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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.08.2004
Aktenzeichen: 12 CE 04.1516
Rechtsgebiete: BSHG


Vorschriften:

BSHG § 2 Abs. 1
BSHG § 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

12 CE 04.1516

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Sozialhilfe (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 21. Mai 2004,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Werner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau

ohne mündliche Verhandlung am 12. August 2004

folgenden Beschluss:

Tenor:

I. Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Rechtsanwalt H, Obertraubling beigeordnet.

II. Unter Änderung von Nr. I des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 21. Mai 2004 wird der Antrag abgelehnt.

III. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen hat der Antragsteller zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über die Anrechnung von Mieteinnahmen bei der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt.

Der Antragsteller und sein 1982 geborener Sohn erhalten vom Antragsgegner seit 1996 Hilfe zum Lebensunterhalt. Bei der Antragstellung verschwieg der Antragsteller ein ihm zustehendes Nießbrauchsrecht an einem vermieteten Wohngrundstück in Rheinland-Pfalz. Nach Aufdeckung des Betrugs gab der Antragsteller an, die Ausübung des Nießbrauchs 1992 seinem Sohn übertragen zu haben. 1998 teilte der Antragsteller mit, dass das Nießbrauchsrecht an ihn zurückgehe. In einem Vertrag vom 5. Juli 2002 übertrug der Antragsteller seinem Sohn zum 1. August 2002 erneut die Ausübung des Nießbrauchs, der diesem bereits mit Wirkung zum 1.April 1992 durch die Mutter seines Sohnes, eine ehemals französische und nunmehr US-amerikanische Staatsbürgerin, übertragen worden sei. Gleichzeitig legte der Antragsteller im August 2002 in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Regensburg (Az. RO 8 E 02.1380) einen privatschriftlichen Vertrag vom 24. Dezember 1991 zwischen ihm und der Mutter seines Sohnes vor. In diesem Vertrag übertrug der Antragsteller die Ausübung des Nießbrauchs der Mutter seines Sohnes, der er die Rückzahlung von Darlehen in Höhe von 42.000 DM schuldete. Gleichzeitig verpflichtete sich die Mutter in dem Vertrag, dieses Recht ihrem Sohn zu übertragen, dem die Mieteinnahmen zufließen sollten. Mit rechtskräftigem Urteil vom 13. Oktober 2003 verurteilte das Landgericht Regensburg den Antragsteller, seinem Sohn einen Teil des von der Mutter gewährten Darlehens zurückzuzahlen sowie ihm bis zur vollständigen Tilgung der Zahlungsverpflichtung die Mieteinnahmen aus der Vermietung des Anwesens in Rheinland-Pfalz zu zahlen.

Auf den Eilantrag des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht Regensburg den Antragsgegner mit Beschluss vom 21. Mai 2004 verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Juli 2004 vorläufig Hilfe zum Lebensunterhalt ohne Berücksichtigung der Mieteinnahmen aus dem Anwesen in Rheinland-Pfalz zu gewähren. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus: Zwar halte es daran fest, dass nach dem Vertrag zwischen dem Antragsteller und der Mutter seines Sohnes das Nießbrauchsrecht an den Antragsteller zurückfalle, sobald das gewährte Darlehen zurückgezahlt sei. Allerdings sei - entgegen seiner früheren Auffassung -die Darlehensschuld noch nicht vollständig getilgt, so dass der Antragsteller den Nießbrauch noch nicht geltend machen könne.

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Antragsgegner gegen die Verpflichtung, die Hilfe zum Lebensunterhalt vorläufig ungekürzt zu gewähren. Zur Abwendung der Vollstreckung ist der Antragsgegner dem Beschluss des Verwaltungsgerichts nachgekommen.

Er beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 21. Mai 2004 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers abzulehnen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsteller, dem für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, hat beantragt, ihm Rechtsanwalt H beizuordnen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Der Antragsgegner hat die Einnahmen aus der Vermietung des Anwesens in Rheinland-Pfalz zu Recht als Einkommen des Antragstellers berücksichtigt.

Angesichts der gescheiterten Bemühungen des Antragstellers, die Mieteinnahmen zu verheimlichen, spricht viel dafür, dass die vom Antragsteller nach Bekanntwerden der Einnahmen vorgelegten Verträge und Erklärungen lediglich dazu dienen, die Mieteinnahmen so zu plazieren, dass seine Leistungsansprüche gegen öffentliche Träger so wenig wie möglich geschmälert werden.

Ungeachtet dieser Bedenken kann der Antragsteller auch unter Berücksichtigung der vorgelegten Verträge in der Zeit zwischen Mai und Juli 2004 auf die umstrittene Mieteinnahmen zugreifen. Der Verwaltungsgerichtshof hält an der bereits im Beschluss vom 6. Mai 2003 (Az. 12 CE 03.10) dargelegten Auslegung des Vertrages zwischen dem Antragsteller und der Mutter seines Sohnes fest. Danach dient die Überlassung des Nießbrauchs an die Darlehensgeberin, die die Mieteinnahmen dem gemeinsamen Sohn zur finanziellen Absicherung überlässt, der Tilgung des vom Antragsteller aufgenommenen Darlehens.

Die Einnahmen aus der Vermietung des Anwesens in Rheinland-Pfalz sind nach den Angaben des Antragstellers seit dem 1. April 1992 entweder auf ein Konto seines Sohnes oder auf sein eigenes Konto eingezahlt worden. Da sein Sohn mindestens bis zum Ende der Schulausbildung im Juli 2002 mit dem Antragsteller in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat, sind die Mieteinnahmen, ungeachtet der Zahlung auf ein bestimmtes Konto, für die gemeinsame Haushaltsführung verwendet worden und damit entsprechend dem Zweck des zwischen dem Antragsteller und der Mutter seines Sohnes geschlossenen Vertrags dem Sohn zugute gekommen. Dass diese Auslegung den Interessen der Beteiligten entspricht, zeigt auch die Regelung in Nr. 4 des Vertrags vom 5. Juli 2002, in der sein Sohn auf Schadenersatzansprüche gegen den Antragsteller verzichtet hat. Da ab August 2002 die Mietzahlungen ohnehin wieder dem Sohn des Antragstellers zufließen, sind alle Mieteinnahmen seit April 1992 auf die Zins- und Darlehensschuld des Antragstellers gegenüber der Mutter seines Sohnes geleistet worden.

Nach der Formel für die Tilgung von Annuitätendarlehen

K (n) = - D x qn + R x {(qn - 1) : (q - 1)} , wobei

K (n) Darlehensstand n Monate nach der Ausreichung des Darlehens

D Darlehenssumme (42 000 DM)

q 1 + monatlicher Zinssatz (1 + 0,01)

R monatliche Rate für Zins und Tilgung (550 DM ab 4/92; 676 DM ab 1/96) bedeuten, ist die mit 12% zu verzinsende Darlehensschuld in Höhe von 42 000 DM im Januar 2002 zurückgezahlt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass von den eingegangenen Mieteinnahmen ein großzügig bemessener Anteil von 10 % als Instandhaltungsrücklage abzusetzen ist, wäre das Darlehen bei Monatsraten von 495 DM bzw. 608,40 DM im Januar 2004 getilgt worden.

Damit kann der Antragsteller in der Zeit von Mai bis Juli 2004 das Nießbrauchsrecht wieder ausüben und auf die Mieteinnahmen als "bereite" Mittel zugreifen. Dem steht auch das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Regensburg nicht entgegen. Die Verurteilung des Antragstellers, die Einnahmen aus der Vermietung des Hauses in Rheinland-Pfalz an seinen Sohn zu zahlen, setzt voraus, dass diese Mieteinnahmen ihm zunächst zufließen. Damit mindern sie den sozialhilferechtlichen Bedarf des Antragstellers. Dass der Antragsteller bei Einsatz dieser Mittel für seinen Lebensunterhalt möglicherweise nicht mehr in der Lage ist, den Verpflichtungen aus dem Urteil nachzukommen, führt nicht dazu, die Mittel beim Antragsteller nicht zu berücksichtigen. Denn der in § 2 Abs. 1 BSHG festgelegte Nachrang der Sozialhilfe schließt es aus, mit Mitteln der Sozialhilfe Schulden des Antragstellers zu begleichen.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.

3. Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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