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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.08.2004
Aktenzeichen: 12 ZB 04.1378
Rechtsgebiete: VwGO, BSHG
Vorschriften:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 | |
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 4 | |
BSHG § 90 Abs. 1 Satz 1 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Sozialhilfe;
hier: Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. Februar 2004,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 12. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Werner, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dhom, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Grau
ohne mündliche Verhandlung am 17. August 2004
folgenden Beschluss:
Tenor:
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe:
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist nicht begründet, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 4 VwGO nicht vorliegen.
a) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht, weil das Verwaltungsgericht die auf Aufhebung der Überleitungsanzeige des Beklagten vom 29. Juli 2002 gerichtete Klage zu Recht abgewiesen hat. Gegen die Rechtmäßigkeit dieser nach § 90 Abs. 1 Satz 1 BSHG erlassenen Überleitungsanzeige, mit der der Beklagte einen gegen die Klägerin gerichteten Anspruch ihres Vaters auf Rückforderung eines Darlehens von 10.000 DM bis zur Höhe von 9.721,73 DM auf sich übergeleitet hat, bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Zum Vorbringen der Klägerin ist ergänzend auszuführen, dass die Überleitungsanzeige vom 29. Juli 2002 nicht deshalb rechtswidrig ist, weil der übergeleitete Anspruch offensichtlich ausgeschlossen wäre. In diesem Fall könnte eine dennoch erlassene, erkennbar sinnlose Überleitungsanzeige rechtswidrig sein (sog. Negativevidenz, vgl. BVerwG vom 27.5.1993 BVerwGE 92, 281/283). Insoweit ist die Klägerin zu Unrecht der Auffassung, dass das Amtsgericht M. in seinem Urteil vom 6. Juli 2002 das Nichtbestehen des erst mit dem Bescheid vom 29. Juli 2002 übergeleiteten Anspruchs auf Rückforderung des Darlehens rechtskräftig festgestellt hat. Die materielle Rechtskraft einer Entscheidung reicht nur soweit, wie über den durch die Klage oder durch die Widerklage erhobenen Anspruch entschieden worden ist (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 61. Aufl. 2000, RdNr. 9 zu § 322). Der Beklagte hatte in dem dem Urteil des Amtsgerichts vom 6. Juni 2002 zugrunde liegenden Verfahren nur den mit seiner Anzeige vom 3. September 1999 übergeleiteten Anspruch des Vaters der Klägerin gegen diese auf Rückforderung einer Schenkung bis zur Höhe von 10.000 DM geltend gemacht. Aus diesem Grund konnte das Amtsgericht über den erst mit der weiteren Anzeige vom 29. Juli 2002 übergeleiteten Darlehensrückforderungsanspruch nicht entscheiden. Bei der Formulierung auf Seite 7 der Gründe des Amtsgerichtsurteils, dass "ein Darlehensrückzahlungsanspruch durch Konfusion in dem Moment erloschen wäre, in dem die Tochter (die Klägerin des vorliegenden Verfahrens) Erbin des Vaters geworden ist", handelt es sich deshalb nicht um einen tragenden Entscheidungsgrund, sondern nur um ein "obiter dictum". Die Rechtskraft einer Entscheidung ergreift aber grundsätzlich nicht sämtliche, sondern nur die tragenden Entscheidungsgründe (Baumbach, a.a.O., RdNr. 20 zu § 322). Die Überleitung des Darlehensrückzahlungsanspruchs durch den Bescheid vom 29. Juli 2002 ist aus diesen Gründen auch nicht ermessensfehlerhaft im Sinne des § 114 VwGO.
Eine Negativevidenz folgt auch nicht daraus, dass der vom Beklagten auf sich übergeleitete Darlehensrückzahlungsanspruch des Vaters der Klägerin durch Konfusion erloschen wäre, weil die Klägerin ihren am 7. Juli 1999 verstorbenen Vater allein beerbt hat. Im Falle einer solchen Konfusion ist grundsätzlich vom Fortbestehen der Forderung auszugehen, wenn das nach der Interessenlage etwa mit Rücksicht auf Rechte Dritter an der Forderung geboten erscheint (vgl. BGH vom 14.6.1995 NJW 1995, 2287). Das ist im vorliegenden Fall mit dem Verwaltungsgericht Ansbach anzunehmen, weil die in § 90 BSHG angesprochenen Ansprüche im Interesse des Sozialhilfeträgers mit der Möglichkeit des Übergangs auf diesen belastet sind (vgl. den zwischen denselben Beteiligten ergangenen Beschluss des Senats vom 9.12.2002 Az. 12 CS 02.2522).
b) Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO liegt ebenfalls nicht vor, weil das Urteil des Verwaltungsgerichts weder vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Mai 1993 (a.a.O.) noch von demjenigen des Bundesgerichtshofs vom 14. Juni 1995 (a.a.O.) abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass das Verwaltungsgericht ausdrücklich oder sinngemäß einen Rechts- oder Tatsachensatz aufgestellt hätte, der von einer dieser beiden höchstrichterlichen Entscheidungen abweichen würde.
2. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Ende der Entscheidung
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