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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 11.12.2007
Aktenzeichen: 12 B 07.1091
Rechtsgebiete: BAföG, BGB


Vorschriften:

BAföG § 1
BAföG § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
BAföG § 27 Abs. 1 Satz 2
BGB § 328
BGB § 808
BGB § 952
BGB § 985
BGB § 986
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

12 B 07.1091

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Ausbildungsförderung;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 12. Februar 2007,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Emmert

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 2007

am 11. Dezember 2007

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 12. Februar 2007 sowie die Bescheide des Beklagten vom 4. März 2004 und 17. März 2004 und der Widerspruchsbescheid vom 29. April 2005 werden aufgehoben.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Aufhebung von BAföG-Bewilligungsbescheiden durch den Beklagten für den Zeitraum 10/01 bis 9/04 und die daraus resultierende Rückforderung von Ausbildungsförderung in Höhe von 15.575,38 Euro.

Der Kläger studierte seit dem Wintersemester 2001/2002 Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule H. Ab 2/05 bis 6/05 studierte er in Australien.

Für sein Studium in H. beantragte der Kläger mit Formblattanträgen vom 10. September 2001 für den Bewilligungszeitraum (BWZ) 10/01 bis 9/02, vom 12. Juli 2002 für den BWZ 10/02 bis 9/03 und vom 24. Juni 2003 für den BWZ 10/03 bis 9/04 Ausbildungsförderung, die mit bestandskräftigen Bescheiden und Änderungsbescheiden vom 29. Oktober 2001, 5. Februar 2003, 22. Oktober 2003 und 18. Februar 2004 bewilligt wurde.

Nachdem aufgrund des Datenabgleichs im August 2003 Zinserträge des Klägers in Höhe von 735 Euro bekannt geworden waren, bat der Beklagte den Kläger um Darlegung seiner Vermögensstände zu den Antragszeitpunkten. Durch eine Bestätigung der Sparkasse B. vom 16. Januar 2004 wurde bekannt, dass das auf den Namen des Klägers angelegte Sparbuch Nr. 821 608 163 am 10. September 2001 einen Kontostand von 26.629,10 DM, am 12. Juli 2002 von 13.991,14 Euro und am 24. Juni 2003 von 14.308,06 Euro aufwies. Der Kläger gab dazu an, dieses Sparkonto sei von seiner Großmutter Lissi A. vor Jahren - den genauen Zeitpunkt wisse er nicht - angelegt worden. Weil er nie die Verfügungsmacht über dieses Konto gehabt habe, habe er es nicht als sein Vermögen angesehen.

Mit Bescheiden vom 4. März 2004 setzte der Beklagte den Förderbetrag für den BWZ 10/01 bis 9/02 auf Null Euro monatlich, für den BWZ 10/02 bis 9/03 auf 12 Euro monatlich, für die Zeit von 10/03 bis 1/04 auf 509 Euro monatlich und von 2/04 bis 9/04 auf 356 Euro monatlich neu fest. Die Änderung der früheren Bewilligungsbescheide beruhe auf § 45 Abs. 1, 2 Satz 3 SGB X. Da das öffentliche Interesse an der Rücknahme das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an der Aufrechterhaltung übersteige, seien die bereits erbrachten Leistungen gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten. Der Erstattungsbetrag in Höhe von 13.575,38 Euro werde mit dem Anspruch auf laufende Leistungen bis zu 10 % des Bedarfssatzes aufgerechnet.

Mit Folgebescheid vom 17. März 2004 wurde dem Kläger für den Zeitraum 2/04 bis 9/04 wegen der Anrechnung von Mietzahlungen ein monatlicher Förderbetrag von insgesamt 509 Euro bewilligt, so dass sich gegenüber dem Bescheid vom 4. März 2004 ein Nachzahlungsanspruch von 459 Euro ergab, der mit dem Erstattungsanspruch auf Ausbildungsförderung (13.534,67 Euro) aufgerechnet worden sei. Der verbleibende Erstattungsbetrag in Höhe von 13.075,67 Euro werde gegen den Anspruch auf laufende Leistungen bis zu 10 % des Bedarfssatzes aufgerechnet. Der nichtaufrechenbare Erstattungsbetrag in Höhe von 12.827,62 Euro sei binnen eines Monats zu überweisen.

Gegen die Bescheide vom 4. März 2004 und 17. März 2004 legte der Kläger Widerspruch ein. Mit der Widerspruchsbegründung wurde die Kopie des Sparkassenbuches der Kreissparkasse B. Nr. 821 608 163 vorgelegt, das auf "Niclas Auerbach, geboren 11.8.1980" ausgestellt ist und den Vermerk enthält: "Verf. berechtigt auch: Frau Lissi A., geboren 05.08.17". Das Sparbuch sei zwar von der Großmutter Lissi A. auf den Namen des Klägers angelegt worden, sie sei aber verfügungsberechtigt und immer im Besitz des Sparbuchs gewesen. Er sei nie verfügungsbefugt gewesen, weil er das Buch nie im Besitz gehabt habe.

Am 10. Januar 2005 legte der Kläger eine Bankbescheinigung der Sparkasse B. vom 30. November 2004 vor, aus der hervorgeht, dass er bei der Eröffnung des Sparkontos Nr. 821 608 163 mitgewirkt und die Kontoeröffnung nicht vor Vollendung seines 18. Lebensjahres stattgefunden hat. Beigelegt war ein vom Kläger selbst unterschriebener Kontoeröffnungsantrag vom 28. Februar 1999 in Kopie. Als Gläubiger der Spareinlage ist nur der Kontoinhaber angekreuzt. Unter Zusatzvereinbarungen ist vermerkt, dass auch Frau Lissi A., geboren 05.08.1917, verfügungsberechtigt sein soll. Es ist angekreuzt, dass der Kontoinhaber für eigene Rechnung handelt. Zudem wurde ein Freistellungsauftrag erteilt.

Das Sparbuch sei am 1. Juni 2004 formal auf Lissi A. umgeschrieben worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2005 wies der Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 4. März 2004 und 17. März 2004 zurück. Nach dem Kontoeröffnungsantrag sei der Kläger Gläubiger der Spareinlage und auch allein verfügungsberechtigt. Das Eigentum an dem Sparbuch als qualifiziertem Legitimationspapier folge dem Recht aus dem Papier, so dass der Gläubiger der Forderung es in der Hand habe, einen Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB gegenüber dem Besitzer geltend zu machen.

Die auf Aufhebung der Bescheide des Beklagten vom 4. März 2004 und 17. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2005 gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Urteil vom 12. Februar 2007 ab. Die angefochtenen Bescheide seien nach § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, § 50 Abs. 1 SGB X rechtmäßig. Die Bewilligungsbescheide für den streitgegenständlichen Zeitraum seien rechtswidrig, weil der Kläger wegen förderungsrechtlich anzurechnendem Vermögen nicht bedürftig gewesen sei und deshalb keinen Anspruch auf die bewilligte und ausbezahlte Ausbildungsförderung in Höhe von 13.534,67 Euro gehabt habe. Zum Zeitpunkt der maßgebenden Antragstellungen habe er jeweils über bedarfdeckendes Vermögen in Höhe von 17.783,03 Euro (10.9.2001), 18.161,36 Euro (12.7.2002) und 18.769,64 Euro (24.6.2003) verfügt, das im Antragsformular nicht bzw. nur im Rahmen des Freibetrags angegeben worden sei. Der Kläger wende sich ausschließlich dagegen, dass ihm die Forderung aus dem Sparkonto Nr. 821 608 163 bei der Sparkasse B. mit einem Guthaben von 13.615,29 Euro (= 26.629,20 DM), 13.991,14 Euro und 14.308,06 Euro zu den maßgeblichen Antragszeitpunkten als Vermögen angerechnet worden sei. Dieser Einwand sei unbegründet, weil ihm ein ausbildungsbedingter Verwertungszugriff auf die in dem Sparbuch verbriefte Forderung rechtlich und tatsächlich objektiv möglich gewesen sei. Der Kläger habe dieses Sparkonto als Volljähriger selbst eröffnet, sei ausweislich des Kontoeröffnungsantrags alleiniger Gläubiger der Spareinlage gewesen, habe ausweislich dieses Antrags auf eigene Rechnung gehandelt und keinen abweichenden wirtschaftlichen Berechtigten angegeben, habe selbst den Freistellungsauftrag erteilt und sei bis zur Umschreibung des Sparbuchs auf seine Großmutter am 1. Juni 2004 in vollem Umfang einzelverfügungsberechtigt gewesen.

Einer Verwertung des Sparguthabens zu Ausbildungszwecken durch den Kläger habe nicht entgegengestanden, dass die Großmutter über das Guthaben "auch" verfügungsberechtigt gewesen und stets im Besitz des Sparbuchs geblieben sei. Zwar habe der Kläger nicht ohne Mitwirkung der Großmutter in Form der Überlassung des Sparbuchs an ihn über das Sparguthaben verfügen können (§ 808 Abs. 2 Satz 1 BGB). Zu dieser Mitwirkung sei sie ausbildungsförderungsrechtlich jedoch verpflichtet gewesen, so dass ein aus eigenem Besitzrecht resultierender Einwand gemäß § 986 BGB gegenüber dem Anspruch des Klägers auf Herausgabe des Sparbuchs gemäß § 985 BGB ausbildungsförderungsrechtlich rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich sei. Nach Angaben der Klägerseite habe die Kontoeröffnung mit Freistellungsauftrag durch den Kläger selbst der öffentlich-rechtlichen Steuerersparnis der Großmutter dienen sollen und diese bis zu einem von ihr bestimmten Zeitpunkt uneingeschränkt verfügungsbefugt bleiben wollen. Dem Kläger sei das Sparvermögen im steuerrechtlichen Außenverhältnis zugeordnet worden, während im Innenverhältnis ihm nur die formale Rechtsstellung eines Gläubigers gegenüber der Sparkasse habe eingeräumt werden sollen.

Diese beiden Zielsetzungen schlössen einander rechtlich aus. Gemäß § 44 a Abs. 2 Nr. 1 EStG werde der Freistellungsauftrag vom Gläubiger der Kapitalerträge, der im Normalfall mit dem Gläubiger der Forderung gegenüber der Bank identisch sei, erteilt. Diese Vorschrift meine nicht den "formalen" Gläubiger, der steuerrechtlich vorgeschoben werde. Wären das strittige Sparguthaben und seine Erträge der Großmutter als zivilrechtlich und steuerrechtlich "richtiger" Gläubigerin zuzuordnen, hätte diese einen Freistellungsauftrag erteilen müssen. Umgekehrt sei für einen Freistellungsauftrag durch den Kläger kein Raum gewesen, wenn im Innenverhältnis seine Großmutter die Gläubigerstellung für sich alleine beansprucht habe.

Bei der aufgezeigten rechtlichen Unvereinbarkeit von steuerlich-formalem und zivilrechtlich gemeintem Gläubiger gebe die durch den Freistellungsauftrag öffentlich-rechtlich publik gemachte Vermögenszuordnung den Ausschlag für die ausbildungsförderungsrechtliche Bedürftigkeitsprüfung. Diese Vermögenszuordnung sei objektiv nachvollziehbar und dort geboten, wo es um die Voraussetzungen für den Bezug steuerfinanzierter Leistungen gehe. Stelle man angesichts der eindeutigen Gläubigerstellung des Klägers gegenüber der Sparkasse ausschlaggebend auf die Willensrichtung der Großmutter ab, dem Kläger das Sparguthaben nach Maßgabe ihres eigenen Bedarfs erst mit ihrem Tod oder jedenfalls zu einem von ihr frei gewählten Zeitpunkt zur freien Verfügung zu überlassen, würde der Bezug steuerfinanzierter Förderleistungen entgegen den im Rechtsverkehr nach außen erkennbaren schriftlichen Erklärungen (Kontoeröffnungsantrag, Freistellungsauftrag) zur Disposition des zivilrechtlichen Schenkungsrechts gestellt.

Das Abstellen auf die nach außen dokumentierte Vermögenszuordnung entspreche den von der Rechtsprechung zur förderungsrechtlichen Anerkennung sog. verdeckter Treuhandverhältnisse entwickelten Grundsätzen. Die Nachrangigkeit der staatlichen Ausbildungsförderung gebiete, dass sich sowohl der Kläger als auch dessen Großmutter, die insoweit einem Treugeber vergleichbar sei, an dem einvernehmlich durch den Kontoeröffnungsantrag und den Freistellungsauftrag des Klägers erzeugten Rechtsschein festhalten lassen müssten und ihnen die Berufung auf eine etwa entgegenstehende privat gebliebene Willensbildung verwehrt sei. Konsequenterweise wäre es der Großmutter auch verwehrt gewesen, einem Verlangen des Klägers auf Herausgabe des Sparbuchs mit der Einwendung ihres aus eigener Verfügungsbefugnis resultierenden Besitzrechts gemäß § 986 BGB zu begegnen. Zunächst sei zu beachten, dass diese Verfügungsbefugnis der Großmutter ausweislich des Kontoeröffnungsantrags vom Kläger eingeräumt worden sei und folglich auch durch ihn wieder hätte entzogen werden können (§§ 168, 170, 183 BGB). Weiterhin sei die Großmutter lediglich "auch" verfügungsberechtigt gewesen, so dass der Kläger als alleiniger Guthabensgläubiger der Bank nicht vollständig mittels Zurückhaltung des Sparbuchs von der tatsächlichen Verfügung über das Sparguthaben hätte ausgeschlossen werden dürfen.

Mit dem verbrieften Sparguthaben Nr. 821 608 163 hätten dem Kläger zu den maßgeblichen Antragszeitpunkten auch die erforderlichen Mittel für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung im Sinn von § 1 BAföG zur Verfügung gestanden. Gegen die tatsächliche Verfügbarkeit spreche auch nicht, dass eine etwaige zivilrechtliche Durchsetzung des Anspruchs des Klägers auf Herausgabe des Sparbuchs gegebenenfalls einige Zeit in Anspruch genommen hätte.

Die Voraussetzungen für die (teilweise) Rücknahme der rechtswidrigen Bewilligungsbescheide für den klageständlichen Zeitraum ohne Vertrauensschutz lägen vor. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil er den Tatbestand des § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB X erfüllt habe. Die rechtswidrigen Bewilligungsbescheide beruhten auf Angaben, die er in den Antragsformularen für den jeweiligen Bewilligungszeitraum zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig bzw. unvollständig gemacht habe. Er hätte sich spätestens bei der Antragstellung über die Rechtsverhältnisse des von ihm selbst eröffneten Sparkontos Klarheit verschaffen müssen. Die knapp begründete Ermessensausübung des Beklagten in den angefochtenen Bescheiden sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Weitere bzw. andere Gesichtspunkte, die im Sinne des Klägers in die Interessenabwägung einzustellen gewesen wären, seien nicht ersichtlich.

Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor, dass er zu keinem Zeitpunkt Gläubiger der Forderung aus dem Sparbuch gegenüber der Sparkasse gewesen sei. Die auf den Freistellungsauftrag und die Kontoeröffnung gestützte gegenteilige Auffassung des Verwaltungsgerichts übersehe die der Großmutter eingeräumte Verfügungsbefugnis. Der damalige Sachbearbeiter der Sparkasse und die Großmutter hätten vereinbart, dass diese das Sparbuch in Besitz nehmen und ihr zusätzlich das Verfügungsrecht neben dem Kläger eingeräumt werde, vor allem um jederzeit im Bedarfsfalle das Sparguthaben verwerten zu können. Ob der Kläger das Sparbuch von seiner Großmutter hätte herausverlangen können, sei nach der zivilrechtlichen Rechtslage und nicht nach ausbildungsförderungsrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Abgesehen davon, dass es dem Kläger nicht zumutbar gewesen sei, gegen seine damals 85-jährige Großmutter zu prozessieren, hätte er mit ihrem erheblichen Widerstand rechnen müssen, so dass er vor Ablauf der üblichen zwei bis dreijährigen Prozessdauer nicht in den Genuss des Sparbuchs gekommen wäre. Der Kläger habe auch keinen Herausgabeanspruch besessen. Das Sparbuch sei rechtlich der Großmutter zuzuordnen, weil nur sie es auf Dauer im Besitz gehabt habe. Die Tatsache des auf Dauer angelegten alleinigen Besitzes der Großmutter an dem Sparbuch bewirke, dass dem formal als Inhaber benannten Kläger kein Recht an dem Sparguthaben zukomme, weder aus dem Vertrag zugunsten Dritter noch für den Todesfall. Nicht relevant sei, dass es bei der Anlage des Sparbuchs auf den Namen eines Angehörigen um steuerliche Gründe gehe. Berücksichtige man zudem die der Großmutter zustehende vertraglich vereinbarte Verfügungsbefugnis, die sie als Recht zum Besitz gemäß § 986 BGB dem Herausgabeverlangen des Klägers nach § 985 BGB hätte entgegenhalten können, so werde deutlich, dass ihm kein Anspruch auf das Sparguthaben zugestanden habe. Besitz und Verfügungsbefugnis seien objektive Verwertungshindernisse gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG. Die Großmutter sei auch nicht "ausbildungsförderungsrechtlich" zur Herausgabe des Sparbuchs an den Kläger verpflichtet gewesen, weil es dafür keine Rechtsgrundlage gebe. Gleiches gelte für die vom Verwaltungsgericht herangezogene Treuhandkonstruktion, die wegen des der Großmutter an dem Sparbuch vorbehaltenen Besitzes und der ihr eingeräumten Verfügungsbefugnis scheitere.

Die vertraglich vereinbarte Verfügungsbefugnis habe der Kläger auch nicht einseitig gegenüber der Großmutter widerrufen können.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 12. Februar 2007 abzuändern und die Bescheide des Beklagten vom 4. März 2004 und 17. März 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 29. April 2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Insbesondere sei dem Kläger ein ausbildungsbedingter Verwertungszugriff auf die im Sparbuch verbriefte Forderung rechtlich und tatsächlich objektiv möglich gewesen. Bei dem Sparkonto habe es sich um eine dem Kläger aufgrund seines Kontoeröffnungsantrages allein zustehende Spareinlage gehandelt. Er sei infolgedessen auch Eigentümer des Sparbuchs gemäß § 952 Abs. 1 Satz 1 BGB geworden. Der Verwertung des Sparguthabens zu Ausbildungszwecken stehe nicht entgegen, dass die Großmutter über das Guthaben auch verfügungsberechtigt gewesen und stets im Besitz des Sparbuchs geblieben sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten verwiesen (§ 125 Abs. 1, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die auf Aufhebung der Bescheide des Beklagten vom 4. März 2004 und 17. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2005 gerichtete Klage zu Unrecht abgewiesen, weil diese Bescheide rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Denn der Beklagte hat dem Kläger das Guthaben auf dem Sparkonto Nr. 821 608 163 bei der Sparkasse B. zu den maßgeblichen Antragszeitpunkten zu Unrecht als eigenes Vermögen angerechnet, ohne dessen Berücksichtigung der Anspruch des Klägers auf Ausbildungsförderung in der ursprünglich bewilligten Höhe unstreitig bestanden hat.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG gelten als Vermögen (auch) alle Forderungen und sonstigen Rechte des Auszubildenden. Ausgenommen sind nach § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG Gegenstände, soweit der Auszubildende sie aus rechtlichen Gründen nicht verwerten kann. Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17. Januar 1991 (BVerwGE 87, 284/288) klargestellt, dass im Rahmen des § 27 Abs. 1 Satz 2 BAföG entscheidend nur sein kann, ob ein ausbildungsbedingter Verwertungszugriff rechtlich und tatsächlich - ganz oder teilweise - objektiv möglich ist oder nicht. Vertragliche Bindungen und Beschränkungen, die eine objektive Zugriffsmöglichkeit unberührt lassen, können somit angesichts des Grundsatzes der Nachrangigkeit staatlicher Ausbildungsförderung, wonach individuelle Ausbildungsförderung nur dann beansprucht werden kann, "wenn dem Auszubildenden die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen" (§ 1 Halbsatz 2 BAföG), die Herausnahme aus der Vermögensanrechnung nicht rechtfertigen (BVerwG vom 16.2.2000 Az. 5 B 182/99 <juris>).

Im vorliegenden Fall ist bereits zweifelhaft, ob der Kläger Inhaber der in dem Sparbuch Nr. 821 608 163 verbrieften Forderung gegenüber der Sparkasse B. geworden ist. Zwar hat der Kläger am 28. Februar 1999 den Kontoeröffnungsantrag für dieses Sparkonto als Volljähriger unterschrieben, das die Sparkasse auf seinen Namen angelegt hat. Außerdem hat der Kläger selbst den Freistellungsauftrag erteilt. Zu beachten ist jedoch, dass Gläubiger der Einlagenforderung schon bei der Anlage des Sparkontos nicht notwendig derjenige ist, auf dessen Namen das Sparbuch lautet. Vielmehr entscheidet die vertragliche Regelung zwischen dem Kreditinstitut und dem Einleger über die Gläubigereigenschaft. Der Inhalt der Regelung wird durch den erkennbaren Willen des Einlegers bestimmt. Bei seiner Ermittlung finden die Umstände des Einzelfalls besondere Beachtung. Dabei ist für den Regelfall davon auszugehen, dass der Einleger selbst Gläubiger werden will, wenn er das Sparbuch einbehält (Münchner Kommentar zum BGB/Hüffer, 4. Aufl., § 808 RdNr. 26 m.w.N.).

Einleger des Sparguthabens war nicht der Kläger selbst, sondern seine Großmutter Lissi A., die nach seinen vom Senat nicht bezweifelten Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 17. März 1999 einen Betrag in Höhe von 25.000,- DM auf dieses Sparkonto entweder persönlich eingezahlt hat oder durch ihre Tochter Monika S. hat einzahlen lassen. Bereits die Anlegung des Sparbuchs wurde von der Großmutter und der Tante des Klägers in einem Gespräch bei der Sparkasse B. veranlasst. Der Kläger war bei diesem Gespräch nicht zugegen, sondern hat den Kontoeröffnungsantrag lediglich nachträglich unterschrieben. Schließlich war die Großmutter seit der Ausstellung des Sparbuchs immer in dessen Besitz und ließ sich darin eine Mitverfügungsberechtigung eintragen. Diese Umstände sprechen dafür, dass die Großmutter selbst Gläubigerin der Einlagenforderung werden und sich die Verfügungsmöglichkeit über das Sparguthaben bis zu ihrem Tod vorbehalten wollte. Diese Bewertung der hier vorliegenden Umstände entspricht der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (z.B. Urteil vom 18.1.2005 NJW 2005, 980 m.w.N.). Danach ist aus dem Verhalten eines nahen Angehörigen, der ein Sparbuch auf den Namen eines Kindes anlegt, ohne das Sparbuch aus der Hand zu geben, in der Regel zu schließen, dass der Zuwendende sich die Verfügung über das Sparguthaben bis zu seinem Tode vorbehalten will.

Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, dass diese Rechtsprechung in Fällen ergangen ist, in denen die Kinder bei Anlegung des Sparbuchs noch minderjährig waren, während der Kläger den Kontoeröffnungsantrag als Volljähriger unterschrieben hat. Angesichts der oben beschriebenen Umstände bei der Anlegung des Sparbuchs, insbesondere dem alleinigen Besitz der Großmutter und der ihr eingeräumten Verfügungsberechtigung, hält er die Interessenlage jedoch mit derjenigen in den Fällen minderjähriger Kinder für vergleichbar. Wenn aber die Großmutter als Gläubigerin der in dem Sparbuch verbrieften Forderung anzusehen war, dann gehörte diese Forderung nicht zum Vermögen des Klägers im Sinn des § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BAföG und sie musste von ihm auch nicht in seinen BAföG-Anträgen angegeben werden.

Die Berufung des Klägers hätte aber auch dann Erfolg, wenn man ihn als Inhaber der in dem Sparbuch verbrieften Forderung ansehen wollte. Auch bei Zugrundelegung dieser Annahme wäre dem Kläger ein ausbildungsbedingter Verwertungszugriff auf diese Forderung rechtlich und tatsächlich objektiv nicht möglich gewesen, weil er nicht im Besitz des Sparbuchs war und diesen auch nicht erlangen konnte. Die Sparkasse durfte an den Kläger nur bei Vorlage des Sparbuchs leisten. Das folgt zwar weder aus § 808 BGB, der nur die Leistungsbefreiung durch Leistung an den Besitzer der Urkunde (d.h. hier des Sparbuchs) regelt, noch aus § 21 Abs. 4 Satz 3 KWG, der mit Wirkung vom 1. Juli 1993 aufgehoben worden ist (Gesetz vom 21.12.1992 BGBl I S. 2211). Nach dieser aufsichtsrechtlichen Vorschrift konnte der namentliche Kontoinhaber Verfügungen über die Spareinlage ohne Vorlage des Sparbuchs nicht treffen. Die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken für Sparkonten bzw. das entsprechende Satzungsrecht der Sparkassen stimmen jedoch mit dem Inhalt dieser außer Kraft getretenen gesetzlichen Vorschrift überein, so dass die Banken und Sparkassen Verfügungen über Spareinlagen grundsätzlich nur gegen Vorlegung des Sparbuchs zulassen dürfen (Münchner Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 808 RdNrn. 22/23).

Als Inhaber und Eigentümer des Sparbuchs (§ 952 Abs. 1 BGB) hätte der Kläger aber auch keinen Herausgabeanspruch nach § 985 BGB gegen seine Großmutter besessen. Da seine Großmutter ebenfalls verfügungsberechtigt über das Sparbuch war, dürfte ihr Miteigentum an dem Sparbuch zugestanden haben, das sie einem Herausgabeanspruch des Klägers hätte entgegenhalten können. Steht das in einer Urkunde im Sinn des § 952 Abs. 1 BGB, wozu auch das Sparbuch gehört, verbriefte Recht mehreren zu, so entsteht in der Regel Miteigentum an der Urkunde (Münchner Kommentar, a.a.O., § 952 RdNr. 13).

Aber auch dann, wenn man ein Miteigentum der Großmutter am Sparbuch verneinen wollte, wäre dem Kläger kein Herausgabeanspruch gegen die Großmutter zugestanden. In diesem Falle wäre zu berücksichtigen, dass der das Mitverfügungsrecht über die Forderung seiner Großmutter zuwendende Kläger mit der Sparkasse einen Vertrag zugunsten Dritter vereinbart hätte (§ 328 BGB), der nicht ohne weiteres hätte aufgehoben oder einseitig gekündigt werden können. Nach § 328 Abs. 2 BGB ist in Ermangelung einer besonderen Bestimmung aus den Umständen, insbesondere dem Zweck des Vertrages zu entnehmen, ob den Vertragsschließenden die Befugnis vorbehalten sein soll, das Recht des Dritten ohne dessen Zustimmung aufzuheben oder zu ändern. Eine besondere Bestimmung hierüber hatten der Kläger und die Sparkasse als Vertragsschließende nicht getroffen. Aus den Umständen bei der Anlegung des Sparbuchs folgt zweifelsfrei, dass die Großmutter nach dem Willen aller drei Beteiligten das Mitverfügungsrecht über die Forderung und den Besitz am Sparbuch nicht nur eingeräumt bekommen, sondern auch behalten sollte. Für die Rechtsbeständigkeit dieser Regelung spricht außerdem, dass die Parteien das Recht des Dritten im Zweifel weder einseitig noch durch Änderungsvertrag aufheben können, wenn kein vertraglicher Änderungsvorbehalt besteht (Münchner Kommentar, a.a.O., § 328 RdNr. 35 m.w.N.). Nicht zutreffend ist schließlich die Überlegung des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger das seiner Großmutter eingeräumte Verfügungsrecht ihr nach §§ 168 ff. BGB wieder hätte entziehen können. Diese den Widerruf einer Vollmacht betreffenden Vorschriften sind hier nicht anwendbar, da das Verfügungsrecht der Großmutter durch Vertrag zwischen dem Kläger und der Sparkasse übertragen wurde.

Schließlich besteht der vom Verwaltungsgericht angenommene Herausgabeanspruch nach ausbildungsförderungsrechtlichen Gesichtspunkten nach Auffassung des Senats nicht, weil sich ein Anspruch des Eigentümers auf Herausgabe gegen den Besitzer allein nach Zivilrecht beurteilt.

Nach alledem ist der Berufung stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.

Der Ausspruch über die Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

Ende der Entscheidung

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