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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 17.03.2005
Aktenzeichen: 15 B 01.327
Rechtsgebiete: SG, SBG, VwVfG
Vorschriften:
SG § 55 Abs. 5 | |
SBG § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 | |
SBG § 23 Abs. 1 Satz 2 | |
SBG § 23 Abs. 2 Satz 2 | |
VwVfG § 46 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Entlassung aus der Bundeswehr gemäß § 55 Abs. 5 SG
hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. September 2000,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 15. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Happ, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Ganzer, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Wünschmannn
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 15. März 2005
am 17. März 2005
folgendes Urteil:
Tenor:
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1. Der Kläger war Soldat auf Zeit mit dem Dienstgrad eines Obergefreiten. Bis zu seiner Entlassung leistete er Dienst bei der 2. Kompanie des gemischten Lazarettregiments in München. Seine festgesetzte Dienstzeit (ab 12.9.1997) sollte mit Ablauf des 11. September 1999 enden.
Mit Verfügung vom 11. März 1998 verhängte der Regimentskommandeur seiner Einheit nach Anhörung des Klägers und der Vertrauensperson nach § 27 SBG gegen den Kläger einen Disziplinarbuße in Höhe von 500 DM, weil er zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im November 1997 auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr nach Dienstende zweimal an einer Haschischzigarette gezogen hatte. Der Kläger verzichtete auf sein Beschwerderecht gegen die Disziplinarmaßnahme.
Mit Bescheid vom 26. März 1998, dem Kläger ausgehändigt am 3. April 1998, entließ der Kommandeur des Heeresunterstützungskommandos den Kläger nach Anhörung gemäß § 55 Abs. 5 SG fristlos aus der Bundeswehr. Das Bundesministerium der Verteidigung wies die dagegen eingelegte Beschwerde mit Beschwerdebescheid vom 18. Mai 1998 zurück und ordnete die sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung an. Die zum Verwaltungsgericht Regensburg erhobene, von dort an das Verwaltungsgericht München verwiesene Klage wurde mit Urteil vom 26. September 2000 zurückgewiesen. Der Senat macht sich die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang zu Eigen und nimmt Bezug auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils.
2. Zur Begründung der mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 2. April 2001 zugelassenen Berufung wird im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Zwar habe der Kläger unstreitig im November 1997 auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr zweimal an einer ihm vom Obergefreiten S. angebotenen Haschischzigarette gezogen und dadurch seine Dienstpflichten zum Gehorsam (§ 11 SG) und zum treuen Dienen (§ 7 SG) verletzt. Die weiteren Voraussetzungen für eine fristlose Entlassung seien jedoch nicht erfüllt. Durch die begangenen Dienstpflichtverletzungen werde weder die militärische Ordnung noch das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet. Weitere vergleichbare Dienstpflichtverletzungen seien nicht zu befürchten. Bislang sei beim Kläger keinerlei Disziplinlosigkeit oder charakterliche Labilität festgestellt worden. Der einmalige Konsum in Form von zwei Zügen aus einer ihm gereichten Haschischzigarette reichten nicht aus für die Annahme, der Kläger werde auch in Zukunft weiter Haschisch rauchen. Er sei lediglich "verführt" worden, an der Zigarette zu ziehen, was er möglicherweise aus falsch verstandener Kameradschaft getan habe. Auf eine Neigung zur Disziplinlosigkeit könne daraus nicht geschlossen werden. Einen weiteren Konsum von Haschisch habe der Kläger abgelehnt. Das Verhalten des Klägers könne auch nicht als Teilstück einer allgemeinen Disziplinlosigkeit in der Truppe bezeichnet werden. Die militärische Ordnung könnte allenfalls dann gefährdet sein, wenn der Rauschmittelkonsum um sich griffe, insbesondere der Kläger hierzu beitrage. Das sei nicht der Fall. Das zweimalige Ziehen an einer Haschischzigarette führe mit Sicherheit nicht zu einer gesundheitlichen Gefährdung. Auch durch das gelegentliche Nachahmen eines solchen Verhaltens durch andere Soldaten würde die Einsatzbereitschaft und Verteidigungsfähigkeit der Einheit und insgesamt der Bundeswehr nicht ernstlich gefährdet. Die verhängte Disziplinarmaßnahme habe - als mittleres Mittel - ausgereicht, um die Disziplinierung des Klägers zu erreichen und eine Schädigung des Ansehens der Bundeswehr zu verhindern. In vergleichbaren Fällen werde durch ein Truppendienstgericht nicht auf eine Entfernung aus dem Dienst erkannt, obwohl auch im Bereich der WDO auf General- und Spezialprävention abgestellt werde. Auch würden Soldaten nach einer Dienstzeit von mehr als vier Jahren selbst bei mehrfachem Rauschmittelkonsum nur mit einem Beförderungsverbot belegt. Schließlich sei auch die nach § 23 Abs. 1 SBG zwingend vorgeschriebene Anhörung der Vertrauensperson unterlassen worden. Die Behauptung der Beklagten, der Kläger wäre in jedem Fall entlassen worden, entbehre jeglicher Grundlage.
Der Kläger beantragt:
1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 26. September 2000 wird aufgehoben.
2. Der Bescheid der Bekalgten vom 26. März 1998 in Gestalt des Beschwerdebescheides des Bundesministeriums der Verteidigung vom 18. Mai 1998 wird aufgehoben.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Behauptung des Klägers, die militärische Ordnung sei nicht gefährdet, weil von ihm keine Wiederholungsgefahr ausgehe, sei zu widersprechen. Zum einen sei die Hemmschwelle für einen erneuten Haschischkonsum künftig geringer. Zum anderen werde die militärische Ordnung nicht nur durch Wiederholungsgefahr beim Soldaten selbst gefährdet, sondern auch durch dessen negatives Beispiel für das Verhalten anderer Soldaten. Bei den Dienstpflichtverletzungen des Klägers handle es sich um das typische Teilstück einer als allgemeine Erscheinung auftretenden Neigung zur Disziplinlosigkeit. Es sei eine bekannte Tatsache, dass der Betäubungsmittelmissbrauch trotz aller Verbotsvorschriften auch bei der Bundeswehr zur Verbreitung tendiere, und die Aufklärungswahrscheinlichkeit relativ gering sei. Im Falle des Absehens von einer fristlosen Entlassung könnten andere Soldaten wegen der fehlenden Abschreckung eher geneigt sein, Betäubungsmittel zu konsumieren. Dem sei mit aller Härte und Entschiedenheit entgegenzutreten. Die ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung durch das Ausbreiten des Betäubungsmittelmissbrauchs könne im Interesse der Einsatzbereitschaft der Streitkräfte nicht hingenommen werden. Wegen ihrer Altersstruktur und der Gegebenheiten des Dienstes sei die Bundeswehr für Betäubungsmittelmissbrauch besonders anfällig. Gleichzeitig seien Betäubungsmitteldelikte dort auch besonders schwer zu bekämpfen und die Folgen besonders gravierend. Die Beklagte habe daher ein erhebliches Interesse daran, solche Dienstvergehen schon im Keim zu ersticken und Zeitsoldaten, die eigentlich Vorbilder für andere Soldaten sein sollten, danach nicht im Dienst zu belassen. Durch seinen Betäubungsmittelkonsum habe der Kläger die Achtung und das Vertrauen seiner Vorgesetzten und Kameraden in seine Person unheilbar zerstört. Dem könne nicht allein durch eine Disziplinarmaßnahme entgegengetreten werden. Als Soldat auf Zeit gehöre der Kläger zu den Soldaten, die zusammen mit den Berufssoldaten das Charakterbild der Bundeswehr entscheidend prägten. Vom Soldaten auf Zeit werde Disziplin, vor allem Gehorsam und Beachtung der elementarsten soldatischen Pflichten in höherem Maße erwartet als von Wehrpflichtigen. Der Vergleich mit Soldaten auf Zeit, die länger als vier Jahre Dienst leisteten, trage nicht. Dabei werde die unterschiedliche Zweckrichtung der fristlosen Entlassung und von Maßnahmen nach der WDO verkannt; der Schutz dieser Soldaten sei vom Gesetzgeber bewusst stärker ausgebildet worden. Ein Verbleiben des Klägers in der Bundeswehr würde auch das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden. Hierfür reiche die Verhängung auch einer hohen Disziplinarbuße nicht aus. Eine Gefahr für das Ansehen der Bundeswehr könne sowohl von außen (Achtungsverlust bei den Bürgern) wie auch von innen (Verringerung der Bindung und Beeinträchtigung der Einsatzfähigkeit) entstehen. Die unterbliebene Anhörung der Vertrauensperson nach § 23 Abs. 1 SBG führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Entlassungsverfügung. Der Verfahrensmangel sei wegen § 46 VwVfG unbeachtlich und könne im übrigen auch noch in der Berufungsinstanz geheilt werden.
Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses hält die Berufung für unbegründet.
Der Verfahrensmangel der unterbliebenen Anhörung der Vertrauensperson sei unbeachtlich. Die Entlassungsverfügung sei offensichtlich rechtmäßig. Die konkreten Umstände auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr belegten zweifelsfrei die Notwendigkeit der getroffenen Maßnahme. Insbesondere gelte es zu verhindern, dass der Rauschmittelkonsum von den Soldaten als unbedeutende Verletzung von Dienstpflichten angesehen werde. Auf die anders geartete Ahndung von Dienstpflichtverletzungen länger dienender Soldaten könne sich der Kläger nicht berufen. Wollte man sich der Rechtsauffassung des Klägers anschließen, würde - wenn auch in geringem Umfang -dem Betäubungsmittelmissbrauch in der Bundeswehr die Tür geöffnet werden.
3. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Heeresunterstützungskommandos vom 26. März 1998 in der Gestalt des Beschwerdebescheides des Bundesministeriums der Verteidigung vom 18. Mai 1998 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die fristlose Entlassung des Klägers sind erfüllt.
Nach § 55 Abs. 5 SG kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde.
Aufgrund der Sachverhaltsfeststellungen in der bestandskräftigen Disziplinarmaßnahme vom 11. März 1998 und seiner eigenen Einlassung anlässlich seiner Vernehmung vom 20. Januar 1998 steht fest, dass der Kläger zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im November 1997 während eines Aufenthalts auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr nach Dienstende im Feldbiwak gemeinsam mit Kameraden seiner Einheit Haschisch (Cannabis) konsumiert hat, indem er zweimal an einer in der Gruppe herumgereichten, vom Obergefreiten S. mitgebrachten Haschischzigarette gezogen hat.
a) Es kann offen bleiben, ob der Kläger aufgrund des festgestellten und von ihm selbst eingeräumten Sachverhalts seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG) verletzt hat.
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung (Urteil vom 13.12.1990 BVerwGE 93, 3 und vom 10.8.1994 BVerwGE 103, 148) die Auffassung vertreten, ein Soldat verletze auch bei einmaligem Haschischkonsum keine Kernpflicht zur gewissenhafter Diensterfüllung, weil er "wegen der nicht vorhersehbaren und damit nicht berechenbaren Auswirkungen des Konsums der Cannabis-Droge" seine dienstliche Einsatzbereitschaft in Frage stelle. Ob sich diese Rechtsprechung aufrecht erhalten lässt, erscheint mit Blick auf neuere wissenschaftliche Erkenntnisse über die Wirkungen des einmaligen und geringfügigen Haschischkonsums nicht zweifelsfrei (vgl. hierzu OVG NW vom 26.8.1999 Az. 12 A 2849/96, AU S. 18 f., in juris, unter Auswertung eines Sachverständigengutachtens). Dass sich die von Cannabisprodukten ausgehenden Gesundheitsgefahren und Auswirkungen bei mäßigem oder gelegentlichem Genuß geringer darstellen, als der Gesetzgeber des Betäubungsmittelgesetzes 1971 und 1981 angenommen hat, wird auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Strafbarkeit des Umgangs mit Cannabisprodukten (Beschluss vom 9.3.1994 BVerfGE 90, 145/178 bis 181) mit den dort ausgewerteten wissenschaftlichen Erkenntnissen herausgestellt. Gegen eine Überbewertung der Auswirkungen einmaligen Haschischkonsums könnte ferner sprechen, dass nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung (-FeV - vom 18.8.1998, BGBl I S. 2214, geändert durch Verordnung vom 25.2.2000, BGBl I S. 141) selbst die gelegentliche Einnahme von Cannabis die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen (§ 11 ff EV) nicht generell entfallen lässt, ein Mangel i.S. des § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV als Voraussetzung für die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FeV) damit nicht vorliegt.
b) Ebenfalls hat der Kläger auch durch sein einmaliges Konsumieren von Haschisch gegen das Gebot des § 17 Abs. 2 Satz 1 SG verstoßen, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erfordern.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 15.3.2000 NVwZ 2000, 1186 m.w.N.; die Rechtsprechung d. VGH im Beschluss vom 31.1.2000 NVwZ 2000, 1203 lässt sich damit nicht mehr aufrechterhalten) verlangt dieses Gebot, dass sich der Soldat jeglichen Rauschgiftkonsums enthält. Für die Pflichtwürdigkeit nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG kommt es daher nicht darauf an, ob der Soldat das Rauschgift einmal oder wiederholt konsumiert hat und ob er es sich auf dem Drogenmarkt beschafft hat oder es ihm von einem anderen Soldaten geschenkt worden ist (vgl. hierzu auch Scherer/Alff, SG, 7. Aufl. 2003, RdNr. 23 zu § 55). Unerheblich ist ferner, ob es sich um einen schweren oder leichten Fall einer Dienstpflichtverletzung handelt und ob verschärfende oder mildernde Umstände hinzutreten (vgl. BVerwG vom 24.9.1992 BVerwGE 91, 62).
Der Kläger kann sich damit nicht darauf berufen, er sei zum Haschischkonsum "verführt" worden, oder darauf, er habe aus "falsch verstandener Kameradschaft" an der Haschischzigarette gezogen. Auch eine veränderte Einschätzung der Folgen eines einmaligen Cannabisgenusses auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit des Konsumenten aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse vermag an der Unvereinbarkeit auch eines einmaligen Konsums mit der Verpflichtung des Soldaten auf § 17 Abs. 2 Satz 1 SG nichts zu ändern (vgl. BVerwG vom 15.3.2000 a.a.O.).
c) Keiner Vertiefung bedarf, dass der Kläger seine Dienstpflicht (en) schuldhaft verletzt hat; denn bei seiner Vernehmung im Disziplinarverfahren am 27. Januar 1998 hat er eingeräumt, dass ihm die Konsequenzen des Haschischkonsums bewusst waren, nachdem er über sie belehrt worden war.
d) Das Verbleiben des Klägers in seinem Dienstverhältnis würde die militärische Ordnung ernstlich gefährden, auch wenn eine konkrete Gefahr der Wiederholung vergleichbarer Dienstpflichtverletzungen bei ihm nicht besteht.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 15.3.2000 a.a.O., und vom 24.9.1992 a.a.O.) gefährdet auch einmaliger Haschischkonsum eines Soldaten ernstlich die militärische Ordnung. Dabei kommt es nicht allein darauf an, dass der Rauschgiftkonsum eines Einzelnen möglicherweise noch nicht die Einsatzfähigkeit der Truppe beeinträchtigt; vielmehr ist darauf abzustellen, dass die militärische Ordnung gefährdet ist, wenn der Rauschgiftkonsum um sich greift. Entscheidend ist die Gefahr, die der Verteidigungsbereitschaft jeder einzelnen Einheit und der Bundeswehr im ganzen droht, wenn vielfach von Soldaten Rauschgift konsumiert wird.
Dass der Rauschgiftkonsum in der Truppe verbreitet ist, belegen zum einen die unbestrittenen Angaben des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung des Senats, wonach die Bundeswehr in den vergangenen Jahren regelmäßig mit etwa 1.500 besonderen Vorkommnissen des Betäubungsmittelmissbrauchs pro Jahr konfrontiert gewesen sei, die auch regelmäßig in den Berichten des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages angesprochen würden. Hinzu kommt, dass nach den Feststellungen im Drogen- und Suchtbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vom April 2004 (S. 60) die Cannabis-Lebenszeiterfahrung in der Gruppe der jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 24 Jahren am weitesten verbreitet ist (42,7 %; zwölf Monate: 21,6 %). Aus der Kenntnis heraus, dass sich in den Streitkräften durch die hohe Fluktuation des Personals dieses gesamtgesellschaftliche Problem abbildet, nimmt die Bundeswehr das Problem trotz Erfolges in der Suchtprävention weiterhin ernst (a.a.O., S. 74).
Ohne Erfolg rügt der Kläger, die fristlose Entlassung sei unverhältnismäßig, die verhängte Disziplinarmaßnahme hätte als milderes Mittel zur Ahndung der Dienstpflichtverletzung ausgereicht. § 55 Abs. 5 SG, der allein dem Schutz der Bundeswehr dient, setzt eine ernstliche Gefahr voraus; insoweit entscheidet das Gesetz selbst die Frage der Angemessenheit des Eingriffs im Verhältnis zum erstrebten Zweck. Für zusätzliche Erwägungen zur Frage der Verhältnismäßigkeit ist damit grundsätzlich kein Raum (vgl. BVerwG vom 22.4.1969 BVerwGE 59, 361). Es liegt auch kein Ausnahmefall vor, in dem eine Disziplinarmaßnahme als milderes Mittel ausreichen kann, ohne dass eine ernstliche Gefahr für die militärische Ordnung bestünde. Das kann nur in Fällen angenommen werden, in denen eine Wiederholungsgefahr typischerweise nicht besteht und die Dienstpflichtverletzung nicht Teilstück eines als allgemeine Erscheinung auftretende Neigung zu Disziplinlosigkeit zu werten ist (vgl. BVerwG vom 24.9.1992 OVG NW vom 26.8.1999 Az. 12 A 2849/96 a.a.O.). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben.
Aus den Niederschriften über die Vernehmung der Obergefreiten S. und H. jeweils vom 20. Januar 1998 ergibt sich, dass an der betreffenden Haschischrunde mehrere Soldaten der Kompanie des Klägers beteiligt waren, ferner, dass die beiden vernommenen Soldaten mehrfach innerhalb der Kaserne und auch innerhalb der Dienstzeit Haschisch konsumierten und schließlich, dass einer der beteiligten Soldaten mehrfach Haschisch im Bereich der Kaserne verteilt und einmal sogar Haschisch verkauft hat. Diese erkennbar gewordenen Gesamtumstände rechtfertigen die Prognose der Beklagten, das Verhalten des Klägers und anderer Teilnehmer der Haschischrunde werde bei anderen Soldaten und anderen Anlässen vielfach Nachahmer finden. Angesichts des Nachahmungseffekts einerseits und der relativ geringen Aufklärungshäufigkeit andererseits kann daher nicht beanstandet werden, wenn die Bundeswehr dem Drogenmissbrauch, sei er auch nur einmalig und ohne konkrete Wiederholungsgefahr, mit Härte und Entschiedenheit entgegentritt.
Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme kann ferner nicht mit der Begründung in Frage gestellt werden, dass Soldaten nach einer Dienstzeit von mehr als vier Jahren selbst bei mehrfachem Rauschgiftkonsum disziplinarrechtlich nur mit einem Beförderungsverbot (§ 56 WDO) belegt würden. Die Sanktionen von Dienstpflichtverletzungen durch disziplinargerichtliche Verfahren und durch Maßnahmen nach § 55 Abs. 5 SG unterscheiden sich nach Voraussetzungen und Zielen grundlegend (vgl. BVerwG vom 22.4.1969 BVerwGE 59, 361). Der stärkere Schutz des länger dienenden Soldaten erklärt sich insbesondere daraus, dass der Soldat mit einer Dienstzeit bis zu vier Jahren noch keine gesicherte Rechtstellung erlangt und noch keine oder nur geringe Versorgungsanwartschaften erreicht hat. Eine unterschiedliche Ahndungsmöglichkeit sachgleichen Fehlverhaltens in Anknüpfung an den erlangten Status sieht im übrigen auch das Beamtenrecht in § 31 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 BBG vor.
Zu Recht hat die Beklagte im angefochtenen Bescheid auch darauf abgestellt, dass gerade das Verbleiben des Klägers in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung ernstlich gefährden würde. Als Soldat auf Zeit gehört der Kläger zu den Soldaten, die zusammen mit den Berufssoldaten das Erscheinungsbild der Bundeswehr prägen. Von Soldaten auf Zeit wird mehr Loyalität erwartet als vom Soldaten, der aufgrund der Wehrpflicht dient (vgl. hierzu BVerwG vom 22.4.1969 BVerwGE 59, 361).
e) Ein Verbleiben des Klägers in seinem Dienstverhältnis hätte - daneben - auch das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet.
Bei dem Ansehen der Bundeswehr handelt es sich um den guten Ruf der Streitkräfte oder einzelner Truppenteile bei außenstehenden Personen, namentlich in der Öffentlichkeit, und zwar aus der Sicht eines den jeweiligen Lebensverhältnissen gegenüber aufgeschlossenen, objektiv wertenden Betrachters (vgl. Scherer/Alff, a.a.O., RdNr. 22 zu § 55 SG). Die so gekennzeichnete Öffentlichkeit stellt zu Recht hohe Anforderungen an die Integrität der Bundeswehr als einer Wehrpflichtarmee. Dieses Vertrauen wäre irreparabel zerstört, wenn der Anschein entstünde, die Bundeswehr dulde in ihren Reihen den Genuss von Rauschmitteln und würde so mit dazu beitragen, dass bei der Bundeswehr Beschäftigte gerade dort erstmals mit verbotenen Drogen, wie z.B. Haschisch, konfrontiert werden (vgl. hierzu OVG NW vom 26.8.1999 Az. 12 A 2849/96, und OVG RP vom 23.11.1992 NVwZ 1993, 257). Die (teilweise) Akzeptanz des Cannabisgenusses in der Gesellschaft ändert daran nichts. Würde die Bundeswehr nicht mit Entschiedenheit gegen jeden Cannabisgenuss einschreiten, würde das Fehlverhalten der Soldaten zu negativen Rückschlüssen auf die Qualität der Soldaten und der allgemeinen militärischen Disziplin in der Bundeswehr führen. Würde mit dieser Handlungsweise die Institution der Bundeswehr als solche getroffen, wäre ihr Ansehen ernsthaft gefährdet.
2. Die fristlose Entlassung des Klägers ist nicht wegen der unterbliebenen Anhörung der Vertrauensperson fehlerhaft.
a) Allerdings leidet die Entlassungsverfügung an einem Ermessensfehler.
Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Soldatenbeteiligungsgesetzes (- SBG - vom 16.1.1991 BGBl I S. 47, i.d.F. des ersten Änderungsgesetzes vom 20.2.1997 BGBl I S. 298) soll die Vertrauensperson durch den nächsten Disziplinarvorgesetzten auf Antrag des Soldaten angehört werden, wenn beabsichtigt ist, das Dienstverhältnis vorzeitig zu beenden, soweit das Soldatengesetz einen Ermessensspielraum einräumt. Hierzu gehört die hier angefochtene Personalmaßnahme nach § 55 Abs. 5 SG. Das Ergebnis der Anhörung ist in die Personalentscheidung einzubeziehen (§ 22 Abs. 2 Satz 2 SBG). Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SBG ist der Soldat über die Möglichkeit der Beteiligung der Vertrauensperson schriftlich zu belehren. Durch ihre vornehmliche Aufgabe als Mittler zwischen dem Disziplinarvorgesetzten und dem Soldaten, dessen Interessen sie unmittelbar persönlich erfährt und vertritt, kommt der Einrichtung der Vertrauensperson in den Streitkräften eine herausgehobene Bedeutung im Rahmen der Konzeption der Inneren Führung zu (vgl. ABegr zum SBG BTDrs. 11/7223 S. 16). Die Ausgestaltung des § 23 Abs. 1 SBG als Sollvorschrift bedeutet, dass die Vertrauensperson im Regelfall angehört werden muss (vgl. - zu § 28 Abs. 6 WDO - BVerwG vom 8.4.1986 NZWehrR 1986, 249). Die Anhörung der Vertrauensperson dient nicht dazu, zur Feststellung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 55 Abs. 5 SG beizutragen. Sie ist im Entlassungsverfahren geboten, um sicherzustellen, dass der Disziplinarvorgesetzte durch einen unvoreingenommenen Dritten Hinweise insbesondere zur persönlichen Situation des Soldaten erfährt und diese gegebenenfalls bei seinen Ermessenserwägungen berücksichtigen kann. Unterbleibt die Anhörung der Vertrauensperson, ist die fristlose Entlassung des Soldaten auf Zeit zwar nicht unwirksam; sie leidet aber an einem Ermessensfehler, da der Vorgesetzte entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung das Ergebnis der Anhörung nicht in seine Ermessenserwägungen einbeziehen konnte. Allerdings hat der Gesetzgeber materiellrechtliche Folgen des Verstoßes nicht festgelegt. Teilweise wird die Auffassung vertreten, der Verfahrensmangel sei nicht heilbar, die rechtswidrige Entlassungsverfügung unterliege auf Rechtsbehelf des Soldaten der Aufhebung (vgl. VG Mainz vom 3.11.2000 NZWehrR 2001, 82; Stauf in: Das Deutsche Bundesrecht, Staats- und Verwaltungsrecht Stand November 2003, IP 20 S. 115). Dem kann nicht gefolgt werden. Der Senat schließt sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 27.1.1998 DokBer B 1998, 116; vgl. ferner - zu § 25 Abs. 2 SchwbG - Urteil vom 15.2.1990 BVerwGE 86, 244/255 f.) an, wonach ausnahmsweise das Unterlassen der Einbeziehung des Anhörungsergebnisses in die Ermessenserwägungen die Personalentscheidung dann nicht rechtsfehlerhaft machen kann, wenn - in Anwendung des in § 46 VwVfG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedankens - ausgeschlossen werden kann, dass sie diese zugunsten des Betroffenen hätte beeinflussen können.
Im streitgegenständlichen Entlassungsverfahren war die Anhörung der Vertrauensperson möglich, jedoch - aus welchen Gründen auch immer - unterlassen worden. Auf den fehlenden Antrag des Klägers auf Anhörung der Vertrauensperson hat sich die Beklagte aus guten Gründen nicht berufen; denn sie hat es - ausweislich des fehlenden Nachweises in der Stammakte - versäumt, entsprechend ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SBG den Kläger über die Möglichkeit der Beteiligung der Vertrauensperson schriftlich zu belehren. Zwar ist die Vertrauensperson im Disziplinarverfahren nach § 27 Abs. 1 SBG gehört worden. Diese Anhörung dient jedoch einem anderen Zweck (vgl. hierzu BVerwG vom 8.4.1986 a.a.O.) und kann schon deshalb eine Anhörung im Fall des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SBG nicht ersetzen. Die vorgeschriebene Anhörung ist auch nicht bis zur Bekanntgabe des Beschwerdebescheids mit heilender Wirkung nachgeholt worden (vgl. § 45 Abs. 2 VwVfG a.F.).
Nach Sachlage kann jedoch eine positive Beeinflussung der Personalentscheidung durch die Vertrauensperson ausgeschlossen werden. Der Vertreter der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung des Senats eindeutig zum Ausdruck gebracht, die Bundeswehr habe ihr Ermessen dahingehend gebunden, dass sie dem Drogenkonsum mit aller Entschiedenheit entgegentritt und auch einmaligen Haschischkonsum zum Anlass nimmt, den betroffenen Soldaten fristlos aus der Bundeswehr zu entlassen. Ob der Dienstvorgesetzte bei pflichtgemäßer Ermessensausübung davon abzusehen hätte, wenn der Soldat schwerwiegende persönliche Gründe glaubhaft macht, kann offen bleiben. Denn der Kläger hat persönliche Belange, die die Ermessensentscheidung über die fristlose Entlassung beeinflussen könnten, weder bei seiner Anhörung im Entlassungsverfahren und im Disziplinarverfahren noch bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens (oder später) geltend gemacht, obwohl hierzu Gelegenheit bestand. Die Vertrauensperson konnte daher auf keine besonderen Gründe in der Person des Klägers hinweisen, die in die Ermessensentscheidung hätte einbezogen werden können. Damit bleibt der Mangel der unterbliebenen Anhörung unbeachtlich.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
4. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.250 Euro festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 Abs. 1 GKG i.d.F. der Bekanntmachung vom 15.12.1975 BGBl I S. 3047, § 72 Nr. 1 GKG i.d.F. des KostRMG vom 5.5.2004 BGBl I S. 718).
Ende der Entscheidung
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