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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 02.05.2008
Aktenzeichen: 2 BV 07.2880
Rechtsgebiete: BauGB
Vorschriften:
BauGB § 30 | |
BauGB § 31 Abs. 2 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Erteilung einer Baugenehmigung an die Nachbarn;
hier: Berufung der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 14. August 2007,
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 2. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Scheder, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Kiermeir, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Priegl
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 24. April 2008
am 2. Mai 2008
folgendes Urteil:
Tenor:
I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 14. August 2007 wird abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 14. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberfranken vom 23. November 2006 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen je zur Hälfte. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte und die Beigeladene dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich mit der Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 14. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberfranken vom 23. November 2006, mit dem der Beigeladenen die Errichtung einer neuen Tiefgaragenzufahrt genehmigt wurde. Mit der Baugenehmigung, die Benutzungseinschränkungen enthält, wurde wegen der Überschreitung einer Baugrenze eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt.
Die Tiefgarage mit insgesamt 73 Stellplätzen befindet sich seit Mitte der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts auf dem Grundstück der Beigeladenen (Baugrundstück) und dient ganz überwiegend den Parkbedürfnissen der Kunden der Einzelhandelsbetriebe, die in dem Geschäftshaus der Beigeladenen selbst (sog. S*****haus) und auf benachbarten Grundstücken an der R.-W.-Straße untergebracht sind. Bisher ist die Tiefgarage - entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans der Beklagten Nr. 11/78 - nur von der am Baugrundstück im Norden vorbeiführenden R.-W.-Straße aus erreichbar. Die von den Klägern angefochtene Baugenehmigung gestattet der Beigeladenen nunmehr, den Tiefgaragenverkehr über eine im rückwärtigen Grundstücksbereich zu errichtende Rampe, den südlich angrenzenden G.-Weg und den R*******platz in die L.-Straße zu führen. Die zur Ermöglichung dieser Verkehrsführung erforderliche Inanspruchnahme von im Eigentum des Freistaats Bayern befindlichen Grundstücksflächen haben die Beklagte, die Beigeladene und der Freistaat Bayern bereits am 19. Januar 2005 mit einer notariell beurkundeten Vereinbarung geregelt.
Die Kläger sind Eigentümer des mittleren von drei aneinander gebauten Gebäuden aus der Markgrafenzeit, die von der L.-Straße aus nach Osten hin den R*******platz im Norden einfassen. Zwischen der Südostecke dieser Häuserzeile, der Nordwestecke des neuen Schlosses und der südlichen Grundstücksgrenze des Baugrundstücks beginnt der G.-Weg, der eine Verbindung vom R*******platz zum weiter östlich gelegenen Hofgarten in erster Linie für Fußgänger herstellt. Die Kläger machen unter anderem geltend, durch die Baugenehmigung werde das sich aus dem Bebauungsplan ergebende Erschließungskonzept "auf den Kopf" gestellt, weil eine "Nichtverkehrsfläche" in eine Verkehrsfläche umgewandelt werden würde. Die sich durch die neue Tiefgaragenzufahrt ergebende Verkehrsbelastung führe zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Grundstücks der Kläger. Die historische, denkmalgeschützte Bausubstanz ihres Anwesens sei dieser Verkehrsbelastung nicht gewachsen.
Die Kläger haben zunächst mit Erfolg die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres gegen die Baugenehmigung eingelegten Widerspruchs beantragt.
Ihre sodann erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht mit im wesentlichen folgender Begründung abgewiesen. Der dem Betrieb der Tiefgarage zuzurechnende Verkehrslärm (Beurteilungspegel) betrage am Anwesen der Kläger, das, wie das Baugrundstück im festgesetzten Kerngebiet liege, maximal 57 dB(A) und sei den Klägern daher zuzumuten. Die festgesetzte Baugrenze, von der Befreiung erteilt worden sei, vermittele keinen Nachbarschutz; das gelte auch für die festgesetzte Erschließung der Tiefgarage, von der mit der Baugenehmigung ohne Erteilung einer Befreiung abgewichen worden sei. Insoweit könnten die Kläger allenfalls die Einhaltung des Rücksichtnahmegebots beanspruchen. Dem sei aber durch die der Baugenehmigung beigefügten Nebenbestimmungen und wegen der Zumutbarkeit der Belästigungen durch Lärm und Abgase genügt. Auf die Einhaltung der Festsetzungen des Bebauungsplans für den Tiefgaragenverkehr hätten die Kläger nicht vertrauen können.
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgen die Kläger ihr Klagebegehren weiter. Sie wiederholen dabei im wesentlichen das Klagevorbringen und verweisen auf die zu ihren Gunsten ergangenen Entscheidungen im vorläufigen Rechtsschutzverfahren.
Die Beklagte und die Beigeladene sind der Berufung entgegengetreten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Örtlichkeit in Augenschein genommen.
In der mündlichen Verhandlung lassen die Kläger durch ihren Prozessbevollmächtigten beantragen,
in Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 14. August 2007 den Bescheid der Beklagten vom 14. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberfranken vom 23. November 2006 aufzuheben.
Sie nehmen Bezug auf den schriftlichen Vortrag und betonen den nachbarschützenden Charakter der Festsetzungen des einschlägigen Bebauungsplans für die Erschließung der Tiefgarage. Sie bezweifeln im Übrigen eine Notwendigkeit, deren Zufahrtsmöglichkeit zu verbessern, weil die Tiefgarage am nahe gelegenen "G***markt" über ungenutzte Kapazitäten verfüge.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vermag in den Festsetzungen des Bebauungsplans keine Nachbarschutzabsicht zu erkennen. Das Ziel der Planung, nämlich die Verkehrsberuhigung der R.W.-Straße, werde durch das Vorhaben der Beigeladenen besser verwirklicht. Die Stellplätze der Tiefgarage seien Einzelhandelsbetrieben mit einer Nettoverkaufsfläche von insgesamt ca. 2500 m² zugeordnet. Die Lärmentwicklung dürfe aber keinesfalls nach Tab. 33 Abteilung "kleiner Verbrauchermarkt" der Parkplatzlärmstudie (6. Aufl.) berechnet werden (Beurteilungspegel dann max. 64/dB(A)), weil dies keinerlei Bezug mehr zum tatsächlich zu erwartenden Parkverkehr aufweise. Schon die Berechnung nach Parkhäusern in der Innenstadt (Nr. 5.9 der Parkplatzlärmstudie) ergebe mit max. 57 db(A) einen in der Wirklichkeit wohl nicht zu erreichenden Beurteilungspegel. Richtig sei allerdings, dass die Tiefgarage durch entsprechende Beschilderung in das statische Parkleitsystem der Stadt einbezogen werden solle. Eine den Klägern nicht mehr zumutbare Lärmbeeinträchtigung werde nicht eintreten, weshalb auch das Rücksichtnahmegebot den Klägern gegenüber nicht verletzt sei.
Der Bevollmächtigte der Beigeladenen beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er nimmt Bezug auf seinen schriftlichen Vortrag und weist darauf hin, dass das Grundstück der Kläger demjenigen der Beigeladenen nicht unmittelbar benachbart sei.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschriften über den Augenschein und die mündliche Verhandlung sowie den Akteninhalt im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat Erfolg. Die angefochtene Baugenehmigung ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. In Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Urteils wird der Bescheid der Beklagten vom 14. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Oberfranken vom 23. November 2006 deshalb aufgehoben.
Der Verwaltungsgerichtshof hält an seiner bereits in den vorausgegangenen Eilverfahren dargelegten Auffassung fest, dass der Bebauungsplan Nr. 11/78 der Beklagten ("R******-W*****-Straße rückwärtige Erschließungsstraße") die Erschließung der Tiefgarage der Beigeladenen und der auf dem östlich benachbarten Grundstück vorgesehenen Stellplätze ausschließlich über die R.-W.-Straße festsetzt. Diese nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e und Abs. 1 Nr. 4 BBauG 1976 grundsätzlich statthafte Festsetzung (vgl. BVerwG v. 11.3.1977 Az. 4 C 32/76, juris), ergibt sich mit hinlänglicher Deutlichkeit aus der zeichnerischen Darstellung einer als öffentliche Verkehrsfläche ausgebildeten Zu- und Abfahrt von und zur R.W.-Straße, die nach Nr. 4.1 der dem Bebauungsplan beigefügten Begründung als "Einbahnschleife im Bereich S*****haus/W********" die über die vorhandenen Straßen vermittelte Erschließung ergänzt. Diese sog. Einbahnschleife wurde anstatt einer zunächst favorisierten und in zwei Hauptvarianten diskutierten "rückwärtigen Erschließungsstraße" festgesetzt. Auf deren Herstellung wurde laut Begründung zum Bebauungsplan wegen zu hoher Kosten verzichtet. Der Bebauungsplan, der im hier fraglichen Bereich weitgehend vorhandenen Baubestand überschreibt, ist nicht funktionslos geworden oder sonst außer Kraft getreten. Zwar ist die gewissermaßen das Kernstück der Planung bildende sog. Einbahnschleife bis heute nicht vollständig verwirklicht. Der Tiefgaragenparkverkehr von und zur R.-W.-Straße verläuft - durch eine Ampelanlage gesteuert - vollständig auf dem Baugrundstück. Die Fortführung über das östlich benachbarte Grundstück ist derzeit - wie beim Augenschein festzustellen war - durch ein Rolltor unterbrochen. Trotz des auf diesem Grundstück über die dort festgesetzte Baugrenze nach Süden verlängerten Baukörpers, dem im Bebauungsplan festgesetzte Stellplätze zum Opfer gefallen sind, lassen aber die nach dem der strittigen Baugenehmigung zu Grunde liegenden Lageplan dort noch vorhandenen Freiflächen die Verwirklichung der Planung auch insoweit grundsätzlich zu. Die Beklagte selbst geht im Übrigen von der Wirksamkeit des Bebauungsplans aus, wie die zur Errichtung der Tiefgaragenrampe mit der strittigen Baugenehmigung erteilte Befreiung von der rückwärtigen Baugrenze zeigt. Die bloße Absicht der Beklagten, nunmehr eine andere Planungskonzeption zu verfolgen, reicht für die Annahme der Funktionslosigkeit des Bebauungsplans nicht aus (vgl. BVerwG v. 17.6.1993 Az. 4 C 7/91, juris).
Mit der Festsetzung der Erschließung von Tiefgarage und oberirdischen Stellplätzen nur über die R.-W.-Straße wollte der Plangeber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs (auch) Drittschutz vermitteln, und zwar, wie zahlreichen Äußerungen der Beklagten im Planaufstellungsverfahren entnommen werden kann, den Anliegern an der Zufahrt zum G********weg. Bereits anlässlich eines 1974 wieder eingestellten Planverfahrens für eine rückwärtige Erschließungsstraße hatte die Beklagte der Regierung von Oberfranken (u.a.) mitgeteilt, dass die zum Hofgarten hin gelegenen Bereiche der Grundstücke an der R.-W.-Straße für die Anordnung hochwertiger Wohnungen geeignet seien; ein Planungsziel, das nur erreicht werden könne, wenn auf die rückwärtige Erschließungsstraße verzichtet würde. Auch so lange die Beklagte im Laufe des Aufstellungsverfahrens zum Bebauungsplan 11/78 eine rückwärtige Erschließungsstraße - abermals und noch - plante, war ein Anschluss des Grundstücks der Beigeladenen, wie des östlich benachbarten Grundstücks, über den G********weg an die L*****straße als grundsätzlich unerwünscht behandelt worden. So äußerte sich der Oberbürgermeister der Beklagten bei einer Bürgerversammlung am 30. Oktober 1978 zu dem Vorschlag, die Zufahrt zu den Parkplätzen K***** (Baugrundstück) von der L*****straße her zu ermöglichen dahin, dass die angesprochene Zufahrt von der L*****straße zum G********weg nicht machbar sei, dieser Teil des liebenswerten Bayreuth könne dem Verkehr nicht geopfert werden. Zu einem weiteren Vorstoß der (damaligen) Eigner des Baugrundstücks zur Anbindung an die L*****straße über den G********weg nahm die Beklagte am 7. Januar 1980 dahin Stellung, dass die Durchführung der rückwärtigen Erschließungsstraße über den G********weg entsprechend der früheren Vorgänge indiskutabel sei.
Während des nach dem ausdrücklichen Verzicht auf die rückwärtige Erschließungsstraße fortgeführten Planaufstellungsverfahrens erachtete die Beklagte eine "Ausfahrt G********weg und Inanspruchnahme R***" als "unangemessene Verlagerung der Probleme auf andere Grundstücke/Bereiche" (Stellungnahme v. 9.2.1981). Auf das Verlangen des Oberbürgermeisters der Beklagten vom 21. Oktober 1981, eine Planskizze vorzulegen, aus der sich eine "Zufahrtsmöglichkeit über den G********weg zu den Parkplätzen ergibt", stellte das Stadtplanungsamt mit Vermerk vom 27. Oktober 1981 unter Hinweis auf einen Bauausschussbeschluss vom 25. Januar 1977, mit dem ein seinerzeitiger Antrag, die Ausfahrt vom Baugrundstück mit Fahrzeugen über den G********weg zuzulassen, abgelehnt worden war, zusammenfassend fest, dass "die Zufahrt über den G********weg keinerlei Verbesserung mit sich bringt, sondern die Probleme nur in einen bisher ungestörten Bereich verlagern würde". Bei einer weiteren Bürgeranhörung äußerte sich der Oberbürgermeister der Beklagten nach einem Zeitungsbericht vom 8. Dezember 1981 dahin, dass "auf lange Sicht nicht auszuschließen sei, dass man dieses Problem" (wegen der schmalen Zufahrt) "doch mit einer Parkplatzzufahrt über den G********weg löst - trotz allem, was aus der Sicht des Denkmalschutzes, des Umweltschutzes und der Anlieger dagegen spricht - aber zunächst müsste die vorgesehene Schleife ausreichen, um die immer wieder kritisierten Probleme aus der Welt zu schaffen". Die dem Satzungsbeschluss vom 16. Juni 1982 vorausgegangene Prüfung der Bedenken und Anregungen enthält schließlich die Aussage, dass "die alternative Zufahrt vom G********weg aus keine sachgerechte Abwägung" darstelle, weil der "Verkehr" von einer "jahrhundertealten" Verkehrsfläche (der R******-W*****-Straße) in einen bisher unbelasteten Bereich verlegt würde.
Die Verbindung der L*****straße im nördlichen Bereich des R*******platzes mit dem G********weg war, wie der G********weg selbst, zum Zeitpunkt der Planaufstellung und des Satzungsbeschlusses als Eigentümerweg im Sinn von Art. 53 BayStrWG dem öffentlichen Verkehr beschränkt auf Fußgänger gewidmet (ausgenommen Anlieger- bzw. Anlieferverkehr). Der Bebauungsplan setzt diese Flächen dementsprechend als Fußgängerbereich ohne allgemeinen Fahrverkehr fest.
Inzwischen hat der Pkw-Verkehr auf der R.-W.-Straße zur Tiefgarage - wie beim Augenschein festzustellen war - wohl (auch) wegen der Ausweitung des Fußgängerzonenbereichs im Umgriff des S****platzes in Richtung M**straße, O****straße und L*****straße eher abgenommen. Die bei der Planung vorgefundene bevorzugte Lage ("Teil des liebenswerten Bayreuth") im Bereich des R*******platzes und des G********wegs, von der auch die Kläger profitieren, ist nach alledem bis heute weitgehend erhalten geblieben. Trotz des festgesetzten Kerngebiets gehört das Grundstück der Kläger zu jenem bisher von Verkehr unbelasteten Bereich, den der Plangeber nicht mit zusätzlichem Verkehr, auch und gerade nicht mit dem Parkverkehr des sog. S*****hauses beeinträchtigen wollte.
Angesichts dieses eindeutigen Ergebnisses der Bauleitplanung und des durch diese Planung offentlich begünstigten Personenkreises, der sich von der Allgemeinheit unterscheidet, nämlich der Anlieger am G********weg und seiner Verbindung zur L*****straße, kommt der Verwaltungsgerichtshof zu dem Schluss, dass die Festsetzung zur Erschießung der Tiefgarage auf dem Baugrundstück - zumindest auch - dem individuellen Schutz der Kläger zu dienen bestimmt ist, deren Nachbareigenschaft im rechtlichen Sinn nicht etwas dadurch in Frage gestellt ist, dass ihr Grundstück unmittelbar nur an die strittige Zufahrt und nicht auch an das Baugrundstück selbst angrenzt (vgl. BVerwG v. 19.9.1986 Az. 4 C 8/84 juris). Die Schutzwirkung dieser Festsetzung ist durchaus derjenigen vergleichbar, die etwa nach § 12 Abs. 2 BauNVO insbesondere den Nachbarn im unmittelbaren Einwirkungsbereich der Stellplätze und Garagen zu Gute kommt (vgl. BVerwG v. 16.9.1993 DVBl 1994, 284/286).
Wie schon das Verwaltungsgericht feststellte, wurde von dieser Festsetzung mit der strittigen Baugenehmigung keine Befreiung erteilt. Die wegen Überschreitens der rückwärtigen Baugrenze durch die Errichtung der Rampe erteilte Befreiung sollte und konnte keine Entscheidung nach § 31 Abs. 2 BauGB auch über die Abweichung von der plangemäßen Erschließung der Tiefgarage sein. Somit erweist sich die Baugenehmigung wegen Verstoßes gegen § 30 BauGB als - objektiv - rechtswidrig (vgl. BVerwG v. 6.10.1989 Az. 4 C 14/87, juris). Der nachbarliche Drittschutz, den die Erschließungsfestsetzung vermittelt, erlaubt den Klägern, diese Verletzung objektiven Rechts geltend zu machen (vgl. BVerwG v. 23.8.1996 DVBl 1997, 61/63). Sie werden durch die Baugenehmigung, die die Tiefgaragenzufahrt entgegen der auch ihrem Schutz dienenden Festsetzung des Bebauungsplans über den G********weg und den nördlichen Bereich des R*******platzes zur L*****straße gestatten will, in ihren Rechten verletzt und haben deshalb nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO Anspruch auf Aufhebung dieser Genehmigung (vgl. BVerwG v. 6.10.1989 a.a.O. v. 8.7.1998 Az. 4 B 64/98, juris).
An diesem Ergebnis würde sich nichts ändern, wollte man der einschlägigen Erschließungsfestsetzung des Bebauungsplans keinen Drittschutzcharakter beimessen. Unabhängig davon, ob am Anwesen der Kläger bei Realisierung des Vorhabens der Beigeladenen mit einem Beurteilungspegel von max. 57 dB(A) oder sogar von 64 dB(A) zu rechnen wäre, unterläge die angefochtene Baugenehmigung nämlich in diesem Fall wegen eines Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot zu Lasten der Kläger der Aufhebung.
Die Beklagte hat sich den für eine Baugenehmigungsbehörde grundsätzlich unverzichtbaren Blick auf die mögliche Betroffenheit der Kläger als Nachbarn bereits vor der Entscheidung über die von der Beigeladenen beantragte Baugenehmigung verstellt. Wie der Inhalt des mit ausdrücklicher Billigung ihres Bauausschusses zustandegekommenen Vertrags zwischen ihr, der Beigeladenen und dem Freistaat Bayern vom 19. Januar 2005 augenfällig werden lässt, befürwortete (auch) die Beklagte "inzwischen" die Verlegung der bisherigen Tiefgaragenzufahrt über die L*****straße und den G********weg und verpflichtete sich, die Straßenbaulast und Verkehrssicherungspflicht an der (im Eigentum des Freistaates Bayern befindlichen) neuen Zufahrt zu übernehmen und mit entsprechender Änderung der Widmung einen allgemeinen Personenkraftverkehr zuzulassen. Der Vertrag ("nachbarrechtliche Regelung") diente der "rechtlichen Regelung" der künftigen Tiefgaragen-Zufahrt und ihrer tatsächlichen Durchführbarkeit. Dass die Beklagte bei der folgenden Erteilung der Baugenehmigung Belange der von der geänderten Zufahrt betroffenen Nachbarschaft für nicht weiter beachtenswert hielt, nimmt da nicht Wunder.
Das Verwaltungsgericht ist bei seiner im Rahmen der Prüfung der Einhaltung des Rücksichtnahmegebots vorgenommenen Interessenabwägung dem Gewicht der klägerischen Belange nicht hinreichend gerecht geworden. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 6.10.1989 a.a.O.) billigt es den Klägern, die sich auf die Festsetzungen des Bebauungsplans berufen können, zwar einen "gewissen Vorrang" zu. Diesen Vorrang relativiert das Verwaltungsgericht aber unter Hinweis auf die die Schwelle der Unzumutbarkeit im Kerngebiet nicht überschreitende Lärm- und Abgasbeeinträchtigung. Ferner meint es, das Konzept des Bebauungsplans werde durch die Baugenehmigung nicht erheblich beeinträchtigt. Letztere Einschätzung erweist sich indessen angesichts des oben dargelegten Ergebnisses des (langwierigen) Planungsprozesses, nämlich der Freihaltung des Bereichs zwischen G********weg und L*****straße vom Parkverkehr, als nicht tragfähig. Auch das bloße Abstellen auf den festgesetzten Gebietscharakter für das Maß des den Klägern Zumutbaren berücksichtigt deren tatsächliche Grundstückssituation nicht hinreichend (vgl. etwa BVerwG v. 7.12.2000 Az. 4 C 3/00, juris). Schließlich ist nicht ersichtlich, welches anerkennenswerte Bedürfnis der Beigeladenen es durch die beabsichtigte Änderung der seit über 30 Jahren genutzten Erschließung der Tiefgarage zu befriedigen gilt.
Deshalb überwiegt nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs das Vertrauen der Kläger auf den Fortbestand der durch die Festsetzungen des Bebauungsplans gewährleisteten Freihaltung des Bereichs vor ihrem Grundstück von Parkverkehr auf dem Grundstück der Beigeladenen deutlich das Interesse der Beigeladenen an einer Verbesserung der Erreichbarkeit ihrer Tiefgarage. Nach Lage der Dinge ist den Klägern die Zulassung des Parkverkehrs über den G********weg zur L*****straße - jedenfalls ohne Änderung der einschlägigen Festsetzungen des Bebauungsplans - nicht zuzumuten (vgl. BVerwG v. 19.9.1986 a.a.O.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Beschluss:
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren bis zur Verbindung der Streitsachen auf je 7.500 Euro, für die Zeit danach auf insgesamt 15.000 Euro festgesetzt (§ 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 47, § 39 Abs. 1 GKG).
Ende der Entscheidung
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