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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.05.2007
Aktenzeichen: 12 C 05.1898
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO, SGB I, SGB X


Vorschriften:

VwGO § 10
VwGO § 11
VwGO § 166
ZPO § 114 S. 1
SGB I § 14
SGB X § 20 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

12 C 05.1898

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Wohngeld - Antrag auf Prozesskostenhilfe;

hier: Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 24. Juni 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Albrecht, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau

ohne mündliche Verhandlung am 15. Mai 2007

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts wird der Klägerin für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin ****** **********, **********, beigeordnet.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

Die nach § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Prozesskostenhilfe für die erhobene Klage und auf Beiordnung der benannten Bevollmächtigten ist begründet, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussicht bietet und die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei der Klägerin vorliegen (§ 166 VwGO, § 114 Satz 1, § 115 ZPO).

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts liegen bei der im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens nur erforderlichen summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der erhobenen Klage (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO) die erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten nicht eindeutig so fern, dass ein Klageerfolg nicht zumindest offen erscheinen könnte und daher Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist (vgl. dazu BVerfG vom 4.2.1997, NJW 1997, 2102; vom 7.4.2000, NJW 2000, 1936; vom 26.6.2003, NJW 2003, 3190). Es sind vielmehr beachtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids des Beklagten vom 18. Februar 2004 i.V.m. der Begründung vom 30. März 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberbayern vom 21. Januar 2005 wahrscheinlich. Es erscheint zumindest offen und wird weiterer Aufklärung durch das Verwaltungsgericht bedürfen, ob der Klägerin nicht bezüglich des ursprünglich laufenden Bewilligungszeitraums bis 30. November 2004 wie auch für die daran anschließenden Bewilligungszeiträume zumindest teilweise ein Anspruch auf Bewilligung von Wohngeld zusteht, da die Klägerin entgegen der Auffassung des Beklagten über ein ihren monatlichen Mindestbedarf deckendes Einkommen verfügt und dies dem Beklagten auch genügend deutlich nachgewiesen hat, so dass dieser imstande war, zu berechnen, ob und in welcher Höhe der Klägerin Wohngeld zu gewähren ist.

Es entspricht zwar der ständigen Rechtsprechung, dass ein Antrag auf Wohngeld dann abgelehnt werden kann, wie dies der Beklagte hier getan hat, wenn sich wegen unzureichender Angaben des Antragstellers dessen Einkommen trotz aller Bemühungen der Beteiligten nicht verlässlich ermitteln lässt, da diesen die materielle Beweislast hinsichtlich aller Bewilligungsvoraussetzungen trifft (vgl. BVerwG vom 16.1.1974, BVerwGE 44, 265; VGH BW vom 7.6.2004, FEVS 56, 44; BayVGH vom 16.2.2005, Az.: 9 C 04.2383). Voraussetzung dafür, dass unter Berufung auf die materielle Beweislast des Antragstellers der Antrag abgelehnt werden kann, ist aber, dass die Behörde nicht nur alle ihr vom Antragsteller zugänglich gemachten Angaben über seine Einkommensverhältnisse im Bewilligungszeitraum auswertet, sondern auch, dass sie im Rahmen ihrer Beratungspflicht nach § 14 SGB I und ihrer Amtsermittlungspflicht nach § 20 Abs. 1 SGB X den unkundigen Antragsteller in für ihn verständlicher Weise dazu auffordert, als fehlend erscheinende Angaben zu seinen Einkommensverhältnissen zu machen. Dieser Pflicht ist der Beklagte hier aber höchstwahrscheinlich nicht in ausreichender Weise gerecht geworden, so dass die Klägerin während des Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens nicht erkennen konnte, weshalb die von ihr gemachten Angaben zu ihrem Einkommen allein deshalb nicht ausreichend sein sollten, weil das danach errechnete monatliche Einkommen ab 1. März 2004 unterhalb des vom Beklagten geschätzten monatlichen Mindestbedarfs lag. Es ist für einen juristischen Laien, aber selbst für einen nicht mit den Eigenheiten des Wohngeldrechts vertrauten Juristen nur schwer nachvollziehbar, dass ein tatsächlich nur zufließendes monatliches Einkommen, das unter dem geschätzten monatlichen Mindestbedarf liegt, einer Wohngeldbewilligung entgegensteht, da die Behörde dann vermutet, dass tatsächlich höheres den Mindestbedarf deckendes Einkommen verschwiegen werde. Mit der bloßen Aufforderung durch den Beklagten bei einer Rücksprache der Klägerin Anfang Februar 2004 und in dem am 10. Februar 2004 ausgefüllten Formular, dass diese erklären und nachweisen müsse, wie der errechnete Fehlbetrag gedeckt werde, kann die aus dem Gesetz insoweit nicht klar ersichtliche Anforderung des Nachweises über die Bedarfsdeckung nicht verständlich gemacht werden und damit der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, nicht genügend nachvollziehbare Angaben zu ihren Einnahmen gemacht zu haben. Demgemäß werden im Klageverfahren die erst im Laufe des Prozesskostenhilfeverfahrens nachgebrachten Angaben der Klägerin zur tatsächlich bestehenden Bedarfsdeckung während des Bewilligungszeitraums zu berücksichtigen sein und ausnahmsweise nicht auf den generell für die Begründetheit des Antrags ankommenden Prognosezeitpunkt aufgrund der im Zeitpunkt der Antragstellung bekannten Daten (vgl. BVerwG vom 23.1.1990, BVerwGE 84, 278) abgestellt werden können. Aufgrund dieser nachgeholten Angaben der Klägerin ist aber offen, ob ihr nicht wenigstens für einen Teil der streitgegenständlichen Bewilligungszeiträume das beantragte Wohngeld zusteht.

Für den ab der Antragstellung am 18. Dezember 2003 laufenden Bewilligungszeitraum bis 30. November 2004, auf den noch das Wohngeldgesetz (WoGG) i.d.F.d.Bek. vom 23. Januar 2002 (BGBl I S. 474) zur Anwendung kommt, wird für die zu prognostizierende Einkommensermittlung ab 1. März 2004 zu berücksichtigen sein, dass die Klägerin nach ihren schon im Widerspruchsverfahren gemachten Angaben am 29. März 2004 einen Auszahlungsanspruch in Höhe von 6.500 Euro aus einer Unfallversicherung an die Kreissparkasse Mühldorf verpfändet und sich dadurch die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Überziehungskredits von 5.000 Euro zur Deckung ihres ungedeckten Lebensbedarfs ab 1. März 2004 verschafft hat. Dieser nicht als Einnahme nach § 10 Abs. 1 WoGG zu berücksichtigende Betrag (vgl. dazu Stadler/Gutekunst/Forster/Wolf/Rahm/Fröba, WoGG, § 10 RdNr. 154 f.) ist als Nachweis für die Finanzierbarkeit des ungedeckten Mindestbedarfs, wie der Beklagte inzwischen selbst eingeräumt hat, zu berücksichtigen, so dass dadurch die Finanzierbarkeit des Bedarfs bis 30. Juni 2004 feststeht und daher wie schon bis 29. Februar 2004 ein Wohngeldanspruch wahrscheinlich ist. Auch für die restliche Zeit dieses Bewilligungszeitraums hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie weitere Überbrückungsdarlehen bekommen habe. Für die Richtigkeit dieser Behauptung der Klägerin spricht dabei, dass sie nach ihren unbestrittenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München am 18. Januar 2006 inzwischen einen Schuldenberg von ca. 12.000 Euro aufgehäuft habe, so dass ihr auch in der weiteren Zeit eine Deckung ihres Mindestbedarfs tatsächlich möglich gewesen sein dürfte. Für die Glaubwürdigkeit dieser Angabe spricht weiter, dass die Klägerin von vorneherein angegeben hat, dass sie wegen der ihr nur saisonal zufließenden Einnahmen außerhalb der Saison immer wieder Überbrückungskredite habe in Anspruch nehmen müssen und solche auch sowohl von ihrer Bank wie von Privatpersonen bekommen habe. Diese berufsbedingte Eigenheit im Bestreiten ihres Lebensunterhalts bei der Klägerin wird im Klageverfahren noch näher aufzuklären sein, um festzustellen, ob nicht auch für die Zeit bis 30. November 2004 die Voraussetzungen für die Bewilligung von Wohngeld gegeben waren.

Nichts anderes wird voraussichtlich auch für den ab 1. Dezember 2004 laufenden anschließenden Bewilligungszeitraum gelten. Zwar hat die Klägerin dafür keinen ausdrücklichen Antrag auf Weiterbewilligung von Wohngeld nach § 23 Abs. 1 Satz 2 WoGG gestellt. Nach der ständigen Rechtsprechung bedurfte es dies aber während der Dauer des Verwaltungsrechtsstreits nicht, vielmehr gilt der Antrag durch Weiterführung des Verfahrens als gestellt (vgl. Stadler u.a., a.a.O., § 23 RdNr. 17). Hier wird allerdings zu berücksichtigen sein, dass der Beklagte der Klägerin aufgrund des gerichtlichen Vergleichs vom 18. Januar 2006 für die Zeit ab 1. April 2005 die bei ihrem Vermieter entstandenen Mietschulden ersetzen muss und daher § 7 Abs. 2 Nr. 3 WoGG eingreifen könnte. Für die Zeit vom 1. Dezember 2004 bis 31. März 2005 wird außerdem zu berücksichtigen sein, dass die Klägerin aufgrund des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 28. Dezember 2004 (Az. 12 CE 04.2960) Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz bezogen hat, so dass nur das pauschalierte Wohngeld nach §§ 31 ff. WoGG 2002 in Betracht käme.

Für den Bewilligungszeitraum ab 1. Dezember 2005 bis Juni 2006 käme eine Wohngeldgewährung in Betracht, da die der Klägerin durch den Vergleich vom 18. Januar 2006 bewilligte Grundsicherung nach § 41 ff. SGB XII bis dahin nur darlehensweise gewährt wird, so dass dies nach § 1 Abs. 2 Satz 4 WoGG in der dafür geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 7. Juli 2005 (BGBl I S. 2029) einem Wohngeldanspruch nicht entgegenstünde.

Unter Berücksichtigung dieser besonderen Umstände ist ein Erfolg der Klage der Klägerin im Hauptsacheverfahren also zumindest offen, so dass der Klägerin die von ihr begehrte Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung zusteht. Zwar besteht vor dem Verwaltungsgericht kein Anwaltszwang, angesichts der Schwierigkeit der zu klärenden Tatsachen- und Rechtsfragen erscheint aber die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich (§ 166 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, da das Verfahren im Wohngeldrecht nicht nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei ist. Eine Kostenerstattung findet aber nach § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht statt.

Die Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren ist im Hinblick auf § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses entbehrlich.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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