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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 19.04.2007
Aktenzeichen: 12 B 05.2114
Rechtsgebiete: BSHG


Vorschriften:

BSHG § 97 Abs. 2
BSHG § 97 Abs. 4
BSHG § 103 Abs. 1
Eine stationäre Einrichtung setzt voraus, dass der Einrichtungsträger von der Aufnahme des Hilfeempfängers bis zu dessen Entlassung nach Maßgabe des angewandten Hilfekonzepts die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Hilfeempfängers übernimmt. Sie ist dann nicht gegeben, wenn sich der Bewohner die Betreuungsleistung separat beschaffen kann und muss und dabei in der Wahl des ambulanten Pflegedienstes frei ist.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

12 B 05.2114

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Sozialhilferecht;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 7. Juli 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. April 2007

am 19. April 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Übernahme der Kosten für die Unterbringung des 1958 geborenen und mittlerweile verstorbenen Hilfeempfängers Dr. P. (HE) in der Wohngemeinschaft der Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH in S., im Bereich des Beigeladenen zu 2., im Zeitraum vom 1. August 2003 bis 30. April 2004.

1. Der HE war aufgrund einer Multiplen Sklerose-Erkrankung an den Rollstuhl gefesselt und erhielt Leistungen entsprechend Pflegestufe II nach den Bestimmungen des SGB XI. Vor der streitigen Unterbringung lebte er in A., im Bereich der Beigeladenen zu 1., der erforderliche Pflegebedarf wurde dort durch einen ambulanten Pflegedienst sichergestellt.

Am 2. Oktober 2001 verzog der HE in die Wohngemeinschaft der Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH, wo er bis zu seinem Tode lebte. Betreut wurde er durch den Pflegedienst Wohnforum Coburg gGmbH.

2. Mit Bescheid vom 2. April 2002 übernahm die Beigeladene zu 1 vorläufig im Rahmen des § 43 Abs. 1 SGB I die weiterhin notwendige Hilfe zur Pflege in Form von Pflegesachleistungen, soweit nicht vorrangige Leistungen der Pflegekasse gewährt wurden, da der Beigeladene zu 2 seine Leistungspflicht verneinte. Aufgrund vorhandenen nicht verwertbaren Vermögens wurde die Hilfe darlehensweise geleistet.

3. Zum 1. August 2003 schloss die Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH mit dem Kläger eine Leistungs- und Entgeltvereinbarung gemäß § 93 Abs. 2 BSHG ab. Daraufhin stellte die Beigeladene zu 1 mit Bescheid vom 23. September 2003 die Hilfegewährung unter Hinweis auf die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers nach § 100 Abs. 1 Nr. 1 BSHG zum 31. Juli 2003 ein und meldete gegenüber dem Beklagten und dem Beigeladenen zu 2 Kostenerstattungsansprüche für die Zeit vom 2. Oktober 2001 bis 31. Juli 2003 an. Über eine insoweit beim Verwaltungsgericht Bayreuth anhängige Klage ist bislang noch nicht entschieden.

4. Der mit Schreiben der Betreuerin des HE vom 31. Oktober 2003 an den Beklagten gerichtete Kostenübernahmeantrag für die Zeit ab 1. August 2003 wurde von diesem am 25. November 2003 an den Kläger weitergereicht mit der Begründung, dass mit dem Einzug des HE in die Wohngemeinschaft am 2. Oktober 2001 der gewöhnliche Aufenthalt in Mittelfranken aufgegeben und in S. neu begründet worden sei. Den Einrichtungscharakter im Sinne des § 97 Abs. 4 BSHG habe die Wohngemeinschaft in S. erst mit dem Abschluss der Leistungs- und Entgeltvereinbarung erlangt.

Nach weiterem Schriftverkehr übernahm der Kläger vorläufig und ebenfalls darlehensweise die Kosten für die Unterbringung des HE in S.. Ab dem 1. August 2003 ergänzend auch die Aufwendungen für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung, Barbetrag und Behindertenfahrdienst. Gleichzeitig machte er Kostenerstattung beim Beklagten geltend, die dieser mit Schreiben vom 8. März 2004 ablehnte.

5. Die Klage des Klägers, den Beklagten zu verpflichten, die Aufwendungen für die stationäre Unterbringung des HE samt Nebenkosten für die Zeit vom 1. August 2003 bis 30. April 2004 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu erstatten, hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 7. Juli 2005 abgewiesen. Der vom Kläger geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch ergebe sich vor allem nicht aus § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG i.V.m. § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG. Die Wohngemeinschaft Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH sei zum Zeitpunkt des Umzugs des HE am 2. Oktober 2001 von A. nach S. keine "Einrichtung" im Sinne des § 97 Abs. 4 BSHG gewesen, so dass dieser dort einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt habe begründen können. Die Frage, ob eine Einrichtung im Sinne von § 97 Abs. 4 BSHG vorliege, sei grundsätzlich objektbezogen und nicht individuell hinsichtlich jedes einzelnen Bewohners zu entscheiden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum identischen Begriff der Einrichtung nach § 100 Abs. 1 BSHG sei unter einer Einrichtung ein für die genannten Hilfen in einer besonderen Organisationsform unter verantwortlicher Leitung zusammengefasster Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln zu verstehen, der auf eine gewisse Dauer angelegt und für einen größeren, wechselnden Personenkreis bestimmt sei. Das bedeute, dass der Einrichtungsträger die "Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Hilfeempfängers" übernimmt. Das sei hinsichtlich der Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH im Zeitpunkt des Umzugs des HE jedoch nicht der Fall gewesen. Der HE habe ausweislich der am 1. Oktober 2001 mit der Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH geschlossenen Vereinbarung eine mietvertragliche Regelung hinsichtlich der Überlassung eines Appartements einschließlich der Mitbenutzung der Gemeinschaftsanlagen geschlossen. Die für ihn erforderliche pflegerische Betreuung werde durch den eigenständigen Pflege- und Betreuungsvertrag, den er mit dem Pflegedienst Wohnforum Coburg gGmbH am 8. Oktober 2001 abgeschlossen habe, sichergestellt. Es handele sich daher nicht nur um zwei rechtlich selbständige Verträge, vielmehr stellten die Vertragspartner des HE auch zwei unterschiedliche juristische Personen dar, die voneinander unabhängig seien. Im Hinblick auf die - jedenfalls bis zum Abschluss der Leistungs- und Entgeltvereinbarung - vorliegende rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung der Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH liege keine stationäre Einrichtung vor, die unter verantwortlicher Trägerschaft der gGmbH der Pflege der Bewohner diene. Vielmehr mache bereits der Umstand, dass der HE nach den vertraglichen Regelungen mit der Wohngemeinschaft gGmbH den ambulanten Pflegedienst frei wählen könne, deutlich, dass der Träger die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des HE eben gerade nicht übernehme. Zwar werde nicht verkannt, dass in aller Regel sämtliche Bewohner der Wohngemeinschaft tatsächlich die ambulanten Pflegeleistungen durch den Pflegedienst Wohnforum Coburg in Anspruch genommen hätten und dieser ausschließlich in der Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH tätig sei. Entscheidend sei aber, dass die zugrundeliegenden rechtlichen Verbindungen voneinander unabhängig erfolgt seien und keinerlei rechtliche Bindung der Bewohner der Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH bestanden habe, gerade mit diesem Träger den Pflegevertrag abzuschließen. Anhaltspunkte dafür, dass zwischen Pflegedienst und Wohngemeinschaft eine gegenseitige vertragliche Bindung bestünde, wonach sich diese gegenseitig verpflichten, nur Hilfeempfänger aufzunehmen bzw. zu betreuen, die jeweils die Leistungen des anderen in Anspruch nehmen, seien nicht ersichtlich. Allein der Umstand, dass die Geschäftsführer der Wohngemeinschaft und des Pflegedienstes miteinander verheiratet seien, ändere nichts an der rechtlichen Unabhängigkeit der beiden Träger einerseits und der freien Wahlmöglichkeit der Bewohner der Wohngemeinschaft hinsichtlich des ambulanten Pflegedienstes andererseits. Dass die Bewohner der Wohngemeinschaft pflegebedürftig seien, stelle für sich genommen ebenfalls keinen zwingenden Grund für die Annahme dar, dass eine Einrichtung im Sinne von § 97 BSHG vorliege, da diese Pflege eben gerade nicht durch die Wohngemeinschaft, sondern vielmehr von einem frei wählbaren ambulanten Pflegedienst, sichergestellt werde. Allein aus dem Umstand der Einstufung der Wohngemeinschaft in S. als "Heim" im Sinne des Heimgesetzes in dem mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 9. April 2003 (22 ZB 01.2441) in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 29. März 2001 (B 6 K 00.914) ergebe sich der Einrichtungscharakter im Sinne des § 97 Abs. 4 BSHG nicht. Hierfür sprächen bereits die unterschiedlichen Zielsetzungen beider Gesetze.

6. Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt. Er trägt vor, die Wohngemeinschaft in S. sei schon zum Zeitpunkt des Umzugs des HE nach S. eine Einrichtung nach § 97 Abs. 4 BSHG gewesen, da sie als stationäre Einrichtung unter verantwortlicher Trägerschaft der genannten Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH der Pflege des HE gedient habe. Dies sei vom Verwaltungsgericht Würzburg im Beschluss vom 2. Juli 2003 (W 3 S 03.618) bestätigt worden. Darüber hinaus habe das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 29. März 2001 rechtskräftig entschieden, dass die Wohngemeinschaft in S. unter das Heimgesetz falle. Danach sei nicht zweifelhaft, dass nach der Konzeption der Wohngemeinschaft eine heimmäßige Betreuung der fast ausschließlich schwer- oder schwerstpflegebedürftigen Bewohner bezweckt sei. Die Mieter würden in der Einrichtung auch pflegerisch betreut und versorgt. Dem stehe nicht entgegen, dass die Betreuungsleistungen nicht von der Wohngemeinschaft selbst, sondern vom ambulanten Pflegedienst erbracht werden und keine formellen rechtlichen Beziehungen zwischen dem Vermietungs- und Betreuungsanbieter bestehen, da jedenfalls genügend Indizien für eine tatsächliche Abhängigkeit des Pflegedienstes von der Wohngemeinschaft als Heimträgerin vorlägen.

Die angefochtene Entscheidung übersehe, dass der Pflegebedarf des HE die üblichen Leistungen eines ambulanten Pflegedienstes übersteige. Die erforderliche zum Teil zeitlich nicht planbare Pflege während der Nacht, täglich zum Essen, bei Toilettengängen und bei sonstigen täglichen Verrichtungen könne von einem externen ambulanten Dienst nicht erbracht werden. Die Wohnforum Coburg gGmbH habe u.a. eine Nachtwache vorgehalten und die Kosten neben den Kosten des ununterbrochen vorhandenen Tagdienstes, wie in einer Einrichtung üblich, auf alle Bewohner nach Pflegeaufwand verteilt. Der Pflegedienst des Wohnforums sei in der Einrichtung ständig präsent. Die ständige Präsenz entspreche nicht dem üblichen Leistungsspektrum eines ambulanten Dienstes, der regelmäßig nur einzelne pflegerische Verrichtungen bei Hausbesuchen erbringe. Die Wahl eines eigenen ambulanten Dienstes sei dem HE nur theoretisch möglich. Ambulantes betreutes Wohnen sei aus Kostengründen für den Personenkreis von schwerpflegebedürftigen Menschen nicht möglich bzw. ausgeschlossen. Vorliegend sei durch das Betreiberehepaar künstlich der Anschein einer ambulanten Wohnform erweckt worden, um der Notwendigkeit des Abschlusses einer Leistungs- und Vergütungsvereinbarung mit dem überörtlichen Sozialhilfeträger zu entgehen. Die über die Leistungen der Pflegekassen für ambulante Pflege hinaus in hohem Umfang erforderlichen Verrichtungen seien nach den Sätzen der ambulanten Pflege mit den örtlichen Sozialhilfeträgern abgerechnet worden. Die ab 1. August 2003 vereinbarte tägliche Vergütung von 88,81 Euro habe zu einem erheblichen Absinken der Einnahmen der Betreiber geführt. Die ebenfalls ab 1. August 2003 zwischen dem Kläger und der Wohnforum gGmbH geschlossene Leistungsvereinbarung habe keine Änderung der vor diesem Zeitpunkt erbrachten Betreuungsform mit sich gebracht, mit der Ausnahme, dass die Wohnforum Coburg gGmbH ab diesem Zeitpunkt als alleiniger Leistungserbringer auftrete. Das vorhandene Personal sei 1:1 übernommen worden. An der Betreuung der Bewohner habe sich mit Ausnahme der Finanzierung nach Abschluss der Leistungs- und Vergütungsvereinbarung keinerlei Änderung ergeben.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten. Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung sowie den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 117 VwGO).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger der für die Zeit vom 1. August 2003 bis 30. April 2004 geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nicht zusteht.

1. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch kommt nur § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG in Betracht. Danach hat der nach § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG zuständige Träger der Sozialhilfe dem Träger, der nach § 97 Abs. 2 Satz 3 BSHG die Leistung zu erbringen hat, die aufgewendeten Kosten zu erstatten. Nach § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG ist für die Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der Hilfeempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunk der Aufnahme hat oder in den zwei Monaten vor der Aufnahme zuletzt gehabt hat. Der vom Kläger geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch kann schon deshalb nicht auf § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG i.V.m. § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG gestützt werden, weil es sich bei der Wohngemeinschaft der Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH in S. zum Zeitpunkt des Umzugs des HE am 2. Oktober 2001 von A. nach S. nicht um eine Anstalt, ein Heim oder eine gleichartige Einrichtung im Sinne des § 97 Abs. 2 BSHG handelte und dieser damit in S. einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründen konnte. Nach § 97 Abs. 4 BSHG sind Anstalten, Heime oder gleichartige Einrichtungen im Sinne des Abs. 2 alle Einrichtungen, die der Pflege, Behandlung oder sonstigen in diesem Gesetz vorgesehenen Maßnahmen oder der Erziehung dienen. Dass diese Voraussetzungen bei der vom HE besuchten Wohngemeinschaft jedenfalls bis zum Abschluss der Leistungs- und Entgeltvereinbarung mit dem Kläger nicht vorlagen, hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil zutreffend dargelegt. Darauf nimmt der Senat Bezug (§ 130 b Satz 2 VwGO).

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sei ergänzend ausgeführt: Da die Kostenerstattung nach § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG an die Zuständigkeitsregeln des § 97 Abs. 2 BSHG anknüpft und dort die Zuständigkeit für die vollstationäre Hilfe (Hilfe in einer Anstalt, einem Heim oder einer gleichartigen Einrichtung) geregelt wird, ist die Grundvoraussetzung dieses Kostenerstattungsanspruchs die Hilfe in einer solchen vollstationären Einrichtung (vgl. Schoch in LPK-BSHG, 6. Aufl. 2003, RdNr. 1 zu § 103). Voraussetzung für das Vorliegen einer "Einrichtung" in diesem Sinne ist der unter verantwortlicher Leitung zusammengefasste Bestand an persönlichen und sächlichen Mitteln, welcher der Pflege, Behandlung oder sonstigen im Bundessozialhilfegesetz vorgesehenen Maßnahmen oder der Erziehung dient und der auf eine gewisse Dauer angelegt und für einen größeren Wechsel im Personenkreis bestimmt ist. Ob es sich um eine stationäre oder eine ambulante Einrichtung handelt, hängt von der Art der jeweiligen Hilfemaßnahme und dem Konzept der in Anspruch genommenen Einrichtung ab (vgl. BVerwG je vom 24.2.1994 BVerwGE 95, 149; FEVS 45, 52 und FEVS 45, 183).

Für die hier in Rede stehende Hilfe setzt eine stationäre Einrichtung zumindest voraus, dass der Einrichtungsträger von der Aufnahme des Hilfeempfängers bis zu dessen Entlassung nach Maßgabe des angewandten Hilfekonzeptes die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung des Hilfeempfängers übernimmt, wozu eine ständige leitende Kontrolle sowie dem jeweiligen Hilfefall angemessene Beobachtung gehören. Diese Verantwortung muss auch dann wahrgenommen werden, wenn nach dem Therapiekonzept aktive, direkte Behandlungsmaßnahmen entsprechend dem erreichten Grad an Selbständigkeit des Hilfeempfängers zurücktreten und andere, stärker auf Abruf angelegte Hilfen in den Vordergrund rücken. Ohne eine die Entwicklung des Hilfeempfängers begleitende Kontrolle ist eine derartige Verantwortung nicht möglich. Neben Therapiemaßnahmen muss deshalb die dem jeweiligen Hilfefall angemessene Beobachtung des Hilfeempfängers und seiner am Hilfeziel orientierten Entwicklung treten (vgl. BVerwG, a.a.O.).

Nach diesen Maßstäben ist der HE in der Wohngemeinschaft der Rollstuhl-Wohnkonzept gGmbH lediglich ambulant betreut worden. Das Ausmaß der in der Wohngemeinschaft geleisteten Betreuung rechtfertigt es nicht, die Wohngemeinschaft den stationären Hilfeformen zuzuordnen. Zunächst kann nicht davon gesprochen werden, dass die zur Wohngemeinschaft zusammengefassten Wohnungen den wesentlichen Zweck haben, der Betreuung (Pflege) der Bewohner zu dienen. Wesentliches Ziel, das mit der Schaffung dieser Wohnform vom Träger verfolgt wird, ist es, den Bewohnern der dazugehörenden Wohnungen auch bei einem Nachlassen der Leistungsfähigkeit und bei zunehmender Hilfebedürftigkeit noch eine selbständige Lebensführung in der ihnen bislang vertrauten Umgebung zu ermöglichen. Dies kann naturgemäß im Einzelfall bei fortschreitendem Abbau der körperlichen und geistigen Kräfte für den jeweiligen Bewohner ein höheres Maß an Pflege mit sich bringen. Gleichwohl ist bei Berücksichtigung des hinter dem Gedanken des betreuten Wohnens liegenden Konzepts hauptsächlicher Zweck dieser Wohnform nicht die Pflege, sondern die Bereitstellung einer Wohnung für die Bewohner. Entscheidend ist aber, dass der Träger der Wohngemeinschaft nach den gegebenen Umständen grundsätzlich nicht die Verantwortung für die gesamte Lebensführung der Bewohner hat. Er hat ohne separaten Pflege- und Betreuungsvertrag zunächst auch nicht die Pflicht zu ihrer Betreuung und Hilfeleistung. Die Initiative für die Organisation und Sicherstellung von Unterbringung, Verpflegung und Betreuung muss vielmehr - jedenfalls im Grundsatz - vom jeweiligen Bewohner ausgehen. Dieser muss die zur Abdeckung seines Hilfebedarfs notwendigen Schritte in die Wege leiten und entsprechende Maßnahmen selbst ergreifen. Dem entspricht es auch, dass den Bewohnern vom Träger der Wohngemeinschaft aufgrund eines rechtlich selbständigen Mietvertrags letztlich nur die Unterkunft gestellt wird, ihnen aber grundsätzlich die volle, auch zeitlich gestufte, tatsächliche und vertragliche Wahlfreiheit in Bezug auf Betreuungsleistungen verbleibt. Ein Kontrahierungszwang mit dem Pflegedienst Wohnforum Coburg besteht nicht. Solange die Bewohner für ihre pflegerische Betreuung einen separaten Pflege- und Betreuungsvertrag mit diesem Pflegedienst - mag er mit der Wohngemeinschaft trotz der rechtlichen Selbständigkeit tatsächlich auch eine Einheit bilden - oder aber wahlweise einem externen ambulanten Pflegedienst abschließen können, sich die Bewohner also die Pflege und Betreuung selbst "einkaufen" müssen, handelt es sich um eine ambulante pflegerische Versorgung. Hier trifft nicht der Träger der Wohngemeinschaft einheitlich und gesamtverantwortlich die Entscheidung über die Art und Weise der Betreuung und Pflege, sondern der einzelne Bewohner durch einen separat abzuschließenden Vertrag mit einem frei wählbaren Pflegedienst. Nachdem die Bewohner die Wahlmöglichkeit haben, einen anderen Pflegedienst zu beauftragen, trägt der Träger der Wohngemeinschaft nicht die Gesamtverantwortung für die Betreuung seiner Bewohner.

Dass die Bewohner nur einer eingeschränkten und eben keiner Gesamtverantwortung des Trägers der Wohngemeinschaft unterliegen, zeigt sich schließlich auch daran, dass sie grundsätzlich selbständig über ihr Einkommen - hier hat die Beigeladene dem Hilfeempfänger Hilfe zur Pflege nach dem Bundessozialhilfegesetz gewährt - verfügen können, dieses also nicht aus der Hand und damit auch nicht unter der Kontrolle des Trägers der Wohngemeinschaft erhalten (vgl. zu diesen Kriterien BVerwGE 95, 149/154; BVerwG FEVS 45, 52/57).

Auch der Umstand, dass die Wohngemeinschaft rechtskräftig als Heim im Sinne des Heimgesetzes festgestellt ist (vgl. BayVGH vom 9. April 2003 Az. 22 ZB 01.2441), steht dem nicht entgegen. Für die Beurteilung des Begriffs der "Einrichtung" im Sinne des § 97 Abs. 4 und § 100 Abs. 1 BSHG kann nicht in § 1 Heimgesetz Aufschluss gesucht werden (vgl. BVerwG vom 24.2.1994, a.a.O.). Denn das Heimgesetz verfolgt einen anderen Schutzzweck als das Sozialhilferecht. Es dient vor allem dem Schutz der Heimbewohner und ist daher eher weit auszulegen. Die Kostenerstattungsregelungen des Bundessozialhilfegesetzes dienen dagegen dem Schutz der Einrichtungsorte vor übermäßiger finanzieller Belastung bei stationärer Versorgung. Für eine weite Auslegung ist hier kein Raum.

Nachdem es sich bei der Wohngemeinschaft jedenfalls im Zeitpunkt der Aufnahme des HE um keine Einrichtung im Sinne des § 97 Abs. 2, Satz 1, Abs. 4 BSHG handelte, ist der Beklagte nicht der nach § 97 Abs. 2 Satz 1 BSHG zuständige (überörtliche) Träger der Sozialhilfe, so dass der Kläger gegen ihn keinen Kostenerstattungsanspruch nach § 103 Abs. 1 Satz 1 BSHG hat.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten verzichtet, weil er davon ausgeht, dass der Beklagte nicht beabsichtigt, seine außergerichtlichen Kosten vor Eintritt der Rechtskraft zu vollstrecken.

3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 23.765,55 Euro festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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