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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.04.2005
Aktenzeichen: 12 C 05.64
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 166
ZPO § 114
ZPO § 115
ZPO § 117 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

12 C 05.64

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Sozialhilfe (Antrag auf Prozesskostenhilfe);

hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 14. Dezember 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Werner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau

ohne mündliche Verhandlung am 25. April 2005

folgenden Beschluss:

Tenor:

Unter Abänderung der Ziffer 3 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 14. Dezember 2004 wird dem Antragsteller für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin Drews, Itzgrund, beigeordnet.

Gründe:

1. Die zulässige Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung in Ziffer 3 des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 12. Dezember 2004 ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht das Vorliegen der sachlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung (hinreichende Erfolgsaussicht des Antrags zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife und Erforderlichkeit der Vertretung durch einen Rechtsanwalt) bejaht. Es hat aber die Bedürftigkeit des Antragstellers (§ 166 VwGO, § 114 ZPO) in dem dafür maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung (vgl. Peter Schmidt in Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, RdNr. 41 zu § 166) zu Unrecht verneint. Zwar trifft es zu, dass der minderjährige Antragsteller gegen seine unterhaltsverpflichteten Eltern einen familienrechtlichen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss haben könnte, der aus einer Analogie zu den Vorschriften der §§ 1360 a Abs. 4 Satz 1, 1610 Abs. 2, 1615 a BGB hergeleitet wird (Sodan/Neumann, VwGO, Stand 1999, § 166 RdNr. 145). Denn zum angemessenen Unterhalt, der einem Verwandten nach § 1610 Abs. 1 BGB zusteht, gehört auch die vorschussweise Zahlung der Kosten für einen Rechtsstreit über persönliche Angelegenheiten, sofern dies der Billigkeit entspricht (BVerwG Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 8; BGH NJW 1964, 2151; BAG FamRZ 1967, 149). Besteht ein derartiger Anspruch auf Prozesskostenhilfevorschuss, ist er vorrangig vor der Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe einzusetzen. Im Umfang dieses Anspruchs ist die Gewährung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen (Sodan/Neumann, a.a.O.).

Das Verwaltungsgericht hätte den Prozesskostenhilfeantrag jedoch nicht wegen eines dem Antragsteller möglicherweise gegenüber seinen Eltern zustehenden Prozesskostenvorschussanspruchs ablehnen dürfen, ohne ihn vorher auf diesen Gesichtspunkt hinzuweisen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Damit hat es den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Beschluss, der Antragsteller habe seine Bedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht, war für ihn nicht voraussehbar. Er durfte darauf vertrauen, dass das Verwaltungsgericht seinen Prozesskostenhilfeantrag auf der Grundlage der Angaben in dem von ihm vorgelegten amtlichen Vordruck gemäß § 117 Abs. 2 ZPO prüft und entscheidet. Hat ein Gericht Zweifel an der Richtigkeit der in dem amtlichen Vordruck enthaltenen Angaben oder hält es diese für unvollständig, muss es dem Antragsteller Gelegenheit geben, die Zweifel zu entkräften (vgl. BVerfG vom 11.2.1999 NJW 2000, 275).

Der Einwand des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Beschluss, dass dem Antragsteller in einem Klageverfahren eine Frist zur Glaubhaftmachung seiner Bedürftigkeit eingeräumt worden wäre, dies im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes aber nicht angezeigt sei, überzeugt nicht. Denn das Verwaltungsgericht hat sich nach Eingang des Prozesskostenhilfeantrags am 10. November 2004 wiederholt schriftlich an die Bevollmächtigte des Antragstellers gewandt, um eine Klarstellung und Präzisierung des Antrags nach § 123 VwGO zu erreichen. In diesen Schreiben hätte es auch auf die seiner Ansicht nach nicht hinreichend erfolgte Glaubhaftmachung der Bedürftigkeit des Antragstellers hinweisen müssen, bevor es über den Prozesskostenhilfeantrag entschied.

Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht hat der Antragsteller nunmehr auch im Hinblick auf einen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss glaubhaft gemacht. Ein solcher Anspruch steht dem Antragsteller nämlich nicht zu. Zwar betrifft der vorliegende Rechtsstreit eine persönliche Angelegenheit des Antragstellers, weil dazu auch Streitigkeiten wegen Sozialhilfeansprüchen gehören (Sodan/Neumann, a.a.O., RdNr. 146). Eine Inanspruchnahme seiner Eltern durch den Antragsteller entspricht jedoch nicht der Billigkeit. Das ist der Fall, wenn der zum Unterhalt Verpflichtete, führte er den Prozess selbst, Anspruch auf Prozesskostenhilfe hätte, wobei es unerheblich ist, ob ihm Prozesskostenhilfe ratenfrei oder durch Ratenzahlungen zu gewähren wäre (Sodan/Neumann, a.a.O., RdNr. 147 m.w.N.). Die Eltern des Antragstellers würden, wenn sie dessen Prozess selbst führten, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfüllen, weil sie ausweislich ihrer mit Schriftsatz vom 2. Februar 2005 vorgelegten Einkommens- und Vermögensnachweise für Dezember 2004, dem Entscheidungsmonat des Verwaltungsgerichts, bedürftig sind im Sinn des § 115 ZPO. Dem Antragsteller ist deshalb für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Drews, Itzgrund, zu bewilligen.

2. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, weil das Beschwerdeverfahren nach § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO gerichtskostenfrei ist und die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet werden (§ 166 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO).

3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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