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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.06.2008
Aktenzeichen: 10 CS 08.1102
Rechtsgebiete: GlüStV
Vorschriften:
GlüStV § 9 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Vermittlung von Sportwetten (Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO);
hier: Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. April 2008,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 10. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Simmon, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Eich
ohne mündliche Verhandlung am 2. Juni 2008
folgenden Beschluss:
Tenor:
I. Unter Abänderung der Nr. I. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 11. April 2008 wird der Antrag insgesamt abgelehnt.
II. Unter Abänderung der Nr. II. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts trägt die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Unter Abänderung der Nr. III. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts wird der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen auf jeweils 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der sofortigen Vollziehung eines Verbots, Sportwetten zu veranstalten, durchzuführen und zu vermitteln.
Die Antragsstellerin betreibt in E. ein Wettbüro. Dort werden Sportwetten für einen in Malta ansässigen Wettanbieter vermittelt. Dieser verfügt über keine Erlaubnis deutscher Behörden, besitzt nach den Angaben der Antragstellerin allerdings eine maltesische Konzession.
Der Antragsgegner untersagte der Antragstellerin mit Bescheid vom 1. April 2008 die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glückspiele (Nr. 1.) und forderte die Antragstellerin auf, die unter Nr. 1. bezeichnete Tätigkeit mit Ablauf des auf die Zustellung folgenden Tages einzustellen (Nr. 2.). Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Nr. 2. des Bescheides wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500 Euro für jeden Fall der Nichtbefolgung der in Nrn. 1 und 2 angeordneten Tätigkeiten angedroht (Nr. 3. des Bescheides).
Mit Schriftsatz vom 4. April 2008 ließ die Antragstellerin dagegen Klage erheben.
Gleichzeitig beantragte sie, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage anzuordnen.
Mit Beschluss vom 11. April 2008 ordnete das Verwaltungsgericht teilweise die aufschiebende Wirkung der Klage unter der Voraussetzung an, dass die Antragstellerin bis zum 2. Mai 2008 bei der zuständigen Behörde einen Antrag auf eine glücksspielrechtliche Erlaubnis stellt. Im Übrigen wurde der Antrag abgelehnt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners mit dem Antrag (sinngemäß),
den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 11. April 2008 aufzuheben und den Antrag insgesamt abzulehnen.
Die Antragstellerin stellte inzwischen einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV bei der Regierung von Oberbayern.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogene Behördenakte und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Der Senat geht davon aus, dass nur insoweit Beschwerde eingelegt wurde, als das Verwaltungsgericht dem Antrag der Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 VwGO (teilweise) stattgegeben hat.
Die Beschwerde hat Erfolg.
Widerspruch und Klage gegen eine gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV erlassene Anordnung haben gemäß § 9 Abs. 2 GlüStV keine aufschiebende Wirkung; das Verwaltungsgericht kann jedoch nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag die Vollziehung aussetzen. Das Gericht trifft dabei eine eigene die Interessen der Beteiligten abwägende Entscheidung, deren wesentliches Element regelmäßig eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache ist. Haben Widerspruch und Anfechtungsklage voraussichtlich keinen Erfolg, besteht ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehung der Anordnung. So liegt es hier
Die vom Antragsgegner dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) lassen bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung erkennen, dass die angefochtene Anordnung rechtmäßig ist; die Anfechtungsklage wird voraussichtlich keinen Erfolg haben.
Rechtsgrundlage der Verbotsverfügung ist § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV, der seit dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags am 1. Januar 2008 (§ 29 Abs. 1 Satz 1 GlüStV, Bekanntmachung vom 18. Januar 2008 - GVBl. S. 20) anzuwenden ist.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV kann die zuständige Behörde die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele, die nach § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV verboten sind, und die Werbung hierfür untersagen. Diese Vorschrift findet auf die Vermittlung von Sportwetten, die gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV als Glücksspiele anzusehen sind, Anwendung. Zwar besteht die Möglichkeit nach § 4 Abs. 1 GlüStV, öffentliche Glücksspiele mit einer Erlaubnis der zuständigen Behörde zu veranstalten oder zu vermitteln. Der Gesetzgeber hat aber in § 10 Abs. 5 GlüStV vorgeschrieben, dass anderen als den in § 10 Abs. 2 GlüStV genannten Veranstaltern nur die Veranstaltung von Lotterien und Ausspielungen erlaubt werden darf. Die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten bleibt demnach in Bayern kraft Gesetzes dem Freistaat oder juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtlichen Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar maßgeblich beteiligt sind, vorbehalten. Danach besteht ein staatliches Wettmonopol, das die Durchführung, Vermittlung und Veranstaltung von Sportwetten durch private Anbieter generell nicht vorsieht. Damit sind die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen für die Verbotsverfügung erfüllt.
Die Prüfung der Gültigkeit des Glücksspielstaatsvertrags wegen der behaupteten Unvereinbarkeit mit höherangigem Recht kann im Eilverfahren nicht vollständig ausgeblendet werden, da die Bindung des Gerichts an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) dazu führt, dass es nur gültiges Recht anwenden darf. Die Vorlage des Gesetzes an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG bzw. an den Bayerischen Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 92 BV kommt allerdings im Eilverfahren wegen der Eilbedürftigkeit nicht in Betracht (vgl. dazu Jörg Schmidt in Eyermann, VwGO, 12. Aufl., RdNr. 82 zu § 80). Eine eigene Verwerfungskompetenz des Senats ist wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts auch vor nationalem Verfassungsrecht nicht ausgeschlossen; gleichwohl besteht keine Veranlassung, ernsthaft an der Gültigkeit des Staatsvertrags zu zweifeln.
Der seit dem 1. Januar 2008 geltende Glücksspielstaatsvertrag vollzieht die sich aus der Verfassungswidrigkeit der früheren Rechtslage ergebende Konsequenz (vgl. BVerfG vom 21.1.2005 1 BvR 2320/00) und entspricht nunmehr den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 18. März 2006 (BVerfGE 115, 276) ausgeführt, dass der Gesetzgeber die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit aus Gründen der Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht, des Jugend- und Verbraucherschutzes, der Bekämpfung der Folge- und Begleitkriminalität einschränken und er ein staatliches Wettmonopol als geeignete und erforderliche Maßnahme ansehen kann. Dabei ist allerdings durch entsprechende materiell-rechtliche Regelungen und organisatorische Sicherungen zu gewährleisten, dass das Wettmonopol konsequent am Ziel der Bekämpfung der Wett- und Spielsucht ausgerichtet wird. Insbesondere sind Vorkehrungen zu treffen, dass die legitimen Ziele des Monopols nicht hinter den fiskalischen Interessen des Staates zurücktreten.
Diesen vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen an die inhaltliche Ausgestaltung der Wettangebote, der Beschränkung der Vermarktung sowie der Schaffung geeigneter Kontrollinstanzen mit ausreichender Distanz zu den fiskalischen Interessen wird der Glücksspielstaatsvertrag gerecht. In § 1 GlüStV wird die Ausrichtung des Staatsmonopols an der Bekämpfung der Spielsucht und der Wettleidenschaft, am Jugend- und Verbraucherschutz und am Schutz vor Folge- und Begleitkriminalität ausdrücklich geregelt.
Soweit vorgetragen wird, dass Art und Zuschnitt der Wetten nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise vom Gesetzgeber selbst näher geregelt worden sind, ist dies unzutreffend. Der Glücksspielstaatsvertrag enthält nicht nur die eher deskriptive Regelung, dass Sportwetten als Kombinationswetten oder Einzelwetten erlaubt werden können (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GlüStV), vielmehr beschränkt das Verbot der Online- und Telefonwetten (§ 4 Abs. 4, § 21 Abs. 2 Satz 3 GlüStV), das Verbot des Wettens bei laufenden Sportereignissen (§ 21 Abs. 2 Satz 3 GlüStV), das Verbot der Verknüpfung der Sportberichterstattung und der Sportwetten (§ 21 Abs. 2 Satz 2 GlüStV) die Art des Wettens. Ferner dient der gesetzliche Ausschluss gesperrter Spiele in § 21 Abs. 3 GlüStV der näheren Ausgestaltung des Spielverlaufs. Darüber hinaus eröffnet das Erlaubnisverfahren die Möglichkeit, unter Einschaltung des Fachbeirats auf den Zuschnitt neuer Wettangebote Einfluss zu nehmen. Sofern der Gesetzgeber den Zuschnitt der Sportwetten nicht selbst detaillierter ausgestaltet und die genauen Wettspielregeln festgelegt hat, hat dies seinen Grund darin, dass diese Einzelheiten des Spiels weder für die Bekämpfung der Wett- und Spielsucht noch für die Beschränkung der grundrechtlich garantierten Gewerbefreiheit bedeutsam sind. Insofern lässt sich aus der sog. Wesentlichkeitstheorie kein Regelungsdefizit ableiten.
Der Glücksspielstaatsvertrag verpflichtet die Veranstalter und Vermittler zu einer aktiven Suchtbekämpfung. Um die Spieler zu verantwortungsbewusstem Spiel anzuhalten und der Entstehung von Glücksspielsucht vorzubeugen, haben sie Sozialkonzepte zu entwickeln, ihr Personal zu schulen und die Vorgaben der Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung der Glücksspielsucht zu erfüllen (§ 6 GlüStV) und Aufklärungsmaßnahmen durchzuführen (§ 7 GlüStV). Sperrsysteme (§ 8 GlüStV), die die Teilnahme von gesperrten Spielern zu verhindern (§ 20, § 21 Abs. 3, § 22 Abs. 2 GlüStV), sind obligatorisch. Nach Auskunft der Staatlichen Lotterieverwaltung ist für die Bestellung der seit Beginn des Jahres 2008 obligatorischen neuen Kundenkarte die Vorlage eines amtlichen Ausweises erforderlich. Die Daten werden dann mit der bundesweiten Sperrliste abgeglichen. Wenn kein Sperreintrag vorhanden ist, erhält der Kunde die Kundenkarte. Andernfalls wird der Antrag vom System automatisch abgelehnt. Kundenkarten werden seit dem 1. Januar 2008 nur auf eine Einzelperson ausgestellt, um eine zweifelsfreie Identifizierung und Alterskontrolle zu ermöglichen. Jeder Kunde kann nur eine Kundenkarte besitzen. Will der Kunde mit einer vorläufigen Kundenkarte einen Spielauftrag abgeben, werden die auf der vorläufigen Kundenkarte vorhandenen Daten ebenfalls mit der bundesweiten Sperrliste abgeglichen. Im Fall eines Sperreintrags wird der Spielauftrag automatisch abgelehnt. Auch die wissenschaftliche Suchtforschung (§ 11 GlüStV), die Beratung der Länder durch einen Fachbeirat, der sich aus Experten im Bereich der Bekämpfung der Glücksspielsucht zusammensetzt (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GlüStV), sowie die fachliche Evaluierung des Staatsvertrages (§ 27 GlüStV) sind sicherzustellen. Den erhöhten Anforderungen an den Jugendschutz tragen die Regelungen in § 4 Abs. 3, § 5 Abs. 2 Satz 2 und 3, § 7 Abs. 1, § 25 Abs. 6 Nr. 1 GlüStV Rechnung.
Auch die Vermarktung der Sportwetten ist durch die gesetzlichen Regelungen hinreichend begrenzt. Die vom Bundesverfassungsgericht für besonders bedenklich gehaltene Spielteilnahme über das Internet oder über SMS ist bei Sportwetten nach § 4 Abs. 4 und § 21 Abs. 3 Satz 3 GlüStV verboten. In § 10 Abs. 3 GlüStV haben sich die Länder darüber hinaus zu einer Begrenzung der Annahmestellen bekannt. In Bayern soll nach Art. 1 Abs. 3 AGGlüStV die Zahl der Annahmestellen bis zum 31. Dezember 2011 auf insgesamt 3700 verringert werden, wobei sich die Zahl der Annahmestellen von ca. 4350 im Jahr 1997 auf 4000 Anfang 2008 bereits reduziert hat. Soweit kritisiert wird, dass keine qualitativen Veränderungen des Vertriebs der staatlichen Sportwetten eingetreten seien, trifft dies nicht zu. Zwar haben die Länder an dem Vertrieb über Zeitschriften- und Tabakläden oder ähnliche kleine und mittelständische Handelsbetriebe festgehalten. Die Länder waren jedoch nicht verpflichtet, dieses in bewusster Nähe zum Kunden aufgebaute Vertriebssystem komplett aufzugeben. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar den Missbrauch des bestehenden Vertriebsnetzes zu einer fiskalisch motivierten Ausweitung des Spiel- und Wettgeschehens kritisiert, aber nicht eine völlige Aufgabe dieses Vertriebsnetzes gefordert. Es mag zwar sein, dass die grundsätzliche Trennung des Lotto- und Wettgeschäftes vom Einzelhandel geeignet wäre, die mit dem bestehenden Verbundsystem verbundenen Gefahren der Spiel- und Wettsuchtverbreitung einzudämmen. Umgekehrt bestünde aber bei einer völligen Aufgabe des bestehenden Verbundvertriebes die Gefahr, dass das mit dem Staatsmonopol bezweckte Ziel, den natürlichen Spielbetrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, Schaden nehmen könnte. Gerade weil die nicht erlaubten Wettanbieter über das Internet einen leichten Zugang zum Kunden haben, konnte es der Gesetzgeber als notwendig ansehen, das bestehende kundennahe Betriebssystem für die staatliche Sportwette aufrecht zu erhalten, um eine Verlagerung des Wettgeschehens in den illegalen Bereich zu verhindern. Es ist jedenfalls nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber bei dem bestehenden Zielkonflikt den ihm zustehenden Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum überschritten hätte.
Einer breit angelegten Werbung, die kontinuierlich Lust auf das Mitwetten weckt, hat der Glücksspielstaatsvertrag den Boden entzogen. Nach § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV muss sich die Werbung auf Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel beschränken; sie darf insbesondere nicht zur Teilnahme am Glücksspiel auffordern oder ermuntern. Darüber hinaus ist die Werbung für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen, im Internet und über Telekommunikationsanlagen verboten (§ 5 Abs. 3 GlüStV).
Der Zurückdrängung fiskalischer Interessen dient schließlich die organisatorische Trennung (§ 9 Abs. 6 GlüStV) von staatlicher Spielveranstaltung und Glücksspielaufsicht, die in § 9 Abs. 1 und 2 GlüStV mit effektiven Eingriffsbefugnissen auch gegenüber der Staatlichen Lotterieverwaltung ausgestattet ist. Soweit im Einzelfall beim Vertrieb oder bei der Werbung gegen die gesetzlichen Anforderungen des Glücksspielstaatsvertrags verstoßen wird, hat die Glücksspielaufsicht dagegen vorzugehen. Allerdings kann aus einzelnen Verstößen gegen den Glücksspielstaatsvertrag nicht auf dessen Verfassungswidrigkeit geschlossen werden. Verfassungswidrig kann eine gesetzliche Regelung durch mangelhaften Vollzug erst werden, wenn dieser auf ein normatives Defizit zurückzuführen ist, das Gesetz also gleichsam auf Ineffektivität angelegt ist (vgl. BVerfGE 84, 239; 110, 94). Für ein derartiges Defizit bei der normativen Gestaltung des Sportwettmonopols ist derzeit allerdings nichts ersichtlich. Der deutsche Lotto- und Totoblock hat keine neuen Wettspiele auf den Markt gebracht. Die dem Senat vorgelegten Umsatzzahlen lassen darauf schließen, dass die Umsätze bei der Kombiwette (2002: 83,7 Mio. Euro, 2006: 53,4 Mio. Euro) und bei der Topwette (2002: 6,8 Mio. Euro, 2006: 5,9 Mio. Euro) eher rückläufig sind.
Auch Rechte auf Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 und 49 EGV werden nicht verletzt. Die Bedenken der Kommission der Europäischen Gemeinschaften im Schreiben an den Bundesminister des Auswärtigen vom 31. Januar 2008 werden aus den in diesem Beschluss dargelegten Gründen vom Senat nicht geteilt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs können sich inländische Wettbüros, die als Vermittler für einen in einem europäischen Mitgliedsstaat zugelassenen Wettanbieter auftreten wollen, sowohl auf die Niederlassungs- als auch die Dienstleistungsfreiheit berufen (vgl. EuGH vom 6.11.2003 NJW 2004, 139 - Gambelli - RdNrn. 46 bis 48, 58). Der erforderliche Bezug zum gemeinsamen Markt ist in diesen Fällen auch dann gegeben, wenn die inländischen Wettbüros ihre Dienste ausschließlich im Inland anbieten.
Allerdings lässt das Gemeinschaftsrecht in Art. 45, 46 und 55 EGV Beschränkungen der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit insbesondere aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit zu. In diesem Zusammenhang hat der Europäische Gerichtshof bei Sportwetten eine Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die eine Beschränkung der genannten Freiheiten rechtfertigen können, anerkannt, nämlich den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung, die Bekämpfung der Spielsucht und die Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung im Allgemeinen (vgl. EuGH vom 6.3.2007, NJW 2007, 1515 - Placanica RdNr. 46). Nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs steht es den Mitgliedsstaaten frei, die Ziele ihrer Politik auf dem Gebiet de* Glücksspiele und der Wetten festzulegen und ein unterschiedlich hohes Schutzniveau zu bestimmen (vgl. EuGH vom 6.3.2007 NJW 2007, 1515 - Placanica RdNr. 48; EuGH vom 21.10.1999, GewArch 2000, 19 - Zenatti RdNr. 33; EuGH vom 21.9.1999, DVBl 2000, 111 - Läärä RdNr. 35). Es ist daher der Bundesrepublik Deutschland und den Ländern grundsätzlich möglich, in Bezug auf Sportwetten eine restriktivere Politik zu verfolgen als dies beispielsweise in Malta, Gibraltar oder Großbritannien der Fall ist. Allerdings müssen die zu diesem Zweck ergriffenen Maßnahmen dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.
Ob eine Maßnahme verhältnismäßig ist, ist grundsätzlich mit Blick auf das angestrebte Schutzniveau zu beurteilen. Beschränkungen der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit müssen geeignet sein, die angestrebten Ziele (Verbraucherschutz, Betrugsvorbeugung, Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht) zu gewährleisten. Das setzt voraus, dass die von einem Mitgliedsstaat ergriffenen Maßnahmen widerspruchsfrei und systematisch zur Begrenzung der Wettleidenschaft beitragen. Die Behörden eines Mitgliedsstaates können sich daher nicht auf die öffentliche Sozialordnung berufen, wenn sie die Verbraucher dazu ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen (vgl. EuGH vom 26.11.2003, NJW 2004, 139 - Gambelli RdNr. 65 bis 67). Schließlich dürfen die Beschränkungen nicht über das hinausgehen, was zur Verfolgung dieser Ziele erforderlich ist, wobei den Staat die Darlegungslast trifft, dass das angestrebte Ziel nicht durch Beschränkungen erreicht werden kann, die weniger weit gehen oder die Grundfreiheiten weniger beeinträchtigen (vgl. EuGH vom 5.6.2007 DVBl 2007, 894 - Rosengren RdNr. 50). Außerdem müssen die Beschränkungen diskriminierungsfrei ausgestaltet werden, was bei einem staatlichen Monopol der Fall ist (vgl. EuGH vom 6.3.2007 NJW 2007, 1515 - Placanica RdNr. 47, 48; EuGH vom 21.10.1999 DVBl 2000, 111 - Läärä RdNr. 36).
Diesen Anforderungen wird die in Bayern geltende Rechtslage gerecht. Dabei ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber zulässigerweise einen hohen Schutz vor den Gefahren des Glücksspiels anstrebt. In erster Linie verfolgen die Länder mit der Monopolregelung des Glücksspielstaatsvertrags das Ziel, das Wettangebot zu beschränken, um auf diese Weise die Wettsucht so weitgehend wie möglich zu bekämpfen. Wie das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 28. März 2006 zutreffend ausgeführt hat, geht von Sportwetten nach dem derzeitigen Erkenntnisstand ein nicht unerhebliches Suchtpotential aus (BVerfGE 115, 276), das mit der Ausweitung des Wettangebots durch zugelassene private Wettanbieter nicht unerheblich erhöht würde. Darüber hinaus verpflichtet der Glücksspielstaatsvertrag die Länder zur wissenschaftlichen Forschung auf dem Gebiet der durch Glücksspiele ausgelösten Suchtgefahren und zur Evaluierung der Auswirkungen des Staatsvertrags (§§ 11, 27 GlüStV). Damit werden die Länder den europarechtlichen Anforderungen an die ausreichende Darlegung der Rechtfertigungsgründe gerecht (vgl. EuGH vom 13.11.2003 C-42/02 - Lindmann RdNr. 25).
Bei der Prüfung, ob der Freistaat Bayern eine widerspruchsfreie und systematische Politik zur Bekämpfung der Wettsucht betreibt, ist nicht auf den gesamten Glücksspielbereich im weiteren Sinne abzustellen, sondern nur auf den spezifischen Sektor der Sportwetten. Dies folgt schon daraus, dass auch der Europäische Gerichtshof in der Vergangenheit bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung keine Gesamtuntersuchungen angestellt hat. Beispielsweise hat er bei der Frage der Lotteriewerbung in Großbritannien den sehr restriktiven Kurs des Vereinigten Königreichs nicht mit dem Argument in Frage gestellt, dass dort Sportwetten in großem Umfang zugelassen werden (vgl. EuGH vom 24.3.1994, NJW 1994, 2013 - Schindler). Ebenso wenig hat der Europäische Gerichtshof in der Gambelli-Entscheidung Untersuchungen zur Verbreitung von gewerblichen Spielhallen, öffentlichen Spielkasinos oder TV- bzw. Radiogewinnspielen in Italien angestellt oder verlangt (vgl. EuGH vom 6.11.2003 NJW 2004, 139 - Gambelli). Vielmehr hat der Gerichtshof betont, dass bei der Festlegung der staatlichen Ziele in Bezug auf das Glücksspielwesen die sittlichen, religiösen und kulturellen Besonderheiten eines Landes eine Rolle spielen können (vgl. EuGH vom 6.3.2007 NJW 2007, 1515 - Placanica RdNr. 47). Insofern ist es dem Gesetzgeber erlaubt, bei der Festlegung des Schutzniveaus für die einzelnen Teilbereiche des Glücksspielsektors entsprechend den im jeweiligen Land herrschenden kulturellen und traditionellen Besonderheiten zu differenzieren (vgl. Stellungnahme der Kommission an den EuGH vom 10.12.2007, ZfWG 2008, 94, RdNr. 34). Nach Ansicht des Senats hat der Gesetzgeber die Möglichkeit, neue und zusätzlich auftretende Spielversuchungen stärker zu bekämpfen als traditionell übliche Spielgelegenheiten. Der Europäische Gerichtshof hat sich jedenfalls in der Gambelli-Entscheidung lediglich mit der Frage befasst, ob in den vom Gesetzgeber selbst in der zu überprüfenden gesetzlichen Regelung zusammengefassten Glücksspielbereichen der Lotterie, der Wetten und Prognosewetten eine widerspruchsfreie und systematische Politik verfolgt wird (vgl. EuGH vom 6.11.2003, NJW 2004, 139 - Gambelli RdNr. 9, 68, 69).
Dementsprechend bedarf es im Bereich der Sportwetten keiner vergleichenden Betrachtung der nicht von dieser Regelung erfassten Glücksspielbereiche, z.B. im Spielbanken- und Spielhallensektor. Auch kann die aus traditionellen Gründen im Bereich des Pferdesports bestehende Zulassung privater Wettanbieter, die auf bundesrechtlichen Vorgaben beruht und nur einen sehr kleinen Wettsektor betrifft, ausgeblendet werden. Für eine systemwidrige Ausweitung dieses Spielbereichs aus fiskalischen Gründen ist zudem nichts ersichtlich.
Der Gesetzgeber konnte im Bereich der Sportwetten eine Monopolregelung als geeignete und erforderliche Maßnahme ansehen, weil ein staatliches Ausschließlichkeitsrecht den Vorteil bietet, die Wettleidenschaft systematisch zu bekämpfen, den Betrieb der Sportwetten in geordnete Bahnen zu lenken und die Risiken im Hinblick auf Betrug und andere Straftaten weitgehend auszuschalten (vgl. EuGH vom 21.9.1999 DVBl 2000, 111 - Läärä RdNr. 37). Eine Berufung auf die öffentliche Sozialordnung scheidet nicht deswegen aus, weil der Freistaat Bayern selbst die Bürger in unzulässiger Weise zum Wetten animieren würde. Wie bereits ausgeführt, hat der Freistaat Bayern mit dem Glücksspielstaatsvertrag das Staatsmonopol konsequent auf die Bekämpfung der Glücksspiel- und Wettsucht ausgerichtet.
Demgegenüber kann nicht eingewendet werden, dass dieses Ziel durch ein striktes Kontrollsystem gegenüber privaten Wettanbietern ebenso gut verwirklicht werden könnte. Denn der Gesetzgeber konnte ein solches Kontrollsystem im Hinblick auf den zu erwartenden Kontrollaufwand bei der Beteiligung privater Anbieter im Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums als weniger effektiv ansehen (vgl. EuGH vom 21.9.1999 DVBl 2000, 111 - Läärä RdNr. 37; vom 5.6.2007 a.a.O. - Rosengren RdNr. 49). Diese Einschätzung trifft nicht nur bei der vollständigen Liberalisierung des Glücksspielmarkts zu, sondern ist auch bei der Zulassung einer begrenzten Anzahl privater Anbieter nicht zu beanstanden. Denn die Ausrichtung der Werbemaßnahmen an § 5 GlüStV sowie die Durchsetzung des Jugendschutzes und des Teilnahmeverbots gesperrter Spieler lässt sich in einem staatlichen Monopol mit einer einheitlichen Vertriebsstruktur wesentlich effektiver durchsetzen als bei mehreren Marktteilnehmern, die an der Ausweitung ihrer Gewinne interessiert sind. Dabei wird nicht verkannt, dass die Staatliche Lotterieverwaltung sich privater Annahmestellen bedient, deren Einnahmen vom Umsatz der Wetteinnahmen abhängen. Gleichwohl liegt es auf der Hand, dass z.B. die Einführung einer einheitlichen, für alle Annahmestellen obligatorischen Kundenkarte, mit der die Teilnahme Jugendlicher und gesperrter Spieler unterbunden werden kann, ohne Umgehungsmöglichkeiten ausschließlich in einem monopolisierten System durchgesetzt werden kann.
Die von der Antragstellerin als milderes Mittel angesehenen Registrierungs- und Einsatzbegrenzungsregelungen stellen demgegenüber keine Alternative, sondern nur eine sinnvolle Ergänzung zu einem staatlichen Monopol- oder wirtschaftlichen Wettbewerbsmodell dar. Auch Registrierungs- und Einsatzbegrenzungsregelungen lassen sich im Rahmen eines staatlichen Monopolbetriebs leichter durchsetzen und überprüfen als bei mehreren privaten Wettgesellschaften.
Das Monopol für Sportwetten verstößt auch nicht gegen das Wettbewerbsrecht der Europäischen Union. Abgesehen davon, dass die marktbeherrschende Stellung nicht missbräuchlich im Sinn von Art. 82 Satz 1 EG eingesetzt wird, sondern das mit Art. 43 und 49 EG vereinbare Monopol gerade dem Schutz der Verbraucher dient, steht das mit dem Monopol verfolgte Ziel der Bekämpfung der Wettsucht der Anwendung der Wettbewerbsregeln entgegen (Art. 86 Abs. 2 EG).
Die Fortgeltung der gesetzlich angeordneten Vollziehbarkeit der Verbotsverfügung ist - wie der Senat bereits früher dargelegt hat (Beschluss vom 15.11.2007 Az. 24 CS 07.2792 - iuris) - im Hinblick darauf gerechtfertigt, dass das unerlaubte Vermitteln von Sportwetten nach § 284 StGB ein Straftatbestand ist. Nach der auch für das Gericht maßgeblichen Beurteilung des Gesetzgebers drohen der Bevölkerung durch das öffentliche Glücksspiel Gefahren, die mit der Strafandrohung in § 284 Abs. 1 StGB in Verbindung mit den einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen über das Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen nachdrücklicher als mit einem bloßen Verbot auf der Verwaltungsebene bekämpft werden sollen. Dem trägt die von der Rechtsprechung gebilligte Verwaltungspraxis der konsequenten Durchsetzung des strafbewehrten Verbots Rechnung. Die Gefahren sind vielschichtiger Art und lassen sich im Einzelfall nicht immer konkret benennen. Es kommt darauf an, dass der Gesetzgeber mit dem dargestellten System von Regelungen, die zu einer Monopolisierung des Glücksspiels in der Hand des Staates führen, einer unerwünschten Entwicklung Einhalt gebieten will. Ohne konsequente und sofort vollziehbare Durchsetzung des Verbots kann dieses Ziel nicht effektiv erreicht werden. Der durch eine unerwünschte Entwicklung des Glücksspielmarktes entstehende Schaden wird, je länger gegen das Verbot verstoßen wird, umso schwerer zu bekämpfen sein. Es ist nicht zu beanstanden, wenn es nicht länger hingenommen wird, dass die illegale Sportwettenvermittlungstätigkeit unter Hinweis auf eine bisherige Praxis noch längere Zeit andauert. Wenn die unerlaubte Vermittlung gewerblich veranstalteter Sportwetten ordnungsrechtlich verboten ist, ergibt sich aus diesem Verbot auch unabhängig von der Strafbarkeit zugleich ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung (vgl. BVerfG vom 31.3.2006 Az. 1 BvR 1840/05, vom 4.7.2006 Az. 1 BvR 138/05 und vom 19.10.2006 Az. 2 BvR 2023/06).
Glücksspiele und Wetten können zu krankhaftem Suchtverhalten führen. Dem stehen keine gleichgewichtigen beachtlichen Interessen privater Sportwettenanbieter oder -vermittler entgegen, da die verbotene Tätigkeit ohne behördliche Erlaubnis begonnen wurde. Ein möglicher wirtschaftlicher Vorteil, der aus einer strafbaren Handlung resultieren würde, kann keinen besonderen Schutz genießen.
Es bestehen auch keine Bedenken an der Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 15.000 Euro für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Anordnung.
Über den im Schriftsatz der Antragstellerin vom 15. Mai 2008 (S. 18) gestellten Hilfsantrag ist nicht zu entscheiden, da die Antragstellerin nicht Rechtsmittelführerin ist und der Hauptantrag des Beschwerdeführers Erfolg hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 63 Abs. 3 GKG. Dabei ist der vom Verwaltungsgericht festgesetzte Streitwert auf 10.000 Euro zu erhöhen. Diesen Betrag setzt der Senat in ständiger Rechtsprechung in Eilverfahren an (vgl. zuletzt Beschluss vom 13.2.2008 Az. 10 CS 07.3039/ 10 CS 07.3040).
Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Ende der Entscheidung
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