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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.06.2003
Aktenzeichen: 11 CS 03.743
Rechtsgebiete: StVG, FeV


Vorschriften:

StVG § 2 Abs. 4 Satz 1
StVG § 3 Abs. 1 Satz 1
StVG § 4
FeV § 11 Abs. 1 Satz 3
FeV § 46 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

11 CS 03.743

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Entziehung der Fahrerlaubnis;

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 25. Februar 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 11. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Festl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Ilchmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Andritzky-von Dressler,

ohne mündliche Verhandlung am 2. Juni 2003 folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 25. Februar 2003 wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts B** K******** vom 5. Februar 2003 wiederhergestellt.

II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.000,- Euro festgesetzt.

Gründe: I.

Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Schweinfurt vom 14. Juli 1998, rechtskräftig seit 11. August 1998, wurde dem Antragsteller wegen eines Vergehens des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 Abs. 1 StGB) die Fahrerlaubnis entzogen; für die Wiedererteilung wurde eine Sperrfrist von 6 Monaten festgesetzt. Am 11. Juli 2002 beantragte der Antragsteller die Neuerteilung der Fahrerlaubnis; hierbei erklärte er zur Niederschrift am 26. August 2002, dass seit der Entziehung keine weiteren Bestrafungen und Bußgeldbescheide gegen ihn ergangen seien, gegen ihn auch weder ein Strafverfahren noch eine Anzeige nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz laufe. Daraufhin wurde ihm durch das Landratsamt B** K******** am 26. August 2002 die Fahrerlaubnis wieder erteilt. Durch eine am 11. Oktober 2002 eingegangene Mitteilung der Staatsanwaltschaft Amberg wurde dem Landratsamt bekannt, dass gegen den Antragsteller ein Strafverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in der Zeit vom 8. April bis 8. Juli 2002 eingeleitet worden sei. Am 19. November 2002 erhielt das Landratsamt davon Kenntnis, dass der Antragsteller mit Strafbefehl des Amtsgerichts Amberg vom 14. Oktober 2002, rechtskräftig seit 11. November 2002, wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) zu einer Geldstrafe verurteilt und dass für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis eine Sperrfrist von 13 Monaten festgesetzt worden war.

Mit Schreiben vom 25. November 2002 gab das Landratsamt dem Antragsteller in der irrigen Annahme, durch den letztgenannten Strafbefehl sei ihm die Fahrerlaubnis entzogen worden, Hinweise für die Neuerteilung. Vom Antragsteller auf diesen Irrtum aufmerksam gemacht, gab ihm das Landratsamt mit Schreiben vom 30. Dezember 2002 Gelegenheit, sich zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Fahreignung zu äußern. Der Antragsteller wies mit Schreiben vom 8. Januar 2003 auf die Bindung der Verwaltungsbehörde an die strafrechtliche Beurteilung des Amtsgerichts hin und wandte sich gegen die Annahme, er habe sich deswegen als fahrungeeignet erwiesen, weil er die Strafverfolgungsbehörde nicht über die Neuerteilung der Fahrerlaubnis aufgeklärt habe.

Mit sofort vollziehbar erklärtem Bescheid vom 5. Februar 2003 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis. Es begründete die Maßnahme damit, dass der Antragsteller wiederholt gegen Strafgesetze verstoßen und sich dadurch als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe.

Der Antragsteller erhob Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist.

Am 11. Februar 2003 beantragte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Würzburg, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs und einer eventuell nachfolgenden Anfechtungsklage gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 5. Februar 2003 wiederherzustellen, hilfsweise die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit aufzuheben. Zur Begründung wurde vorgetragen: Der Antragsteller sei US-Amerikaner. Auch nach seiner Entlassung aus der US-Armee sei er im militärischen Umfeld tätig, mit der Folge, dass er eher mit seinem US-amerikanischen Umfeld vertraut sei. Die 1998 bestimmte Sperrfrist und die Möglichkeit einer zeitnahen Wiedererteilung der Fahrerlaubnis habe er so missverstanden. Der Einspruch gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Amberg vom 14. Oktober 2002 sei zurückgenommen worden, weil hierin ausdrücklich der Entzug der Fahrerlaubnis unterblieben sei. Dies sei vom Landratsamt im Schreiben vom 25. November 2002 zunächst verkannt worden. Der später erlassene Bescheid vom 5. Februar 2003, mit dem ihm das Landratsamt die Fahrerlaubnis entzogen habe, sei offensichtlich rechtswidrig, da sich das Landratsamt damit über das Verbot des § 4 Abs. 3 StVG hinweggesetzt habe. Es komme hinzu, dass vom Antragsteller keinerlei Verkehrsgefährdung ausgehe, die die Annahme der Fahrungeeignetheit auch nur ansatzweise rechtfertigen könnte. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei nur formelhaft und damit nicht hinreichend begründet. Eine Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen sei unterblieben; jedenfalls sei ein überwiegendes Vollzugsinteresse nicht gegeben.

Der Antragsgegner beantragte, den Antrag abzuweisen. Er führte aus: Dem Antragsteller sei in Unkenntnis des seinerzeit laufenden Strafverfahrens die Fahrerlaubnis zu Unrecht erteilt worden. Mit dem rechtskräftigen Strafbefehl vom 14. Oktober 2002 sei die Nichteignung des Antragstellers erwiesen. Der Sofortvollzug sei gerechtfertigt; der Antragsteller habe durch sein Verhalten bewiesen, dass er nicht bereit sei, die für die geordnete und sichere Teilnahme am Straßenverkehr geltenden Vorschriften einzuhalten.

Mit Beschluss vom 25. Februar 2003 lehnte das Verwaltungsgericht Würzburg den Antrag ab.

Der Antragsteller hat Beschwerde eingelegt. Er beantragt, unter Abänderung dieses Beschlusses die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs und einer eventuell nachfolgenden Anfechtungsklage gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 5. Februar 2003 wiederherzustellen, hilfsweise die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufzuheben. Auf die Beschwerdebegründung vom 31. März 2003 wird Bezug genommen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Auf der Grundlage der vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, gelangt der Senat zu einer anderen als der vom Verwaltungsgericht im Rahmen der Interessenabwägung vorgenommenen Beurteilung der Erfolgsaussicht des vom Antragsteller erhobenen Widerspruchs und einer eventuell nachfolgenden Anfechtungsklage. Nach Auffassung des Senats werden diese Rechtsmittel mit hoher Wahrscheinlichkeit Erfolg haben. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids des Landratsamts B** K******** vom 5. Februar 2003 kann daher nicht anerkannt werden.

Die Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers wird einer rechtlichen Nachprüfung voraussichtlich nicht standhalten können. Zwar ist nach § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG zum Führen von Kraftfahrzeugen nur geeignet, wer u.a. weder erheblich noch wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen hat. Nach § 11 Abs. 1 Satz 3 FeV dürfen Bewerber um eine Fahrerlaubnis nicht erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen haben, so dass dadurch die Eignung ausgeschlossen wird. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV ist demjenigen, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere, wenn erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Der Antragsteller hat durch die mit Strafbefehlen vom 14. Juli 1998 und 14. Oktober 2002 geahndeten Straftaten (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort am 25.1.1998 und vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis am 8.7.2002) sowohl erheblich als auch wiederholt gegen Strafgesetze verstoßen. Daraus folgt aber, wie sich insbesondere aus § 11 Abs. 1 Satz 3 und § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV ergibt, nicht gewissermaßen automatisch seine Fahrungeeignetheit. Nach diesen Vorschriften bedarf es vielmehr zusätzlich der Feststellung, dass aufgrund solcher Verstöße die Eignung ausgeschlossen ist. Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis wegen der sich in solchen Verstößen offenbarenden charakterlichen Mängel ist überdies die spezielle Regelung in § 4 StVG zu beachten (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 3 StVG RdNr. 8; Bouska, Fahrerlaubnisrecht, 2. Aufl., § 2 StVG Erl. 20 d). Nach dem Punktsystem des § 4 StVG kommt die Entziehung der Fahrerlaubnis bei dem vom Antragsteller erreichten Punktstand nicht in Betracht. Die Voraussetzungen, unter denen die Fahrerlaubnis unabhängig vom erreichten Punktstand nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 StVG zu entziehen ist, dürften nicht gegeben sein.

Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG gilt der Betroffene dann, wenn sich 18 oder mehr Punkte ergeben, als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen; die Fahrerlaubnisbehörde hat die Fahrerlaubnis zu entziehen. Die Bewertung der durch die Strafbefehle vom 14. Juli 1998 und 14. Oktober 2002 geahndeten Straftaten des Antragstellers nach § 4 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 StVG, § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. s StVG, § 40 FeV, Nrn. 1.4 und 2.1 der Anlage 13 zu § 40 FeV (vgl. zur Maßgeblichkeit dieser Vorschriften für die Punktebewertung auch vor dem 1. Januar 1999 begangener Straftaten und Ordnungswidrigkeiten OVG Münster vom 2.2.2000 NZV 2000, 219) ergibt nur 13 Punkte. Bei diesem Punktestand ist die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StVG lediglich berechtigt und verpflichtet, den Betroffenen schriftlich davon zu unterrichten, ihn zu verwarnen und ihn auf die Möglichkeit der Teilnahme an einem Aufbauseminar hinzuweisen. Allerdings können Umstände des Einzelfalls schon vor Erreichen von 18 Punkten die Feststellung mangelnder Fahreignung rechtfertigen. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 StVG ist die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG dann auch außerhalb des Punktsystems zulässig und geboten (vgl. Hentschel, a.a.O., § 3 StVG RdNr. 8; § 4 StVG RdNr. 3; Bouska, a.a.O., § 4 StVG Erl. 6). Im Hinblick darauf, dass der Gesetzgeber mit dem Punktsystem bewusst auch die Straßenverkehrsteilnahme von Kraftfahrern mit einem nicht unerheblichen "Sündenregister" in Kauf genommen und die Entziehung der Fahrerlaubnis bei 18 oder mehr Punkten von der dem Fahrerlaubnisinhaber zuvor eingeräumten Möglichkeit, bestimmte Angebote und Hilfestellungen wahrzunehmen, abhängig gemacht hat, muss die Fahrerlaubnisbehörde jedoch Zurückhaltung üben, wenn sie aus Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze, die mit weniger als 18 Punkten zu bewerten sind, auf die charakterliche Ungeeignetheit des Fahrerlaubnisinhabers schließen will (vgl. Bouska, a.a.O., Erl. 7). Es müssen deshalb besondere Gründe dafür vorliegen, dass ein Fahrerlaubnisinhaber im konkreten Fall auch ohne Erreichen von 18 Punkten und ohne die Möglichkeit, von den nach dem Punktsystem vorgesehenen Angeboten und Hilfestellungen Gebrauch zu machen, als fahrungeeignet angesehen werden kann (vgl. Bouska, a.a.O., § 2 StVG Erl. 20 d, § 4 StVG Erl. 7 c).

Auf solche besonderen Gründe hat sich das Landratsamt im angegriffenen Bescheid nicht berufen. Dort ist nur festgestellt, dass der Antragsteller durch das unerlaubte Entfernen vom Unfallort am 20. Januar 1998 und durch das vorsätzliche Fahren ohne Fahrerlaubnis am 8. Juli 2002 wiederholt gegen Strafgesetze verstoßen und sich damit als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen habe. Zwar hat das Landratsamt im angegriffenen Bescheid und in der Stellungnahme gegenüber dem Verwaltungsgericht Würzburg darauf hingewiesen, dass der Antragsteller am 26. August 2002 schriftlich erklärt habe, dass seit Entziehung seiner Fahrerlaubnis gegen ihn keine weitere Bestrafungen oder Bußgeldbescheide ergangen seien und gegen ihn weder ein Strafverfahren noch ein Ordnungswidrigkeitsverfahren anhängig sei. Folgerungen für die Eignung des Antragstellers hat es daraus aber offensichtlich nicht gezogen. Erst das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Beschluss den Umstand, dass der Antragsteller im Wiedererteilungsverfahren das seinerzeit laufende Strafverfahren verschwiegen hat, als weiteres Indiz für seine fehlende Eignung gewertet. Im Anschluss daran hat der Antragsgegner in der Beschwerde wiederum die Auffassung vertreten, dass sich der Antragsteller auch dadurch als charakterlich ungeeignet erwiesen habe. Hierzu ist zu bemerken: Der Erklärung des Antragstellers vom 26. August 2002 lag ersichtlich eine entsprechende Frage der Fahrerlaubnisbehörde zu Grunde. Deren Berechtigung stößt auf Bedenken. Sie dürfte sich weder auf eine Mitteilungs- und Nachweispflicht des Antragstellers noch auf die Ermittlungspflicht der Fahrerlaubnisbehörde stützen können. Nach § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 StVG hat, wer die Erteilung einer Fahrerlaubnis beantragt, zwar u.a. das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 6, also auch der in Nr. 3 genannten Eignung, mitzuteilen und nachzuweisen, jedoch nur nach näherer Bestimmung durch Rechtsverordnung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h StVG. Der auf diese Ermächtigung gestützte § 21 FeV enthält eine Verpflichtung zu der in Rede stehenden Erklärung nicht. Die in § 2 Abs. 7 Satz 1 StVG statuierte Ermittlungspflicht der Fahrerlaubnisbehörde wird durch Satz 2 und 3 sowie durch § 22 Abs. 1 und 2 FeV (Ermächtigung: § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StVG) konkretisiert und modifiziert. Nach § 2 Abs. 7 Satz 2 StVG, § 22 Abs. 2 Satz 2 FeV muss die Fahrerlaubnisbehörde in jedem Fall Auskünfte aus dem Verkehrszentralregister und dem zentralen Fahrerlaubnisregister einholen. Im Verkehrszentralregister werden Daten über Entscheidungen der Strafgerichte und wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 28 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 StVG nur gespeichert, wenn diese Entscheidungen rechtskräftig sind. Das spricht dafür, dass auch die Fahrerlaubnisbehörde ihre Ermittlungen nach § 2 Abs. 7 Satz 1 StVG, § 22 Abs. 2 Satz 1 FeV auf solche Entscheidungen beschränken muss und deshalb nicht nach noch nicht abgeschlossenen Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren fragen darf (vgl. hierzu auch Hentschel, a.a.O., § 2 StVG RdNr. 19, § 22 FeV RdNr. 6; Bouska, a.a.O., § 2 StVG Erl. 20 d, 24, 26, 31). Die Berechtigung der Frage nach laufenden Straf- oder Ordnungswidrigkeitsverfahren braucht hier indessen nicht abschließend geklärt zu werden. Denn zum einen schlösse auch die mangelnde Berechtigung der Frage wohl nicht grundsätzlich aus, ihre vorsätzliche falsche Beantwortung im Rahmen der Beurteilung der charakterlichen Eignung des Antragstellers zu seinen Ungunsten zu verwerten. Zum andern erachtet der Senat auch für den Fall, dass die Frage berechtigt gewesen sein sollte, ihre falsche Beantwortung allein nicht bereits als einen hinreichenden Grund, dem Antragsteller auch ohne Erreichen von 18 Punkten und ohne die Möglichkeit, die Angebote und Hilfestellungen nach § 4 StVG zu nutzen, die Fahrerlaubnis zu entziehen.

Auch sonst sind besondere Gründe hierfür nicht erkennbar. Insbesondere kann ein solcher Grund nicht in einer Rechtswidrigkeit der Erteilung der Fahrerlaubnis an den Antragsteller am 28. August 2002 gesehen werden. Zwar kann bei einer Neuerteilung der Fahrerlaubnis das Punktsystem bei der Beurteilung der Eignung nicht herangezogen werden (vgl. Bouska, a.a.O., § 2 StVG Erl. 20 d). Die Annahme der Nichteignung setzt deshalb nicht voraus, dass die Verstöße des Bewerbers mit 18 oder mehr Punkten zu bewerten sind. Dass die Fahrerlaubnisbehörde den ihr im Zeitpunkt der Neuerteilung der Fahrerlaubnis an den Antragsteller allein bekannten Verstoß des Antragstellers vom 25. Januar 1998 (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) nicht (mehr) als eignungsausschließend beurteilt hat, kann rechtlich nicht beanstandet werden. Den ihr damals noch unbekannten Verstoß vom 8. Juli 2002 (Fahren ohne Fahrerlaubnis) hätte sie - rückblickend betrachtet - bei der Beurteilung der Eignung des Antragstellers schon deshalb unberücksichtigt lassen dürfen, wenn nicht sogar müssen, weil insoweit überhaupt noch keine strafgerichtliche Entscheidung ergangen war.

Ebenso wenig ergab sich - im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 StVG - die Notwendigkeit einer Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers vor Erreichen von 18 Punkten daraus, dass das Amtsgericht Amberg im Strafbefehl vom 14. Oktober 2002 trotz der Beurteilung des Antragstellers als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet in der irrigen Annahme, er habe keine Fahrerlaubnis, nur eine Sperre für deren Neuerteilung verfügte. § 3 Abs. 4 StVG verbietet der Fahrerlaubnisbehörde eine Abweichung von strafgerichtlichen Entscheidungen in dem dort näher bestimmten Umfang nur zum Nachteil des Fahrerlaubnisinhabers. Zu seinen Gunsten darf sie dagegen von strafgerichtlichen Entscheidungen abweichen. Deswegen muss sie die Fahrerlaubnis auch nicht allein deswegen entziehen, weil gegen den Fahrerlaubnisinhaber vom Strafrichter irrtümlich statt der Entziehung der Fahrerlaubnis eine isolierte Sperre gemäß § 69 a Abs. 1 Satz 3 StGB angeordnet wurde (vgl. Hentschel, a.a.O., § 3 StVG RdNr. 30, unter Hinweis auf VG Schwerin NZV 1998, 344).

Davon abgesehen bezweifelt der Senat im Gegensatz zum Verwaltungsgericht auch, dass sich das Landratsamt die Überzeugung von der Nichteignung des Antragstellers gemäß § 11 Abs. 7 FeV ohne fachliche Begutachtung allein auf Grund der Tatsache verschaffen konnte, dass der Antragsteller in der beschriebenen Weise strafrechtlich in Erscheinung getreten war.

Auf die Berechtigung der mit der Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts weiter vorgetragenen Einwendungen kommt es danach nicht mehr an.

Als Unterlegener hat der Antragsgegner gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (DVBl 1996, 605/610).

Ende der Entscheidung

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