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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.01.2009
Aktenzeichen: 1 ZB 08.97
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO, BayBO


Vorschriften:

BauGB § 30 Abs. 3
BauGB § 34 Abs. 1 Satz 1
BauNVO § 23 Abs. 2
BauNVO § 23 Abs. 3
BauNVO § 23 Abs. 5 Satz 2
BayBO Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1
BayBO Art. 76 Satz 1
Die gegen Abstandsflächenrecht verstoßende Errichtung eines Gebäudes an der Grundstücksgrenze oder mit einem für das Einhalten der Abstandsfläche auf dem Baugrundstück zu geringen Grenzabstand hat nicht zur Folge, dass die Abstandsfläche (teilweise) auf dem Nachbargrundstück liegt und dort von Gebäuden und gebäudeähnlichen Anlagen freigehalten werden muss sowie nicht auf die auf dem Nachbargrundstück erforderlichen Abstandsflächen angerechnet werden darf (Klarstellung zu BayVGH vom 20.2.2002 BayVBl 2002, 499).
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

1 ZB 08.97

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Verpflichtung zum Erlass einer Beseitigungsanordnung (Fl.Nr. ***/5 Gemarkung ***********);

hier: Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 22. November 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 1. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof König, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Müller, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Priegl

ohne mündliche Verhandlung am 14. Januar 2009

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin möchte als Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. ***/3 Gemarkung V********** erreichen, dass der Beklagte verpflichtet wird, durch das Landratsamt D***** die Beseitigung eines Garagengebäudes anzuordnen, das die Beigeladenen auf dem südlich anschließenden Grundstück Fl.Nr. ***/5 im Jahr 1999 ohne Baugenehmigung an der gemeinsamen Grundstücksgrenze errichtet haben.

Der Teil der Bebauung an der S******straße, zu der die Anwesen der Klägerin und der Beigeladenen gehören, ist auf der Grundlage eines im Jahr 1957 erstellten Baulinienplans entstanden. Die Garage steht außerhalb der in diesem Plan festgesetzten Baulinien und Baugrenzen. Das Grundstück der Klägerin befindet sich seit Februar 1972 im Gebiet eines qualifizierten Bebauungsplans, der nach A.4. seiner Festsetzungen in seinem Geltungsbereich alle früheren Bebauungspläne ersetzt.

Nachdem sich die Klägerin bei der Gemeinde V********** mehrfach über das Bauvorhaben beschwert hatte, wandte sie sich im August 2005 an das Landratsamt. Die Behörde stellte bei einer Ortseinsicht fest, dass die Voraussetzungen, unter denen eine "Grenzgarage" ohne Baugenehmigung errichtet werden darf, nicht eingehalten werden, weil die Wandhöhe das zulässige Maß von "3 m im Mittel" um maximal 0,05 m überschreitet. Wegen der Geringfügigkeit der Überschreitung sah das Landratsamt aber keine Veranlassung, gegen die Garage einzuschreiten. Es teilte der Klägerin mit Schreiben vom 9. Dezember 2005 mit, dass das Gebäude bis auf weiteres widerruflich geduldet werde. Mit Schreiben vom 1. März 2007 bestätigte die Behörde ihre Haltung. Die Garage befinde sich zwar auch außerhalb der in dem Baulinienplan vom 4. November 1957 festgesetzten überbaubaren Grundstücksflächen. In Ausübung des durch Art. 82 Satz 1 BayBO a. F. eingeräumten Ermessens werde jedoch von einem Einschreiten abgesehen.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Regierung *** ********** mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juni 2007 zurück. Die daraufhin erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 10. Juli 2007 ab.

Die Klägerin beantragt, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen.

Sie macht geltend, dass ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden, dass die Rechtssache besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten aufweise und grundsätzliche Bedeutung habe, und dass ein Verfahrensfehler vorliege.

Der Beklagte beantragt, den Zulassungsantrag abzulehnen.

Die Beigeladenen stellen die Entstehungsgeschichte des Garagengebäudes aus ihrer Sicht dar und verteidigen die angefochtene Entscheidung.

II.

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor (§ 124 a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. Aus dem Zulassungsantrag ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Es ist nicht ernstlich fraglich, dass der Klägerin der geltend gemachte Anspruch darauf, dass die Beseitigung des Garagengebäudes angeordnet wird, nicht zusteht.

Nach der nunmehr maßgeblichen, Art. 82 Satz 1 BayBO a. F. entsprechenden Vorschrift des Art. 76 Satz 1 BayBO ist die Bauaufsichtsbehörde befugt, die teilweise oder vollständige Beseitigung von im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichteten Anlagen anzuordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Ausübung dieser Befugnis steht im pflichtgemäßen Ermessen (Art. 40 BayVwVfG). Wenn die Rechtswidrigkeit einer Anlage (auch) darauf beruht, dass sie gegen Vorschriften verstößt, die Nachbarn des Baugrundstücks in ihren Rechten schützen, kann ein hiervon betroffener Nachbar zwar beanspruchen, dass ermessensfehlerfrei entschieden wird. Einen Anspruch auf Einschreiten hat der Nachbar aber nur, wenn jede andere Entscheidung angesichts der Schwere der Rechtsverletzung auch unter Berücksichtigung der Belange des Bauherrn ermessensfehlerhaft wäre, wenn also das Ermessen zu Gunsten des Nachbarn "auf Null" reduziert ist (vgl. BayVGH vom 21.1.2002 - 2 ZB 00.780 - juris; BayVerfGH vom 3.12.1993 BayVBl 1994, 110; BVerwG vom 4.6.1996 NVwZ-RR 1997, 271; vom 10.12.1997 NVwZ 1998, 395).

Nach diesem Maßstab hat das Verwaltungsgericht den geltend gemachten Anspruch zu Recht verneint. Das Garagengebäude verstößt zwar sowohl gegen Bauplanungsrecht als auch gegen Bauordnungsrecht. Der bauplanungsrechtliche Verstoß führt aber schon deswegen nicht zu einem Anspruch auf Einschreiten, weil durch ihn die Rechte der Klägerin nicht verletzt werden (a). In bauordnungsrechtlicher Hinsicht handelt es sich zwar um einen Verstoß gegen nachbarschützendes Recht; der Verstoß wiegt aber nicht so schwer, dass die Entscheidung, von einem Einschreiten abzusehen, ermessensfehlerhaft wäre (b).

a) In bauplanungsrechtlicher Hinsicht verstößt das Gebäude nur gegen Vorschriften, die nicht die Rechte der Klägerin schützen.

Wenn der Baulinienplan gemäß § 173 Abs. 3 Satz 1 BBauG als einfacher Bebauungsplan fortgilt und nicht "funktionslos" geworden ist, richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Garagengebäudes nach § 34 BauGB in Verbindung mit § 30 Abs. 3 BauGB und den festgesetzten Baulinien bzw. Baugrenzen; sonst findet entweder § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB hinsichtlich aller vier Zulässigkeitskriterien eines Vorhabens im Innenbereich Anwendung oder, wenn die Nutzungsart in der Umgebung des Baugrundstücks einem reinen oder einem allgemeinen Wohngebiet entspricht, § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB hinsichtlich der Kriterien des Nutzungsmaßes, der überbaubaren Grundstücksfläche und der Bauweise sowie § 34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit § 3 oder § 4 BauNVO hinsichtlich der Nutzungsart. Der Einwand der Klägerin, dass bei der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsprüfung nicht auf den Baulinienplan, sondern auf den im Februar 1972 in Kraft getretenen Bebauungsplan abzustellen sei, liegt neben der Sache. Der Bebauungsplan erfasst zwar auch das Grundstück der Klägerin; das Grundstück der Beigeladenen, auf dem die Garage errichtet wurde, liegt jedoch außerhalb des Geltungsbereiches.

(1) Nach jedem in Betracht kommenden Maßstab ist das Gebäude hinsichtlich der Bauweise nicht zulässig, weil es trotz offener Bauweise an der Grenze errichtet wurde. Zwar ist eine Grenzbebauung in dem durch Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO (bzw. die entsprechenden früheren Vorschriften) ermöglichten Umfang grundsätzlich mit der offenen Bauweise zu vereinbaren (BayVGH vom 9.11.1977 BayVBl 1978, 118). Das Gebäude hält die Maße einer zulässigen Grenzbebauung aber nicht ein, weil die Höhe der Grenzwand (Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO) das nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO zulässige Maß von 3,00 m im Mittel um etwa 0,05 m überschreitet. In einem Gebiet, in dem die offene Bauweise herrscht, darf das Gebäude somit nur mit seitlichem Grenzabstand errichtet werden (vgl. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO).

Ein Anspruch auf Erlass einer Beseitigungsanordnung ergibt sich aus diesem Rechtsverstoß aber schon deswegen nicht, weil durch ihn Rechte der Klägerin nicht verletzt werden.

§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB dient nicht in vollem Umfang dem Nachbarschutz, sondern nur insoweit, wie mit dem Einfügungsgebot auch Rücksicht auf die Nachbarschaft verlangt wird. Das Rücksichtnahmegebot ist jedoch nicht verletzt, weil das Garagengebäude trotz seines Standortes unmittelbar an der Grundstücksgrenze keine abriegelnde oder erdrückende Wirkung hat. Da Garagen mit den in Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO genannten Maßen trotz offener Bauweise grundsätzlich ohne seitlichen Grenzabstand zulässig sind, ist anzunehmen, dass ein Gebäude, das zwar ein einzelnes der in Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO normierten Maße nicht einhält, in der Gesamtwirkung jedoch einem nach dieser Vorschrift zulässigen Vorhaben entspricht, in der Regel keine unzumutbaren Auswirkungen auf das Nachbargrundstück hat.

Nach diesem Maßstab liegt kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vor. Wenn die nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 BayBO zulässige Wandhöhe von 3 m im Mittel eingehalten wird, müsste die Klägerin an der Grundstücksgrenze trotz offener Bauweise ein Garagengebäude mit einem steiler als 45° geneigten, nämlich bis 70° geneigten Dach hinnehmen; nach der bei Errichtung des Gebäudes maßgeblichen Vorschrift des Art. 7 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO a. F. galt dies sogar für eine Dachneigung bis zu 75°. Die - für das Rücksichtnahmegebot maßgebliche - Gesamtwirkung eines solchen Garagengebäudes auf das Anwesen der Klägerin wäre jedenfalls nicht geringer als die des errichteten Gebäudes mit einer Wandhöhe von etwa 3,05 m und einer Dachneigung von etwa 45°. Aus diesem Grund erscheint es nicht ernstlich fraglich, dass das Verwaltungsgericht eine erdrückende oder abriegelnde Wirkung zu Recht verneint hat. Besonderheiten, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.

(2) Ist der Baulinienplan aus dem Jahre 1957 noch maßgeblich, dann läge zwar ein weiterer Verstoß gegen Bauplanungsrecht vor, weil die Garage vollständig außerhalb der durch Baulinien und Baugrenzen festgesetzten überbaubaren Grundstücksfläche errichtet wurde (§ 30 Abs. 3 BauGB, § 23 Abs. 2 und 3 BauNVO) und eine Befreiung (§ 31 Abs. 2 BauGB) nicht erteilt wurde (eine Zulassung der Garage auf der Grundlage von § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO scheidet von vorneherein aus, weil das Gebäude, so wie es ausgeführt wurde, nicht nach Landesrecht in den Abstandsflächen zulässig ist oder zugelassen werden kann). Allein durch den Verstoß gegen die Baulinien- und Baugrenzenfestsetzungen wird die Klägerin aber nicht in ihren Rechten verletzt; denn es ist nicht anzunehmen, dass diese Festsetzungen (auch) dem Schutz des Grundstücks der Klägerin dienen.

Die Einwände der Klägerin hierzu beschränken sich darauf, sinngemäß die Frage aufzuwerfen, "weshalb der Baulinienplan überhaupt aufgestellt wurde", wenn er nicht den Zweck hat, die Nachbarn zu schützen (vgl. Seite 2 des Schriftsatzes vom 4.2.2008). Das genügt nicht, um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu begründen. Im Übrigen ist die Frage ohne weiteres dahin zu beantworten, dass der Plan die Funktion hat, im Interesse der Allgemeinheit die städtebauliche Ordnung in dem überplanten Bereich zu gewährleisten. Abgesehen davon spricht auch die Tatsache, dass der Baulinienplan im Bereich des Grundstücks der Klägerin (sowie der westlich angrenzenden Grundstücke Fl.Nrn. ***/2 und ***/1) durch die hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche anders konzipierten Festsetzungen des Bebauungsplans aus dem Jahre 1972 abgelöst wurde, gegen die Annahme, dass die übergeleiteten Baulinien bzw. -grenzen (noch) Rechte der Klägerin schützen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts richtet sich der Nachbarschutz bei einem Verstoß gegen eine nicht dem Nachbarschutz dienende Festsetzung nach der entsprechend heranzuziehenden Vorschrift des § 15 Abs. 1 BauNVO (BVerwG vom 6.10.1989 BVerwGE 82, 343 = BayVBl 1990, 154). Ausschlaggebend ist, ob das Garagengebäude zulasten der Klägerin gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt. Dazu, dass dies nicht der Fall ist, wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.

b) Den Verstoß gegen Bauordnungsrecht hat das Verwaltungsgericht zurecht als nicht so gravierend bewertet, dass gegen das Garagengebäude eingeschritten werden müsste, um die Rechte der Klägerin zu schützen.

(1) Zwar waren und sind die Voraussetzungen, unter denen das Vorhaben nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b BayBO a. F. bzw. Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b BayBO ohne Baugenehmigung bzw. verfahrensfrei errichtet werden durfte bzw. darf, jedenfalls deswegen nicht erfüllt, weil das Gebäude, wie bereits festgestellt wurde, die nach Art. 7 Abs. 4 BayBO a. F. bzw. Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO zulässige Wandhöhe überschreitet. Allein dadurch, dass ein erforderliches Genehmigungsverfahren nicht durchgeführt wurde, wird die Klägerin aber nicht in ihren Rechten verletzt. Die Vorschriften über die Genehmigungspflicht und Genehmigungsfreiheit (Art. 62 ff. BayBO a. F.; Art. 55 ff. BayBO) dienen nicht dem Schutz der Nachbarn, sondern "nur" dem öffentlichen Interesse.

(2) In materiellrechtlicher Hinsicht liegt zwar ein Verstoß gegen nachbarschützendes Recht vor. Da die Voraussetzungen, unter denen die Garage ohne eigene Abstandsfläche zur nördlichen Grundstücksgrenze errichtet werden durfte bzw. darf, nicht erfüllt sind, müsste das Gebäude auch auf seiner dem Grundstück der Klägerin zugewandten Nordseite eine Abstandsfläche auf dem Baugrundstück einhalten. Dieser Rechtsverstoß wiegt aber nicht so schwer, dass dem Landratsamt keine andere Wahl blieb, als die Beseitigung bzw. einen Rückbau auf die zulässige Wandhöhe anzuordnen. Dies hat das Verwaltungsgericht - auch unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide - zutreffend festgestellt. Die Einwände der Klägerin führen zu keiner anderen Beurteilung; die Klägerin stellt vor allem die abstandsflächenrechtlichen Folgen des Rechtsverstoßes nicht richtig dar.

Aus dem Blickwinkel des Grundstücks der Klägerin fällt bei der Bewertung der Schwere des Rechtsverstoßes nur ins Gewicht, dass die zulässige Wandhöhe um 0,05 m überschritten wird. Angesichts der Geringfügigkeit dieser Abweichung ist es nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit von einem Einschreiten abgesehen hat. Wie bereits bei der Prüfung des Rücksichtnahmegebots ausgeführt wurde, spricht hierfür auch, dass die Klägerin - bei Einhaltung einer Wandhöhe von 3 m - abstandsflächenrechtlich ein Garagengebäude mit einem steiler als 45° geneigten Dach und - als Folge hiervon - einer größeren Giebelfläche im Bereich des Daches hinnehmen müsste.

Einer (von der Klägerin behaupteten) Nutzung des Dachraums des Garagengebäudes zu Aufenthaltszwecken musste das Landratsamt im Rahmen der Ermessensausübung hingegen keine Bedeutung beimessen. Dementsprechend ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht den Sachverhalt in dieser Hinsicht nicht weiter aufgeklärt hat. Zwar läge in dieser Nutzung ein weiterer Verstoß gegen Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO. Hierdurch ergäbe sich aber keine zusätzliche Beeinträchtigung des Anwesens der Klägerin. Denn die an der Grenze zum Grundstück der Klägerin stehende Giebelwand hat keine Öffnungen und das Gebäude ist, wie die Fotografien zeigen, auch im Übrigen so gestaltet, dass Belange der Klägerin von einer Aufenthaltsnutzung nicht berührt würden.

Der Haupteinwand der Klägerin, dass die Abstandsfläche der nördlichen Giebelwand der Garage auf ihrem Grundstück liege und gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 BayBO von Gebäuden sowie gebäudeähnlichen Anlagen freigehalten werden müsse, trifft nicht zu. Diese Rechtsfolge ist nicht eingetreten, weil die Voraussetzungen, unter denen sich die Abstandsfläche nach Art. 7 Abs. 5 BayBO a. F. bzw. Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO auf das Grundstück der Klägerin erstrecken durfte bzw. darf, nicht erfüllt sind; insbesondere hat die Klägerin die Abstandsfläche nicht gemäß Art. 7 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 Alternative 1 BayBO a. F. bzw. Art. 6 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 Alternative 2 BayBO auf ihr Grundstück übernommen. Nach einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 20.2.2002 BayVBl 2002, 499) verpflichtet zwar auch eine infolge Nichtausführung des Vorhabens gegenstandslos gewordene Übernahme den Eigentümer des dienenden Grundstücks zur Freihaltung der Abstandsfläche, wenn ein anderes Gebäude - maßgeblich gestützt auf die irrige Annahme, die Abstandsflächenübernahme gelte auch für dieses Vorhaben - bestandskräftig als Grenzanbau genehmigt wurde. Diese Feststellung darf aber - entgegen einer möglicherweise missverständlichen Formulierung in den Entscheidungsgründen ("... Vielmehr tritt, wenn eine Baugenehmigung unter Nichtbeachtung der Grundsätze des Art. 6 Abs. 2 Satz 1, Art. 7 Abs. 5 BayBO erteilt wird, ein bauordnungswidriger Zustand dergestalt ein, dass die Abstandsflächen ganz oder teilweise auf dem Nachbargrundstück zu liegen kommen. ...") - nicht verallgemeinert werden. Wenn erforderliche Abstandsflächen unter Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO nicht (vollständig) auf dem Baugrundstück liegen, weil die Voraussetzungen, unter denen ein Gebäude nach Art. 6 Abs. 9 BayBO kraft Gesetzes ohne eigene Abstandsflächen zulässig ist, nicht erfüllt sind, weil die Tiefe der Abstandsfläche falsch berechnet wurde oder weil die Abstandsfläche zu Unrecht durch eine Abweichung (Art. 63 Abs. 1 BayBO) auf das Maß des geplanten Grenzabstandes verkürzt wurde, besteht zwar ein rechtswidriger Zustand. Die Rechtswidrigkeit liegt aber (nur) darin, dass das Gebäude zu Unrecht an der Grenze steht bzw. einen zu geringen Grenzabstand einhält. Der Rechtsverstoß hat hingegen nicht zur Folge, dass sich die Abstandsfläche (teilweise) auf das Nachbargrundstück erstreckt und (auch) dort von einer in den Abstandsflächen nicht zulässigen Bebauung freigehalten werden muss (Art. 7 Abs. 4 Satz 3 BayBO a. F.) bzw. dass die Abstandsfläche nicht auf die auf diesem Grundstück erforderlichen Abstandsflächen angerechnet werden darf (Art. 6 Abs. 2 Satz 4 BayBO). Nur diese Auslegung vermeidet eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentumsrechts des Nachbarn durch das Freihaltegebot des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO und das Überdeckungsverbot des Art. 6 Abs. 3 BayBO (so auch: Koch/Molodovsky/Famers, BayBO, Art. 6 RdNrn. 43 und 104; Dhom in Simon/Busse, BayBO, Art. 6 a. F. RdNr. 73; Hauth, BauR 2008, 775; a. A. Dirnberger in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue bayerische Bauordnung, Art. 6 RdNr. 65 [unter Berufung auf BayVGH vom 20.2.2002 a. a. O.]).

2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf.

Der Zulassungsantrag sieht die besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache im Wesentlichen in den Fragen, die auch zu dem Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts angeführt werden. Diese Fragen weisen jedoch, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, keine über das normale Maß hinausgehende, die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordernde Schwierigkeit auf. Auch die tatsächlichen Verhältnisse lassen sich anhand der Fotografien in den Akten sowie der Niederschrift über den Augenschein des Verwaltungsgerichts beurteilen, soweit sie für die Entscheidung erheblich sind.

3. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Zur Darlegung (§ 124 a Abs. 4 Satz 3 VwGO) einer grundsätzlichen Bedeutung muss eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt werden, weshalb die Frage klärungsbedürftig und entscheidungserheblich ist. Ferner muss die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Relevanz der Frage dargelegt werden. Dem genügt das Vorbringen im Zulassungsantrag nicht. Davon abgesehen ist die Frage, "inwieweit die Klägerin selbst noch die Fläche in Anspruch nehmen kann, die rechtswidrig mit Abstandsflächen des Nachbarn belegt ist", geklärt. Hierzu wird auf die Ausführungen unter 1. verweisen.

4. Die Berufung ist nicht wegen eines der Beurteilung des Senats unterliegenden Verfahrensfehlers, auf dem die Entscheidung beruhen kann, zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

Auch bei diesem Zulassungsgrund fehlt die nach § 124 a Abs. 4 Satz 3 VwGO erforderliche Darlegung. Mit ihrem Vorbringen macht die Klägerin keinen Verfahrensfehler geltend; vielmehr rügt sie - wie unter 1. dargelegt wurde zu Unrecht - eine fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts.

5. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, weil ihr Antrag keinen Erfolg hat (§ 154 Abs. 2 VwGO). Dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, entspricht schon deswegen der Billigkeit, weil sie keinen Antrag gestellt und sich somit aus diesem Grund nicht dem Risiko, Kosten auferlegt zu bekommen, ausgesetzt haben (§ 162 Abs. 3 und § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1 sowie § 52 Abs. 1 GKG. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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