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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 23.11.2005
Aktenzeichen: 12 BV 03.1320
Rechtsgebiete: BSHG, WoGG


Vorschriften:

BSHG § 79 Abs. 1 Nr. 2
BSHG § 84 Abs. 1 Satz 1
WoGG § 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

12 BV 03.1320

Verkündet am 23. November 2005

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Sozialhilfe;

hier: Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 10. April 2003,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Werner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. November 2005

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 10. April 2003 wird aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe der Kläger Einkommen für die ihm gewährte Krankenhilfe einzusetzen hat.

Der Beklagte wies den Kläger, der seit 1997 Krankenhilfe erhält, im Februar 2000 darauf hin, dass bei der Berechnung der Einkommensgrenze nach § 79 Abs. 1 BSHG ab 1. Juli 2000 Unterkunftskosten nur noch in Höhe von 490 DM berücksichtigt werden könnten. Die monatlichen Unterkunftskosten von 750 DM, die der Kläger für die von seiner Tochter und seinem Schwiegersohn angemietete Zwei-Zimmerwohnung (65,5 m²; bezugsfertig seit 1970) zu zahlen habe und die er zusammen mit seiner Ehefrau bewohne, seien nicht angemessen. Mit Bescheid vom 11. Juli 2000 setzte der Beklagte ab 1. Juli 2000 die Eigenleistung des Klägers auf 457 DM monatlich fest. Nach der beigefügten Berechnung wurden entsprechend der Tabelle in § 8 Abs. 1 WoGG in der Fassung von 2001 Unterkunftskosten in Höhe von 567 DM angesetzt (Höchstbetrag für zwei Familienmitglieder in Gemeinden mit Mietstufe I für Wohnraum, der zwischen 1966 und 1991 bezugsfertig geworden ist).

In der nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage hat der Kläger beantragt, den Bescheid des Beklagten aufzuheben, soweit für die Zeit bis zum 30. Juni 2001 der Eigenanteil höher als 264 DM im Monat festgesetzt wurde. Ein Umzug komme nicht in Betracht, weil er gehbehindert sei und für den Fall, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtere, auf eine rollstuhltaugliche Wohnung angewiesen sei. Im Übrigen seien in seiner Heimatgemeinde preiswerte, behindertengerechte Wohnungen nicht verfügbar.

Mit Urteil vom 10. April 2003 hat das Verwaltungsgericht Regensburg den Bescheid des Beklagten insoweit aufgehoben, als ein Eigenanteil von mehr als 383 DM (entspricht 196 Euro) pro Monat festgesetzt worden ist. Bei der Beurteilung der angemessenen Unterkunftskosten könne sich der Beklagte an der Tabelle zu § 8 WoGG orientieren. Er müsse jedoch entsprechend den Empfehlungen des Deutschen Vereins für die Anwendung des § 79 BSHG von den Höchstwerten für Wohnungen ausgehen, die ab Januar 1992 bezugsfertig geworden seien. Darüber hinaus sei ein Zuschlag von 10% wegen der Schwerbehinderung des Klägers und der ungünstigen Lage auf dem örtlichen Wohnungsmarkt vorzusehen.

Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt der Beklagte die Abweisung der Klage. Zur Begründung verweist er darauf, dass bei der Festlegung der angemessenen Miete entsprechend der Tabelle in § 8 WoGG auf die Bezugsfertigkeit der jeweiligen Wohnung abzustellen sei. Der vom Verwaltungsgericht vorgesehene Zuschlag berücksichtige nicht, dass die aktuelle Tabelle gegenüber der Tabelle aus dem Jahr 1993 die eingetretenen Mietpreissteigerungen berücksichtigt habe. Darüber hinaus hätten in der fraglichen Zeit vier konkret benannte Wohnungen zur Verfügung gestanden, deren Miete zwischen 415 DM und 601 DM gelegen habe. Im Übrigen liege die vom Kläger bewohnte Wohnung im 1. Stock und sei nicht behindertengerecht ausgebaut.

Er beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 10. April 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Ihm sei wegen seiner Behinderung ein Umzug nicht zuzumuten. Er könne zwar Strecken bis zu 50 m noch zu Fuß zurücklegen, sei aber im Übrigen auf den Rollstuhl angewiesen. Die derzeit von ihm bewohnte Wohnung könne mit dem Rollstuhl befahren werden. Auch sei das Treppenhaus breit genug, um bei Bedarf einen Treppenlift einzubauen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die zulässige Berufung hat Erfolg, weil der Bescheid des Beklagten vom 11. Juli 2000 über das vom Kläger einzusetzende Einkommen rechtmäßig ist.

Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 BSHG haben sich Hilfesuchende bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen in angemessenem Umfang an den Kosten der Hilfemaßnahmen zu beteiligen, soweit das zu berücksichtigende Einkommen die maßgebenden Einkommensgrenzen übersteigt. Bei der Bestimmung der für den Kläger maßgeblichen Einkommensgrenze sind nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 BSHG die Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen, soweit die Aufwendungen hierfür den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang nicht übersteigen.

Zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten konnte der Beklagte die für die Bemessung von Wohngeld bestimmten tabellarischen Höchstbeträge in § 8 des Wohngeldgesetzes (WoGG) in der für das Jahr 2001 gültigen Fassung heranziehen. Denn der Höchstbetrag von 567 DM für eine zwischen 1966 und 1991 bezugsfertig gewordene Wohnung für zwei Familienmitglieder in Gemeinden der Mietstufe I entsprach der Miethöhe, die nach der Lage auf dem Wohnungsmarkt im Wohnort des Klägers für eine dem Bedarf des Klägers angemessene Wohnung im unteren Bereich zu zahlen war (vgl. BVerwG vom 31.8.2004 NJW 2005, 310). Die vom Beklagten benannten Wohnungen, deren Miete zwischen 415 DM und 600 DM betrug, entsprechen in ihrer Größe zwischen 60 m² und 70 m² der im sozialen Wohnungsbau für zwei Personen anerkannten Wohnraumfläche. Die Benutzung dieser Wohnungen war dem Kläger auch unter Berücksichtigung seiner Gehbehinderung zuzumuten. Der Kläger, der nur außerhalb der Wohnung auf einen Rollstuhl angewiesen ist, benötigt keine der DIN-Norm 18025 entsprechende, barrierefreie rollstuhlgerechte Wohnung. Denn seine eigene Wohnung liegt ebenso wie drei der vom Beklagten nachgewiesenen Wohnungen im ersten Obergeschoss und ist nicht behindertengerecht ausgebaut. Der Hinweis des Klägers, bei einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes lasse sich seine derzeitige Wohnung und der Zugang zu ihr behindertengerecht ausbauen, rechtfertigt die Anerkennung der überhöhten Miete nicht, weil es für eine fortschreitende Einschränkung der Bewegungsfähigkeit des Klägers keine konkreten Anhaltspunkte gibt.

Da der vom Beklagten herangezogene Höchstbetrag von 567 DM an der oberen Grenze des Mietpreisniveaus für verfügbaren Wohnraum am Wohnort des Klägers lag, bestand entgegen Nr. 11 der Empfehlungen des Deutschen Vereins für die Anwendung der Vorschrift des § 79 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 BSHG (NDV 1986, 257) keine Veranlassung, entsprechend der Wohngeldtabelle den Höchstbetrag für Wohnungen zugrundezulegen, die ab 1992 fertig gestellt worden sind. Ebenso wenig ist wegen der Behinderung des Klägers ein Zuschlag zum Höchstbetrag zu gewähren. Seine Behinderung ist vielmehr bei der Festlegung des einzusetzenden Einkommens nach § 84 Abs. 1 Satz 1 BSHG zu berücksichtigen. Diesem Gesichtspunkt hat der Beklagte dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass er das die Einkommensgrenze übersteigende Einkommen des Klägers nur zu 60 % heranzieht.

Dass der Beklagte bei der Bestimmung der Einkommensgrenze den Familienzuschlag mit 426 DM statt mit 427 DM und den Mehrbedarf für aufwendige Ernährung mit 103 DM statt mit 105 DM angesetzt hat, ändert an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids nichts. Denn der Beklagte hat bei der Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten auch für die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2000 nicht die damals gültige Wohngeldtabelle von 1993 mit ihren um ca. 100 DM niedrigeren Höchstbeträgen zugrunde gelegt, sondern die Wohngeldtabelle für das Jahr 2001, so dass die zu geringen Abzüge vom Einkommen des Klägers bei den vorgenannten Positionen mehr als ausgeglichen sind.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung verzichtet, weil er davon ausgeht, dass der Beklagte nicht beabsichtigt, seine nur in geringer Höhe angefallenen außergerichtlichen Kosten vor Rechtskraft der Entscheidung zu vollstrecken.

4. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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