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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.07.2007
Aktenzeichen: 11 ZB 05.3290
Rechtsgebiete: StVZO


Vorschriften:

StVZO § 31 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

11 ZB 05.3290

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Fahrtenbuchauflage;

hier: Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 29. November 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 11. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Festl, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Ertl, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Beck

ohne mündliche Verhandlung am 5. Juli 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 7.200,-- € festgesetzt.

Gründe:

Der Antrag, gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. November 2005 die Berufung zuzulassen, bleibt ohne Erfolg, da keiner der geltend gemachten Zulassungsgründe vorliegt.

1. Das Vorbringen des Klägers, er habe "alles Mögliche und ihm Zumutbare getan, um den Verwaltungsbehörden zu helfen, den verantwortlichen Fahrzeugführer feststellen zu können", ist nicht geeignet, im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung, in der das Verwaltungsgericht die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage gegen den Kläger als rechtmäßig angesehen hat, zu begründen.

Der Erlass eines Verwaltungsakts, durch den dem Halter eines Fahrzeugs die Führung eines Fahrtenbuches aufgegeben wird, setzt bei einer am Wortlaut des § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO orientierten Betrachtungsweise nicht voraus, dass dieser nach besten Kräften an der Ermittlung der Person mitgewirkt hat, die als Führer dieses Fahrzeugs eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften begangen hat. Nach § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO hängt die Rechtmäßigkeit einer solchen Maßnahme vielmehr ausschließlich davon ab, dass nach einer solchen Zuwiderhandlung die Feststellung eines Fahrzeugführers nicht möglich war. Damit diese Voraussetzung bejaht werden kann, muss die Behörde allerdings alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen haben, um den Täter zu ermitteln (BVerwG vom 13.10.1978 Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 5). Das wiederum erfordert, dass sie bzw. die Polizei in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die in gleichliegenden Fällen erfahrungsgemäß zum Erfolg führen (BVerwG vom 13.10.1978, ebenda).

Soweit in der Rechtsprechung vereinzelt (vgl. VGH BW vom 17.7.1990 VBlBW 1991, 147 unter unzutreffender Berufung auf BVerwG vom 13.10.1978, ebenda) die Auffassung vertreten wurde, eine Fahrtenbuchauflage sei dann ermessensfehlerhaft, wenn der Fahrzeughalter nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften das ihm Zumutbare und Mögliche zur Feststellung des verantwortlichen Fahrzeugführers beigetragen hat, die Ermittlungen aber gleichwohl erfolglos geblieben sind (gegen diese Einschränkung Dauer in: Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl. 2007, RdNr. 4 zu § 31 a StVZO), hat es der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in jüngerer Zeit (vgl. BayVGH vom 10.4.2006 Az. 11 CS 05.1980) dahinstehen lassen, ob diesem Rechtsstandpunkt zu folgen ist. Auch vorliegend bedarf es keiner Entscheidung der Frage, ob unter den im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 17. Juli 1990 (a.a.O.) aufgestellten Voraussetzungen die Befugnis der vollziehenden Gewalt entfällt, die Führung eines Fahrtenbuches zu verlangen. Denn selbst wenn das zu bejahen wäre, würde das angefochtene Urteil keinen ernstlichen Zweifeln begegnen. Der Kläger hat nämlich gerade nicht alles ihm Mögliche und Zumutbare getan, um zur Aufklärung der begangenen Ordnungswidrigkeit beizutragen.

Vor dem Eintritt der Verfolgungsverjährung (vgl. § 26 Abs. 3 StVG) hat er sich nach Aktenlage darauf beschränkt, den ihm vom Bayerischen Polizeiverwaltungsamt übersandten Anhörungsbogen, der ihm innerhalb der - vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls regelmäßig einzuhaltenden - Frist von zwei Wochen nach der aufzuklärenden Zuwiderhandlung zugegangen ist (vgl. BVerwG vom 13.10.1978, ebenda), an seine damalige Lebensgefährtin weiterzuleiten, die sich sodann gegenüber dem Polizeiverwaltungsamt als verantwortliche Fahrzeugführerin bezeichnete. Diese Angabe entsprach jedoch nicht der Wahrheit, da das Kraftfahrzeug, mit dem die zu ahndende Ordnungswidrigkeit begangen wurde, zum Tatzeitpunkt von einem Mann geführt wurde (vgl. die als Blatt 4 und 5 in der Akte des Landratsamts befindlichen Lichtbilder).

Als die Polizei im Rahmen der sich anschließenden Ermittlungen mit dem Kläger Verbindung aufzunehmen versuchte, war er nicht erreichbar und reagierte auch auf Vorladungen nicht. In der Begründung des Zulassungsantrags hat er zwar diese im angefochtenen Urteil enthaltene, auf einem Bericht der Polizeiinspektion Bobingen an das Polizeiverwaltungsamt vom 9. März 2005 beruhende Angabe als "so nicht richtig" bezeichnet. Dieses Bestreiten blieb jedoch unsubstantiiert und ist deshalb nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der diesbezüglichen Feststellung des Verwaltungsgerichts (und des ihr zugrunde liegenden Polizeiberichts) zu wecken. Denn zur Begründung hat der Kläger lediglich darauf verwiesen, die Polizei habe seine Nachbarn befragt, die ihn auf den vorgelegten Lichtbildern jedoch nicht hätten erkennen können. Das widerlegt oder erschüttert die Angabe im angefochtenen Urteil, der Kläger habe weder erreicht werden können noch sei er polizeilichen Vorladungen nachgekommen, in keiner Hinsicht.

Ein Fahrzeughalter aber, der wirklich alles ihm Mögliche und Zumutbare zur Aufklärung einer mit seinem Fahrzeug begangenen Zuwiderhandlung beitragen will, benennt den Ermittlungsorganen entweder von Anfang an den verantwortlichen Fahrer oder teilt, wenn er hierzu nicht in der Lage ist, das den zuständigen staatlichen Organen jedenfalls dann schriftlich oder persönlich mit, wenn er im Zuge von Ermittlungen aufgefordert wird, mit der sachbearbeitenden Dienststelle Verbindung aufzunehmen. Die Erklärungen, die der Kläger im Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 28. Juni 2005 (und später) abgegeben hat, können schon deshalb nicht aus Ausdruck seines behaupteten Bemühens gelten, zur Feststellung des Täters der am 11. Januar 2005 begangenen Ordnungswidrigkeit beizutragen, weil diese Tat im Juni 2005 bereits verjährt war (vgl. zur mangelnden Eignung von Angaben, die der Halter nach dem Ablauf der Frist des § 26 Abs. 3 StVG macht, die Pflicht zur Führung eines Fahrtenbuches abzuwenden, BayVGH vom 6.10.1997 BayVBl 1998, 152/153).

2. Soweit der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils daraus herzuleiten versucht, dass das Verwaltungsgericht den Ausgangsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids auch insoweit als rechtmäßig angesehen hat, als ihm die Führung des Fahrtenbuches für die Dauer von 18 Monaten auferlegt wurde, kann er damit ebenfalls nicht durchdringen. In der Rechtsprechung wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass bei Geschwindigkeitsüberschreitungen um mehr als 20 km/h das Verlangen nach der Führung eines Fahrtenbuches für die Dauer eines Jahres verhältnismäßig ist (BVerwG vom 13.10.1978 Az. VII C 49.77, zit. nach Juris, betreffend eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 28 km/h; VGH BW vom 30.10.1991 NZV 1992, 167, betreffend eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 27 km/h; VGH BW vom 1.10.1992 VBlBW 1993, 65/66, betreffend eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 31 km/h; BayVGH vom 12.2.2007 Az. 11 B 05.427, betreffend eine Geschwindigkeitsüberschreitung um 26 km/h). Im Vergleich zu derartigen Ordnungswidrigkeiten kommt einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 47 km/h, wie sie am 11. Januar 2005 mit dem Fahrzeug des Klägers begangen wurde, nach den Wertungen der Rechtsordnung ein deutlich höherer Unrechtsgehalt zu. Denn solche Zuwiderhandlungen sind nach der laufenden Nummer 11.3.7 der Tabelle 1 des Anhangs zum Bußgeldkatalog unabhängig davon, ob sie innerhalb oder außerhalb geschlossener Ortschaften begangen wurden, unter den Voraussetzungen des § 4 BKatV mit einem einmonatigen Fahrverbot zu ahnden, während Missachtungen der höchstzulässigen Geschwindigkeit bis maximal 30 km/h diese Rechtsfolge generell nicht nach sich ziehen und eine Geschwindigkeitsüberschreitung, die sich zwischen 31 und 40 km/h bewegt, nur bei Begehung innerhalb geschlossener Ortschaften zur Verhängung eines Fahrverbots führt. Auch die Höhe der Bußgeld-Regelsätze, die bei einer Ordnungswidrigkeit der hier inmitten stehenden Art verwirkt sind (125 bzw. 100 Euro), verdeutlicht, dass eine solche Rechtsverletzung wesentlich schwerer wiegt als eine Geschwindigkeitsüberschreitung, die sich z.B. im Bereich zwischen 21 und 25 km/h bewegt (vgl. zu den insoweit in der Regel anfallenden Bußgeldern die Nummer 11.3.4 der Tabelle 1 zum Bußgeldkatalog), obwohl derartige Zuwiderhandlungen nach dem Vorgesagten bereits die Verhängung einer Fahrtenbuchauflage für die Dauer eines Jahres nach sich ziehen können. Es ist vor diesem Hintergrund nicht unverhältnismäßig, wenn der Beklagte eine Ordnungswidrigkeit der vorgefallenen Art zum Anlass nimmt, um den Halter des Tatfahrzeugs für die Dauer von eineinhalb Jahren zum Führen eines Fahrtenbuches zu verpflichten.

3. Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage, "wie die Mitwirkung des Fahrzeughalters an der Ermittlung des für einen Verkehrsverstoß verantwortlichen Fahrzeugführers zu erfolgen hat, so dass der Kläger keine Fahrtenbuchauflage gemäß § 31 a StVZO zu befürchten hat", teils nicht mehr klärungsbedürftig und im Übrigen nicht in verallgemeinerungsfähiger Weise klärungsfähig ist.

Auf der Grundlage einer am Wortlaut des § 31 a Abs. 1 Satz 1 StVZO orientierten Auslegung kommt es, wie dargestellt, allein darauf an, dass nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften die Feststellung des Fahrzeugführers nicht möglich war, obwohl die Behörde alle angemessenen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um den Täter zu ermitteln, sie insbesondere in sachgerechtem und rationellem Einsatz der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen getroffen hat, die in gleichliegenden Fällen erfahrungsgemäß zum Erfolg führen (vgl. BVerwG vom 13.10.1978 Buchholz 442.16 § 31 a StVZO Nr. 5). Mittelbar erlangt die Frage der Kooperationsbereitschaft des Halters allerdings auch im Rahmen dieses "behördenzentrierten" Ansatzes insofern rechtliche Bedeutung, als der Umfang der vorzunehmenden Ermittlungen dadurch mitbestimmt wird, ob der Halter an den Bemühungen zur Fahrerfeststellung mitwirkt. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass sich Art und Umfang der Tätigkeit der öffentlichen Gewalt, den Fahrzeugführer nach einem Verkehrsverstoß zu ermitteln, an der Erklärung des Fahrzeughalters ausrichten können (BVerwG vom 23.4.1971 Buchholz 442.15 § 7 StVO Nr. 7; BVerwG vom 17.12.1982 BayVBl 1983, 310): Lehnt dieser erkennbar die Mitwirkung an der Aufklärung des Verkehrsverstoßes ab, so ist es der Polizei regelmäßig nicht zuzumuten, wahllos zeitraubende, kaum Aussicht auf Erfolg bietende Ermittlungen zu betreiben (BVerwG vom 23.4.1971, ebenda; BVerwG vom 17.12.1982, ebenda; vgl. zur regelmäßigen Entbehrlichkeit weiterer Ermittlungen des Fahrzeugführers bei unterbliebener Mitwirkung des Halters auch NdsOVG vom 2.11.2006 ZfS 2007, 119/120).

Soweit der Halter eine Kooperation im Rahmen der behördlichen Bemühungen zur Sachverhaltsaufklärung nicht generell verweigert, er aber nicht in genügender Weise mitgewirkt hat, entzieht sich die Beantwortung der Frage, welche Auswirkungen ein solches Verhalten auf den notwendigen Umfang der durchzuführenden Ermittlungen (und damit mittelbar auf die Befugnis der öffentlichen Gewalt, die Führung eines Fahrtenbuches anzuordnen) zeitigt, demgegenüber einer allgemein gültigen Beantwortung. So hängt es z.B. von den Umständen des Einzelfalles ab, ob der Halter förmlich als Zeuge befragt werden muss (BVerwG vom 21.10.1987 DAR 1988, 68). Die Durchführung eines Berufungsverfahrens könnte deshalb zur Klärung der vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam angesehenen Frage nichts beitragen.

Eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO käme aber auch dann nicht in Betracht, wenn der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (Urteil vom 17.7.1990, ebenda) zu folgen sein sollte, wonach die Anordnung, ein Fahrtenbuch zu führen, dann ermessensfehlerhaft ist, wenn der Halter das ihm Zumutbare und Mögliche zur Feststellung des Fahrzeugführers beigetragen hat. Dann was dem Halter möglich und zuzumuten ist (wie weit ihm z.B. selbst Nachforschungspflichten innerhalb des Kreises der Personen obliegen, denen er das Tatfahrzeug ggf. überlassen hat), beantwortet sich weithin nach den Gegebenheiten des konkreten Falles (z.B. danach, ob ein Fahrzeug gewerblich genutzt wird oder nicht, wie lange die aufzuklärende Tat zurückliegt usw.). Die vom Kläger aufgeworfene Frage entzieht sich deshalb auch unter diesem rechtlichen Blickwinkel einer generellen Klärung. Wie bereits in Abschnitt 1 dieses Beschlusses dargestellt, lässt sich vorliegend zudem auch ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens die Aussage treffen, dass der Kläger nicht das ihm Mögliche und Zumutbare zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. der Empfehlung in Abschnitt II.46.13 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327).

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Ende der Entscheidung

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