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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 22.06.2009
Aktenzeichen: 10 ZB 09.1052
Rechtsgebiete: VwGO, PAG, StVO, GG
Vorschriften:
VwGO § 124 Abs. 2 | |
PAG Art. 9 Abs. 1 | |
PAG Art. 25 Nr. 1 | |
StVO § 42 Abs. 4 Nr. 2 | |
GG Art. 3 Abs. 1 | |
GG Art. 6 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
In der Verwaltungsstreitsache
wegen
Kosten für Abschleppmaßnahme;
hier: Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 18. März 2009,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 10. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Simmon, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Senftl
ohne mündliche Verhandlung am 22. Juni 2009
folgenden
Beschluss:
Tenor:
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 173,30 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die von ihr erhobenen Kosten einer Abschleppmaßnahme.
Ihr Fahrzeug war am 22. August 2008 in der Kardinal-Faulhaber-Straße in München auf einem Parkplatz für Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinde geparkt. Ein entsprechender Sonderparkausweis war im Fahrzeug nicht ausgelegt, sondern lediglich eine leere Plastikhülle mit der Beschriftung "Mutterpass" erkennbar. Das Fahrzeug wurde abgeschleppt. Mit Leistungsbescheid vom 22. August 2008 forderte der Beklagte von der Klägerin die Kosten der Abschleppmaßnahme in Höhe von 173,30 Euro. Die gegen diesen Leistungsbescheid erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 18. März 2009 abgewiesen.
Mit ihrem auf die Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO gestützten Antrag auf Zulassung der Berufung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, aufgrund ihres hochschwangeren Zustands sei ihr ein längeres Gehen nicht möglich gewesen. Daher habe sie ihr Ehemann zur Praxis ihrer Frauenärztin gefahren. Nachdem in der Nähe kein Parkplatz frei gewesen sei, habe er das Auto auf einem Behindertenparkplatz abgestellt, um sie in die Praxisräume stützend zu begleiten. Zur Kennzeichnung ihrer Notsituation habe sie den Umschlag ihres Mutterpasses gut sichtbar hinter die Windschutzscheibe des Fahrzeugs gelegt und ordnungsgemäß einen Parkschein gelöst. Nach der vorhandenen Beschilderung - Zeichen 314 mit einem Zusatzschild mit dem Symbol eines Rollstuhlfahrers - sei bei diesem Parkplatz von einer Parkerlaubnis für Personen mit Gehbehinderung auszugehen gewesen. Eine solche Gehbehinderung habe bei ihr aufgrund ihres hochschwangeren Zustands nachweislich vorgelegen. Der entsprechende Sonderparkausweis sei hier nicht notwendig gewesen, da ein dies anordnendes Zusatzschild (Rollstuhlfahrer-Symbol mit Zusatz "Mit Parkausweis Nr. ...") fehle. Die maßgebliche Regelung des § 42 Abs. 4 Nr. 2 StVO diskriminiere im Übrigen ohne sachlichen Grund hochschwangere Frauen, die ebenfalls unter einer außergewöhnlichen Gehbehinderung litten, jedoch begrifflich nicht den Schwerbehinderten zuzurechnen seien. Sie verstoße insoweit gegen Art. 3 Abs. 1 sowie Art. 6 GG. Aufgrund ihrer gesundheitlichen Notlage sei das Parken des Fahrzeugs auch gemäß § 34 StGB gerechtfertigt gewesen. Die Abschleppmaßnahme sei überdies unverhältnismäßig, nachdem ein bloßes Versetzen des Fahrzeugs möglich gewesen wäre.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nicht.
Das Verwaltungsgericht geht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon aus, dass die Voraussetzungen der unmittelbaren Ausführung (Art. 9 Abs. 1 PAG) einer Sicherstellung (Art. 25 Nr. 1 PAG) des klägerischen Fahrzeugs vorlagen, nachdem dieses unter Verstoß gegen § 12 Abs. 3 Nr. 8 e) StVO auf dem gemäß § 42 Abs. 4 Nr. 2 StVO - Zeichen 314 mit der Beschränkung für Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinde (Zusatzzeichen 1044-10) - gekennzeichneten Parkplatz abgestellt war.
a) Der Einwand der Klägerin, aufgrund der vorhandenen Beschilderung dieses Stellplatzes sei von einer Parkerlaubnis für Personen mit Gehbehinderung auszugehen, ohne dass es eines entsprechenden, im Fahrzeug sichtbar ausgelegten Sonderparkausweises bedürfe, greift schon vom Ansatz her nicht durch.
Bereits das Erstgericht hat zutreffend dargelegt, dass sich das Erfordernis, einen entsprechenden (Sonder-)Parkausweis im Fahrzeug gut sichtbar auszulegen, für alle in § 42 Abs. 4 Nr. 2 Satz 1 StVO genannten Beschränkungen der Parkerlaubnis durch Zusatzzeichen unmittelbar aus § 42 Abs. 4 Nr. 2 Satz 2 StVO ergibt; d.h. der Nachweis der entsprechenden Berechtigung ist in allen Beschränkungsfällen durch einen gut lesbar im Fahrzeug ausgelegten Parkausweis zu führen. Unerheblich ist daher insoweit, ob das Zeichen 314 (Parkplatz, § 42 Abs. 4 Nr. 2 StVO) mit dem beschränkenden Zusatzzeichen 1044-10 (Rollstuhlfahrer-Symbol) oder dem Zusatzzeichen 1044-11 (Rollstuhlfahrer-Symbol mit Zusatz "Mit Parkausweis Nr. ..."; vgl. jeweils Teil 8: Nr. 8.2 [Zusatzzeichen] des Katalogs der Verkehrszeichen - VzKat - der Anlage zur Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung [VwV-StVO] vom 19.3.1992, BAnz. Nr. 66a) versehen ist.
Im Übrigen hat der Beklagte in seiner Antragserwiderung zu Recht darauf hingewiesen, dass die Klägerin den Regelungsgehalt dieser beiden Zusatzschilder offensichtlich verkennt. Während mit dem Zusatzschild 1044-10 beschränkte Parkplätze allgemein dem Personenkreis der Schwerbehinderten mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinden zur Verfügung stehen, sind mit dem Zusatzschild 1044-11 gekennzeichnete Parkplätze ganz bestimmten (einzelnen) Schwerbehinderten mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinden vorbehalten, zum Beispiel vor ihrer Wohnung oder in der Nähe ihrer Arbeitsstätte (vgl. Nr. IX.1. und 2. zu § 45 Absatz 1 bis 1 e VwV-StVO [Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen] i.d.F. vom 26.1.2001, VkBl 2001 S. 276).
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt die in § 42 Abs. 4 Nr. 2 StVO vorgesehene Beschränkung der Parkerlaubnis zugunsten schwerbehinderter Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung (und Blinder) auch keine gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 GG verstoßende willkürliche Benachteiligung hochschwangerer Frauen dar.
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (st. Rspr. d. BVerfG; vgl. vom 3.4.2001 BVerfGE 103, 242/258). Der Gesetzgeber verletzt das Gleichheitsgrundrecht, wenn er bei Regelungen, die unmittelbar oder mittelbar Personengruppen betreffen, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG vom 14.3.2000 BVerfGE 102, 41/54).
Der Gesetz- und Verordnungsgeber ist grundsätzlich berechtigt und auch darauf angewiesen, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen. Er muss insbesondere nicht allen Besonderheiten im Rahmen seiner Regelung Rechnung tragen, sondern hat realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrundezulegen (vgl. BVerfG vom 21.6.2006 BVerfGE 116, 164/182 f.).
Gemessen an diesen Grundsätzen war der Normgeber nicht - wie die Klägerin meint - verfassungsrechtlich gehalten, in den von der Regelung des § 42 Abs. 4 Nr. 2 StVO begünstigten Personenkreis neben schwerbehinderten Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung auch "hochschwangere Frauen" mit aufzunehmen, die "ebenfalls unter einer außergewöhnlichen Gehbehinderung leiden".
Menschen sind nach § 2 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die in keiner Weise näher substantiierte Behauptung der Klägerin, hochschwangere Frauen litten (generell) unter derselben außergewöhnlichen Gehbehinderung wie entsprechend Schwerbehinderte, ist vor diesem Hintergrund nicht haltbar. Mag in Einzelfällen schwangerschaftsbedingt auch eine derartige körperliche Beeinträchtigung (Gehbehinderung) eintreten, so ist diese jedenfalls keine dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung im oben genannten Sinn. Schon allein dieser Umstand stellt einen hinreichenden sachlichen Grund für die von der Klägerin gerügte Differenzierung durch den Normgeber dar.
Auch der klägerische Hinweis auf den Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG) verfängt nicht. Art. 6 Abs. 1 GG enthält zwar auch eine wertentscheidende Grundsatznorm, die für den Staat die Pflicht begründet, Ehe und Familie zu schützen und zu fördern (vgl. BVerfG vom 3.4.2001 a.a.O. S. 257/258). Inwieweit sich daraus ein Anspruch gegen den Normgeber ableiten lassen soll, "hochschwangere Frauen" mit schwerbehinderten Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung gleichzustellen, erschließt sich dem Senat jedoch nicht.
c) Neben der Sache liegt auch der Einwand der Klägerin, sie habe in ihrer "Notsituation" schon unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 34 StGB (rechtfertigender Notstand) den Behindertenparkplatz benutzen dürfen. Eine entsprechende Notsituation, in der es beispielsweise unmöglich gewesen wäre, sich von ihrem Ehemann (oder einem Taxi) vor der Arztpraxis absetzen zu lassen und gegebenenfalls deren Personal "stützend" in Anspruch zu nehmen, hat die Klägerin nicht einmal ansatzweise dargelegt oder gar glaubhaft gemacht.
d) Zutreffend hat das Verwaltungsgericht weiter festgestellt, dass die Abschleppmaßnahme auch verhältnismäßig war. Ein verbotswidrig auf einem Behindertenparkplatz abgestelltes Fahrzeug darf abgeschleppt werden. Denn zugunsten der Schwerbehinderten besteht an der Freihaltung der Behindertenparkplätze von Kraftfahrzeugen, die nicht diesem Personenkreis zuzuordnen sind, in aller Regel ein erhebliches öffentliches Interesse. Letzteres geht den privaten Belangen der hier nicht parkberechtigten Fahrer oder Halter auch dann vor, wenn sie durch das Abschleppen ihres Kraftfahrzeuges erhebliche Nachteile hinzunehmen haben (st. Rspr.; vgl. BayVGH vom 29.1.1996 BayVBl 1996, 376; vom 5.7.2007 24 B 07.587 -juris-; OVG Rh.-Pf. vom 25.1.2005 NVwZ-RR 2005, 577 jeweils m.w.N.).
Nachdem ein freier Parkplatz in unmittelbarer Nähe unstreitig nicht zur Verfügung stand, kam eine Versetzung des klägerischen Fahrzeugs als milderes Mittel nicht in Betracht (vgl. BayVGH vom 23.5.1984 BayVBl 1984, 559/560). Es ist im Übrigen nicht Aufgabe der Verkehrsüberwachungskräfte und der zur Gefahrenabwehr handelnden Polizeibeamten, eine umständliche und zeitraubende Suche nach eventuell freien Parkplätzen in größerer Entfernung zu unternehmen.
2. Aus den oben dargelegten Gründen weist die Rechtssache auch weder die geltend gemachten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, noch kommt dem Rechtsstreit die behauptete grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Ende der Entscheidung
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