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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.05.2004
Aktenzeichen: 12 C 04.296
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, BSHG


Vorschriften:

VwGO § 166
ZPO § 114
BSHG § 5
BSHG § 11
BSHG § 12 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

12 C 04.296

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Sozialhilfe (Antrag auf Prozesskostenhilfe);

hier: Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 13. Januar 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Werner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler

ohne mündliche Verhandlung am 14. Mai 2004

folgenden Beschluss:

Tenor:

Dem Kläger wird in Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 13. Januar 2004 für seine Klage vor dem Verwaltungsgericht insoweit Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Spengler, Zusmarshausen, beigeordnet, als mit der Klage die Übernahme der seit dem 30. Mai 2003 bis 31. Oktober 2003 angefallenen Einlagerungskosten und der Darlehensschulden in Höhe von 180 Euro begehrt wird.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1. Der Kläger wohnte nach seiner Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt C. am 22. November 2002 bis Anfang Oktober 2003 vorübergehend im Haushalt seiner Mutter in Z., das im Bereich des Beklagten liegt, bis er am 1. November 2003 in eine eigene Wohnung in A. umzog. In der Zeit vom 17. Dezember 2002 bis 31. Oktober 2003 erhielt er vom Beklagten ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt.

Mit Schreiben vom 3. April 2003 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass das Haus seiner bisherigen Lebensgefährtin in der Nähe von C. am 5. Juni 2003 zwangsversteigert werde und er deshalb spätestens im Mai 2003 seinen sich dort noch befindenden Hausrat (komplette Wohnzimmer-, Küchen-, Schlafzimmereinrichtung, Waschmaschine und Kondensationstrockner) abholen müsse. Mit Schreiben vom 30. Mai 2003 informierte der Kläger den Beklagten darüber, dass es ihm auf Grund eines von der Bewährungshilfe erhaltenen Darlehens gelungen sei, seinen Hausrat in W. einzulagern. Das Darlehen in Höhe von 180 Euro zahle er ab Juli 2003 in Monatsraten von 30 Euro zurück. Gleichzeitig beantragte er, die Einlagerungskosten in Höhe von 35 Euro monatlich gemäß dem Mietvertrag vom 26. Mai 2003 zu übernehmen, bis er eine geeignete Wohnung gefunden habe.

Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 4. Juni 2003 ab, gegen den der Kläger mit Schreiben vom 26. Juni 2003 Widerspruch einlegte. Mit demselben Schreiben beantragte er die Übernahme des von der Bewährungshilfe gewährten Darlehens. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 3. Juli 2003 ab, weil Darlehensschulden nach § 5 BSHG nicht übernommen werden könnten.

Die Bewährungshelferin des Klägers erklärte in zwei Schreiben an den Beklagten bzw. den Kläger vom 27. Juni 2003 und 8. Oktober 2003, dass das Darlehen gewährt worden sei, damit der Kläger nach C. reisen und die Miete eines Transportfahrzeugs habe finanzieren können. Bei der Erteilung sei nicht davon ausgegangen worden, dass der Betrag für die Miete einer Unterstellmöglichkeit verwendet werden solle.

Den Antrag des Klägers, die Fahrtkosten für die Teilnahme an einer am 20. Juli 2003 stattfindenden Schulungsmaßnahme zu übernehmen, lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 10. Juli 2003 ab. Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.

Die Regierung von Schwaben wies die drei Widersprüche des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 2003 zurück. Den geltend gemachten Ansprüchen stehe bereits der Kenntnisgrundsatz des § 5 BSHG entgegen. Eine Hilfegewährung hinsichtlich der Einlagerungskosten nach § 15 a BSHG scheide aus, da das bei der Bewährungshilfe dafür aufgenommene Darlehen des Klägers bis Oktober 2003 die Kosten decke. Der Bedarf für die Fahrtkosten sei mit dem Regelsatz abgegolten.

2. Am 29. Oktober 2003 erhob der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, die Bescheide des Beklagten vom 4. Juni 2003, 3. Juli 2003 und 10. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Oktober 2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die dem Kläger seit 26. Mai 2003 entstandenen Kosten für die Einlagerung seines Hausrats in Höhe von monatlich 35 Euro (für Mai 2003 in Höhe von 6,77 Euro) sowie die Darlehensschulden von 180 Euro zu erstatten.

Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Spengler, Zusmarshausen.

Zum notwendigen Lebensunterhalt im Sinn des § 12 BSHG gehörten auch die Kosten für die vorübergehende Einlagerung seines Hausrats. Die Einlagerungskosten seien beim Beklagten rechtzeitig geltend gemacht worden. Sowohl am 29. April 2003 als auch am 23. Mai 2003 habe er anlässlich persönlicher Vorsprachen beim Beklagten auch über die Einlagerungskosten gesprochen. Weil eine - mündliche - Ablehnung erfolgt sei, habe er sich kurz darauf an seine Bewährungshelferin gewandt und ein Darlehen von 180 Euro erhalten, damit er nach C. habe fahren können, um die Räumung des Hauses zu veranlassen.

Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen und den Prozesskostenhilfeantrag abzulehnen.

3. Das Verwaltungsgericht Augsburg lehnte den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Spengler, Zusmarshausen, mit Beschluss vom 13. Januar 2004 ab. Es könne offen bleiben, ob die Einlagerungskosten für Hausrat Bestandteil des notwendigen Lebensunterhalts im Sinne des § 12 Abs. 1 BSHG seien. Jedenfalls sei ein etwaiger Bedarf hinsichtlich dieser Kosten für die Zeit vom 26. Mai bis 30. Oktober 2003 gedeckt worden. Das dem Kläger für die Einlagerungskosten gewährte Darlehen von 180 Euro reiche aus, um diese Kosten vom 26. Mai 2003 bis 30. Oktober 2003 zu tragen. Dass dieser Betrag aus einem Darlehen stamme und zurückgezahlt werden müsse, sei wegen des im Sozialhilferecht geltenden Nachrangprinzips (§ 2 Abs. 1 BSHG) unerheblich. Da der Kläger am 1. November 2003 in eine eigene Wohnung gezogen sei, sei mangels anderweitiger Informationen davon auszugehen, dass ein etwaiger Einlagerungsbedarf spätestens am 31. Oktober 2003 geendet habe und damit wegen weitgehender Bedarfsdeckung weder ein Anspruch aus §§ 11, 12 BSHG noch aus § 15 a BSHG bestehe. Damit komme es auf die Frage, wann der Kläger dem Beklagten einen Bedarf an Einlagerungskosten bekannt gegebenen habe, nicht an. Allerdings spreche viel dafür, dass dies erst nach der Anmietung des Lagerraums mit Schreiben vom 30. Mai 2003 erfolgt sei.

Der Beklagte habe auch die Übernahme der Darlehenskosten ablehnen dürfen. Der Kläger habe weder aus § 11 Abs. 1, § 12 Abs. 1 BSHG noch aus § 15 a BSHG einen Anspruch auf Erstattung. Schulden würden als Bedarf grundsätzlich nicht berücksichtigt. Der Kläger habe den Beklagten auch nicht vorab über die geplante Schuldaufnahme informiert, wie sich aus seinem Schreiben vom 30. Mai 2003 ergebe.

Die vom Kläger bisher nicht hinreichend konkret beantragte Erstattung von Fahrtkosten bezüglich der Schulungsmaßnahme am 20. Juli 2003 wäre abzulehnen, weil diese im Regelsatz enthalten seien.

4. Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor, dass mit dem Darlehen von 180 Euro nicht die Kosten der Einlagerung, sondern nur die Anfahrtskosten, die Kosten für den Transport der Möbel und die Kosten für die Helfer gedeckt worden seien. Es komme also nicht darauf an, dass es sich um ein Darlehen handele, sondern darauf, dass es sich um Fahrt- und Transportkosten handele, die nur darlehensweise hätten beglichen werden können.

Der Beklagte tritt der Beschwerde entgegen.

5. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

a) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bietet die Klage in dem hierfür maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidungsreife hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO, § 114 ZPO), soweit mit ihr die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme der Einlagerungskosten für den Hausrat des Klägers in der Zeit vom 30. Mai 2003 bis 31. Oktober 2003 und die Übernahme seiner Darlehensschuld in Höhe von 180 Euro begehrt wird.

aa) Die dem Kläger für die Einlagerung von Möbeln und Haushaltsgegenständen entstandenen Kosten, die auf Grund seines notwendig gewordenen Umzugs von C. nach Z. angefallen sind, gehören zu den Kosten der "Unterkunft" im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG, § 3 Abs. 1 Regelsatzverordnung. Denn sie dienten dazu, ihm seine für die Ausstattung einer späteren, selbst geschaffenen Unterkunft erforderlichen Möbel und Hausratsgegenstände zu erhalten. Diese Aufwendungen waren daher unmittelbar mit der Deckung seines Unterkunftsbedarfs verbunden (vgl. BVerwG vom 2.12.1995, BVerwGE 100, 136, 137). Dass die monatliche Miete für die Einlagerung in Höhe von 35 Euro über das Maß des Notwendigen hinausging, ist nicht ersichtlich.

Soweit das Verwaltungsgericht gegen die Übernahme der Einlagerungskosten einwendet, dass diese bereits durch das dem Kläger von seiner Bewährungshelferin gewährte Darlehen in Höhe von 180 Euro gedeckt worden seien, geht dieser Einwand fehl. Das Darlehen sollte nach den beiden Schreiben der Bewährungshelferin vom 27. Juni 2003 und 8. Oktober 2003 nicht dazu dienen, die Miete für eine Einlagerung der Möbel und Haushaltsgegenstände des Klägers zu finanzieren, sondern dazu, die Fahrt von seinem damaligen Aufenthaltsort Z. (Wohnort seiner Mutter) nach C. zu ermöglichen, sowie die Kosten für den Transport der Möbel und die Umzugshelfer zu finanzieren. In Übereinstimmung damit hat der Kläger glaubhaft versichert, dass der Darlehensbetrag für die Finanzierung dieser Zwecke verwendet worden sei, was der Senat nicht bezweifelt.

Einem Anspruch des Klägers auf Übernahme dieser Kosten steht nicht der Kenntnisgrundsatz des § 5 BSHG entgegen. Nach dieser Vorschrift setzt die Sozialhilfe ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt wird, dass die Voraussetzungen für die Gewährung vorliegen. Dies war zwar ausweislich der Behördenakten erst am 30. Mai 2003 der Fall, weil die Mitteilung des Klägers im Schreiben vom 3. April 2003 die Notwendigkeit einer Einlagerung seiner Möbel nicht hinreichend sicher erkennen ließ und die Niederschrift über seine Vorsprache beim Sozialamt des Beklagten am 29. April 2003 keinen Hinweis darauf enthält, dass er dieses Thema gegenüber der Sachbearbeiterin B. angesprochen hat. Ebenso findet sich in den Behördenakten kein Hinweis auf eine Vorsprache des Klägers am 23. Mai 2003. Das hat aber lediglich zur Folge, dass der Kläger die Einlagerungskosten für die Zeit vom 26. Mai bis 29. Mai 2003 nicht beanspruchen kann. Es berührt seinen Anspruch auf Übernahme dieser Kosten für die anschließende Zeit vom 30. Mai 2003 bis 31. Oktober 2003 jedoch nicht, weil es sich insoweit nicht um einmalige, sondern um laufende Kosten handelte.

bb) Der Kläger hat auch Anspruch auf Übernahme des ihm von der Bewährungshelferin gewährten Darlehens in Höhe von 180 Euro. Dieses Darlehen diente, wie bereits dargestellt, dem Transport der Möbel des Klägers von C. nach W., der durch die bevorstehende Zwangsversteigerung des Hauses in C. unumgänglich geworden war. Die dem Kläger in diesem Zusammenhang entstandenen Fahrt- und Transportkosten waren Kosten der "Unterkunft" im Sinn des § 12 Abs. 1 Satz 1 BSHG, § 3 Abs. 1 Regelsatzverordnung, weil sie unmittelbar mit der Deckung des Unterkunftsbedarfs des Klägers verbunden waren. Der Kläger hat auch glaubhaft versichert, den Darlehensbetrag zu dem genannten Zweck ausgegeben zu haben.

Gegen die Übernahme der Darlehensverbindlichkeit kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass Schuldentilgung nicht Aufgabe der Sozialhilfe sei. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein finanzieller Bedarf, der durch die Beschaffung oder Nutzung einer Unterkunft begründet oder zu deren Erhaltung notwendig ist, ungeachtet dessen, dass er auf die Erfüllung von Verbindlichkeiten (Schuldentilgung) gerichtet ist, stets als sozialhilferechtlich an sich anzuerkennender Bedarf angesehen worden (BVerwGE 41, 22; 79, 46; 90, 160). Dadurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich bei Verbindlichkeiten, die zur Beschaffung, zur Nutzung oder zur Erhaltung der Unterkunft eingegangen werden müssen, um mit dem sächlichen Unterkunftsbedarf notwendig verbundene wirtschaftliche Belastungen handelt (BVerwGE 100, 136, 138). Das Darlehen wurde von dem Kläger in Anspruch genommen, um den mit der Sicherung seines Unterkunftsbedarfs verbundenen Transport seiner Möbel von C. nach W. zu finanzieren. Es handelte sich dabei um einen sozialhilferechtlich anzuerkennenden Bedarf.

Der Kenntnisgrundsatz des § 5 BSHG steht der Übernahme der Darlehensverbindlichkeit ebenfalls nicht entgegen, weil der Kläger den Beklagten bereits mit seinem Schreiben vom 3. April 2003 auf die bevorstehende Notwendigkeit des Abtransports seiner Möbel und Hausratsgegenstände hingewiesen hat.

b) Dagegen bietet die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, soweit mit ihr auch die Erstattung von Fahrtkosten anlässlich der Schulungsmaßnahme am 20. Juli 2003 begehrt werden sollte. Der Kläger hat bisher nur die Aufhebung des entsprechenden Ablehnungsbescheids vom 10. Juli 2003 beantragt, aber keinen Verpflichtungsantrag gestellt. Nachdem die Beschwerde hierzu keine Ausführungen enthält, verweist der Verwaltungsgerichtshof bezüglich dieses Streitgegenstandes auf die insoweit zutreffenden Ausführungen auf Seite 4 des Widerspruchsbescheids der Regierung von S. vom 6. Oktober 2003.

2. Die Bewilligungsvoraussetzungen nach § 166 VwGO, §§ 114, 117 ZPO liegen vor. Auch erscheint im Sinne von § 166 VwGO, § 121 Abs. 2 ZPO die Vertretung durch Rechtsanwalt Spengler erforderlich.

3. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, weil die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet werden (§ 166 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO) und das Beschwerdeverfahren nach § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO gerichtskostenfrei ist.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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