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Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof
Urteil verkündet am 26.01.2009
Aktenzeichen: 2 N 08.124
Rechtsgebiete: VwGO, BauGB, GO
Vorschriften:
VwGO § 47 | |
BauGB § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 | |
GO Art. 52 Abs. 2 Satz 1 |
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Im Namen des Volkes
In der Normenkontrollsache
wegen Gültigkeit der Satzung über ein besonderes Vorkaufsrecht vom 9. Januar 2007;
erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 2. Senat,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Scheder, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Kiermeir, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Priegl
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 16. Januar 2009
am 26. Januar 2009
folgendes Urteil:
Tenor:
I. Die "Satzung über ein besonderes Vorkaufsrecht der Stadt Wunsiedel von Grundstücken im nördlichen, westlichen und südwestlichen Umfeld der Parkplätze der Luisenburg vom 9. Januar 2007" ist unwirksam.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht zuvor die Antragsteller Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Antragsteller begehren die Unwirksamerklärung der Satzung der Antragsgegnerin "über ein besonderes Vorkaufsrecht von Grundstücken im nördlichen, westlichen und südwestlichen Umfeld der Parkplätze der Luisenburg". Die Antragsteller sind Eigentümer von schmalen Waldgrundstücken, die im Geltungsbereich dieser Satzung westlich der Zufahrt zu dem Festspielgelände liegen.
Der Stadtrat der Antragsgegnerin beschloss in nichtöffentlicher Sitzung am 8. Januar 2007, städtebauliche Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssituation im Bereich des Festspielgeländes in Betracht zu ziehen. Zur Sicherung einer dortigen geordneten städtebaulichen Entwicklung beschloss der Stadtrat der Antragsgegnerin am gleichen Tag in (ebenfalls) nichtöffentlicher Sitzung die strittige Satzung über ein besonderes Vorkaufsrecht nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB. Die Satzung wurde in der "Frankenpost" vom 11. Januar 2007 amtlich bekannt gemacht.
Die Antragsteller machen im Wesentlichen geltend, die Antragsgegnerin verfolge weder hinreichend konkrete Maßnahmen noch bestehe ein anerkennenswertes Sicherungsbedürfnis. Weil die Waldgrundstücke der Antragsteller nicht baulich nutzbar seien, könne ihre Veräußerung auch keine nachteiligen Auswirkungen auf von der Antragsgegnerin ohnehin nicht ernsthaft in Betracht gezogene Maßnahmen haben. Im Übrigen sei nicht einzusehen, warum die Antragsgegnerin für einen etwaigen Ausbau der Zufahrt zu den Parkplätzen nicht das östlich der vorhandenen Straße gelegene, in ihrem Eigentum befindliche Grundstück in Anspruch nehme.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift und den Akteninhalt im Übrigen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO statthaften Normenkontrollanträge sind zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schafft die Gemeinde mit der Satzung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB die gesetzliche Grundlage, deren es bedarf, um in das Privatrechtsverhältnis eingreifen zu dürfen, das durch den Kaufvertrag zwischen dem Grundstückseigentümer und einem Dritten geschaffen wird. Durch das Vorkaufsrecht wird die Rechtssphäre beider Vertragspartner tangiert (vgl. BVerwG v. 14.4.1994 Az. 4 B 70/94, juris). Die Antragsteller können wegen der Möglichkeit, dass ihnen ein neuer selbständiger Vertrag aufgezwungen wird, im Sinn von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO geltend machen, in ihren Rechten verletzt zu sein (vgl. Paetow in Berliner Kommentar, BauGB, RdNr. 14 zu § 25).
Die Anträge sind auch begründet. Die Satzung der Antragsgegnerin über ein besonderes Vorkaufsrecht ist unwirksam.
Zum einen wurde die Satzung unter Verstoß gegen Art. 52 Abs. 2 Satz 1 GO in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen. Anhaltspunkte dafür, dass Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche einzelner den Ausschluss der Öffentlichkeit erfordert hätten, sind nicht zu erkennen. Als Grundstücksangelegenheit im Sinn der Geschäftsordnung der Antragsgegnerin, über die regelmäßig in nichtöffentlicher Sitzung zu beschließen ist, mag die Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts anzusehen sein. Die Beratung und Beschlussfassung zur Schaffung der rechtlichen Grundvoraussetzung hierfür zur Sicherung städtebaulicher Maßnahmen entbehrt aber jeden Geheimhaltungsinteresses. Es ist kein anerkennenswerter Grund dafür ersichtlich, warum der Öffentlichkeit die Absicht der Antragsgegnerin nicht zugänglich gemacht werden sollte, zur Verbesserung der Erschließungssituation des Festspielgeländes städtebauliche Maßnahmen in Betracht zu ziehen und sich hierfür der Sicherungsmaßnahme des § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB zu bedienen. Diese Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes stellt einen gravierenden Verstoß gegen tragende Verfahrensprinzipien der Kommunalverfassung dar, der die Ungültigkeit des Satzungsbeschlusses zur Folge hat (vgl. OVG Schleswig v. 23.5.2003 NVwZ-RR 2003, 774; VGH Mannheim v. 20.7.2000 NVwZ-RR 2001, 462/463; OLG Saarbrücken v. 26.1.1973 FSt. 1974 RdNrn. 278; Wachsmuth in Schulz/Wachsmuth/Zwick, Kommunalverfassungsrecht Bayern, 2007, Nr. 5.3 zu Art. 52 GO; Hölzl/Hien Anm. 2 zu Art. 52 GO; a.A. Widtmann/Grasser, RdNr. 14 u. Bauer/Böhle/Masson/Samper, RdNr. 9 zu Art. 52 GO, jeweils unter Hinweis auf BayVGH v. 23.11.1906, 28. Band 1907, S. 11).
Zum anderen lagen auch die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB für den Satzungserlass nicht vor. Die Antragsgegnerin hat weder (ernsthaft) städtebauliche Maßnahmen für das Satzungsgebiet in Betracht gezogen, noch bedurfte es hier der Sicherung etwaiger Maßnahmen durch Begründung eines Vorkaufsrechts.
Zwar ist der Begriff der städtebaulichen Maßnahmen weit zu verstehen; förmlich konkretisierte Planungsabsichten müssen noch nicht vorliegen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Maßnahmen der Verwirklichung von Planungsvorstellungen mit städtebaulichem Bezug dienen (vgl. BVerwG v. 14.4.1994 Az. 4 B 70/94, juris). Dazu ist wenigstens ein Minimum an Konkretisierung der Maßnahmen für ein bestimmtes Gebiet zu verlangen (vgl. OVG Münster v. 28.7.1997 Az. 10a D 31/97.NE, juris). Daran fehlt es hier.
Aus den vorgelegten Akten ersichtliche Redebeiträge der Stadtratsmitglieder der Antragsgegnerin in den nicht öffentlichen Sitzungen belegen, dass die Notwendigkeit der Verbesserung der Erschließungssituation des Festspielgeländes zwar allgemein anerkannt, die Art und Weise einer Problemlösung und ein zeitlicher Rahmen hierfür aber als auch nicht ansatzweise absehbar eingeschätzt wurde. Vor allem mit Rücksicht auf die noch unbekannte, aber ausstehende Neutrassierung der Bundesstraße 303 war sich der Stadtrat der Antragsgegnerin darin weitgehend einig, dass über eine Änderung der Zufahrt zum Festspielgelände derzeit noch keine konkreten Überlegungen angestellt werden könnten. Damit fehlte es auch an einer (Grund-)Erwägung des Stadtrats dazu, ob es sich angesichts der örtlichen Situation überhaupt als erforderlich erweisen könnte, Privatgrundstücke anstatt Eigentum der Antragsgegnerin selbst für etwa herzustellende Verkehrsflächen in Anspruch nehmen zu müssen.
Selbst wenn man es als eine hinreichend konkrete, von der Antragsgegnerin in Betracht gezogene (städtebauliche) Maßnahme ansehen könnte, die Erschließung des Festspielgeländes irgendwann einmal unter Inanspruchnahme von Privatgrundstücken zu verbessern, hätte es hierfür einer Sicherung durch Begründung eines Vorkaufsrechts nicht bedurft. Dieses Planungsziel hätte nämlich durch etwaige Veräußerungsgeschäfte im Geltungsbereich der Vorkaufssatzung nicht nachteilig beeinflusst werden können (vgl. BVerwG v. 15.2.2000 Az. 4 B 10/00, juris). Die fraglichen, überwiegend bewaldeten Grundstücke sind als im Außenbereich nach § 35 BauGB und überdies in der Schutzzone der Verordnung über den "Naturpark Fichtelgebirge" vom 26. Juli 1990 (GVBl S. 309) gelegen einer (weiteren) Bebauung grundsätzlich nicht zugänglich. Verkaufsbedingte Wertsteigerungen, die einen etwa notwendig werdenden Eigentumserwerb durch die Antragsgegnerin erschweren hätten können, wären bei einer Veräußerung dieser Grundstücke deshalb nicht zu erwarten gewesen. Andere Sicherungsgründe sind von der Antragsgegnerin weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Nach § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Nr. 1 der Entscheidungsformel ebenso veröffentlichen wie die Rechtsvorschrift bekannt zu machen wäre.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf insgesamt 30.000 Euro festgesetzt (§ 52 Abs. 1 und 7 GKG).
Ende der Entscheidung
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