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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.06.2004
Aktenzeichen: 12 B 00.1250
Rechtsgebiete: BSHG, SGB X


Vorschriften:

BSHG § 103
SGB X § 105
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

12 B 00.1250

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Sozialhilfe;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 16. März 2000,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Werner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau

ohne mündliche Verhandlung am 30. Juni 2004

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

1. Der Kläger, ein überörtlicher Träger der Sozialhilfe, begehrt, den Beklagten zu verurteilen, ihm (a) Kosten in Höhe von 234.441,19 DM, die er dem Landkreis O. auf Grund eines Schiedsstellenspruches erstattete, und (b) die Kosten des Spruchstellenverfahrens in Höhe von 880 DM zu erstatten.

In dem Spruchstellenverfahren machte der Landkreis O. die Erstattung der von ihm für H., einer 1973 geborenen geistig behinderten Hilfeempfängerin, im Zeitraum 29. September 1991 bis 30. November 1992 aufgewandten Jugendhilfekosten geltend. Der in dem Spruchstellenverfahren beigeladene Landkreis S. begehrte, den Kläger zur Erstattung der im Zeitraum 1. Juli 1986 bis 28. September 1991 für die Unterbringung der H. aufgewandten Kosten zu verpflichten. Die zentrale Spruchstelle für Fürsorgestreitigkeiten verpflichtete mit Schiedsspruch vom 29. Juni 1995 den Kläger, dem Landkreis O. die in dem Zeitraum 1. Juli 1986 bis 30. November 1992 für die Unterbringung der H. entstandenen Kosten zu erstatten. Der Kläger sei nach Art. 8 des Gesetzes zur Ausführung des Bundessozialhilfegesetzes (AGBSHG) - vorläufiges Eintreten des örtlichen Trägers - dem Landkreis O. gegenüber zur Erstattung der Kosten der Unterbringung verpflichtet. Bei den gegebenen Umständen hätte nicht Erziehungshilfe nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz, sondern vom Kläger als überörtlichem Träger der Sozialhilfe ab dem 1. Juli 1986 Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) geleistet werden müssen. Soweit der Kläger die in dem Zeitraum 1. Juli 1986 bis 28. September 1991 entstandenen Unterbringungskosten dem Landkreis O. zu erstatten habe, habe dieser diesen Betrag an den Landkreis S. zurückzuerstatten.

2. Der Kläger übernahm ab dem 1. Dezember 1992 die Kosten der Heimunterbringung der H. im Rahmen der Gewährung von Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz. Der Beklagte übernahm den Hilfefall als örtlich und sachlich zuständiger (überörtlicher) Träger der Sozialhilfe ab 1. Mai 1994 und sicherte dem Kläger die Erstattung der Kosten der im Zeitraum 1. Dezember 1992 bis 30. April 1994 geleisteten Eingliederungshilfe zu.

3. Der Kläger bat mit Schreiben vom 11. Oktober 1995 den Beklagten (auch) um Erstattung des entsprechend dem Schiedsspruch von ihm an den Landkreis O. geleisteten Betrages von 234.441,19 DM zuzüglich der Kosten des Spruchstellenverfahrens in Höhe von 880 DM. Nachdem der Beklagte das abgelehnt hatte, erhob der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht mit dem Antrag, den Beklagten zu verurteilen, die ihm für die Hilfeempfängerin H. in der Zeit vom 1. Juli 1986 bis zum 30. November 1992 entstandenen Aufwendungen in Höhe von 234.441,19 DM zuzüglich der Kosten für das Verfahren bei den Spruchstellen in Höhe von 880 DM nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu erstatten.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 16. März 2000 ab. Der Kläger könne (auch) nach § 103 BSHG nicht die Erstattung von Erstattungsleistungen verlangen, sondern allenfalls die Erstattung der Kosten der von ihm selbst erbrachten Sozialhilfeleistungen. Eine Erstattung von Erstattungsleistungen sehe nur § 112 SGB X für den Fall der Rückerstattung von zu Unrecht bezahlten Erstattungsleistungen vor. Der Kläger mache eine im System der Ausgleichsansprüche der Sozialleistungsträger nicht vorgesehene Kettenerstattung geltend. Daran ändere nichts, dass die Spruchstellenentscheidung fehlerhaft sei, weil der Landkreis O. sein Erstattungsbegehren gestützt auf § 105 SGB X als sachlich unzuständiger Sozialleistungsträger unmittelbar gegenüber dem Beklagten hätte geltend machen müssen und der Kläger im Spruchstellenverfahren nicht passivlegitimiert gewesen sei.

4. Der Kläger verfolgt mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung sein Klagebegehren weiter. Bei den von ihm an den Landkreis O. erstatteten Beträgen handele es sich um erstattungsfähige Kosten im Sinne des § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG in der bis zum 31. Dezember 1993 vorliegend maßgeblichen geltenden Fassung. Danach seien Kosten, die ein Träger der Sozialhilfe für den Aufenthalt eines Hilfeempfängers in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung oder im Zusammenhang hiermit aufgewendet habe, von dem sachlich zuständigen Träger zu erstatten, in dessen Bereich der Hilfeempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt der Aufnahme in die Einrichtung oder in den letzten zwei Monaten vor der Heimaufnahme zuletzt gehabt habe. Das habe der Beklagte im Übrigen für die ab 1. Dezember 1992 entstandenen Aufwendungen mit Schreiben vom 24. Februar 1994 auch anerkannt. Auch § 105 SGB X rechtfertige den Erstattungsanspruch. Er (der Kläger) habe als unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne hierfür auf Grund gesetzlicher Vorleistungsvorschriften verpflichtet gewesen zu sein. Zuständig für die Leistungserbringung sei der Beklagte gewesen, der nicht selbst geleistet habe.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

5. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

II.

1. Über die zulässige Berufung konnte durch Beschluss entschieden werden, weil der Verwaltungsgerichtshof sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten wurden vorher gehört (§ 130 a, § 125 Abs. 2 Satz 2 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht Kostenerstattungsansprüche des Klägers verneint, weil der Kläger die von ihm auf Grund der Spruchstellenentscheidung an einen dritten Sozialleistungsträger geleisteten Erstattungskosten vom Beklagten erstattet haben will und diese weder nach § 103 BSHG (in der hier maßgeblichen bis 31.12.1993 geltenden Fassung) noch nach § 105 SGB X erstattungsfähig sind. Danach sind erstattungsfähig vielmehr nur Aufwendungen für Hilfeleistungen, die der erstattungsberechtigte Sozialhilfeträger bzw. Sozialleistungsträger einem Hilfeempfänger gewährt hat (vgl. Bramann in Mergler/Zink, BSHG, Stand: Mai 2003, RdNrn. 15 am Ende, 32 zu § 103; W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl. 2002, RdNrn. 3, 6 am Ende zu § 103; Schoch in LPK-BSHG, 6. Aufl. 2003, RdNr. 20 Vor § 103). Der Kläger stützt sich bei seiner gegenteiligen Auffassung zu Unrecht auf Knopp/Fichtner (BSHG, 7. Aufl. 1992, RdNr. 5 zu § 103). Vielmehr wird auch dort die Auffassung vertreten, dass die von einem kostenerstattungspflichtigen Sozialhilfeträger einem kostenerstattungsberechtigten Sozialhilfeträger erstatteten Kosten nicht erstattungsfähig sind. Allerdings sind die Worte "(anders bei Erstattungsansprüchen nach den AG-BSHG der Länder)" (Knopp/Fichtner, a.a.O.) missverständlich. Jedoch werden damit nur die Fälle erfasst, in denen beispielsweise der überörtliche Träger dem örtlichen Träger nach Art. 10 Abs. 2 des bayerischen AGBSHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. November 1993 (GVBl S. 868, berichtigt S. 1113 BayRS 2170-1-A) Aufgaben übertragen hat und diesem dann nach Art. 12 Abs. 3 AGBSHG die bei Durchführung dieser Aufgaben "aufgewendeten Kosten zu ersetzen" hat. Damit wird erreicht, dass letztlich nicht der örtliche Sozialhilfeträger, auf den die Aufgabe übertragen worden ist, sondern der die Aufgabe übertragende überörtliche Träger der Sozialhilfe die (Netto-)Kosten zu tragen hat, die bei der Durchführung der übertragenen Aufgaben entstehen. Insofern ist es jedenfalls dann sachgerecht, dass der örtliche Träger in diesen Fällen vom überörtlichen Träger nicht nur die Aufwendungen für Sozialhilfeleistungen, sondern auch von für von ihm geleistete Erstattungen ersetzt verlangen kann, wenn man unter der Übertragung der Durchführung einer Aufgabe auch die Übertragung einer Erstattungspflicht gegenüber Dritten miterfasst ansieht.

Bereits der Wortlaut der Vorschriften über die Kostenerstattung zwischen den Trägern der Sozialhilfe im 9. Abschnitt des Gesetzes (§§ 103 bis 113 BSHG) spricht gegen eine Erstattungsfähigkeit der Kosten einer Erstattungsleistung. Nach § 111 Abs. 1 Satz 1 BSHG sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die "Hilfe" diesem Gesetz entspricht. Im Anschluss daran bestimmt Satz 2 der Vorschrift, dass dabei die Grundsätze für die Gewährung von Sozialhilfe gelten, die am Aufenthaltsort des Hilfeempfängers zurzeit der Gewährung der Sozialhilfe bestehen. In § 107 BSHG ist die Rede von der Erstattung der Kosten der am Zuzugsort "erforderlich werdenden Hilfe". Nach § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG n.F. ist erstattungsberechtigt der Sozialhilfeträger, der nach § 97 Abs. 2 Satz 3 und 4 die Leistung zu erbringen hat". Nach § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG in der hier maßgeblichen und bis 31. Dezember 1993 geltenden Fassung sind die Kosten erstattungsfähig, "die ein Träger der Sozialhilfe für den Aufenthalt eines Hilfeempfängers in einer Anstalt, ... oder im Zusammenhang hiermit aufgewendet hat". Die "im Zusammenhang hiermit" aufgewendeten Kosten beziehen sich auf den Aufenthalt des Hilfeempfängers in einer Anstalt und sind z.B. die notwendigen Kosten des Transports des Hilfeempfängers in die Einrichtung (vgl. dazu Knopp/Fichtner, a.a.O., RdNr. 7 zu § 103). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass die vom Kläger geltend gemachte Erstattung von Erstattungskosten im System der Kostenausgleichsansprüche der Sozialleistungsträger nicht vorgesehen ist mit Ausnahme der in § 112 SGB X gesondert geregelten Pflicht zur Rückerstattung von zu Unrecht geleisteten Erstattungen. Aber auch dabei geht es nicht um die Erstattung von an dritte Sozialleistungsträger geleistete Erstattungsbeträge, sondern nur um die Rückgabe der zu Unrecht erhaltenen Erstattung. Eine Erstattung von Erstattungsleistungen würde dem Anliegen des Gesetzgebers, den Ausgleich unter den Leistungsträgern möglichst schnell und einfach herbeizuführen (vgl. dazu Knopp/Fichtner, a.a.O., RdNr. 2 Vor § 103 zu der bis zum 31.12.1993 geltenden Fassung der Kostenerstattungsvorschriften des BSHG), zuwiderlaufen. Es könnte zudem über die Rechtmäßigkeit derselben Sozialhilfeleistungen sowohl dann gestritten werden, wenn die Erstattung der (unmittelbaren) Kosten der Sozialhilfeleistungen verlangt wird als auch ein zweites Mal dann, wenn der im ersten Fall erstattungspflichtige Sozialhilfeträger vom dritten Sozialhilfeträger die Erstattung seiner Erstattungsleistungen verlangt. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht auch darauf hingewiesen, dass dann materiell-rechtlich widersprüchliche Entscheidungen in Rechtskraft erwachsen könnten.

All das gilt auch für die Kostenerstattung nach § 105 SGB X, auf den der Kläger seinen Anspruch ebenfalls stützt. Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift kann nicht die Erstattung von Erstattungsleistungen verlangt werden. Denn der nach § 105 SGB X erstattungsberechtigte Sozialleistungsträger muss "Sozialleistungen" erbracht haben. Sozialleistungen sind nach § 11 SGB I Gegenstand der sozialen Rechte nach §§ 2 bis 10 SGB I. Dazu zählt das Recht auf Erstattung nicht. Der vom Kläger auf Grund des Schiedsstellenspruches an den dritten (örtlichen) Sozialhilfeträger gezahlte Erstattungsbetrag ist keine "Sozialleistung" im Sinne des § 105 SGB X (oder der anderen Kostenerstattungsvorschriften: §§ 102, 103 und 104 des SGB X).

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 188 Satz 2 VwGO. Der Verwaltungsgerichtshof hat davon abgesehen, die Kostenentscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, weil er davon ausgeht, dass der Kläger seine ohnehin nicht in nennenswerter Höhe angefallenen außergerichtlichen Kosten nicht vor der Rechtskraft dieser Entscheidung zu vollstrecken beabsichtigt.

3. Die Revision war mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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