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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.08.2006
Aktenzeichen: 12 BV 05.200
Rechtsgebiete: BSHG, SGB XII
Vorschriften:
BSHG § 3 Abs. 2 Satz 3 | |
BSHG § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 | |
SGB XII § 9 Abs. 2 Satz 3 | |
SGB XII § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Sozialhilfe;
hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 17. November 2004,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Albrecht, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler
ohne mündliche Verhandlung am 10. August 2006
folgenden Beschluss:
Tenor:
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten, einem örtlichen Sozialhilfeträger, im Rahmen der Eingliederungshilfe die Übernahme des Schulgelds, das von der von ihm besuchten privaten Förderschule erhoben wird.
Der am 7. August 1995 geborene Kläger, der an einem Down-Syndrom leidet, besucht seit dem Schuljahr 2002/2003 die heilpädagogische K.-Schule sowie die angeschlossene Förderstätte, deren Kosten vom überörtlichen Sozialhilfeträger übernommen werden. Mit Antrag vom 21. Mai 2004 beantragte die Mutter des Klägers die Übernahme des Schulgelds von 90 € pro Monat, das vom Schulträger erstmals ab August 2004 erhoben wurde. Die Beklagte lehnte die Übernahme mit Bescheid vom 12. Juli 2004 mit der Begründung ab, es handele sich nicht um einen notwendigen Bedarf. Da private Förderschulen sich nach den Bestimmungen des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes finanzierten, bestehe kein Bedarf für eine Mitfinanzierung über Schulgeld. Schulgeld werde nur für zusätzliche Angebote und Maßnahmen erhoben, die über das an öffentlichen Schulen übliche Maß hinausgingen. Zu deren Finanzierung sei sie im Rahmen der Eingliederungshilfe nicht verpflichtet.
Mit Urteil vom 17. November 2004 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Eingliederungshilfe durch Übernahme des Schulgelds für den Besuch der K.-Schule ab dem 1. August 2004 zu gewähren. Es handele sich bei dem von der Schule erhobenen Schulgeld um unvermeidbare behinderungsbedingte Kosten der Schulbildung, da der Kläger aufgrund seiner geistigen Behinderung nur diese Schule besuchen könne.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung. Sie führt zur Begründung im Wesentlichen aus: Da durch die staatliche Schulfinanzierung der notwendige Schulaufwand einschließlich des Mehraufwands, der aus der Beschulung von Behinderten resultiert, gedeckt würde, diene das Schulgeld zur Finanzierung von über das notwendige Maß hinausgehenden Angeboten. Die Kosten dafür müsse sie aber nicht übernehmen.
Sie beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 17. November 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung weist er darauf hin, dass die staatliche Finanzierung nicht alle dem Schulträger bei der Betreuung behinderter Kinder entstehenden Kosten abdecke. Mit dem Schulgeld würden hier vor allem die für die behinderten Kinder nach dem Konzept der Schule notwendigen heilpädagogischen Maßnahmen, insbesondere im Musikunterricht, finanziert.
Die Landesanwaltschaft Bayern, die sich als Vertreter des öffentlichen Interesses am Verfahren beteiligt hat, spricht sich für die Übernahme des Schulgelds aus, soweit damit der notwendige Schulaufwand finanziert werde, der entsprechend einem Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 3. Mai 2005 durch die Förderung nach dem Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz nicht vollständig gedeckt werde, lehnt aber die Übernahme des Schulgeldes ab, soweit damit Zusatzleistungen der Schule aus ihrer speziellen pädagogischen Ausrichtung finanziert werden sollen.
Die Beteiligten sind mit Schreiben vom 27. Juni 2006 darauf hingewiesen worden, dass eine Entscheidung nach § 130 a VwGO in Betracht kommt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen (§ 125 Abs. 1 Satz 1, § 117 VwGO).
II.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Sie wird nach Anhörung der Beteiligten (§ 130 a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO) gemäß § 130 a VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen, weil der Verwaltungsgerichtshof die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Besondere Umstände, die es im vorliegenden Rechtsstreit nahegelegt oder gar geboten hätten, von der Möglichkeit des § 130 a VwGO keinen Gebrauch zu machen (vgl. dazu BVerwG vom 25.2.1998 Az. 9 B 645.97; vom 12.3.1999 NVwZ 1999, 763; Meyer-Ladewig in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 130 a RdNr. 5) sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere weist das Berufungsverfahren keine außergewöhnlichen Schwierigkeiten in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht auf (vgl. dazu BVerwGE 121, 211).
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Recht verpflichtet, dem Kläger Eingliederungshilfe durch Übernahme des von dem privaten Träger der K.-Schule seit August 2004 erhobenen Schulgelds zu gewähren. Der zum Personenkreis des § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG bzw. des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gehörende Kläger hat nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG bzw. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII Anspruch auf Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung, vor allem im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht. Nach § 12 Nr. 2 der Eingliederungshilfe-Verordnung (in der Fassung der Bekanntmachung vom 1.2.1975, BGBl I S. 433, zuletzt geändert durch Art. 13 des Gesetzes vom 27.12.2003, BGBl I S. 3022) umfasst diese Hilfe Maßnahmen der Schulbildung zugunsten behinderter Kinder, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem Behinderten eine im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht üblicherweise erreichbare Bildung zu ermöglichen.
Diese Voraussetzungen sind beim Besuch der K.-Schule gegeben. Da der Kläger aufgrund seiner Behinderung keine reguläre Grundschule besuchen kann, ist er zur Erfüllung seiner Schulpflicht auf den Besuch einer Förderschule angewiesen (s. Art. 35 Abs. 1 Satz 1, Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayEUG). Dass der Besuch der K.-Schule erforderlich und geeignet ist, dem Kläger die im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht üblicherweise erreichbare Bildung zu vermitteln, hat auch die Beklagte nicht in Frage gestellt, zumal der überörtliche Sozialhilfeträger seit dem Schuljahr 2002/2003 die Kosten für die der K.-Schule angeschlossene Tagesstätte übernimmt, die der Kläger in der unterrichtsfreien Zeit besucht. Die Beklagte hat daher den durch den Schulbesuch entstehenden notwendigen Aufwand zu übernehmen, soweit dieser nicht von dritter Seite, insbesondere durch Leistungen des Staats nach den Art. 33 ff. BaySchFG gedeckt wird. Dazu gehört auch das Schulgeld, das Ersatzschulen nach Art. 47 Abs. 1 BaySchFG erheben können, um die durch die staatliche Förderung nicht gedeckten Kosten zu finanzieren (vgl. BayVGH vom 21.7.2005 FEVS 57, 175). Ungeachtet der Tatsache, dass nach Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 3. Mai 2005 der notwendige Schulaufwand einer privaten Ersatzschule nach dem Bayerischen Schulfinanzierungsgesetz nicht vollständig erstattet wird, greift der Einwand der Beklagten, die Übernahme des Schulgelds sei nicht zwingend notwendig, weil damit Angebote finanziert würden, die über das an öffentlichen Schulen übliche Maß hinausgingen, hier auch dann nicht durch, wenn das von der K.-Schule geforderte Schulgeld teilweise für ergänzende allein auf dem speziellen pädagogischen Konzept der besuchten Förderschule beruhende, nicht durch die Behinderung des Klägers notwendig bedingte Unterrichts- oder Betreuungsmaßnahmen verwendet werden sollte. Denn die Angemessenheit der Hilfemaßnahme für den Kläger lässt sich unter dem Gesichtspunkt des Mehrkostenvorbehalts in § 3 Abs. 2 Satz 3 BSHG bzw. § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB XII auch dann nicht in Zweifel ziehen, weil das Wahlrecht des Hilfesuchenden und dementsprechend auch seine gesetzliche Einschränkung das Bestehen von Alternativen zur Bedarfsdeckung voraussetzt (vgl. BVerwGE 123, 316). Da die Beklagte im vorliegenden Fall andere geeignete Förderschulen nicht nachgewiesen hat, die kein Schulgeld erheben und auf die zu wechseln dem Kläger zumutbar gewesen wäre, hat sie das von der K.-Schule erhobene Schulgeld zu übernehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen (§ 130 a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 4 VwGO).
Ende der Entscheidung
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