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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 13.07.2005
Aktenzeichen: 12 B 02.3078
Rechtsgebiete: BSHG, SGB X, BGB


Vorschriften:

BSHG § 93 Abs. 2
BSHG § 93b Abs. 2
SGB X § 58
BGB § 134
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

12 B 02.3078

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Sozialhilfe;

hier: Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15. Oktober 2002,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Werner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler

ohne mündliche Verhandlung am 13. Juli 2005

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Höhe der vom Beklagten zu zahlenden Vergütung für die Beschäftigung von behinderten Personen, für die der Beklagte Eingliederungshilfe leistet.

Die Klägerin beruft sich auch hinsichtlich des Zeitraumes 1. Januar bis 26. Juni 2001 auf eine zwischen ihr und dem Beigeladenen abgeschlossene Vergütungsvereinbarung nach § 93 Abs. 2 BSHG, die gegenüber der für das Jahr 2000 geltenden Vereinbarung höhere Pauschalen für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2001 vorsieht. Unterschrieben wurde der Vertrag am 30. Mai bzw. 27. Juni 2001. Der Beklagte verweigert die Bezahlung der darin vereinbarten höheren Vergütung für die Zeit vor dem 27. Juni 2001 vor allem mit dem Hinweis, dass ein rückwirkendes Inkraftsetzen einer Vereinbarung nach § 93b Abs. 2 BSHG unzulässig sei.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Verpflichtung des Beklagten, ihr 441,51 Euro zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2001 zu zahlen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15. Oktober 2002 abgewiesen. Vergütungsvereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG begründeten keine unmittelbaren Zahlungsansprüche des Einrichtungsträgers gegen den Sozialhilfeträger. Ein diesbezüglicher Rechtsbindungswille des Beigeladenen lasse sich der Vereinbarung vom 30. Mai/27. Juni 2001 nicht entnehmen. Es spreche auch viel für eine unzulässige Rückwirkung der Vereinbarung.

Mit der zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie habe aus der Vereinbarung einen Anspruch auf Bezahlung der von ihr erbrachten Leistungen. Weil insoweit der Grundsatz gelte, dass Verträge einzuhalten sind, sei der Beklagte verpflichtet das zu bezahlen, was für den streitigen Zeitraum vereinbart wurde. Das Verhalten des Beklagten sei auch mit Treu und Glauben unvereinbar, weil er gewusst habe, was die Entgeltkommission mit den Spitzenverbänden der Klägerin vereinbart hatte.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten. Aus der fraglichen Vereinbarung ergebe sich kein unmittelbarer Zahlungsanspruch der Klägerin gegen ihn. Weiter liege in der Festlegung eines Vereinbarungszeitraums vom 1. Januar bis 31. Dezember 2001 eine unzulässige Rückwirkung.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (§ 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO), ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil der Klägerin der geltend gemachte Zahlungsanspruch nicht zusteht.

1. Der Senat ist zunächst mit dem Verwaltungsgericht der Auffassung, dass Vergütungsvereinbarungen nach § 93 Abs. 2 BSHG jedenfalls dann keine Zahlungsansprüche des Einrichtungsträgers gegen den Sozialhilfeträger begründen, wenn ihnen kein diesbezüglicher Rechtsbindungswille zu entnehmen ist (vgl. Beschlüsse des Senats vom 24.11.2004 BayVBl. 2005, 246 und vom 21.3.2005 Az. 12 CE 04.3361 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Oberverwaltungsgerichte). Ein entsprechender Rechtsbindungswille des Beigeladenen lässt sich der Vereinbarung vom 30. Mai/27. Juni 2001 nicht entnehmen, da sie keinerlei inhaltliche Besonderheiten aufweist. Allerdings ist der Senat der Auffassung (vgl. Beschluss vom 24.11.2004, a.a.O.), dass die Vertragspartner des öffentlichrechtlichen Vertrags grundsätzlich an die abgeschlossene Vereinbarung entsprechend dem allgemeinen Rechtsgrundsatz "pacta sunt servanda" gebunden sind und sich für den laufenden Pflegesatzzeitraum an die Vereinbarungen halten müssen. Das bedeutet, dass der Sozialhilfeträger die Kosten der Unterbringung von Hilfeempfängern, für die er Sozialhilfeleistung gewährt, gemäß den in den genannten Vereinbarungen festgesetzten Vergütungen übernehmen muss. Diese vertragliche Verpflichtung besteht gegenüber dem Einrichtungsträger und neben seiner Verpflichtung gegenüber den Hilfeempfängern, diesen gemäß den Gesetzen Sozialhilfeleistungen zu gewähren.

Hierauf kommt es hier aber letztlich nicht an, weil die fragliche Vergütungsvereinbarung vom 30. Mai/27. Juni 2001, auf die die Klägerin ihren Zulassungsanspruch stützt, nichtig ist, soweit sie auch für die Zeit vom 1. Januar 2001 bis 26. Juni 2001 abgeschlossen wurde. Insoweit verstößt sie gegen Gesetzesrecht (§ 58 Abs. 1 SGB X, § 134 BGB entsprechend). In seinem Urteil vom 27. April 2005 Az. 12 B 02.2580 u.a., hat der Senat folgendes ausgeführt:

"§ 93 b Abs. 2 Satz 3 BSHG erklärt ein rückwirkendes Inkrafttreten von Vereinbarungen oder Festsetzungen ohne Einschränkung für unzulässig. Damit ergibt sich aus § 93 b Abs. 2 Sätze 1 und 3 BSHG eine grundsätzliche Beschränkung des Beginns einer neuen Vereinbarung mit ihrem Abschluss. Zwar obliegt es nach Satz 1 in erster Linie den Vereinbarungsparteien, den Zeitpunkt des Inkrafttretens zu bestimmen. Die Regelung ist aber im Zusammenhang mit dem in Absatz 1 Satz 1 der Vorschrift festgelegen Prinzip des prospektiven Pflegesatzes zu sehen. Diese umfassende Prospektivität der Vereinbarungen wird durch Satz 3 sichergestellt, da hiernach auch durch die Vereinbarung selbst ein rückwirkendes Inkrafttreten der Vereinbarungen nicht möglich ist. Das gilt nach herrschender Meinung (vgl. stellvertretend Münder in LPK-BSHG, 6. Aufl. 2003, RdNr. 24 zu § 93 b) generell, d.h. sowohl für die Variante des Satzes 1 wie die des Satzes 2. Die Meinung des Klägers, § 93 b Abs. 2 Satz 3 BSHG beziehe sich nur auf dessen Satz 2, ist schon vom Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckt und wird abweichend von der herrschenden Meinung nur noch von Fichtner (in Fichtner, BSHG, 1999, RdNr. 8 zu § 93 b) vertreten.

Satz 3 nennt u.a. gerade auch ein (zurückwirkendes) Vereinbaren und bezieht sich damit auf den Fall des Satzes 1, nämlich dass ein bestimmter Zeitpunkt des Inkrafttretens vereinbart wird. Bezüglich dieser Alternative kann er sich auf Satz 2 überhaupt nicht beziehen, weil in diesem Falle ein Zeitpunkt ja gerade nicht bestimmt ist. Auch die von den Klägern herangezogene Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 14. Dezember 2000 (FEVS 52, 390) stützt ihre Auffassung nicht. Das Gericht hat darin nur festgestellt, dass das gesetzliche Verbot rückwirkender Vergütungsvereinbarungen die Schiedsstelle nicht hindere, gemäß § 93 b Abs. 2 Satz 2 BSHG im Schiedsspruch als Zeitpunkt seines Wirksamwerdens den Antragseingang bei der Schiedsstelle festzusetzen.

Das Rückwirkungsverbot des § 93 b Abs. 2 Satz 3 BSHG ist umfassend, d.h. die Parteien dürfen rückwirkende Vereinbarungen auch nicht für Zeiträume treffen, hinsichtlich derer zwar eine Vereinbarung nicht (mehr) bestand, die aber durch Verhandlungen ausgefüllt waren (vgl. Grube/Wahrendorf, SGB XII, Stand: 2005, RdNr. 10 zum wortgleichen § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB XII). Den Klägern ist zwar zuzugeben, dass die Verfahrensdauer lang sein kann und die Einrichtungsträger die Dauer des Verfahrens nur sehr bedingt beeinflussen können. Diese können aber einem Hinauszögern des Wirksamwerdens der Vereinbarung dadurch begegnen, dass sie eben rechtzeitig die Schiedsstelle anrufen."

Hieran hält der Senat auch für vorliegenden Fall fest.

Die Klägerin kann den Beklagten auch nicht treuwidriges Verhalten vorwerfen. Denn Beschlüsse der Landesentgeltkommission, auf die sich die Klägerin insoweit stützt, enthalten lediglich Empfehlungen für eine pauschale Erhöhung der Vergütung. Diese Empfehlungen sind nicht rechtsverbindlich, weil die Landesentgeltkommission für die Festsetzung von Entgelten nicht zuständig ist. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob der Beklagte in der Sitzung der Landesentgeltkommission im Oktober 2000 den Empfehlungen mündlich oder schriftlich zugestimmt hat.

2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbsatz 1, 162 Abs. 3 VwGO. Der Verwaltungsgerichtshof hat keine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt getroffen, weil er davon ausgeht, dass der Beklagte seine außergerichtlichen Kosten nicht vor Rechtskraft des Urteils zu vollstrecken beabsichtigt.

3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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