * der "einzige landwirtschaftliche Betrieb innerhalb des Ortsteils (befinde)" (Seite 10 des Entscheidungsabdrucks) zutrifft, obwohl in der Niederschrift über den Augenschein für dieses - dort mit der Hausnummer (Nr. 1) bezeichnete - Grundstück lediglich ein "landwirtschaftliches Gebäude" festgehalten wurde, dessen vorderer Teil zum Wohnen und dessen größerer rückwärtiger Teil, der "nicht mehr genutzte Schweinestall", als Unterstellraum genutzt wird. Offen bleiben kann ferner, ob der auf diese Feststellungen gestützte Einwand der Kläger, dass sich auf dem Grundstück Fl.Nr. * keine Wirtschaftsstelle eines landwirtschaftlichen Betriebs (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO) mehr befinde, durch die nicht näher begründete gegenteilige Behauptung des Beklagten und die vom Beigeladenen hierzu vorgelegten Unterlagen widerlegt wäre.

Trifft die Aussage des Verwaltungsgerichts (Vorhandensein eines landwirtschaftlichen Betriebs auf Fl.Nr. *) zu, so scheidet eine Einstufung der Umgebung als "faktisches" Wohngebiet und damit ein Anspruch auf Bewahrung dieses Gebiets schon aus diesem Grunde aus.

Dasselbe ergibt sich, wenn sich auf dem Grundstück Fl.Nr. * keine landwirtschaftliche Hofstelle mehr befinden sollte. Auch in diesem Fall erscheint es nämlich nach den weiteren, mit dem Zulassungsantrag nicht in Frage gestellten Feststellungen des Verwaltungsgerichts beim Augenschein und dem Inhalt der Akten nicht fraglich, dass die Eigenart der näheren Umgebung des Baugrundstücks jedenfalls nicht einem (allgemeinen) Wohngebiet entspricht. Das Verwaltungsgericht hat mit - dies ist den Klägern zuzugeben - zum Teil wenig präzisen Formulierungen ausgeführt, dass sich der Gebietscharakter des als Umgebung anzusehenden Bereichs nach weitgehender Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung im Umbruch befinde. In Anbetracht der Tatsache, dass mehrere ehemals landwirtschaftlich genutzte Gebäude jetzt gewerblichen Zwecken dienten, habe sich die Umgebung aber noch nicht zu einem Wohngebiet entwickelt. Der Sache nach hat das Verwaltungsgericht damit festgestellt, dass die aufgegebene landwirtschaftliche Nutzung für die bauplanungsrechtliche Einstufung der Umgebung des Baugrundstücks noch rechtlich erheblich ist, weil sie in der gewerblichen (Zwischen)Nutzung nachwirkt, die derzeit in den nicht mehr für ihren ursprünglichen Zweck benötigten Wirtschaftsteilen der Hauptgebäude und den Nebengebäuden der früheren Hofstellen stattfindet (zur Nachwirkung von aufgegebenen Nutzungen vgl. Hofherr in Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., § 34 RdNr. 28 mit weiteren Nachweisen). Die Richtigkeit der hierauf gestützten, der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. Beschluss vom 13.10.2006 - 2 ZB 06.2481 - Juris [zu einem ähnlichen Sachverhalt]) entsprechenden Beurteilung, dass aus diesem Grund jedenfalls eine Einstufung als (allgemeines) Wohngebiet ausscheidet, wird auch durch den Hinweis der Kläger auf § 4 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 BauNVO nicht ernstlich in Frage gestellt. Zwar trifft es zu, dass in einem allgemeinen Wohngebiet der Versorgung des Gebiets dienende Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe allgemein und sonstige nicht störende Gewerbebetriebe ausnahmsweise zulässig sind. Jedoch ist die nachwirkende Nutzung nicht als "nicht störend" (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO), sondern als "nicht wesentlich störend" (vgl. § 5 Abs. 1 BauNVO) einzustufen. Davon abgesehen kann angesichts der großen Zahl der in der Umgebung (auf den Grundstücken Fl.Nrn. ***, **, **, *, ** und **) vorhandenen, ehemals landwirtschaftlich und jetzt gewerblich (jedenfalls aber nicht zum Wohnen) genutzten Gebäude auch nicht die Rede davon sein, dass gewerbliche Nachwirkungen der landwirtschaftlichen Nutzung nur ausnahmsweise (§ 4 Abs. 3 BauNVO) vorhanden sind. Auch aus diesem Grund ist nicht anzunehmen, dass die Umgebung des Baugrundstücks schon vorwiegend dem Wohnen dient (vgl. § 4 Abs. 1 BauNVO).

2. Soweit sich die Kläger gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts wenden, dass die Baugenehmigung im Hinblick auf ihre dem Immissionsschutz dienenden Nebenbestimmungen einerseits und die Entfernung des Grundstücke der Kläger vom Baugrundstück andererseits nicht gegen das im Einfügungsgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstoße, ist der Zulassungsantrag unzulässig. Das insoweit nur auf eine Bezugnahme auf die Klagebegründung gestützte Vorbringen genügt nicht dem Darlegungsgebot des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO, weil nicht aufgezeigt wird, in welchen Punkten und aus welchen Erwägungen heraus an der Richtigkeit der Begründung und des Ergebnisses der angefochtenen Entscheidung ernstliche Zweifel bestehen sollen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO), dass der Beigeladene trotz seines erfolgreichen Gegenantrages seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Denn der Beigeladene hat sich mit seinem Antrag keinem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt, weil bei einem erfolgreichen Zulassungsantrag keine Kosten angefallen wären. Die Kosten eines erfolgreichen Zulassungsverfahrens sind nämlich Teil der Kosten des Berufungsverfahrens. Im Zulassungsverfahren bleibt es deshalb in aller Regel bei dem kostenrechtlichen Grundsatz, dass ein Beigeladener seine Kosten selbst trägt (vgl. BayVGH vom 11.10.2001 DVBl 2002, 345; vom 11.4.2002 1 ZS 01.3179).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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