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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 19.07.2006
Aktenzeichen: 12 B 05.1086
Rechtsgebiete: BSHG, SGB I, SGB X


Vorschriften:

BSHG § 92 a Abs. 1
BSHG § 92 Abs. 4 Satz 1
SGB I § 60 Abs. 1 Nr. 2
SGB X § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3
SGB X § 50
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

12 B 05.1086

Verkündet am 19. Juli 2006

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Sozialhilfe;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. Februar 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Albrecht, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Juli 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 15. Februar 2005 und der Bescheid der Beklagten vom 4. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Februar 2004 werden aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem die Beklagte vom Kläger Kostenersatz gemäß § 92 a Abs. 4 BSHG fordert.

1. Der Kläger wurde am 17. Juni 1997 als Betreuer für die 1947 geborene und an Alkoholsucht leidende Irene G. bestellt, die seit Jahren von der Beklagten Hilfe zum Lebensunterhalt erhielt. Das dem Kläger zugewiesene Tätigkeitsfeld umfasste neben der Vertretung gegenüber Behörden auch die Vermögenssorge und die Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Entscheidung über die Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen. Am 25. Februar 2002 wurde Frau G. im Bezirkskrankenhaus L. (BKH) wegen psychischer und Verhaltensstörungen durch Alkohol aufgenommen, nachdem sie zuvor ihren Freund mit einem Messer angegriffen und verletzt hatte. Nach ihrer Entlassung aus dem BKH am 15. April 2002 befand sie sich bis 16. Oktober 2002 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) M. Nachdem der Beklagten der Aufenthalt von Frau G. im BKH und in der JVA M. bekannt geworden war, hob sie mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 26. Juni 2002 die gegenüber der Betreuten für diesen Zeitraum ergangenen Sozialhilfebescheide auf und forderte einen überzahlten Sozialhilfebetrag für die Monate März bis Juni 2002 von 1.877,40 € zurück. Zahlungen gemäß diesem Bescheid gingen bei der Beklagten nicht ein.

Die Beklagte verpflichtete daraufhin den Kläger mit Bescheid vom 4. November 2003, die mit Bescheid vom 26. Juni 2002 festgestellte Sozialhilfeüberzahlung an Frau G. in Höhe von 1.877,40 € binnen vier Wochen nach Zustellung des Bescheids zu erstatten. Die Überzahlung der Sozialhilfe sei ausschließlich darauf zurückzuführen, dass der Kläger gegenüber der Beklagten seine Pflichten als Betreuer in zumindest grob fahrlässiger Weise verletzt habe, weil er das Sozialamt frühzeitig vom Aufenthalt der Betreuten im BKH und in der JVA M. hätte unterrichten müssen. Gerade wegen seiner Funktion als Berufsbetreuer hätte er sich darüber im Klaren sein müssen, dass durch das nicht rechtzeitige Bekanntwerden der sozialhilferechtlich relevanten Lebensumstände seiner Betreuten eine Sozialhilfeüberzahlung eintreten werde und es seiner Betreuten selbst nicht möglich sei, eine derartige Überzahlung auszugleichen. Da die Aufhebung und Rückforderung der Sozialhilfebescheide gegenüber Frau G. mittlerweile Bestandskraft erlangt habe, stehe einer weiteren Rückforderung gegenüber dem Kläger nach § 92 a Abs. 4 BSHG nichts entgegen. Die Rückforderung stelle für den Kläger keine objektive Härte dar.

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, den die Regierung von Niederbayern mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2004, auf dessen Gründe Bezug genommen wird, zurückwies.

2. Am 15. März 2004 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht Regensburg Klage mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 3. November 2003 und den Widerspruchsbescheid der Regierung vom 23. Februar 2004 aufzuheben. Als Betreuer sei er nicht allein zur Mitwirkung gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I verpflichtet. Frau G. sei zu keinem Zeitpunkt gehindert gewesen, ihrer Mitwirkungspflicht gemäß § 60 SGB I nachzukommen. Diese sei nicht gemäß § 65 SGB I entfallen. Weiter gehe die Beklagte fehlerhaft davon aus, dass Frau G. zur Vornahme von Verfahrenshandlungen nicht fähig gewesen sei, weil ein Betreuer bestellt worden sei. Frau G. sei zu keinem Zeitpunkt geschäftsunfähig oder durch einen Einwilligungsvorbehalt gemäß § 1903 BGB eingeschränkt gewesen.

Frau G. sei am 25. Februar 2002 auch persönlich ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen, da sie dem seit 25. Februar 2002 nunmehr zuständigen Sozialhilfeträger unverzüglich über die Änderung in den Verhältnissen, d.h. den BKH-Aufenthalt, Mitteilung gemacht habe. Zwar habe die Mitarbeiterin des Sozialdienstes des BKH, Frau S., am 27. Februar 2002 bei ihm angerufen und ihn darüber informiert, dass Frau G. nach einer Straftat durch die Staatsanwaltschaft in die geschlossene Station des BKH eingewiesen worden sei. Dabei sei dieser aber unklar gewesen, wer unter diesen Umständen der Kostenträger für den Krankenhausaufenthalt sei. Weil er darüber auch keine Kenntnis gehabt habe, habe er Frau S. an Herrn E., den bei der Beklagten für Frau G. zuständigen Sachbearbeiter, verwiesen. Dass der Sozialdienst des BKH seinen Aufgaben entsprechend tätig geworden sei und dabei auch mit der Beklagten Rücksprache genommen habe, würden die Akten des Bezirks N. belegen. Frau K., Sachbearbeiterin beim Bezirk N., habe wegen des Aufenthalts von Frau G. im BKH nach eigenen Angaben mehrfach mit Herrn E. von der Beklagten telefoniert. Die Beklagte sei jedenfalls nicht erst am 12. Juni 2002 durch den Hausarzt über Frau G's BKH-Aufenthalt informiert worden.

Aus dem Betreueramt könne der Sozialhilfeträger keine eigenständigen Pflichten des Betreuers der Behörde gegenüber ableiten. Die Beklagte beachte nicht den Unterschied zwischen § 92 a Abs. 1 und Abs. 4 BSHG. § 92 a Abs. 1 BSHG setze ein sozialwidriges Verhalten voraus. Ob Frau G. durch ihre Straftat sozialwidrig die Gewährung von Sozialhilfe herbeigeführt habe, stehe im Verfahren wegen Kostenersatz nach § 92 a Abs. 4 BSHG nicht zur Diskussion.

3. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 15. Februar 2005 als unbegründet ab. Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 92 a Abs. 4 BSHG sei zunächst, dass Sozialleistungen zu Unrecht erbracht worden seien. Dies sei hier der Fall, weil die Beklagte in den Monaten März 2002 bis Juni 2002 insgesamt 1.877,40 € zu Unrecht erbracht habe. Der über diesen Betrag ergangene Rückforderungsbescheid vom 26. Juni 2002 sei bestandskräftig geworden, so dass der Kläger ihn gegen sich gelten lassen müsse.

Das Verhalten des Klägers sei auch kausal für die zu Unrecht erbrachten Leistungen gewesen. Er habe es unterlassen, der Beklagten mitzuteilen, dass sich die Hilfeempfängerin zunächst im BKH und anschließend in der JVA aufgehalten habe. Aufgrund ihrer Unkenntnis habe die Beklagte zu Unrecht Sozialhilfeleistungen erbracht. Diese habe auch anderweitig keine rechtzeitige Kenntnis vom Aufenthalt der Hilfeempfängerin erlangt. Eine persönliche Mitteilung der Hilfeempfängerin über die Änderung ihres Aufenthaltsorts sei am 25. Februar 2002 lediglich gegenüber dem Bezirk N., nicht aber gegenüber der Beklagten erfolgt. Auch durch die Sozialarbeiterin des BKH, die den Kläger am 27. Februar 2002 telefonisch über den Aufenthalt der Hilfeempfängerin informiert habe, sei die Beklagte nach der Aktenlage nicht unterrichtet worden. Für die Kenntnis des BKH-Aufenthaltes der Hilfeempfängerin sei der früheste belegbare Zeitpunkt der 4. April 2002, da es an diesem Tag zwischen dem Sozialpädagogen des BKH und der Beklagten zu einem Telefonat gekommen sei, in dem die Beklagte auf den Aufenthalt der Hilfeempfängerin hingewiesen worden sei. Dies habe der Sozialpädagoge mit Schreiben vom 7. September 2004 bestätigt. Da die Kenntniserlangung am 4. April 2002 erst nach Anweisung der Hilfe erfolgt sei, sei das Verhalten des Klägers für sie kausal gewesen.

Die Beklagte habe auch vom JVA-Aufenthalt der Hilfeempfängerin vor Anweisung der Leistungen keine Kenntnis gehabt. Aus den Akten der Beklagten lasse sich entnehmen, dass sie erst am 12. Juni 2002 durch Mitteilung des Hausarztes der Hilfeempfängerin von deren Aufenthalt in der JVA Kenntnis erlangt habe. Somit sei das Schweigen des Klägers kausal für die zu Unrecht erbrachten Leistungen gewesen, da mit einer rechtzeitigen Anzeige die Leistungsanweisung verhindert worden wäre.

Der Kläger habe in grob fahrlässiger Weise die Mitwirkungspflicht nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I verletzt, indem er der Beklagten den Aufenthaltswechsel der Hilfeempfängerin nicht mitgeteilt habe. Als Erstattungsschuldner könne sich der Kläger nicht darauf berufen, dass nicht er, sondern die von ihm betreute Hilfeempfängerin die Sozialleistungen empfangen habe. Als Betreuer vertrete er in seinem Aufgabenkreis die Hilfeempfängerin gerichtlich und außergerichtlich. Die in den §§ 60 ff. SGB I festgesetzten Mitwirkungspflichten seien nicht höchstpersönlicher Natur und träfen daher nicht nur die Hilfeempfängerin selbst, sondern auch den Kläger als Betreuer in gleichem Maße. Er habe wiederholt bei der Beklagten die Rechte und Pflichten seiner Betreuten vertreten und die Beklagte sogar gebeten, Bescheide an seine Betreute stets zu seinen Händen zu erlassen. Ihm seien daher sämtliche Bescheide über die Gewährung von Sozialhilfeleistungen zugestellt worden. Dabei sei er laufend auf seine Mitwirkungspflichten hingewiesen worden, insbesondere auch darauf, dass Veränderungen des Aufenthaltsorts unverzüglich mitzuteilen seien. Dies habe er trotz seiner Kenntnisnahme vom Aufenthaltswechsel nicht getan und daher seine im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Die Verletzung der Mitwirkungspflicht aus § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I sei nicht ausgeschlossen, weil es lediglich Pflicht der Hilfeempfängerin gewesen wäre, den Wechsel ihres Aufenthaltes mitzuteilen. Es falle gerade in den Aufgabenkreis eines Betreuers, sich zu vergewissern, ob die jeweils betreute Person ihren Pflichten nachkomme und falls dies nicht geschehe, die Pflichten selbst nachzuholen. Insoweit gehöre es zur Pflicht eines Betreuers, den Wechsel eines Aufenthalts der Betreuten mitzuteilen. Auch ein Vertrauen darauf, dass sowohl die Hilfeempfängerin, das BKH und der Bezirk die Beklagte rechtzeitig informiert hätten, könne die Verletzung der Mitteilungspflicht nicht ausschließen. Die Heranziehung zum Kostenersatz stelle auch keine Härte im Sinne von § 92 a Abs. 4, Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz BSHG dar.

4. Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung beantragt der Kläger,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15. Februar 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 3. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Februar 2004 aufzuheben.

Er trägt vor, dass sich das Verwaltungsgericht schon nicht mit der Vorfrage auseinandersetze, in welchem Umfang überhaupt eine Haftung des Betreuers bestehe. Es stelle sich nämlich die Frage, ob der Aufgabenkreis Vermögenssorge und Vertretung gegenüber Behörden auch die Verpflichtung zu Mitteilungen an Behörden umfasse. Es bestehe keine allgemeine Einstandspflicht des Betreuers gegenüber Dritten. Das Verwaltungsgericht entnehme die Verpflichtung zur Mitteilung an die Behörden § 60 SGB I, der vorsehe, dass der Leistungsempfänger zur Mitwirkung verpflichtet sei. Der Betreuer sei aber nicht Leistungsempfänger. Soweit das Verwaltungsgericht insoweit auf die Verpflichtung des Betreuers hinweise, den Betreuten zu vertreten, bestehe diese Vertretungspflicht allenfalls gegenüber dem Betreuten und nicht gegenüber Dritten. Mache der Betreuer keine Mitteilung, könnten sich hieraus allenfalls Haftungsansprüche des Betreuten gegenüber dem Betreuer ergeben, aber keine Ansprüche eines Dritten auf ein Handeln des Betreuers. Insoweit bleibe es bei der Haftung des Vertretenen, so dass auch nur dieser in Anspruch genommen werden könne. § 60 SGB I spiele daher für die Frage von Pflichtverletzungen durch den Betreuer keine Rolle.

Darüber hinaus lägen die Voraussetzungen des § 92 a Abs. 4 BSHG auch im Übrigen nicht vor. Es könne dahingestellt bleiben, ob sein Verhalten sozialwidrig sei, weil es jedenfalls nicht grob fahrlässig gewesen sei. Bei der Vorwerfbarkeit sei die Frage zu beantworten, ob die Leistung durch grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt worden sei. Unbestritten habe die Betreute den Bezirk N. über ihre Einweisung in das BKH am Tage ihrer Einlieferung am 25. Februar 2002 informiert. Damit sei der Bezirk verpflichtet gewesen, sie darauf hinzuweisen, dass sie auch den örtlichen Sozialhilfeträger über ihren Verbleib informieren müsse. Dies habe der Bezirk entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung nicht getan (§ 16 SGB I). Damit ergäben sich Amtshaftungsansprüche und Herstellungsansprüche gegen den Bezirk. Da sich im Rahmen des Herstellungsanspruches der örtliche Sozialhilfeträger den Fehler des überörtlichen Sozialhilfeträgers zurechnen lassen müsse, kämen allenfalls Ansprüche zwischen den Trägern in Frage, aber nicht gegenüber dem Leistungsempfänger oder dessen Vertreter. Der Beklagten sei das ihr zuzurechnende Fehlverhalten entgegenzuhalten. Das Gericht habe diese Frage nicht geprüft, obwohl sie bei der Frage nach der Bewertung der Fahrlässigkeit des Betreuers eine Rolle spiele.

Nur zwei Tage später, am 27. Februar 2002, habe er mit der Sozialarbeiterin des BKH vereinbart, dass sie sich mit dem örtlichen Träger der Sozialhilfe in Verbindung setze und mitteile, dass sich die Betreute im BKH aufhalte. In der ex-ante-Betrachtung habe er also davon ausgehen dürfen, dass der örtliche Träger informiert sei. Schließlich habe ihm die Mitarbeiterin des Bezirks mitgeteilt, dass man mehrfach mit der Beklagten telefoniert habe. Auch daraus habe er schließen können, dass die Angelegenheit ihren gewohnten Gang gehe und alles in Ordnung sei. Er habe bei seiner Tätigkeit keiner gesonderten Sorgfalt zu genügen, es genüge, wenn er bei seiner Tätigkeit die für Berufsbetreuer durchschnittliche Sorgfalt an den Tag lege. Er habe sich daher darauf verlassen dürfen, dass der Bezirk - wie das auch sonst üblich sei - die Beklagte informiere und im Übrigen auch darauf, dass die Sozialarbeiterin beim örtlichen Träger anrufen würde, um die Zuständigkeitsfrage dort korrekt zu klären. Das möge unvorsichtig gewesen sein. Er habe damit aber nicht einfache, ganz nahe liegende Überlegungen übersehen. Denn üblicherweise informierten sich Sozialhilfeträger gegenseitig, worauf man sich unter normalen Umständen verlassen dürfe.

5. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Ergänzend führt sie aus, dass der Kläger durch Verletzung seiner Mitwirkungspflicht ihre Leistungen herbeigeführt habe. Dieses "schadensbegründende Verhalten" sei grob fahrlässig gewesen. Der Kläger habe trotz seiner am 27. Februar 2002 erfolgten Kenntnisnahme vom Aufenthaltswechsel diesen nicht mitgeteilt und damit seine im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Er habe nicht noch ein weiteres Mal, diesmal durch den Bezirk, auf seine Mitteilungspflicht hingewiesen werden müssen. Er habe sich auch nicht darauf verlassen dürfen, dass Dritte der Mitteilungspflicht nachkommen bzw. die ihm obliegenden Pflichten erfüllten. Der Kläger hätte sich zumindest vergewissern müssen, ob die Beklagte von dritter Seite informiert worden sei.

6. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten sowie wegen des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung auf die darüber geführte Niederschrift verwiesen (§§ 125 Abs. 1, 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, weil der Bescheid der Beklagten vom 3. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Februar 2004, mit dem der Kläger zur Erstattung der mit Bescheid vom 26. Juni 2002 festgestellten Sozialhilfeüberzahlung in Höhe von 1.877,40 Euro verpflichtet wurde, rechtswidrig ist und ihn in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Als Rechtsgrundlage des von der Beklagten gegenüber dem Kläger geltend gemachten Kostenersatzanspruchs kommt nur § 92 a Abs. 4 Satz 1 BSHG in Betracht. Nach dieser Vorschrift ist zum Ersatz der Kosten zu Unrecht erbrachter Leistungen der Sozialhilfe (§ 50 SGB X) in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 3 verpflichtet, wer die Leistung durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt hat. § 92 a Abs. 4 Satz 1 BSHG ist ein eigenständiger und zusätzlicher Ersatzanspruch für zu Unrecht erbrachte Leistungen, der selbständig neben dem Erstattungsanspruch nach § 50 SGB X gilt und sich insbesondere gegen Personen richtet, die - wie hier der Kläger - die zu Unrecht gewährten Sozialhilfeleistungen nicht selbst empfangen haben (BayVGH vom 26.5.2003 FEVS 55, 35; BVerwGE 105, 374).

2. Die Voraussetzungen für einen Kostenersatzanspruch nach § 92 a Abs. 4 Satz 1 BSHG gegen den Kläger sind aber nicht erfüllt.

2.1 Dass die Beklagte gegenüber Frau G. in den Monaten März bis Juni 2002 insgesamt 1.877 Euro an Sozialhilfeleistungen zu Unrecht erbracht hat und deshalb die darüber ergangenen Bewilligungsbescheide zu Recht zurückgenommen hat, hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt. Hierauf wird Bezug genommen.

2.2 Das Verhalten des Klägers war jedoch nur kausal für die im März und April 2002 zu Unrecht erbrachten Leistungen. Die konkludent erfolgte Bewilligung der an Frau G. für diese beiden Monate geleisteten höheren Sozialhilfe anstatt des ihr nur zustehenden Barbetrags wäre unterblieben, wenn der seit 27. Februar 2002 über ihren Aufenthalt im BKH informierte Kläger die Beklagte darüber in Kenntnis gesetzt hätte.

Dagegen hat der Kläger die höheren Sozialhilfeleistungen für die Monate Mai und Juni 2002 durch seine unterlassene Information der Beklagten nicht verursacht, weil die Beklagte bereits seit dem 4. April 2002 Kenntnis vom Aufenthalt von Frau G. im BKH hatte. Denn an diesem Tag war es zwischen dem Sozialpädagogen H. des BKH und dem Sozialamt der Beklagten zu einem Telefonat gekommen, in dem Herr H. auf den Aufenthalt der Hilfeempfängerin im BKH ab 25. Februar 2002 hingewiesen hatte. Dies geht aus dem Schreiben des BKH an den Bezirk N. vom 4. April 2002 und der schriftlichen Erklärung von Herrn H. vom 7. September 2004 hervor und ist im übrigen zwischen den Parteien auch nicht streitig.

Da am 4. April 2002 aber die Sozialhilfe für die Monate Mai und Juni 2002 noch nicht bewilligt war, wie (auch) aus dem Schreiben des BKH vom selben Tag hervorgeht, hätte die Beklagte dem Aufenthalt von Frau G. im BKH bei der Bewilligung der Sozialhilfe für diese beiden Monate Rechnung tragen können und müssen. Sie durfte auch nicht ohne entsprechende Nachfrage beim BKH oder bei Frau G. davon ausgehen, dass sich diese ab Ende April 2002 wieder zu Hause aufhalten würde.

2.3 Der von der Beklagten gegen den Kläger geltend gemachte Kostenersatzanspruch ist aber auch bezüglich der im März und April 2002 überzahlten Sozialhilfe nicht begründet.

Zwar hat der Kläger die zu Unrecht erbrachten Sozialhilfeleistungen durch ein "sozialwidriges" Verhalten verursacht. Der Ersatzanspruch nach § 92 a Abs. 4 BSHG setzt ein sozialwidriges Verhalten des Verursachers voraus, da er wie der Ersatzanspruch nach § 92 a Abs. 1 BSHG ein quasideliktischer Anspruch ist, der von einem schuldhaften Verhalten des Ersatzpflichtigen abhängt (vgl. zu § 92 a Abs. 1 BSHG BVerwGE 27, 319; 51, 61 und 109, 331). Beide Regelungen verlangen ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten des Ersatzpflichtigen. Im übrigen sieht § 92 a Abs. 4 Satz 1 BSHG ausdrücklich die entsprechende Anwendung von § 92 a Abs. 1 bis 3 BSHG vor. Sozialwidrig ist ein Verhalten, wenn es aus der Sicht der Gemeinschaft, die - was die Sicherstellung von Mitteln für eine Hilfeleistung in Notlagen angeht - eine Solidargemeinschaft ist, zu missbilligen ist (vgl. BVerwGE 109, 331).

Das sozialwidrige Verhalten des Klägers liegt hier darin, dass er die für die Sozialhilfegewährung erhebliche Änderung in den Aufenthaltsverhältnissen seiner Betreuten bei Aufenthalt in einem Krankenhaus (vgl. § 21 Abs. 3 Sätze 1, 2 BSHG) nicht der Beklagten mitgeteilt hat. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 26.5.2003 FEVS 55, 35), an der festgehalten wird, trifft den Betreuer eines Sozialhilfeempfängers entsprechend § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I grundsätzlich die Pflicht, Änderungen in den Verhältnissen des Betreuten, die erkennbar für die Gewährung der Leistung erheblich sind, dem Sozialhilfeträger unverzüglich mitzuteilen. Der Kläger kann sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen, dass nicht er, sondern die von ihm betreute Hilfeempfängerin die Sozialleistungen empfangen hat. Als Betreuer vertritt er in seinem Aufgabenkreis - hier: Regelungen der Vermögensverwaltung - die von ihm betreute Hilfeempfängerin gerichtlich und außergerichtlich (§ 1902 BGB). Die Mitwirkungspflichten nach §§ 60 ff. SGB I, insbesondere auch die Pflichten zum Handeln nach § 60 Abs. 1 SGB I, die nicht höchstpersönlicher Natur sind, treffen den Kläger als Betreuer ebenso wie sie einen nicht vertretenen Sozialleistungsempfänger treffen würden (vgl. Hauck/Haines, SGB I, Stand Mai 2002, § 60 RdNr. 7). Der Kläger handelte für die Hilfeempfängerin. Er hat im übrigen auch wiederholt beim Sozialamt der Beklagten Sozialansprüche verschiedenster Art für die Hilfeempfängerin geltend gemacht und wurde dabei auch wiederholt unbestrittenermaßen darauf hingewiesen, dass ihm die Mitteilungspflichten für die Betreute obliegen.

Der Kläger hat die für März und April 2002 zu Unrecht erbrachten Leistungen jedoch nicht durch ein grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt, weil er die erforderliche Sorgfaltspflicht nicht entsprechend § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X in besonders schwerem Maße verletzt hat. Zwar wurden dem Kläger die Bescheide der Beklagten über die Gewährung von Sozialhilfeleistungen an seine Betreute zugestellt, in denen er auch selbst auf die Mitwirkungspflichten nach §§ 60 ff. SGB I hingewiesen wurde. Wegen der hier vorliegenden besonderen Umstände des Einzelfalls hat er seine Mitwirkungspflicht dennoch nicht in besonders schwerem Maße verletzt. Auch wenn der Kläger grundsätzlich die bestehenden Mitteilungspflichten selbst zu erfüllen hat und er sich nicht ohne schwerwiegende Pflichtverletzung durch Delegation auf andere Personen davon entlasten kann, sofern er nicht die tatsächliche Durchführung durch diese kontrolliert (vgl. BayVGH a.a.O.), so kann ihm doch hier nur ein geringer Vorwurf deshalb gemacht werden, weil er aufgrund des Inhalts des von ihm mit der Mitarbeiterin des sozialpädagogischen Dienstes des BKH, Frau S., am 27. Februar 2002 geführten Telefongesprächs ohne weiteres darauf vertraut hatte, dass sich diese mit dem Sozialamt der Beklagten in Verbindung setzen und es über den Aufenthalt von Frau G. im BKH informieren würde. Der Senat geht insoweit davon aus, dass der Inhalt dieses Telefongesprächs der vom Kläger am selben Tag darüber gefertigten Gesprächsnotiz entsprach, zumal die Beklagte dies nicht bestritten hat, nachdem Frau S. am 7. September 2004 schriftlich erklärt hatte, zum Sachverhalt "Kontakt Sozialamt L. bezüglich Frau G. Irene keine Angaben machen" zu können. Wenn der Kläger gemäß seiner Gesprächsnotiz bei diesem Telefonat Frau S. aufgefordert hat, mit der Sozialhilfe zu klären, welcher Träger für die Kosten des Aufenthalts von Frau G. im BKH aufzukommen hat, dann erscheint seine Erklärung in der mündlichen Verhandlung des Senats glaubhaft, dass es für ihn aufgrund des Telefonats sicher gewesen sei, dass sich die Mitarbeiterin des sozialpädagogischen Dienstes mit dem Sozialamt der Beklagten in Verbindung setzen werde, um diese gerade auch für das BKH wichtige, für sie beide nicht lösbare Frage zu klären. Von einer Kontaktaufnahme des sozialpädagogischen Dienstes des BKH mit der Beklagten durfte der Kläger umso mehr ausgehen, als es zu den Aufgaben eines derartigen Dienstes gehört, die finanziellen Auswirkungen eines Krankenhausaufenthalts mit den davon berührten Stellen (wie z.B. Krankenversicherungsträger, Sozialhilfeträger etc.) zu klären. Dies wird auch durch die weder von der Beklagten noch vom Senat bezweifelte Angabe des Klägers in der mündlichen Verhandlung unterstrichen, dass nach seinen Erfahrungen auch bei den früheren Aufenthalten der Betreuten im BKH normalerweise die Mitarbeiter des Sozialdienstes des Krankenhauses sich mit dem zuständigen Sozialhilfeträger in Verbindung setzen. Unter diesen besonderen Gegebenheiten ist es verständlich und nur eine leichte Verletzung der ihm trotzdem obliegenden Kontrollpflicht, wenn der Kläger auf die Zusage der Frau S. vertraut und deshalb von einer eigenen Mitteilung des Krankenhausaufenthalts der Betreuten bei der Beklagten abgesehen hat.

Zum anderen hat der Kläger die ihm obliegende Mitteilungspflicht auch deshalb nicht in besonders schwerem Maße verletzt, weil es bei der vorliegenden Konstellation in erster Linie Sache des Bezirks als überörtlichem Träger der Sozialhilfe gewesen ist, die Beklagte als örtlichen Sozialhilfeträger vom Aufenthalt der Hilfeempfängerin im BKH zu informieren, um Überzahlungen durch die Beklagte zu vermeiden (vgl. auch die nicht abschließende Teilregelung der Zusammenarbeitspflicht in § 5 Abs. 2 Satz 1 BSHG; §§ 4 Abs. 1, 18 Abs. 2 Satz 1 SGB XII, sowie allgemein in § 86 SGB X). Dem Bezirk war durch die wiederholten Aufenthalte der Hilfeempfängerin im BKH (insgesamt 10 Mal in der Zeit von 1996 bis 2000) bekannt, dass Frau G. seit Jahren laufend Sozialhilfe von der Beklagten bezog. Ebenso war dem Bezirk aufgrund dieser früheren BKH-Aufenthalte bekannt, dass die Hilfeempfängerin während dieser Zeiträume vom Beklagten nur den Barbetrag beanspruchen konnte, weil der überörtliche Träger für die Kosten des Lebensunterhalts im Krankenhaus aufzukommen hatte. Es bestand somit eine vorrangige Verpflichtung des Bezirks zur Information der Beklagten über den BKH-Aufenthalt der Hilfeempfängerin, angesichts deren der Verstoß des Klägers gegen die Mitteilungspflicht nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I keine besonders schwere Sorgfaltspflichtverletzung darstellte.

3. Nach alledem ist der Berufung unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts und der angefochtenen Bescheide stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Gegenstandswert für das Verfahren wird auf 1.877 Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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