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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.01.2003
Aktenzeichen: 12 CE 02.2494
Rechtsgebiete: VwGO, BSHG, EinglhV, SGB IX, SGB X
Vorschriften:
VwGO § 123 | |
BSHG § 39 | |
BSHG § 40 | |
EinglhV § 12 | |
SGB IX § 4 Abs. 3 | |
SGB IX § 55 | |
SGB IX § 58 | |
SGB X § 23 Abs. 1 Satz 2 |
12 CE 02.2494
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Sozialhilfe
(Antrag nach § 123 VwGO);
hier: Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 19. September 2002,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Werner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Boese, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Bergmüller
ohne mündliche Verhandlung am 13. Januar 2003 folgenden
Beschluss:
Tenor:
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Kosten eines Integrationshelfers für seine Hortbetreuung nach der Schule und in den Ferienzeiten zu übernehmen.
1. Der am 1. Oktober 1993 geborene Antragsteller ist von Geburt an behindert und leidet wegen einer strukturellen Störung am X-Chromosom (Martin-Bell-Syndrom bzw. Syndrom des fragilen X-Chromosoms) an einer erheblich verzögerten Entwicklung der motorischen und geistigen Fähigkeiten. Er lebt bei seiner alleinerziehenden Mutter und besucht seit dem Schuljahr 2001/2002 eine an der Grundschule K******** (Regelschule) eingerichtete Außenklasse der B*****-W******-Schule (Schule zur individuellen Lebensbewältigung), in der behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam unterrichtet werden. Dem Attest des Kinder- und Jugendarztes Dr. S***** vom 11. September 2001 ist zu entnehmen, dass der Junge ein extremes hyperaktives Verhalten zeige und psychisch entsprechend instabil sei. Unter dem 25. September 2001 führte Professorin Dr. S*****-R*******, Medizinische Genetik der Ludwig-Maximilians-Universität München, aus, dass die von der Antragsgegnerin vorgeschlagene Alternative, den Antragsteller täglich von der Schule in die Tagesstätte der B*****-W******-Schule (im weiteren: Tagesstätte) zu bringen, aus pädagogischen Gründen nicht sinnvoll sei. Der Antragsteller würde ohne erkennbaren Grund für wenige Stunden aus dem schulischen Umfeld gerissen, in das er auf Wunsch der Erziehungsberechtigten integriert werden solle. Der tägliche Aufenthalt an einem dritten Ort bzw. in einer dritten sozialen Gruppe wäre für ihn eine vorhersehbare chronische Überforderung, die vermieden werden müsse. Behinderte wie der Antragsteller hätten bei der Anpassung an neue Umweltsituationen bekanntermaßen viel größere Probleme als Kinder ohne Genveränderung. Sie reagierten mit Scheu, Verweigerung und Rückzug, nicht selten auch mit Aggression und Autoaggression.
Bereits für das Schuljahr 2001/2002 hatte die Mutter des Antragstellers die Übernahme der Kosten eines Integrationshelfers beantragt, um dem Antragsteller den Besuch des der Grundschule K******** angegliederten Kinderhorts zu ermöglichen. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 30. August 2001 zunächst ab, bewilligte ihm dann aber mit Teilabhilfebescheid vom 26. März 2002 für die Zeit vom 8. April 2002 bis zum 31. Juli 2002 Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung und übernahm in Bezug auf seine Hortbetreuung die Hälfte der Kosten für einen lntegrationshelfer für die Zeit bis 14.00 Uhr. Der lntegrationshelfer solle gleichzeitig die Betreuung eines weiteren Kindes übernehmen.
2. Am 3. Juli 2002 beantragte die Mutter des Antragstellers erneut die Finanzierung eines lntegrationshelfers für die Betreuung des Antragstellers nach der Schule bis 17.00 Uhr sowie während der Ferienzeiten. Die Minimallösung (Betreuung bis 14.00 Uhr) habe sie nur akzeptiert, weil für das Schuljahr 2002/2003 die Einrichtung einer integrativen Hortgruppe in Aussicht gestanden habe. Auf Anfrage teilte das Landratsamt Regensburg -Gesundheitsamt- am 7. August 2002 mit, dass die Eingliederung eines behinderten Kindes durch die Betreuung im Regelkinderhort wesentlich gefördert werde und deshalb angestrebt werden solle. Ob jedoch der Unterbringung in der Tagesstätte oder der Betreuung im Regelkinderhort hinsichtlich einer schulischen Ausbildung der Vorzug zu geben sei, müssten die zuständigen Sonderpädagogen klären. Der Stellungnahme der B*****-W******-Schule vom 9. August 2002 ist zu entnehmen, dass der Regelkinderhort und die Tagesstätte nicht miteinander vergleichbar seien. Für die Schüler der B*****-W******-Schule sei durch den Besuch der Tagesstätte, die auch dem Antragsteller offen stehe, eine angemessene Schulbildung gegeben. Das Staatliche Schulamt in der Stadt Regensburg teilte mit, dass der Regelkinderhort an sich mit der Schulbildung nichts zu tun habe. Mit Bescheid vom 28. August 2002 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch wurde noch nicht entschieden.
3. Am 13. September 2002 beantragte der Antragsteller bei dem Verwaltungsgericht, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten eines lntegrationshelfers für seine Hortbetreuung nach der Schule bis 17.00 Uhr und in den Ferienzeiten zu übernehmen.
Seine Mutter trug zur Begründung vor, dass eine Umstellung der Nachmittagsbetreuung, die bis Ende Juli 2002 im Kinderhaus erfolgt sei, den Antragsteller überfordere. Eine Unterbringung in der Tagesstätte komme nicht in Betracht, weil seine Entwicklung in einer integrativen Gruppe besser gefördert werden könne.
Die Antragsgegnerin beantragte,
den Antrag abzuweisen.
4. Mit Beschluss vom 19. September 2002 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab und führte zur Begründung aus, der Antragsteller habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Antragsteller gehöre zwar zum Personenkreis des § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG. Die begehrte Hilfe stelle aber keine Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung (§ 40 Abs. 1 Nr. 4 BSHG) dar, weil der Kinderhort, den der Antragsteller mit Hilfe eines lntegrationshelfers besuche, mit der Schulbildung an sich nichts zu tun habe. Auch eine Hilfegewährung als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG, § 55 SGB IX) komme nicht in Betracht. Aus dem Antrag vom 3. August 2001 werde deutlich, dass die Betreuung des Antragstellers am Nachmittag in erster Linie die weitere Berufstätigkeit seiner Mutter sicherstellen solle. Es gebe keine Hinweise auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Nachmittagsbetreuung. Deshalb brauche auf die Frage, ob die Verweisung auf die Tagesstätte der B*****-W******-Schule sachgerecht und zumutbar sei, nicht näher eingegangen zu werden.
5. Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter. Seine Prozessbevollmächtigte trägt zur Begründung vor, durch die begehrte Hilfe werde eine angemessene Schulausbildung ermöglicht und erleichtert. Das leiste der Kinderhort durch Hausaufgabenbetreuung und Durcharbeitung des Schulstoffes. Die Mutter könne diese Leistung im Gegensatz zu dem pädagogisch ausgebildeten Personal des Kinderhortes nicht erbringen. Gerade in der Hortgruppe habe der Antragsteller, dessen Verhaltensweise sehr durch Nachahmung der anderen Kinder geprägt werde, begleitend zur Schule erfolgreich gefördert werden können, weil seine Hyperaktivität und Konzentrationsschwäche positiv durch den Umgang mit nicht behinderten Kindern beeinflusst würden. Weiter sei ein Anspruch auf Hilfegewährung als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gegeben und zwar in Form der Hilfe zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen. Auch wenn durch die Hortbetreuung des Antragstellers seiner Mutter die Berufstätigkeit ermöglicht werde, sei für die Hilfegewährung entscheidend, ob dem Antragsteller die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht oder erleichtert werde. Aufgrund seiner Behinderung biete nur eine feste Gruppe die Möglichkeit einer Integration, weil er nur dadurch aus seiner Isolation herausgeholt werde und seine Fähigkeiten gefördert werden könnten. Durch diese Erfahrungen werde seine Entwicklung positiv beeinflusst und ihm im späteren Leben die Kontaktaufnahme mit anderen Menschen erleichtert. Der Umgang mit nicht behinderten Kindern während der Unterrichtszeiten am Vormittag genüge nicht, weil in diesen Zeiten keine Kontakte entstünden. Diesen Betreuungsbedarf könne die Tagesstätte nicht leisten, weil bei kommunikationsgestörten Kindern eine Förderung nur im Umgang mit nichtbehinderten Kindern möglich sei. Zwischen den zum Teil schwer behinderten Kindern dieser Tagesstätte finde eine Kommunikation nur eingeschränkt statt, so dass ein Kind mit autistischen Verhaltensweisen - wie der Antragsteller - keinen Anschluss fände. Dagegen werde im Kinderhort unter pädagogischer Führung die soziale Kompetenz und der Aufbau von Beziehungen gefördert. Das eröffne für den Antragsteller die Chance auf ein möglichst selbstständiges Leben in der Gesellschaft. Einer integrativen Betreuung mit nicht behinderten Kindern sei der Vorzug zu geben. Die Unterbringung in der Tagesstätte und der damit verbundene Ablauf überforderten den Antragsteller und gefährdeten seine psychische Gesamtsituation, weil für ihn ein geordneter und ruhiger Tagesablauf notwendig sei. Durch die tägliche Verbringung von der Schule zur Tagesstätte gehe so viel Zeit verloren, dass bis zur Abholung um 15.00 Uhr kaum Zeit für Einzeltherapien, handlungsorientiertes Spielen oder Kontaktaufnahme verbleibe.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Landesanwaltschaft Bayern trägt vor, dass in dem Beschluss nicht genügend berücksichtigt werde, dass es nicht um die normalen Hortkosten gehe, sondern ausschließlich um die Kosten eines lntegrationshelfers, ohne den das Kind nicht im Hort aufgenommen werden könne. Die Entscheidung, ob eine Unterbringung mit sonderpädagogischer Betreuung in einer Sondereinrichtung oder nur eine normale Betreuung im Kinderhort erfolge, habe die Mutter des Antragstellers im Rahmen ihres Erziehungsrechtes zu treffen, sofern nicht besonders hohe Kosten entstünden und die Bedarfsdeckung im wesentlichen gleich sei.
6. Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Antragsteller hat im maßgeblichen Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Denn der Senat hält es nicht für überwiegend wahrscheinlich und damit nicht für glaubhaft gemacht (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X), dass der Antragsteller einen Anspruch auf Übernahme der Kosten eines lntegrationshelfers für seine Hortbetreuung in dem beantragten Umfang (nach der Schule bis 17.00 Uhr und in den Ferienzeiten) hat.
Ein solcher Anspruch kann hier insbesondere nicht auf §§ 39, 40 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 und 8 BSHG gestützt werden. Nach § 39 Abs. 1 BSHG, zuletzt geändert durch Art. 15 Nr. 9 des Sozialgesetzbuches - Neuntes Buch - (SGB IX) Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001 (BGBl I S. 1046), ist Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Eingliederungshilfe zu gewähren, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, vor allem nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann.
a) Vorliegend ist der Antragsteller zwar - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat - dem Personenkreis des § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG zuzuordnen. Das ergibt sich aus den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und ist im Übrigen auch zwischen den Beteiligten unstreitig.
b) Auch hat der Senat erhebliche Zweifel an der den Beschluss tragenden Annahme des Verwaltungsgerichts, ein Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe sei bereits deshalb ausgeschlossen, weil die begehrte Hilfemaßnahme nicht dem Leistungskatalog des § 40 BSHG zugeordnet werden könne.
Denn zutreffend gehen die Beteiligten davon aus, dass die begehrte Leistung grundsätzlich als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung (§ 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG i.V.m. § 12 EinglhV) oder als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BSHG i.V.m. §§ 55, 58 SGB IX) eingestuft werden kann. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Leistungskatalog des § 40 Abs. 1 BSHG nicht abschließend formuliert ist (§ 40 Abs. 1 Satz 1 BSHG: "vor allem"; W. Schellhorn/H. Schellhorn, BSHG, 16. Aufl. 2002, RdNr. 6 zu § 40). Gleiches gilt im übrigen auch für § 55 SGB IX (§ 55 Abs. 2 SGB IX "insbesondere) und für § 58 SGB IX ("umfassen vor allem"). Nachdem die Leistungen der Eingliederungshilfe im Einzelfall auch nebeneinander zur Anwendung kommen können (W. Schellhorn/H. Schellhorn, a.a.O., RdNr. 6 zu § 40), hält es der Senat grundsätzlich auch nicht für ausgeschlossen, dass eine konkret zu erbringende Leistung (hier: Übernahme der Kosten für einen Integrationshelfer für den Hortbesuch), verschiedene in § 40 Abs. 1 BSHG geregelte Leistungsaspekte, d.h. sowohl die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung als auch die Hilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft beinhalten kann. Dabei verbietet sich wohl auch die offenbar von der Antragsgegnerin vertretene Sichtweise, wonach eine entsprechende Einstufung der begehrten Hilfeleistung in den Leistungskatalog des § 40 Abs. 1 BSHG bereits deshalb ausscheide, weil sie von ihrem Umfang her betrachtet über die in der sozialhilferechtlichen Literatur genannten Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben hinausgehe (so: Aktenvermerk der Antragsgegnerin vom 28.8.2002 Bl. 132 ff. (133 f.) der Beiakte II). Abzustellen ist vielmehr auf den konkreten Einzelfall und den aus Art und Schwere der Behinderung resultierenden Eingliederungsbedarf. Dabei darf nicht außer acht bleiben, dass Art und Maß der zu gewährenden Hilfe bei einem noch in der körperlich und geistigen Entwicklung befindlichen Hilfeempfänger - wie dem Antragsteller - möglicherweise intensiver ausgestaltet zu sein hat, als bei einem Behinderten, dessen Entwicklungspotential (weitgehend) ausgeschöpft ist.
Gemessen an diesen Grundsätzen hält der Senat insbesondere die Annahme für zweifelhaft, dass die begehrte Leistung nicht (auch) als Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung angesehen werden kann. In der generellen Weise - wie im Beschluss des Verwaltungsgerichts geschehen - kann das nicht ausgeschlossen werden. Das gilt um so mehr, als der Begriff der Schulbildung bei geistig behinderten Kindern - gerade auch unter Berücksichtigung des § 4 Abs. 3 SGB IX - weit zu verstehen sein wird (so: W. Schellhorn/H. Schellhorn, a.a.O., RdNr. 41 zu § 40) und gemäß § 12 Nr. 1 EinglhV alle Maßnahmen zur Ermöglichung und Erleichterung des Schulbesuchs, darunter auch den Besuch eines heilpädagogischen Kinderhortes oder die Hausaufgabenhilfe, umfasst (W. Schellhorn/H. Schellhorn, a.a.O., RdNr. 3 zu § 12 EinglhV). Damit spricht aber einiges dafür, dass die Übernahme der Kosten für einen Integrationshelfer, der gerade den Besuch eines Kinderhortes ermöglichen soll, dann als Hilfe zur angemessenen Schulbildung angesehen werden kann, wenn der Kinderhort Leistungen erbringt, die den Schulbesuch fördern, d.h. ermöglichen oder erleichtern. Nachdem hier aber, wie die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung vom 25. Oktober 2002 unbestritten vorträgt, im Kinderhort - in welchem Umfang auch immer - neben anderen Betreuungsleistungen auch eine Hausaufgabenbetreuung (Anleitung, Hilfestellung und Kontrolle der Hausaufgabenerledigung) stattfindet, kann die Bereitstellung eines Integrationshelfers auch von § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BSHG, § 12 Nr. 1 EinglhV umfasst werden. Etwas anderes kann entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht auch nicht aus dem Hinweis der Mutter des Antragstellers abgeleitet werden, dass es ihr eine Tagesstätten- anstelle der begehrten Kinderhortbetreuung unmöglich machen würde, eine Berufstätigkeit aufzunehmen. Abgesehen davon, dass sie in ihrem Antrag vom 3. August 2001 (Bl. 15 der Beiakte II) die Ermöglichung einer Berufstätigkeit nur als einen von mehreren Gründen - u.a. neben der Vermeidung der Gefahr einer Überforderung des Antragstellers bei einem (täglichen) Wechsel in die Tagesstätte - für eine Betreuung des Antragstellers im Kinderhort bezeichnet hat, hat sie sich in einem Begleitschreiben zu ihrem aktuellen Antrag vom 3. Juli 2002 ausdrücklich gegen die von der Antragsgegnerin und vom Verwaltungsgericht vorgenommene verengende Auslegung ihres früheren Antrags vom 3. August 2001 gewandt.
c) Letztlich bedarf die Frage, ob die begehrte Leistung dem Katalog des § 40 Abs. 1 BSHG zugeordnet werden kann, aber keiner abschließenden Klärung. Denn unabhängig hiervon hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass die von ihm begehrte Hilfe notwendig und geeignet ist, die Aufgaben der Eingliederungshilfe gemäß § 39 Abs. 3 BSHG zu erfüllen (vgl. dazu Fichtner, BSHG, 1. Aufl. 1999, RdNr. 1 zu § 40; Brühl in LPK-BSHG, 5. Aufl. 1998, RdNr. 32 zu § 39).
Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens allein der Antrag des Antragstellers ist, die Kosten eines lntegrationshelfers für seine Hortbetreuung nach der Schule bis 17.00 Uhr und in den Ferienzeiten zu übernehmen. Soweit in dem Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 17. Dezember 2002 nunmehr davon die Rede ist, dass abhängig von der Person des Integrationshelfers auch die Betreuung von zwei Kindern durch einen Integrationshelfer möglich sei und dass auch eine Betreuung in der Hortgruppe bis 17.00 Uhr nicht zwingend erforderlich sei, ist das für das vorliegende Beschwerdeverfahren unbeachtlich.
Hiervon ausgehend hält es der Senat nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass eine Kostenübernahme für einen Integrationshelfer zur Sicherstellung des Hortbesuchs im o.g. Umfang notwendig und geeignet ist, um die Ziele der Eingliederungshilfe zu erreichen. Ihre Notwendigkeit lässt sich insbesondere nicht aus den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen ableiten. Während sich das Attest des Kinder- und Jugendarztes Dr. S***** vom 11. September 2001 ohnehin nur auf die Feststellung beschränkt, dass der Junge ein extremes hyperaktives Verhalten zeige und psychisch entsprechend instabil sei, kommt Professorin Dr. S*****-R******* in ihrer Stellungnahme vom 25. September 2001 zwar zu dem Ergebnis, dass die Verbringung des Antragstellers in die Tagesstätte der B*****-W******-Schule aus pädagogischen Gründen nicht sinnvoll sei, weil der Antragsteller dann durch den täglichen Aufenthalt an einem dritten Ort bzw. in einer dritten sozialen Gruppe chronisch überfordert wäre. Gleichwohl gelangt der Senat aufgrund dieser Stellungnahme nicht zu der Auffassung, dass deutlich mehr für die Notwendigkeit und Geeignetheit der begehrten Hilfemaßnahme als dagegen spricht (zu diesem Maßstab für die Glaubhaftmachung: Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, RdNr. 338, S. 157). Denn die Gutachterin setzt sich in ihrer Stellungnahme insbesondere nicht mit der Tatsache auseinander, dass die Hortgruppe wesentlich größer ist (20 Kinder) als die Gruppe in der Tagesstätte (10 Kinder) und dass sie sich nicht nur aus Klassenkameraden des Antragstellers zusammensetzt. Angesichts der Tatsache, dass umgekehrt auch ein Klassenkamerad des Antragstellers die Tagesstätte besucht (vgl. Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vom 17.12.2002), relativiert sich damit der von der Gutachterin gegen die Verbringung des Antragstellers in die Tagesstätte der B*****-W******-Schule vorgebrachte grundlegende Einwand, der Antragsteller sei dann durch den täglichen Aufenthalt an einem dritten Ort bzw. in einer dritten sozialen Gruppe chronisch überfordert. Offen bleibt weiterhin auch die Frage, ob der Antragsteller bei einer täglichen Betreuung im Kinderhort im beantragten Umfang (bis jeweils 17.00 Uhr) nicht überfordert wäre - auf diese durchaus naheliegende Gefahr weist das Staatliche Schulamt in seiner Stellungnahme vom 8. August 2002 hin (Bl. 131 der Beiakte II) - und ob die vorgenannten Ziele der Eingliederungshilfe nicht auch durch eine tage- oder stundenweise Betreuung im Kinderhort oder in der Tagesstätte erreicht werden könnten. Unklar ist schließlich auch, ob die Bereitstellung eines Integrationshelfers allein für den Antragsteller notwendig ist oder ob - wie bereits in der Zeit vom 8. April 2002 bis zum 31. Juli 2002 geschehen - auch die Betreuung weiterer Kinder durch diesen Integrationshelfer möglich wäre. Zu diesen Aspekten liegen aber weder fachärztliche noch sonstige fachliche Stellungnahmen, wie z.B. Erfahrungsberichte des Kinderhortes und der Tagesstätte, vor.
2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 VwGO.
3. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Ende der Entscheidung
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