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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 23.08.2006
Aktenzeichen: 12 CE 06.1468
Rechtsgebiete: VwGO, SGB VIII, BayKiBiG, ÄndG


Vorschriften:

VwGO § 123
SGB VIII § 74
BayKiBiG Art. 5
BayKiBiG Art. 7
ÄndG § 3
Der Anspruch auf Ausübung pflichtgemäßen Ermessens bei der Entscheidung über einen Förderungsantrag nach § 74 SGB VIII kann sich wegen Art. 5 Abs. 1 BayKiBiG auf einen Förderanspruch bezüglich bestehender als bedarfsnotwendig anzuerkennender Plätze verdichten
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

12 CE 06.1468

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Förderung einer Kinderbetreuungseinrichtung (Antrag nach § 123 VwGO);

hier: Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 12. Mai 2006,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,

durch den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau als Vorsitzenden, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Traxler

ohne mündliche Verhandlung am 23. August 2006

folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Verfahren in beiden Rechtszügen gerichtskostenfrei ist.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über eine (weitere) kommunale Förderung der Kindertageseinrichtung des Antragstellers.

1. Die Regierung von Oberfranken erteilte dem Antragsteller mit Bescheid vom 7. November 1996 die Betriebserlaubnis für die Betreuung von 15 Kindern im Alter von 2 bis 12 Jahren in der Einrichtung "Rotmain-Schlümpfe e.V." - Netz für Kinder - in A. im Gebiet der Antragsgegnerin. In deren Bereich gibt es daneben den anerkannten evangelischen Kindergarten in H. und den anerkannten AWO-Kindergarten in A., beide jeweils mit zwei Gruppen und einer zulässigen Höchstzahl von 50 Ganztagsplätzen.

2. Die Einrichtung des Antragstellers wird nach der "Netz für Kinder-Richtlinie, NfKR" des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen staatlich gefördert. Der Umfang der Förderung beträgt danach bis zu 40 % der zuwendungsfähigen Sach- und Personalkosten. Die staatliche Förderung setzt eine Finanzierungsbeteiligung der örtlich zuständigen kommunalen Gebietskörperschaft in mindestens gleicher Höhe voraus.

In seiner Sitzung vom 24. September 1996 fasste der Gemeinderat der Antragsgegnerin bezüglich der Einrichtung des Antragstellers folgenden Beschluss: "Die Gemeinde Heinersreuth beteiligt sich an den Personal- und Sachkosten mit 40 % gemäß den Richtlinien der Regierung von Oberfranken. Die Zuschussgewährung erfolgt nur dann, wenn keine Konkurrenz zu den beiden Kindergärten besteht...". In den Jahren 1996 (Restjahr), 1997 und 1998 gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller jeweils 40 % der förderungsfähigen Kosten entsprechend der Richtlinie. In den Jahren 1999 bis 2001 gewährte sie dem Antragsteller lediglich Mietfreiheit inklusive Nebenkosten für die benutzten Räumlichkeiten als geldwerten Vorteil. Entsprechend niedriger fiel auch die staatliche Förderung in diesen Jahren aus. Im Jahr 2002 gewährte die Antragsgegnerin einen Zuschuss von 6.422, 28 Euro plus Mietfreiheit und in den Jahren 2003 und 2004 erneut den vollen Förderanteil von 40 % nach der Richtlinie. Für das Kalenderjahr 2005 bewilligte der Gemeinderat mit Beschluss vom 13. Mai 2005 einen Zuschuss in Höhe von 19.532,40 Euro, der die Miet- und Nebenkosten beinhaltete.

3. Mit Schreiben vom 30. November 2005 beantragte der Antragsteller eine Förderung für das Teiljahr 1. Januar bis 31. August 2006. Der 40 %ige Förderanteil der Gemeinde betrage für diesen Zeitraum 17.644,26 Euro.

Mit Schreiben vom 8. Februar 2006 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass die Gemeindekasse in den nächsten Tagen einen Abschlag von 2.000 Euro als erste Rate überweisen werde. Für zwölf Monate würden insgesamt 7.532,40 Euro bewilligt. Dies entspreche der monatlichen Miete einschließlich der Nebenkosten. Ein weiterer Zuschuss könne für das Jahr 2006 leider nicht gewährt werden.

4. Mit einem vorläufigen Zuwendungsbescheid vom 15. Februar 2006 bewilligte die Regierung von Oberfranken unter Vorbehalt der endgültigen Mittelzuweisung einen Zuschuss in Höhe von 17.644,99 Euro mit dem Hinweis, dass die staatliche Förderung eine Förderung durch die Kommune (Höhe) voraussetze.

5. Nach wiederholten Vorstellungen des Antragstellers erstellte die Antragsgegnerin eine Entscheidungshilfe für die Bedarfsplanung in den Kinderbetreuungsstätten. Für Kinder im Alter von eineinhalb bis sechs Jahren wurde ein Bedarf für 121 Kinder errechnet, unter den Schulkindern der Jahrgänge 1995 bis 2000 ein Betreuungsbedarf für 16 Kinder, was einen Bedarf für 137 Kinder ergebe. In seiner Sitzung vom 31. März 2006 beriet der Gemeinderat der Antragsgegnerin den Zuschussantrag des Antragstellers und stellte fest, dass die Gemeinde den Bedarf ermittelt habe und dass danach die bestehenden Kinderbetreuungsplätze der Kindergärten A. und H. mehr als ausreichend seien. Er fasste folgenden Beschluss: "Für die Gemeinde H. werden für die Kinderbetreuung die Einrichtungen der Kindergärten A. und H. als bedarfsnotwendig anerkannt. Eine Bezuschussung der Rotmain-Schlümpfe kann nicht erfolgen."

6. Nachdem der Antragsteller vergeblich um schriftliche Verbescheidung seines Förderantrages gebeten hatte, beantragte er beim Verwaltungsgericht Bayreuth den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt,

1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, vorläufig befristet bis zum 31. August 2006, ab dem 1. Januar 2006 für seine Kinderbetreuungseinrichtung die Anerkennung der Bedarfsnotwendigkeit im Sinne von Art. 7 Abs. 2 BayKiBiG für insgesamt 15 Plätze auszusprechen und,

2. die Antragsgegnerin zu verpflichten, für die in Ziff. 1 bezeichneten Plätze einen kommunalen Förderbetrag in Höhe von 17.644 Euro - unter Anrechnung erfolgter Abschlagszahlung - zu zahlen, hilfsweise, angemessene Abschlagszahlungen hierauf zu leisten.

Mit Beschluss vom 12. Mai 2006 verpflichtete das Verwaltungsgericht die Antragsgegnerin, an den Antragsteller vorläufig einen kommunalen Förderbetrag in Höhe von 17.644 Euro - unter Anrechnung von Abschlagszahlungen - für die Betreuung von 15 Kindern in der Einrichtung des Antragstellers (Netz für Kinder) im Zeitraum vom 1. Januar 2006 bis 31. August 2006 zu zahlen. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf Anerkennung der Bedarfsnotwendigkeit seiner Einrichtung aus Art. 7 Abs. 2, Abs. 1 i.V. mit Art. 5 Abs. 1 BayKiBiG. Die vom Gemeinderat der Antragsgegnerin getroffene Entscheidung, nur die Einrichtungen der Kindergärten, nicht aber die Einrichtung des Antragstellers als bedarfsnotwendig anzuerkennen, lasse - jedenfalls für den hier maßgeblichen Zeitraum - im Hinblick auf die Einrichtung des Antragstellers das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern und Kinder völlig außer Acht. Sämtliche Plätze in der Einrichtung des Antragstellers seien belegt. Daraus folge, dass es dem Wunsch der Eltern und Kinder entspreche, die Einrichtung des Antragstellers in Anspruch zu nehmen, obwohl es freie Plätze im evangelischen Kindergarten in H. gebe. Wenn die Antragsgegnerin vortrage, dass auch dieser Kindergarten schon seit dem Jahr 2003 bereit sei, Kinder unter drei Jahren und Schulkinder aufzunehmen, so sei aus der Tatsache, dass die Eltern trotz dieser freien Plätze ihre Kinder weiter in der Einrichtung des Antragstellers belassen, zu schließen, dass dies gerade dem Wunsch der Eltern und Kinder entspreche. Aus welchen Gründen dieser Wunsch bestehe, sei ohne Belang. Eine auf den Gemeinderatsbeschluss vom 31. März 2006 gestützte - ausstehende - Ablehnung des Antrags des Antragstellers wäre wegen eines Abwägungsfehlers oder Abwägungsausfalls rechtswidrig. Für den streitgegenständlichen Zeitraum könne somit nur eine Entscheidung dahingehend getroffen werden, dass die in der Einrichtung des Antragstellers bestehenden Plätze als bedarfsnotwendig anzuerkennen sind (Ermessensreduzierung auf Null). Aus dem Anspruch auf Anerkennung der Bedarfsnotwendigkeit folge für den Antragsteller ein Anspruch auf Förderung seiner Einrichtung. Für eine fehlende Leistungsfähigkeit habe die Antragsgegnerin nichts Substantiiertes vorgetragen. Angesichts der glaubhaften finanziellen Existenznot des Antragstellers sei ein Anordnungsgrund gegeben. Diese rechtfertige auch eine mögliche Vorwegnahme der Hauptsache durch die ausgesprochene Verpflichtung der Antragsgegnerin. Hinsichtlich des Inhalts der einstweiligen Anordnung bestehe ein gerichtlicher Ermessensspielraum. Unter den gegebenen Umständen sei es ausreichend, dem Antrag dergestalt stattzugeben, die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, den begehrten Förderbetrag auszuzahlen. Die Verpflichtung zum Erlass eines vorläufigen Anerkennungsbescheides erscheine angesichts des ohnehin zum 31. August 2006 auslaufenden maßgeblichen Zeitraums nicht erforderlich.

7. Mit ihrer Beschwerde gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts beantragt die Antragsgegnerin,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 12. Mai 2006 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers abzulehnen.

Das Verwaltungsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, in dem es ohne ihr Wissen Behördenakten beigezogen und ein offenbar darin befindliches Schreiben des Landratsamts B. in seiner Entscheidung verwertet habe, ohne ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Von den zwei vom Antragsteller gestellten Anträgen habe das Verwaltungsgericht nur einem entsprochen, so dass es den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Übrigen hätte (teilweise) abweisen müssen. Der angegriffene Beschluss nehme auch die Hauptsache unzulässig vorweg. Die Bedarfsfeststellung nach Art. 7 Abs. 1 KiBiG sei im Gesetz widersprüchlich geregelt. Einerseits verabschiede sich das neue Kindergartenrecht von einer Kopfzahl-Betrachtung und bemesse den Bedarf nach (Stunden)Kontingenten. Andererseits knüpfe Art. 7 Abs. 2 KiBiG an bestehende Plätze an, obwohl die Platz- = Kopfzahl gerade keine Aussage darüber zulasse, in welcher Weise der festgestellte Bedarf durch die vorhandenen Einrichtungen gedeckt werden könne. Eine Bedarfsfeststellung könne sich deshalb nur an den Buchungszeiten-Bedarf orientieren. Zu Unrecht habe das Verwaltungsgericht dem Wunsch- und Wahlrecht der Eltern einen hohen Stellenwert eingeräumt. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 KiBiG spreche von einer Berücksichtigung der Bedürfnisse der Eltern und Kinder. Das bedeute, dass dies ein Gesichtspunkt neben anderen sei, der Berücksichtigung finden müsse. Die Gemeinde sei nicht in der Lage, alle Wünsche der Eltern zu erfüllen. Alle drei Einrichtungen hätten zwischenzeitlich das gleiche Leistungsangebot. Auch in der Orientierung und Ausprägung unterschieden sie sich nicht nennenswert. Der Rückschluss von der Belegung sämtlicher Plätze in der Einrichtung des Antragstellers auf den Elternwunsch sei nicht zwingend. Die Entscheidung des Gemeinderats habe aber auch das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern und Kinder nicht völlig außer Acht gelassen, denn die diesbezüglichen Erhebungen seien von ihr, der Antragsgegnerin, finanziert und unterstützt worden. Es liege deshalb weder ein offenkundiger Abwägungsfehler noch ein Abwägungsausfall, geschweige denn eine Ermessensreduzierung auf Null vor.

Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegengetreten. Er verteidigt den angegriffenen Beschluss.

Die Landesanwaltschaft Bayern, die sich als Vertreter des öffentlichen Interesses am Verfahren beteiligt, hält die Beschwerde für nicht begründet.

8. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 122 Abs. 1, § 117 Abs. 1 Satz 2 VwGO analog).

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Beschwerde legt im Sinne von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO keine Gründe dar, aus denen die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben wäre. Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof prüft nur die dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).

1. Die verfahrensrechtlichen Einwände der Antragsgegnerin greifen nicht durch. Soweit sie sich auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs beruft, ist dieser Mangel in der Beschwerde behoben worden. Der Antragsgegnerin geht es vor allem um die Verwertung des Schreibens des Landratsamts B. vom 12. Januar 2006 an das Bayer. Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen. Dass ihr dieses Schreiben mittlerweile bekannt ist, lässt sich der Beschwerdebegründung vom Juni 2006 entnehmen (S. 8 Nr. 6). Sie hat sich dort auch zum Inhalt dieses Schreibens geäußert.

Soweit das Verwaltungsgericht nur zur Leistung verpflichtet, die vom Antragsteller gleichfalls beantragte Verpflichtung zur Anerkennung der Bedarfsnotwendigkeit aber im Tenor des angegriffenen Beschlusses nicht ausgesprochen hat, ist die Antragsgegnerin dadurch offensichtlich nicht beschwert. Das Verwaltungsgericht hat in den Gründen seiner Entscheidung festgestellt, dass der Antragsteller nach summarischer Prüfung einen Anspruch auf Anerkennung der Bedarfsnotwendigkeit seiner Einrichtung habe. Folglich wäre nur der Ausspruch einer Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Anerkennung der Bedarfsnotwendigkeit der Einrichtung des Antragstellers in Betracht gekommen, nicht aber, wie die Antragsgegnerin meint, eine teilweise Ablehnung im Übrigen. An der allein die Antragsgegnerin belastenden Kostenentscheidung hätte sich also auch in diesem Fall nichts geändert. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht mit dem Hinweis auf den zum 31. August 2006 ohnehin auslaufenden Förderzeitraum das Absehen von einem solchen Ausspruch auch hinreichend plausibel begründet.

2. Der Antragsteller hat in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts den erforderlichen Anordnungsgrund (s. unten unter a) und den für den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung ebenfalls erforderlichen Anordnungsanspruch (s. unten unter b) glaubhaft gemacht.

a) Zu Recht hat das Verwaltungsgericht eine finanzielle Notlage des Antragstellers wegen des Ausbleibens der erwarteten kommunalen Förderung angenommen. Der Antragsteller hat vorgetragen und das liegt auch auf der Hand, ein kleiner freigemeinnütziger Träger wie er, könne den Betrieb der Kinderbetreuungseinrichtung nur aufrecht erhalten, wenn die öffentlichen Fördergelder auch tatsächlich fließen. Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller aus freien Stücken bislang nur mit 2.000 Euro gefördert. Hinzu kommt, dass die nur vorläufig bewilligte staatliche Zuwendung eine kommunale Förderung in mindestens gleicher Höhe voraussetzt. Der Antragsteller muss also nicht nur das Ausbleiben eines Großteils der kommunalen, sondern auch der dazu akzessorischen staatlichen Förderung verkraften. Er hat, von der Antragsgegnerin unwidersprochen, hauptamtliches Fachpersonal eingestellt und damit - neben den von der Antragsgegnerin abgegoltenen Miet- und Nebenkosten - weitere und wesentliche laufende Ausgaben zu bestreiten. Größere Rücklagen hat der Antragsteller nicht. Das lässt sich bei einem kleinen Träger, wie ihm, auch ohne weiteres annehmen. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin den Antragsteller in den Jahren 2003 und 2004 voll und im Jahr 2005 mit einem Zuschuss in Höhe von 19.532,40 Euro gefördert. Der Antragsteller musste somit für den streitigen Förderzeitraum nicht mit einem kommunalen Förderausfall rechnen und entsprechende Rücklagen bilden.

b) Es ist auch überwiegend wahrscheinlich (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X), dass der Antragsteller gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf die begehrte Förderung hat. Er hat nach summarischer Prüfung gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Anerkennung der in seiner Einrichtung bestehenden erlaubten Plätze als bedarfsnotwendig. Daraus erwächst ihm auch ein Anspruch auf die begehrte Förderung.

aa) Die Anerkennung der Bedarfsnotwendigkeit durch die Gemeinde bestimmt sich im Hinblick auf den Förderzeitraum nach Art. 7 Abs. 2, Abs. 1 des am 1. August 2005 in Kraft getretenen Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes - BayKiBiG -. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Einrichtung des Antragstellers in den Geltungsbereich dieses Gesetzes fällt (Art. 1, Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 und Art. 3 Abs. 3 BayKiBiG. Nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 BayKiBiG und ÄndG (vom 8.7.2005, GVBl. S. 236) werden u.a. zum Stichtag 31. Juli 2005 bestehende Kinderbetreuungsgruppen im Sinn der Richtlinie zur Förderung von altersgemischten Kinderbetreuungsgruppen im "Netz für Kinder" bis zum 31. August 2006 nach den zum 31. Juli 2005 geltenden Vorschriften gefördert, soweit die jeweilige Fördervoraussetzungen weiterhin erfüllt werden. Die Vorschriften des Abschnitt 1 des 5. Teils BayKiBiG finden mit Ausnahme von Art. 13 Abs. 3, bei Horten zusätzlich von Art. 18, bis zum 31. August 2006 insoweit keine Anwendung. Damit gelten für die hier in Streit stehende Sicherstellung und Planung Art. 5 ff. BayKiBiG, für die Frage der Art und Weise der Förderung die bis zum 31. Juli 2005 geltenden Vorschriften.

Die Antragstellerin hat nach vorläufiger Prüfung einen Anspruch auf Anerkennung der in ihrer Einrichtung bestehenden erlaubten Plätze aus Art. 7 Abs. 2, Abs. 1 BayKiBiG. Die Antragsgegnerin hat die beantragte Entscheidung über die Bedarfsnotwendigkeit dem Antragsteller noch nicht durch Verwaltungsakt bekannt gegeben (Art. 7 Abs. 2 Satz 3 BayKiBiG), so dass dieser die notwendige Planungssicherheit nicht erhalten hat. Aufgrund des Vorbringens der Antragsgegnerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist davon auszugehen, dass es bei der Beschlusslage vom 31. März 2006 verbleiben wird. Danach sieht der Gemeinderat der Antragsgegnerin für die Einrichtung des Antragstellers keinen Bedarf und lehnt deren Bezuschussung ab, während er für die Kinderbetreuung in seinem Gebiet die Einrichtungen der Kindergärten A. und H. als bedarfsnotwendig anerkennt. Diese Entscheidung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Die Anerkennung des Bedarfs nach Art. 7 Abs. 1 BayKiBiG ist eine Prognoseentscheidung. Den Gemeinden kommt daher ein Beurteilungsspielraum zu, innerhalb dessen die Bedürfnisse der Eltern und ihrer Kinder für eine kindgerechte Bildung, Erziehung und Betreuung zu berücksichtigen sind. Die Vorschrift fasst die beiden Planungsschritte "Bedürfniserhebung" (was wünschen die Eltern von Kindern mit gewöhnlichen Aufenthalt in der Gemeinde?) und "Bedarfsfeststellung" (welche Plätze braucht man, um den Bedürfnissen der Eltern und ihrer Kinder gerecht zu werden?) zusammen zur Anerkennung des örtlichen Bedarfs durch die Gemeinde unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Eltern und ihrer Kinder. Das bedeutet, dass die erhobenen Bedürfnisse ein wichtiges Abwägungskriterium für die Entscheidung der Gemeinde über den Bedarf darstellen. Nach summarischer Prüfung hat der Gemeinderat der Antragsgegnerin bei seiner Entscheidung vom 31. März 2006 dieses Kriterium in die Abwägung nicht eingestellt, wenn eine Abwägung überhaupt stattgefunden haben sollte. Die Planungsentscheidung der Antragsgegnerin leidet damit an einem Abwägungsdefizit. Sie beruht ausweislich der Niederschrift über die Sitzung am 31. März 2006 auf dem von der Verwaltung ermittelten Bedarf und deren Feststellung, dass die bestehenden Kinderbetreuungsplätze der Kindergärten A. und H. mehr als ausreichend seien. Nach der von der Verwaltung vorgelegten Entscheidungshilfe für die Bedarfsplanung in den Kinderbetreuungsstätten war hierfür ausschlaggebend, dass diese beiden Kindergärten willens und in der Lage seien, jeweils 60 Kinder aufzunehmen und deshalb vorgeschlagen wurde, den Bedarf für die Kinderbetreuung auf je 60 Kinder festzulegen. Abgesehen davon, dass die beiden Einrichtungen nur mit einer zulässigen Höchstzahl von je 50 Ganztagesplätzen anerkannt sind, hat die Antragsgegnerin bei dieser Bestandsfeststellung ausschließlich auf die Auslastung des evangelischen Kindergartens in H. und des AWO-Kindergartens in A. abgestellt. Das Angebot an Kindertageseinrichtungen und an Tagespflege soll aber enthalten, was die Eltern und ihre Kinder brauchen. Die Bedürfnisse der Eltern und ihrer Kinder hat die Antragsgegnerin insoweit nicht erhoben. Die Belegung der bestehenden Kindertageseinrichtungen vor Ort gibt jedoch ein Abbild der lokalen Bedürfnisse. Belegte Plätze können grundsätzlich gleichgesetzt werden mit den Bedürfnissen der Eltern. In der Einrichtung des Antragstellers sind sämtliche Plätze belegt. Darüber hinaus wird die Einrichtung der Rotmain-Schlümpfe von zwei weiteren Kindern besucht. Dass ein hoher örtlicher Bedarf gerade im Ortsteil A. der Antragsgegnerin besteht, zeigt auch die Tatsache, dass der dortige Kindergarten der Arbeiterwohlfahrt mit 53 Kindergarten- und neun Schulkindern weit über das anerkannte Maß hinaus belegt ist. Diese Zahlen lassen sich aus der Entscheidungshilfe für die Bedarfsplanung in den Kinderbetreuungsstätten entnehmen und nicht nur aus dem von der Antragsgegnerin in den Blick genommenen Schreiben des Landratsamts B. vom 12. Januar 2006. Diesem dem Bedürfnis der Eltern und ihrer Kinder entsprechenden örtlichen Bedarf kann die Antragsgegnerin nicht allein mit dem Argument begegnen, der evangelische Kindergarten in H. sei nicht voll belegt und die Kinder, die die Einrichtung des Antragstellers besuchen, könnten dort untergebracht werden. Vielmehr hat die Antragsgegnerin bei der örtlichen Bedarfsfeststellung für gleichgeeignete Einrichtungen gleiche Grundsätze und Maßstäbe anzulegen. Das gebietet schon der Anspruch der Eltern auf Pluralität und das sich aus § 5 SGB VIII und Art. 7 Abs. 1 BayKiBiG ergebende Wunsch- und Wahlrecht der Eltern. Die Gemeinde muss danach die Wahlmöglichkeiten unterstützen, die die Eltern auch konkret nachfragen. Im vorliegenden Fall wird von den Eltern auch keine Vielfalt gewünscht, die die Möglichkeiten der Antragsgegnerin übersteigen würde. Mindestens notwendig sind - wenn die Eltern - wie hier - im Ortsteil A. der Antragsgegnerin - eine bestimmte Auswahl wünschen - zwei verschiedene Angebote. Dies wäre nicht mehr gegeben, wenn die Einrichtung des Antragstellers wegen der ausbleibenden Förderung den Betrieb einstellen müsste.

Der Antragsgegnerin ist zuzugeben, dass die Berücksichtigung der Bedürfnisse der Eltern und ihrer Kinder eines unter mehreren Abwägungskriterien ist. Daraus ergibt sich aber nicht zwangsläufig die Schmälerung seiner Bedeutung. Die erhobenen Bedürfnisse sind ein wichtiges Abwägungskriterium, das eben in die Abwägung des Gemeinderats der Antragsgegnerin überhaupt nicht eingestellt worden ist.

Ungeachtet des der Antragsgegnerin bei einer erneuten Entscheidung zustehenden Prognosespielraums spricht im vorliegenden Fall alles dafür, dass die 15 Plätze in der Einrichtung des Antragstellers als bedarfsnotwendig anzuerkennen sind. Bei der Entscheidung nach Art. 7 Abs. 2 BayKiBiG erfolgt ein Abgleich der in den einzelnen Einrichtungen nach dem jeweiligen Anerkennungsbescheid genehmigten Plätze mit dem nach Art. 7 Abs. 1 BayKiBiG ermittelten Bedarf. Geht man von den tatsächlichen Belegungszahlen in der Gemeinde als Mindestbedarf aus (121 Kinder bis zum 31.8.2006), so steht diesem Bedarf ein Bestand von 115 genehmigten Plätzen gegenüber. Daraus folgt, dass der tatsächliche Bedarf erst nach der Anerkennung der Plätze des Antragstellers annähernd gedeckt werden kann.

bb) Aus dem Anspruch auf Anerkennung der Bedarfsnotwendigkeit hat das Verwaltungsgericht für den Antragsteller einen Anspruch auf Förderung seiner Einrichtung gefolgert. Zu dieser Schlussfolgerung verhält sich die Beschwerdebegründung nicht. Allerdings ist auch der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, dass dem Antragsteller aus seinem Anspruch auf Anerkennung der Bedarfsnotwendigkeit ein Anspruch auf Förderung seiner Einrichtung erwächst. Aus § 74 Abs. 1 SGB VIII hat er einen Anspruch auf Förderung dem Grunde nach. Hierbei handelt es sich um eine Anspruchsgrundlage zugunsten der freien Träger, jedenfalls soweit es um die Geltendmachung einer fehlerfreien Ermessensentscheidung geht (vgl. Münder u.a., FK-SGB VIII, RdNr. 29 zu § 74, Stefan in LBK-SGB VIII, RdNr. 21 zu § 74). Dieser Anspruch des Antragstellers auf Ausübung pflichtgemäßen Ermessens bei der Entscheidung über seinen Förderungsantrag verdichtet sich hier zu einen Förderanspruch. Nach Art. 5 Abs. 1 BayKiBiG, der nach oben Gesagtem hier anzuwenden ist, sollen die Gemeinden im eigenen Wirkungskreis und in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gewährleisten, dass die nach der Bedarfsfeststellung (Art. 7 Abs. 1) notwendigen Plätze in Kindertageseinrichtungen und in Tagespflege rechtzeitig zur Verfügung stehen. Sind aber die in der Einrichtung des Antragstellers bestehenden Plätze als bedarfsnotwendig im Sinne des Art. 7 Abs. 2 BayKiBiG anzuerkennen, kann die Antragsgegnerin der ihr obliegenden Aufgabe nur durch eine entsprechende Förderung des Antragstellers nachkommen.

3. Selbst wenn mit der vom Verwaltungsgericht ausgesprochenen Verpflichtung eine Vorwegnahme der Hauptsache verbunden sein sollte, weil dem Antragsteller bei einer gegenteiligen Hauptsacheentscheidung die Rückzahlung des vorläufig gewährten Förderbetrages unmöglich sein könnte, wäre diese gerechtfertigt. Einmal handelt es sich hier um ein zeitlich gebundenes Begehren. Zum anderen wäre das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller unzumutbar (vgl. BVerwG vom 21.1.1999 NVwZ 1999, 650). Das ist dann der Fall, wenn ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen gefährdet würde (vgl. HessVGH vom 8.11.1995 NVwZ-RR 1996, 325). Das ist hier, wie oben ausgeführt, der Fall.

4. Mit der Entscheidung über die Beschwerde bedarf es der beantragten Aussetzung der Vollziehung des angegriffenen Beschlusses nicht mehr.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO. Zum Sachgebiet der Jugendhilfe gehören auch Streitigkeiten um die Förderung freier Träger von Kindergärten, Horten und anderen Einrichtungen (Eyermann/Happ, VwGO, 12. Auflage 2000, Rdnr. 7 zu § 188).

6. Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).



Ende der Entscheidung

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