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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 31.07.2006
Aktenzeichen: 15 B 05.3302
Rechtsgebiete: SVG


Vorschriften:

SVG § 53 Abs. 1 Satz 1
SVG § 53 Abs. 5 Satz 1
Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SVG (§ 53 Abs. 1 BeamtVG) ruhen die Versorgungsbezüge nur wegen solcher Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes, die ursächlich darauf zurückzuführen sind, dass der Soldat vor der Vollendung seines 65. Lebensjahres von seiner Dienstpflicht freigestellt ist.
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes

15 B 05.3302

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Rückforderung von Versorgungsbezügen;

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 25. Oktober 2005,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 15. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Happ, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Wünschmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Herrmann

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 25. Juli 2006

am 31. Juli 2006

folgendes Urteil:

Tenor:

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 25. Oktober 2005 werden der Bescheid der Wehrbereichsverwaltungs Süd vom 7. Januar 2004 und deren Widerspruchsbescheid vom 25. März 2005 aufgehoben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch den Kläger war notwendig.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 v. H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1. Die Beteiligten streiten darüber, was unter die "Einkünfte aus selbständiger Arbeit" im Sinn der Ruhensregelung des § 53 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 SVG fällt.

Der am 6. Mai 1940 geborene Kläger wurde als Berufssoldat (letzter Dienstgrad: Oberstarzt) mit Ablauf des 30. September 2000 in den Ruhestand versetzt. Mit Bescheid vom 7. Januar 2004 stellte die Wehrbereichsverwaltung Süd fest, dass die Versorgungsbezüge des Klägers ab 1. Januar 2001 gemäß § 53 SVG ruhen. Zur Begründung verwies die Behörde auf den vom Kläger vorgelegten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001, dem zufolge der Kläger aus selbständiger Tätigkeit Einkünfte i. H. v. 118.583 DM hatte. Den Widerspruch des Klägers hat die Wehrbereichsverwaltung Süd mit Widerspruchsbescheid vom 25. März 2004 zurückgewiesen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 25. Oktober 2005 abgewiesen. Der Senat macht sich die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu Eigen und nimmt auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils Bezug (§ 130 b Satz 1 VwGO).

2. Der Kläger hat gegen das Urteil Berufung eingelegt und lässt zur Begründung vortragen:

Das "Erwerbseinkommen" im Sinn des § 53 Abs. 5 SVG sei nicht völlig identisch mit den einkommensteuerrechtlich nach § 2 EStG bestimmten Einkünften. Unter Berücksichtigung des Alimentationsprinzips und des Zwecks der Ruhensregelung sei der Begriff "Erwerbseinkommen" dahin auszulegen, dass nur solche einkommensteuerrechtlich relevanten Einkünfte zu berücksichtigen seien, die zu einem tatsächlichen Einkommenszufluss beim Ruhestandsbeamten geführt hätten. Das sei bei den von der Wehrbereichsverwaltung auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2001 berücksichtigten Einkünften (118.583 DM) insoweit nicht der Fall, als darin enthalten seien: Die Auflösung einer in den Jahren 1999 und 2000 steuermindernd berücksichtigten Ansparabschreibung nach § 7 g Abs. 4 Satz 2 EStG (112.000 DM) und eine Rückerstattung von überzahlten Sachkosten (73.918 DM), die der Kläger im Jahr 2000 wegen seiner (privatärztlichen Neben-)Tätigkeit am Bundeswehrkrankenhaus Ulm entrichtet habe.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 25. Oktober 2005 den Bescheid der Wehrbereichsverwaltungs Süd vom 7. Januar 2004 und deren Widerspruchsbescheid vom 25. März 2004 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat sich im Berufungsverfahren schriftsätzlich nicht geäußert.

3. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid der Wehrbereichsverwaltung Süd vom 7. Januar 2004 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 25. März 2004 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, weil die Ruhensberechnung die im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2001 zugrunde gelegten Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu Unrecht in voller Höhe als Erwerbseinkommen berücksichtigt. Die Bescheide waren daher aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Bezieht ein Versorgungsberechtigter Erwerbseinkommen, erhält er daneben nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SVG seine Versorgungsbezüge nur bis zum Erreichen einer im einzelnen bestimmten Höchstgrenze, wobei mindestens ein Betrag in Höhe von zwanzig vom Hundert der Versorgungsbezüge zu belassen ist (§ 53 Abs. 1 Satz 2 SVG). Zum Erwerbseinkommen im Sinn dieser Vorschrift zählen nach § 53 Abs. 5 Satz 1 SVG Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einschließlich Abfindungen, aus selbständiger Arbeit sowie aus Gewerbebetrieb und aus Land- und Forstwirtschaft. Die Bezugnahme auf einzelne Einkunftsarten des § 2 EStG erlaubt es nicht, für die Feststellung des tatsächlich erzielten Erwerbseinkommens unbesehen auf den maßgeblichen Einkommensteuerbescheid abzustellen. Sie bedeutet lediglich, dass bezüglich der Abgrenzung zwischen den Einkunftsarten auf das Steuerrecht zurückgegriffen werden darf. Im Übrigen aber gilt für das Soldaten-/Beamtenversorgungsrecht ein eigenständiger Einkommensbegriff, der vorrangig nach den für die Anrechnung von Einkünften auf die Versorgungsbezüge geltenden allgemeinen Grundsätzen zu bestimmen ist (vgl. BVerwG vom 24.10.1984 BVerwGE 70, 211/215; Bayer in Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG/BeamtVG, RdNr. 29 zu § 53 BeamtVG; Schmalhofer in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsgesetz, Erl. 5 a und 13 a Nr. 1 zu § 53). Von Bedeutung sind insoweit, worauf der Kläger zu Recht hinweist, der Alimentationsgrundsatz und der Zweck der Ruhensregelung (Vorteilsausgleich).

Die Alimentation ist im Grundsatz ohne Rücksicht darauf zu gewähren, ob und inwieweit der Soldat/Beamte seinen Lebensunterhalt aus eigenem Vermögen oder aus Einkünften bestreiten kann, die nicht aus öffentlichen Kassen stammen. Das gilt aber nicht für Einkünfte aufgrund einer Erwerbstätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes, die der Beamte gerade deshalb ausüben kann, weil er vor der Vollendung des 65. Lebensjahres von seiner Dienstpflicht freigestellt ist. Mit anderen Worten: Lediglich Einkünfte, die ursächlich auf den Wegfall der Dienstleistungspflicht zurückzuführen sind, können in diesen Fällen auf die Versorgungsbezüge angerechnet werden. Der insoweit verfolgte Vorteilsausgleich rechtfertigt die Einschränkung des Prinzips, dass die Alimentation (Versorgung) ohne Rücksicht auf eigene Einkünfte zu gewähren ist (vgl. BVerwG vom 27.1.2005 NVwZ-RR 2005, 488; BVerwG vom 19.2.2004 Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 8; Bayer in Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG/BeamtVG, RdNr. 29 a zu § 53 BeamtVG). Dem entspricht es, dass § 53 Abs. 5 Satz 1 SVG /§ 53 Abs. 7 Satz 1 BeamtVG Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie aus Vermietung und Verpachtung nicht der Ruhensregelung unterwirft. Denn ein Soldat/Beamter kann derartige Einkünfte bereits während seiner aktiven Dienstzeit nach § 20 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 SG/§ 66 Abs. 1 Nr. 2 BBG genehmigungsfrei erzielen, selbst wenn es sich um ein größeres (Kapital- oder Grund-)Vermögen handelt, dessen Verwaltung einen als Nebentätigkeit zu wertenden Arbeitsaufwand erfordert (vgl. Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BBG, Rdnr. 13 zu § 66 BBG).

Der maßgebliche Einkommensteuerbescheid hat nach allem nur indizielle Bedeutung dafür, ob der Versorgungsempfänger ein auf die Versorgungsbezüge anzurechnendes Erwerbseinkommen im Sinn des § 53 Abs. 5 Satz 1 SVG erzielt hat (anders wohl Nr. 8.5.3 des Rundschreibens des Bundesministers des Innern vom 6.12.1991 Nr. D III 4-223 311-3/1 zur Regelung des § 53 a BeamtVG i.d.F. des BeamtVGÄndG vom 18.12.1989 BGBl I S. 2218. Danach soll die endgültige Feststellung des tatsächlich erzielten und im Rahmen der Ruhensregelung zu berücksichtigenden Erwerbseinkommens anhand des maßgeblichen Einkommensteuerbescheids erfolgen).

2. Das zugrunde gelegt ist dem Kläger im Jahr 2001 infolge der Auflösung der Ansparabschreibung (112.000 DM einschließlich Zinsen i.H.v. 2.000 DM) und der Erstattung zu viel gezahlter Sachkosten (73.916,29 DM, die in der Gewinnermittlung des Klägers nach § 4 Abs. 3 EStG für das Jahr 2001 als negative Kosten der Warenabgabe und damit einkommenserhöhend behandelt sind) kein Erwerbseinkommen im Sinn des § 53 Abs. 5 Satz 1 SVG zugeflossen. Für diese einkommensteuerrechtlich relevanten Einkünfte trifft der die Ruhensregelung rechtfertigende Gedanke des Vorteilsausgleichs nicht zu. Sie sind nicht ursächlich darauf zurückzuführen, dass die Dienstleistungspflicht des Klägers mit der Ruhestandsversetzung ab dem 1. Oktober 2000 entfallen ist. Sie haben ihren Grund vielmehr darin, dass der Kläger bereits in seiner aktiven Dienstzeit eine Nebentätigkeit als privat liquidierender Arzt am Bundeswehrkrankenhaus Ulm ausgeübt hat. Insoweit hat der Kläger die Ansparabschreibung in den Jahren 1999 und 2000 steuermindernd geltend gemacht und die für die Inanspruchnahme von Sachmitteln des Krankenhauses anfallenden (pauschalierten) Sachkosten entrichtet. Beide Einkünfte wären dem Kläger auch dann im Jahr 2001 zugefallen, wenn er nach seiner Pensionierung keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen wäre.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gibt es nicht (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 31.839,22 Euro festgesetzt (§ 72 Nr. 1, § 47 GKG).

Ende der Entscheidung

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